TE OGH 1989/5/24 1Nd5/89

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Veröffentlicht am 24.05.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Friedrich Wilhelm K***, Strafgefangener, Mittersteig 25, 1050 Wien, vertreten durch Dr. Helmut Mühlgasser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1./ R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1010 Wien, 2./ Ingrid B***, Hypothekarkreditvermittlerin, Hirschenweg 16, 1060 Wien, vertreten durch Dr. Kurt Janek, Rechtsanwalt in Wien, 3./ Anna K***, Haushälterin, Rudolf Zellergasse 38-60/3/12, 1238 Wien, vertreten durch Dr. Helmut Berger, Rechtsanwalt in Wien, 4./ Dr. med. Gerhard K***, Universitätsprofessor, Hadikgasse 26/2, 1140 Wien, vertreten durch Dr. Manfred Lampelmayer, Rechtsanwalt in Wien, 5./ Christian M***, Oberrevident der Finanzverwaltung, Auhofstraße 231/13, 1130 Wien, vertreten durch Dr. Karl Leutgeb, Rechtsanwalt in Wien, 6./ Dr. med. Carl S***, Facharzt für gerichtliche Medizin und Universitätsassistent, Albertplatz 6, 1080 Wien, vertreten durch Dr. Ernst Pammer, Rechtsanwalt in Wien, wegen zu 1./ 1,109.000 S s.A. und zu 1./ bis 6./ Feststellung (Streitwert je 301.000 S), AZ 53 a Cg 1052/86 des Landesgerichtes für ZRS Wien, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Antrag des Klägers, gemäß § 9 Abs. 5 AHG anstelle des Oberlandesgerichtes Wien für das Verfahren über die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 20. Februar 1989 (ON 77) und über den Rekurs des Klägers gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 20.März 1989 (ON 81) das Oberlandesgericht Innsbruck zu bestimmen, wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Mit Urteil des Geschwornengerichtes beim Kreisgericht Korneuburg vom 18. Dezember 1984 wurde der Kläger des Verbrechens des Mordes an Dr. Viktor Franz P*** nach § 75 StGB schuldig erkannt. Der Oberste Gerichtshof verwarf mit Urteil vom 2.Juli 1986 die gegen dieses Urteil erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und erhöhte in Stattgebung der Berufung der Staatsanwaltschaft Korneuburg die über den Kläger verhängte Freiheitsstrafe von 20 Jahren auf lebenslange Freiheitsstrafe.

Der Kläger - vormals Richter - brachte zu seinem Amtshaftungsschadenersatz- und -feststellungsbegehren vor, Organe der Republik Österreich hätten im erwähnten Strafverfahren teils vorsätzlich, teils fahrlässig Rechtsverletzungen begangen, welche für die fehlerhafte Verurteilung des Klägers wegen des Verbrechens des Mordes kausal gewesen seien. Es seien entscheidungswesentliche Beweismittel in Verlust geraten, die Geschwornenbank sei mit anderen als den dafür nach den gesetzlichen Bestimmungen vorgesehenen Personen besetzt worden, gegen den Grundsatz auf Gewährleistung eines "fair trial" sei mehrfach verstoßen worden, die Geschwornen hätten sich über wesentliche, zu Gunsten des Klägers sprechende Verfahrensergebnisse in ihrer Beweiswürdigung hinweggesetzt, der Schwurgerichtshof sei mit zum Teil ausgeschlossenen Richtern besetzt gewesen, selbst im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof sei es zu Rechtsverletzungen gekommen.

Das gemäß § 9 Abs. 1 AHG zuständige Landesgericht für ZRS Wien wies mit Urteil vom 20.Februar 1989 (ON 77) das Klagebegehren und mit Beschluß vom 20.März 1989 (ON 81) einen weiteren Antrag des Klägers auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ab. Nach Erhebung von Berufung und Rekurs gegen diese Entscheidungen beantragte der Kläger, für das Verfahren über diese beiden Rechtsmittel statt des Oberlandesgerichtes Wien das Oberlandesgericht Innsbruck zu bestimmen, weil der seinerzeitige Vorsitzende des Geschwornengerichtes beim Kreisgericht Korneuburg Dr. Gunther R***, aus dessen Verhalten ua der Amtshaftungsanspruch abgeleitet werde, nunmehr seit 1986 Richter des Oberlandesgerichtes Wien sei und nach dem Zweck des § 9 Abs. 5 AHG auch nur der äußere Anschein einer Befangenheit der am selben Gericht tätigen erkennenden Richter (des Berufungssenates) vermieden werden solle.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Antrag ist nicht berechtigt.

Gemäß § 9 Abs. 5 AHG ist anstelle des gemäß § 9 Abs. 1 AHG an sich ausschließlich zuständigen Gerichtes, in dessen Sprengel die behauptete Rechtsverletzung begangen wurde, ein anderes zu bestimmen, wenn der Ersatzanspruch aus einer Verfügung des Präsidenten oder einer Entscheidung eines Gerichtshofes erster oder zweiter Instanz abgeleitet wird, die für den Amtshaftungsprozeß nach den Bestimmungen des AHG unmittelbar oder im Instanzenzug zuständig wären. Mit dieser Vorschrift soll vermieden werden, daß die in erster und zweiter Instanz in Amtshaftungssachen zuständigen Gerichte mit den vom Amtshaftungstatbestand betroffenen Gerichten ident sind. Zutreffend sieht auch der Kläger den Sinn dieser Bestimmung darin, daß alle betroffenen Gerichte, aus deren Verhalten ein Amtshaftungsanspruch abgeleitet wird, von der Entscheidung über den Anspruch ausgeschlossen sein sollen; Richter eines Gerichtshofes sollen nicht über Amtshaftungsansprüche erkennen, die ein Verhalten irgendeines Mitgliedes desselben Gerichtshofes zum Gegenstand haben (Loebenstein-Kaniak AHG2, 231). Das behauptete rechtswidrige und schuldhafte Verhalten setzte Dr. Gunther R*** aber nicht als Richter des Oberlandesgerichtes Wien, sondern als Richter des Kreisgerichtes Korneuburg, also nicht desselben Gerichtes, das nun an sich als Rechtsmittelgericht berufen ist. Fälle, in denen ein Richter des betroffenen Gerichtes später zu einem Gericht ernannt wird, das in erster oder zweiter Instanz über die Amtshaftungsklage zu entscheiden hat, hat § 9 Abs. 5 AHG nicht im Auge; es kommt vielmehr darauf an, aus der Entscheidung welchen Gerichtshofes der Amtshaftungsanspruch abgeleitet wird. Die Voraussetzungen für die - auch nur analoge - Anwendung des § 9 Abs. 5 AHG zur Bestimmung eines anderen Rechtsmittelgerichtes anstelle des Oberlandesgerichtes Wien (das in dieser Sache schon mehrfach als Rechtsmittelgericht entschieden hat) liegen nicht vor.

Anmerkung

E17220

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0010ND00005.89.0524.000

Dokumentnummer

JJT_19890524_OGH0002_0010ND00005_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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