TE OGH 1989/5/24 9ObA135/89 (9ObA136/89)

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Veröffentlicht am 24.05.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Kurt Resch und Anton Liedlbauer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Patrick R***, Oberperfuss, Völsesgasse 63, vertreten durch Dr. Harald Rittler und Dr. Johannes Hohenbühel, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei K*** FÜR A*** UND A*** FÜR T***, Innsbruck, Maximilianstraße 7, vertreten durch DDr. Hubert Fuchshuber, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Anfechtung einer Kündigung (Streitinteresse 600.000 S), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. März 1989, GZ 5 Ra 36, 37/89, womit der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 31. Jänner 1989, 1 a Nc 3/89, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß er zu lauten hat:

"Dem Antrag der beklagten Partei auf Ablehnung der Richterin Dr. Elisabeth M*** wird stattgegeben".

Die Rekurskosten sowie die Kosten des Revisionsrekurses sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrt die Aufhebung der von der beklagten Partei am 28. September 1988 ausgesprochenen Kündigung seines Dienstverhältnisses wegen sittenwidrigen Motivs und Sozialwidrigkeit. Am 29. September 1988 sei ihm ein Schreiben zugegangen, in dem ihm mitgeteilt worden sei, daß die Personalkommission der beklagten Partei in der Sitzung vom 12. September 1988 beschlossen habe, das Dienstverhältnis zu kündigen. Er sei zwar der Auffassung, daß diese Mitteilung den Erfordernissen einer Kündigung nicht entspreche, fechte jedoch eine allenfalls darin gelegene Kündigungserklärung vorsorglich an. Die Kündigung erfolge nur deshalb, weil der Kläger berechtigte Ansprüche aus dem Dienstverhältnis geltend gemacht habe. Den von der beklagten Partei ergriffenen Maßnahmen seien bereits verbale Attacken des Kammeramtsdirektors gegen den Kläger, eine schikanöse Verzögerung der Refundierung der Kosten von Dienstreisen und die wochenlange Verweigerung der Auszahlung von Überstundenentgelt vorangegangen. Das Bestreben der beklagten Partei, das Dienstverhältnis des Klägers aufzulösen, habe seine Ursache nur darin, daß seine Position mit einem Mitglied des ÖAAB besetzt werden solle. Die Kündigung beeinträchtige wesentliche Interessen des Klägers, da er im Fall der Auflösung des Dienstverhältnisses nicht mehr über das Einkommen verfügen würde, das ihm die Aufrechterhaltung seiner bisherigen Lebensführung ermögliche. Es wäre für ihn unmöglich, einen gleichwertigen Dienstposten zu finden. Zum Beweis für sein umfangreiches Vorbringen bot der Kläger u.a. die Zeugen Dr. Peter W***, Dr. Jürgen B***, Dr. Günther K***, Dr. Peter K***, Barbara H***, Jörg H***, Dr. Elisabeth A*** und Dr. Andreas W*** an.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und bestritt die Klagsbehauptungen. Mit dem Kläger habe es immner wieder Schwierigkeiten gegeben, weil er nicht bereit gewesen sei, sich in die allgemeine Dienstordnung und in den Dienstablauf einzufügen. Die Kündigung sei nicht sozial ungerechtfertigt, weil der alleinstehende Kläger aus anderen Quellen über Einkünfte verfüge, die ihm einen relativ aufwendigen Lebensstandard ermöglichten. Er sei auch ohne Schwierigkeiten in der Lage, eine andere adäquate Stelle zu finden. Vor Eingehen in die mündliche Streitverhandlung gab die Vorsitzende des nach der Geschäftsverteilung des Landesgerichtes Innsbruck zur Entscheidung in dieser Arbeits- und Sozialrechtssache zuständigen Senates Dr. Elisabeth M***-G***, bekannt, daß sie den Kläger aus der gemeinsamen Rechtspraktikantenzeit kenne und mit ihm das Du-Wort pflege. Weiters sei sie mit den oben angeführten Zeugen per Du, wobei Dr. K*** zu ihrem nächsten Freundeskreis gehöre und sie auch mit Dr. K*** näher befreundet sei. Ungeachtet dieser Umstände halte sie einen Befangenheitsgrund nicht für gegeben; sie sei durchaus in der Lage, das Verfahren sachlich und objektiv zu führen.

Die beklagte Partei erklärte hierauf, die Vorsitzende des Senates wegen Befangenheit abzulehnen. Diese sei nicht nur mit Zeugen näher bekannt, sondern es falle besonders ins Gewicht, daß sie in einem sehr engen Naheverhältnis zum Rechtsanwalt Dr. M*** stehe, den eine enge Nahebeziehung mit Dr. Jürgen B*** verbinde, der seinerseits wieder ein Naheverhältnis zum Kläger unterhalte. Die beklagte Partei halte deshalb die Unbefangenheit der Vorsitzenden nicht für gegeben.

Das Erstgericht wies den Ablehnungsantrag zurück. Persönliche Beziehungen der Vorsitzenden zu Dr. M*** könnten schon deshalb keine Befangenheit begründen, weil Dr. M*** an dem Verfahren weder als Partei noch als Zeuge beteiligt sei. Dr. M***-G*** habe sich nicht für befangen erachtet; die beklagte Partei habe das Vorliegen von Gründen, die die Annahme einer Befangenheit rechtfertigen könnten, nicht glaubhaft gemacht. Die bloße Bekanntschaft oder Freundschaft der Vorsitzenden mit Personen, die im Verfahren als Zeugen zu vernehmen seien, reiche nicht aus, um ihre Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 30.000 S übersteige. Allein daraus, daß die Vorsitzende mit dem Kläger aus einer früheren Berufszusammenarbeit bekannt sei und das Du-Wort pflege, könne eine Befangenheit nicht geschlossen werden, zumal sie derzeit zu ihm nicht in einem näheren Kontakt stehe. Daß ein Richter zu einem Zeugen in einer freundschaftlichen Beziehung stehe, begründe nicht die Besorgnis einer Befangenheit, wenn nicht darüber hinausreichende Umstände vorliegen, die geeignet seien, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen; solche Umstände lägen jedoch nicht vor. Im übrigen habe die beklagte Partei ihre Ablehnung nicht auf ein zwischen der Vorsitzenden und einigen Zeugen bestehendes Naheverhältnis gestützt. Daß zwischen der Vorsitzenden und Dr. M*** eine über oft vorkommende gesellschaftlichen Kontakte hinausreichende persönliche Beziehung bestehe und Dr. M*** ein Nahe- bzw. Freundschaftsverhältnis zu Dr. B*** und zu anderen in dieser Rechtssache namhaft gemachten Zeugen unterhalte, könne schon deshalb eine Befangenheit nicht hervorrufen, weil die Vorsitzende selbst weder zum Kläger noch zu Dr. B*** eine so tiefe persönliche Bindung habe, daß daraus eine Befangenheit im Sinne einer Hemmung einer unparteiischen Entschließung durch unsachliche psychologische Motive befürchtet werden müßte. Allein die Tatsache, daß ein Richter eine tiefere persönliche Beziehung zu einem Dritten unterhalte, der wiederum in einem Freundschaftsverhältnis zu einem Zeugen stehe, welcher mit einer Prozeßpartei in einem Naheverhältnis verbunden sei, könne es nicht rechtfertigen, die Unbefangenheit des Richters in Zweifel zu ziehen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Ablehnungsantrag stattgegeben werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist gemäß § 24 Abs 1 JN und § 47 Abs 1 ASGG zulässig, da in Arbeits- und Sozialrechtssachen die Bestätigung eines Beschlusses durch das Berufungsgericht den weiteren Rechtszug nicht ausschließt, sofern der Wert des Streitgegenstandes den im § 46 Abs 2 Z 2 ASGG bezeichneten Betrag übersteigt. Daß diese Wertgrenze hier überschritten wird, hat das Rekursgericht ausgesprochen.

Der Rekurs ist auch berechtigt.

Nach § 19 Z 2 JN kann ein Richter in bürgerlichen Rechtssachen abgelehnt werden, wenn ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Richter dann als befangen anzusehen, wenn Umstände vorliegen, die es nach objektiver Prüfung und Beurteilung rechtfertigen, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Das Wesen der Befangenheit besteht in der Hemmung einer unparteiischen Entschließung durch unsachliche psychologische Motive. Es genügt, daß eine solche Befangenheit mit Grund befürchtet werden muß (Fasching, Komm I, 200; ZPR Rz 164; SZ 43/104; JBl 1968, 94; RZ 1984/81; 9 Ob A 107/87), wenn mit Rücksicht auf die gegebenen Verhältnisse die Besorgnis nicht von der Hand zu weisen ist, daß bei seiner Entscheidung andere als rein sachliche Erwägungen eine Rolle spielen könnten (JBl 68, 94). In erster Linie kommen als Befangenheitsgründe private persönliche Beziehungen zu einer der Prozeßparteien oder zu ihren Vertretern in Betracht, die ein Naheverhältnis begründen, das bei objektiver Betrachtung zumindest geeignet ist, den Anschein einer Voreingenommenheit zu begründen. Auch ein Naheverhältnis zu Zeugen kann jedoch eine Befangenheit begründen, zumal bei widersprüchigen Beweisergebnissen das Beurteilungsvermögen des Richters im Rahmen der Beweiswürdigung hiedurch beeinflußt werden kann bzw. zumindest der Anschein bestehen könnte, daß die Beweiswürdigung des Richters durch ein solches Naheverhältnis und darin begründete emotionale Komponenten mitbestimmt wird.

Da die Vorsitzende nicht nur mit dem Kläger und der Mehrzahl der Zeugen, die vom Kläger geführt wurden, das Du-Wort pflegt, sondern zwei dieser Zeugen auch zu ihrem näheren Freundeskreis gehören, ist zumindest der Anschein der Besorgnis begründet, daß die Beweiswürdigung von diesem Naheverhältnis beeinflußt werden könnte. Es trifft nicht zu, daß die beklagte Partei auf diesen Umstand ihren Ablehnungsantrag nicht gestützt hat, zumal sie bei ihren Ausführungen neben dem Hinweis auf eine Nahebeziehung der Vorsitzenden zu Dr. M*** ausdrücklich auf die freundschaftlichen Kontakte der Vorsitzenden zu den Zeugen hinwies. Allein diese Nahebeziehung zu den Zeugen rechtfertigt die Ablehnung, sodaß es entbehrlich ist, zu prüfen, ob auch aus einem Naheverhältnis der Vorsitzenden zu dem mit Dr. B*** befreundeten Dr. M***, wobei Dr. B*** wieder in einem freundschaftlichen Verhältnis zum Kläger steht, ein weiterer Befangenheitsgrund abgeleitet werden kann. Die teils aktenwidrige, teils völlig verfehlt begründete angefochtene Entscheidung war daher spruchgemäß abzuändern.

Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 ZPO; das Verfahren über die Ablehnung eines Richters ist kein Zwischenstreit im Sinn dieser Bestimmung, sodaß die Kosten das Schicksal der Kosten des Hauptprozesses teilen.

Anmerkung

E17444

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:009OBA00135.89.0524.000

Dokumentnummer

JJT_19890524_OGH0002_009OBA00135_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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