TE OGH 1989/6/13 4Ob47/89

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Veröffentlicht am 13.06.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*** U*** Gesellschaft mbH,

Wien 1., Schenkenstraße 8, vertreten durch DDr. Walter Barfuß und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei B*** Gesellschaft mbH, Hallein, vertreten durch Dr. Bernhard Krause, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 450.000,--) infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 20. Jänner 1989, GZ 3 R 3/89-14, womit der Beschluß des Landes- als Handelsgerichtes Salzburg vom 21. November 1988, GZ 1 Cg 464/88-2, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig, die beklagte Partei endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Streitteile vertreiben (ua.) Zahnnpflegeprodukte. Für ihre Zahncreme "Blend-A-Med" wirbt die Beklagte auch im österreichischen Fernsehen. Am Beginn des Werbespots beißt eine junge Frau in einen Apfel; an der Frucht bleiben blutige Bißstellen zurück. Danach betritt ein jüngerer, mit weißem Hemd, dunkler Krawatte und weißem (Arbeits-)Mantel bekleideter Mann einen hellen, sauberen Raum. Bei seinem Erscheinen werden am unteren Bildrand für ca 3 bis 4 sec der Name "Dr. F.A***" und die Berufsbezeichnung "Biochemiker" eingeblendet. Auf seinem Arbeitsmantel sind links in Brusthöhe die Worte "Blend-A-Med Forschung" angebracht; diese Aufschrift ist nicht so leicht zu lesen wie der Name und die Berufsbezeichnung des Mannes. Während seines Auftretens spricht der Mann folgenden Text: "Zahnfleischbluten ist ein Alarmsignal. Zahnfleisch und Zähne sind in Gefahr". Dann hebt er die rechte Hand, in der er eine Packung "Blend-A-Med" hält, und spricht die Worte "Mit Blend-A-Med können Sie sich wirksam vor Zahnfleischproblemen schützen". Dabei wird ein im Hintergrund des Raumes stehender Glasschrank mit mehreren Regalen, in denen sich einige Glasbehälter befinden, sichtbar. Nach den Worten "Mit Blend-A-Med können Sie sich wirksam vor Zahnfleischproblemen schützen" wird das Bild des Mannes ausgeblendet; auf dem Bild erscheint die Abbildung einer Zahnreihe mit hellrosafarbenem Zahnfleisch, das immer mehr rot wird. Dabei spricht der Mann die Worte: "Denn Blend-A-Med kräftigt das Zahnfleisch, hält es widerstandsfähig und kerngesund". Im Anschluß daran wird wieder der Mann in Großaufnahme gezeigt; er spricht dabei den Satz: "Und gesundes Zahnfleisch blutet nicht". Während er diesen Satz spricht, wird am unteren Bildrand wieder die Aufschrift auf dem Arbeitsmantel sichtbar. Nach der Einblendung zweier Zahnpastatuben ist wieder die junge Frau zu sehen, die in den Apfel beißt; dabei spricht eine andere männliche Stimme die Worte: "Blend-A-Med, damit Sie auch morgen noch kraftvoll zubeißen können".

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches beantragt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, in der Werbung für das Zahnpflegeprodukt "Blend-A-Med" auf ärztliche Empfehlungen hinzuweisen und/oder Abbildungen von Angehörigen der Heilberufe oder sonstige auf Heiltätigkeiten hinweisende Abbildungen, insbesondere die Abbildung eines Mannes in der für Ärzte typischen weißen Berufskleidung, zu verwenden. Die Fernsehwerbung der Beklagten sei auffallend "medizinisch gestaltet" und werde von einem großen Teil der Zuseher auch so verstanden; bei diesen entstehe zwangsläufig der Eindruck, daß ein Zahnarzt in Berufskleidung "Blend-A-Med" gegen Zahnfleischbluten empfehle. Das Einblenden der Berufsbezeichnung "Bio-Chemiker" könne diesen Eindruck nicht beseitigen. Dazu komme auch, daß alle Aussagen des Mannes für einen Zahnarzt, nicht aber für einen Bio-Chemiker typisch seien; ein Bio-Chemiker könne aber auch ein Mediziner sein. Die Beklagte verstoße somit gegen die für die Werbung für kosmetische Artikel geltenden Verbote nach § 9 Abs 1 lit b und c, § 26 LMG und damit auch gegen § 1 UWG.

Das Erstgericht erließ ohne Anhörung der Beklagten eine einstweilige Verfügung im Sinne dieses Sicherungsantrages. Die Werbung erwecke wegen ihrer gesamten Gestaltung beim durchschnittlichen Fernsehpublikum den Eindruck, daß ein Zahnarzt "Blend-A-Med" gegen Zahnfleischbluten empfehle. Die Aussage sei für einen Bio-Chemiker nicht typisch. Dieser Gesamteindruck werde auch nicht durch die Einblendung der Berufsangabe des Mannes beseitigt. Die Beklagte erhob gegen diese einstweilige Verfügung Widerspruch und Rekurs. Mit - rechtskräftigem - Beschluß vom 30.12.1988 (ON 10) hielt das Erstgericht seine einstweilige Verfügung aufrecht und wies die Anträge der Beklagten, ihrem Rekurs gegen die einstweilige Verfügung aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und der Klägerin eine Sicherheitsleistung in der Höhe von S 2,500.000,-- aufzuerlegen, ab.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes S 300.000,-- übersteige. Dem Werbespot könne - in seiner Gesamtheit betrachtet - keine ärztliche Empfehlung entnommen werden; der darin auftretende "Mann in Weiß" werde nicht als Angehöriger eines Heilberufes empfunden. Die Beklagte habe ausdrücklich und für jedermann leicht lesbar darauf hingewiesen, daß dieser Mann Bio-Chemiker sei. Der Beruf eines Bio-Chemikers werde von den Durchschnittsverbrauchern nicht den Heilberufen zugerechnet. Außerdem habe die Beklagte auch durch den Aufdruck auf dem Arbeitsmantel ("Blend-A-Med-Forschung") klargestellt, daß der Mann kein Arzt sei. Der weiße Mantel und der "klinisch saubere" Raum könnten daran nichts ändern. Gegen diesen Beschluß richtet sich der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Beklagte beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Der im Revisionsrekurs vertretenen Auffassung, die Berufsangabe "Bio-Chemiker" und der auf dem Arbeitsmantel sichtbare Aufdruck "Blend-A-Med-Forschung" könnten den Gesamteindruck des Werbespots, daß hier ein Arzt eine Empfehlung für "Blend-A-Med" ausspreche, nicht beseitigen, ist beizupflichten:

Für den Verkehr mit kosmetischen Mitteln gelten gemäß § 26 Abs 2 LMG (ua.) die in § 9 Abs 1 LMG für das Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten und Zusatzstoffen enthaltenen Verbote gesundheitsbezogener Angaben mit der Maßgabe, daß nicht irreführende Hinweise auf physiologische oder pharmakologische Wirkungen sowie bildliche Darstellungen zur Erläuterung des Anwendungsbereiches zulässig sind. Demnach ist es auch beim Inverkehrbringen kosmetischer Mittel verboten, auf Krankengeschichten, ärztliche Empfehlungen oder auf Gutachten hinzuweisen (§ 9 Abs 1 lit b LMG) sowie - mit den sich aus § 26 Abs 2 LMG ergebenden Einschränkungen - gesundheitsbezogene, bildliche oder stilisierte Darstellungen von Organen des menschlichen Körpers, Abbildungen von Angehörigen der Heilberufe oder von Kuranstalten oder sonstige auf Heiltätigkeiten hinweisende Abbildungen zu verwenden (§ 9 Abs 1 lit c LMG). Welche Bedeutung § 26 Abs 2 LMG für die in § 9 Abs 1 lit a LMG genannten gesundheitsbezogenen Angaben hat (vgl dazu ÖBl 1986, 155 mwH), ist im vorliegenden Fall nicht entscheidend, weil der Sicherungsantrag nur solche Verbote nach § 9 Abs 1 lit b und lit c LMG umfaßt, die von der in § 26 Abs 2 LMG enthaltenen Maßgabe nicht berührt werden; Hinweise auf ärztliche Empfehlungen sowie Abbildungen von Angehörigen der Heilberufe sind auch beim Inverkehrbringen kosmetischer Mittel ohne weitere Einschränkungen verboten. Für die Beurteilung, ob eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des § 9 Abs 1 LMG vorliegt, ist wegen des erklärten Zwecks der Bestimmung, die Verbraucher vor Täuschungen zu schützen (§ 9 Abs 3 LMG), die Verkehrsauffassung maßgebend (so auch VwGH vom 5.11.1984, abgedruckt in Barfuß-Pindur-Smolka, Lebensmittelrecht, BaPiSmo 28 mit weiteren Judikaturhinweisen). Demnach kommt es bei der Beurteilung der streitentscheidenden Frage, ob der Werbespot der Beklagten für Zahncreme eine ärztliche Empfehlung sowie die Abbildung eines Arztes enthalten hat, darauf an, wie diese Werbung vom Verkehr aufgefaßt wurde, nicht aber darauf, ob der Präsentator tatsächlich ein Arzt war. Auch hier sind die für die Beurteilung von Werbeankündigungen zu § 2 UWG entwickelten Grundsätze heranzuziehen; entscheidend ist der Gesamteindruck der Ankündigung, wie er sich bei flüchtiger Wahrnehmung für einen nicht ganz unerheblichen Teil der angesprochenen Kreise ergibt (SZ 44/176; ÖBl 1984, 97 uva). In dem vorliegenden Werbespot wird das Zahnpflegemittel der Beklagten im wesentlichen als wirksamer Schutz vor Zahnfleischproblemen dargestellt. Dabei werden aber nicht etwa konkrete physiologische oder pharmakologische Wirkungen von Bestandteilen dieses Produktes genannt, sondern die Gefahr des Zahnfleischblutens für Zahnfleisch und Zähne schlechthin hervorgehoben; schon damit wird der Eindruck einer ärztlichen Warnung erweckt. Die weitere Aussage des Werbespots "Mit Blend-A-Med können Sie sich wirksam vor Zahnfleischproblemen schützen" wird daher zwangsläufig auch als ärztliche Empfehlung aufgefaßt. Die erwähnten Erklärungen sind typisch für - nach dem Erkennen eines Krankheitssymptomes - erteilte ärztliche Ratschläge. Die weiße Kleidung (als typische Berufskleidung für Angehörige der Heilberufe) und der klinisch saubere Raum, in dem der Werbespot zum Teil spielt, verstärken den Eindruck, daß hier ein Zahnarzt in einem Labor oder einem Ordinationsraum spricht. Durch die gegenüber der Gesamtlänge des Werbespots von 30 Sekunden nur kurzzeitige Einblendung (vier Sekunden) des Berufes des Mannes ("Bio-Chemiker") und den gleichfalls nicht besonders hervorgehobenen, ebenfalls nur kurz sichtbaren Aufdruck auf dem Arbeitsmantel ("Blend-A-Med-Forschung") kann der für die rechtliche Beurteilung maßgebende Gesamteindruck, es handle sich um die Aussagen eines Zahnarztes, nicht beseitigt werden, sind dies doch insgesamt nur solche Gestaltungselemente, die bei flüchtiger Betrachtung gar nicht besonders auffallen. Die Beklagte hat somit in ihrer Werbung für ein kosmetisches Mittel auf eine ärztliche Empfehlung hingewiesen und die Abbildung eines Angehörigen der Heilberufe verwendet; eine solche Werbung verstößt aber gegen § 9 Abs 1 lit b und lit c iVm § 26 Abs 2 LMG. Die Übertretung dieser Normen begründet auch einen Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG (ÖBl 1982, 39).

Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederherzustellen. Die Beklagte hat den Beschluß des Erstgerichtes, mit dem ihr Antrag, der Klägerin eine Sicherheitsleistung aufzuerlegen, abgewiesen worden war, nicht bekämpft. Sie hat auch nach der Zustellung des erstgerichtlichen Verbotes eine geänderte Fassung des Werbespots senden lassen. Unter diesen Umständen ist die amtswegige Auferlegung einer Sicherheitsleistung im Sinne des § 390 Abs 2 EO nicht geboten. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich, soweit sie die Kosten der Klägerin betrifft, auf § 393 Abs 1 EO, soweit sie die Kosten der Beklagten betrifft, auf §§ 78, 402 EO, §§ 40, 50, 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E17919

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0040OB00047.89.0613.000

Dokumentnummer

JJT_19890613_OGH0002_0040OB00047_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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