TE OGH 1989/6/15 7Ob16/89

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Veröffentlicht am 15.06.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*** U*** und S*** Aktiengesellschaft, Wien 1.,

Tegetthoffstraße 7, vertreten durch Dr. Gerhard Millauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei KommRat Gerhard H***, Kaufmann, Ressnig 14, vertreten durch Dr. Walter Suppan, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 278.199,-- s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 23. Jänner 1989, GZ. 3 R 222/88-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 4. August 1988, GZ. 21 Cg 23/88-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird im Umfang der Anfechtung der Abweisung von S 33.930,-- samt 5 % Zinsen aus S 16.230,-- seit 2. Jänner 1986 und 5 % Zinsen aus S 17.700,-- seit 2. Jänner 1987 zurückgewiesen. Im Umfang der Anfechtung der Abweisung von S 121.692,-- samt 5 % Zinsen seit 2. Jänner 1987 wird der Revision nicht Folge gegeben und das Urteil des Berufungsgerichtes in diesem Umfang als Teilurteil bestätigt.

Im Umfang der Anfechtung der Abweisung von S 122.577,-- samt 5 % Zinsen seit 1. Jänner 1986 wird der Revision Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird in diesem Umfang und im Kostenpunkt aufgehoben und die Rechtssache zur neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte hat im Jahre 1978 durch Übergabsvertrag einen 1/4-Anteil an der Liegenschaft EZ 185 KG Prebl-Gräbern und je einen 1/3-Anteil an den Liegenschaften EZ 78 und 51 je KG Ebriach erworben. Von den Miteigentümern wurde auf der Liegenschaft EZ 185 KG Prebl-Gräbern ein Gutshofbetrieb geführt. Auf allen Liegenschaften wurden die vorhandenen Quellen von den Miteigentümern in Form einer GesBR unter der Bezeichnung Preblauer Brunnenversendung durch Gewinnung und Vertrieb von Mineralwasser verwertet. Der Beklagte war entsprechend seinem Miteigentumsanteil am Gewinn und Verlust der Preblauer Brunnenversendung beteiligt. Ab dem Jahre 1979 führte die Geschäfte des GesBR Johann G***. Dieser schloß zwischen dem 1. Jänner 1979 und dem 14. September 1984 mit der klagenden Partei für die Fahrzeuge und andere Risken aus der Gewinnung und dem Vertrieb von Mineralwasser Versicherungsverträge ab. Die klagende Partei begehrt die Prämien bzw. Prämienrückstände für diese Versicherungen für die Jahre 1986 und 1987. Der Beklagte behauptet, Johann G*** habe als Gegenleistung für einen ihm von der klagenden Partei gewährten Privatkredit von S 17 Mill. die Versicherungsverträge mit überhöhten Versicherungssummen und überhöhten Prämien abgeschlossen. Er habe die Versicherungsverträge infolge Beendigung der Gesellschaft aufgekündigt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Nach seinen Feststellungen entsprechen die von Johann G*** mit der klagenden Partei abgeschlossenen Versicherungsverträge den üblichen Prämientarifsätzen. Es haften folgende Prämien aus:

Versicherung Pol.Nr.6/51/21221071 Rest.Pr.1/86    1.170,--

                             JahresPr.1/87    4.850,--

Versicherung Pol.Nr.6/51/16775709    "    1/86    3.499,--

Versicherung Pol.Nr.6/51/18612134    "    1/86       89,--

                                 "    1/87       89,--

Versicherung Pol.Nr.6/51/18612167    "    1/86   23.564,--

                                 "    1/87   23.564,--

Versicherung Pol.Nr.6/66/18612190    "    1/86      959,--

                                 "    1/87    1.014,--

Versicherung Pol.Nr.6/51/23109328    "    1/86    8.864,--

                                 "    1/87    8.927,--

Versicherung Pol.Nr.6/66/23135114    "    1/86      897,--

                                 "    1/87      949,--

Versicherung Pol.Nr.6/66/24215899    "    1/86    1.103,--

                                 "    1/87    1.165,--

Versicherung Pol.Nr.6/66/25578575    "    1/86    1.103,--

                                 "    1/87    1.165,--

Versicherung Pol.Nr.6/81/16750683    "    1/86   23.532,--

                                 "    1/87   22.584,--

Versicherung Pol.Nr.6/21/16799947    "    1/86    6.652,--

                                 "    1/87    6.652,--

Versicherung Pol.Nr.6/62/16759958    "    1/86    8.148,--

                                 "    1/87    8.148,--

Versicherung Pol.Nr.6/66/16746011    "    1/86      758,--

                                 "    1/87      802,--

                                 "    1/87    1.014,--

Versicherung Pol.Nr.6/11/16750672    "    1/86   58.469,--

                                 "    1/87   58.469,--.

Am 1. April 1986 wurde der Beklagte durch den Ankauf aller noch im Eigentum anderer Personen stehender Miteigentumsanteile Alleineigentümer der Liegenschaften und der Preblauer Brunnenversendung. Der Beklagte schickte daraufhin zu den Versicherungen Kündigungskarten an die klagende Partei, wobei er als Kündigungsgrund "Eigentümerwechsel", "Beendigung der Gesellschaft bürgerlichen Rechtes wegen Vollerwerb" geltend machte. Nach der Auffassung des Erstgerichtes sei die GesBR bei Abschluß der Versicherungsverträge mit der klagenden Partei von Johann G*** wirksam vertreten worden, da es sich um Geschäfte der ordentlichen Verwaltung gehandelt habe. Die Versicherungsverträge seien somit für alle Mitglieder der Gesellschaft verbindlich, wobei gemäß § 1203 letzter Satz ABGB eine Solidarhaftung aller Gesellschafter entstanden sei. Gemäß § 69 VersVG könne bei Veräußerung der versicherten Sache der neue Eigentümer das Versicherungsverhältnis kündigen. Veräußerung sei jede Eigentumsübertragung durch rechtsgeschäftliche Einzelrechtsnachfolge und liege nicht vor, wenn der Miteigentümer - Gesellschafter einer GesBR - Alleineigentum erwerbe. Der Beklagte hafte demgemäß für die Versicherungsprämien.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab und erklärte die Revision für zulässig. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes läßt sich dahin zusammenfassen, daß es sich bei den von Johann G*** mit der klagenden Partei abgeschlossenen Versicherungsverträgen um Versicherungen für fremde Rechnung gehandelt habe. Eine solche Versicherung könne eigenes und fremdes Interesse nebeneinander decken. Gleichgültig ob eine Versicherung ausdrücklich oder zumindest erkennbar (auch) für fremde Rechnung genommen werde, sei Vertragspartner des Versicherers und Prämienschuldner immer nur der Versicherungsnehmer, hier demnach Johann G***. Den Beklagten treffe daher keine Vertragspflicht, insbesondere nicht die Pflicht zur Zahlung der Prämien. Einen Sachverhalt, aus dem sich eine solche Pflicht ergebe, habe die klagende Partei nicht behauptet. Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der klagenden Partei ist im Umfang der Anfechtung der Abweisung von S 33.930,-- s.A. unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Mehrere von einer einzelnen Person gegen eine einzelne Person in einer Klage erhobene Ansprüche sind nur dann zusammenzurechnen, wenn sie in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (§ 55 Abs. 1 Z 1 JN). In rechtlichem Zusammenhang stehen Ansprüche dann, wenn sie aus einem einheitlichen Vertrag oder einer Gesetzesvorschrift abgeleitet werden. Ein tatsächlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus demselben Klagssachverhalt abzuleiten sind. Dies ist dann der Fall, wenn das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne daß noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (Fasching I 344 f; SZ 58/134). Mehrere in einer Klage geltend gemachte Prämienansprüche desselben Versicherers gegen den Versicherungsnehmer aus mehreren nicht zusammenhängenden Versicherungsverträgen stehen nicht in einem solchen Zusammenhang und sind daher nicht zusammenzurechnen (ZBl. 1934/280; 7 Ob 44/84). Die von der klagenden Partei geltend gemachten Versicherungsprämien sind daher bei Berechnung der Revisionszulässigkeit nicht zusammenzurechnen, sondern müssen einzeln betrachtet werden. Sie überschreiten in Ansehung der Versicherungen Pol.Nr. 6/51/21221071, Pol.Nr. 6/51/16775709, Pol.Nr. 6/51/18612134, Pol.Nr. 6/66/18612190, Pol.Nr. 6/66/23135114, Pol.Nr. 6/66/24215899, Pol.Nr. 6/66/25578575, Pol.Nr. 6/21/16799947 und Pol.Nr. 6/66/16746011 den Schwellwert von S 15.000 nicht, sodaß die Revision gegen die Entscheidung der zweiten Instanz insoweit gemäß § 502 Abs. 2 Z 2 ZPO unzulässig ist.

Soweit darüber hinaus die Revision zulässig ist, ist sie nur zum Teil berechtigt.

Daß es sich bei der Preblauer Brunnenversendung um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes nach § 1175 ABGB handelte (vgl. HS 7009 = 5 Ob 284/70), ist nicht strittig. Nach § 1188 ABGB sind daher bei Beurteilung der Entscheidungen über die gesellschaftlichen Angelegenheiten, da keine andere Verabredung bestand, die für die Gemeinschaft des Eigentums maßgebenden Vorschriften anzuwenden. Für die Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung gilt der Grundsatz der Gesamtgeschäftsführung nach dem Mehrheitsprinzip. Diejenigen, die die Geschäftsführungshandlungen vorzunehmen berechtigt sind, können die Gesellschaft auch Dritten gegenüber verpflichten (Kastner, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechtes4 51 f; Strasser in Rummel ABGB Rz 4 zu § 1188 und Rz 1 f zu § 1201). Schon das Erstgericht hat richtig erkannt, daß der Abschluß von Versicherungsverträgen für Risken, die üblicherweise mit dem Betrieb einen Unternehmens verbunden sind, zu den üblichen Bedingungen zu den Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung gehört. Die Versicherung ungewöhnlicher Risken wurde nicht einmal behauptet, ungewöhnliche Bedingungen wurden nicht als erwiesen angenommen. Der Beklagte räumt selbst ein (AS 3), daß sich Johann G*** auf die Kapitalmehrheit stützen konnte. Er konnte demnach die Gesellschafter (auch die Minderheit) wirksam bei Abschluß der Versicherungsverträge vertreten. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes handelt es sich bei den von Johann G*** mit der klagenden Partei abgeschlossenen Versicherungsverträgen jedoch nicht um Versicherungen, die Johann G*** für fremde Rechnung genommen hätte, sodaß nur Johann G*** als Versicherungsnehmer und Prämienschuldner anzusehen sei. Aus den vorliegenden Versicherungsanträgen ergibt sich, daß die Versicherungsanträge von Johann G*** namens der Preblauer Brunnenversendung gestellt wurden und im Regelfall auch die Unterschrift unter der Firmenstampiglie aufweisen. Damit wurde aber klar zum Ausdruck gebracht, daß Johann G*** nicht selbst als Versicherungsnehmer gelten will und namens der Gesellschaft und nicht im eigenen Namen handelte. Der Abschluß im eigenen Namen ist aber Voraussetzung für eine Versicherung für fremde Rechnung (vgl. Bruck-Möller-Sieg, VVG8 II 937; Prölss-Martin, VVG24 497 f.). Wird eine Versicherung vom Geschäftsführer einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes in deren Namen geschlossen, sind die Gesellschafter Versicherungsnehmer und Prämienschuldner. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Feststellungen, daß die Gesellschaft am 31. März 1986 durch die beiden noch vorhandenen Gesellschafter einvernehmlich aufgelöst wurde und der Beklagte die restlichen Miteigentumsanteile an den versicherten Sachen erworben hat. Nicht strittig ist, daß der Beklagte die Versicherungen am 15. April 1986 laut Beilagen 1 und 2 - zum Ende des Jahres 1986 - aufkündigte und daß die Kündigungen der klagenden Partei auch zugegangen sind (AS 32 f. ON 10). Die klagende Partei hat zwar die Unwirksamkeit der Kündigungen behauptet, ohne jedoch Gründe hiefür zu nennen (AS 33). Sie hatte ursprünglich lediglich vorgebracht, daß die Gesellschaft nicht aufgelöst worden sei (AS 14 ON 4). Insoweit die Revision an der Unwirksamkeit der Kündigungen festhält und den Vorinstanzen vorwirft, sich insbesondere mit der Frage der Rechtzeitigkeit der Kündigungen nicht auseinandergesetzt zu haben, ist ihr entgegenzuhalten, daß die Kündigungen von der klagenden Partei nicht zurückgewiesen worden sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes trifft aber den Versicherer die Pflicht, unwirksame Kündigungen jeder Art zurückzuweisen. Die Nichtzurückweisung einer aus welchem Grund immer unwirksamen Kündigung ist als Zustimmung zur Auflösung des Versicherungsverhältnisses zu werten. Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, daß auch nach österreichischem Recht der Gedanke von Treu und Glauben im Versicherungsverhältnis im Vordergrund steht. Die Klärung der Vertragslage ist bei einer unklaren oder rechtlich mangelhaften Kündigung sowohl für den Fall des Eintritts des Versicherungsfalles als auch im umgekehrten Fall dringend, zumal dem Erwerber nur eine kurze Kündigungsfrist gegeben ist. Deshalb muß der Versicherer eine Klärung unverzüglich einleiten (VersR 1985, 175; VersR 1984, 1208; SZ 28/130 ua.). Mit Ende 1986 sind daher die Versicherungsverträge als aufgelöst zu betrachten. Nichts anderes ergebe sich aus der Kündigung Beilage 3, weil auch darin die Kündigung lediglich zum Jahresende 1986 ausgesprochen wurde. Für das Jahr 1987 steht der klagenden Partei daher kein Anspruch auf Prämien mehr zu. Für die Prämien bis Ende 1986 haftet der Beklagte aber jedenfalls. Da Art. 8 Nr. 1 EVHGB auch für einseitige Handelsgeschäfte gilt, haften die Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechtes für die der klagenden Partei noch geschuldeten Versicherungsprämien solidarisch (vgl. Kramer in Straube, HGB 721). Daraus folgt, daß die Entscheidung des Berufungsgerichtes im Umfang der Abweisung der für 1987 begehrten Versicherungsprämien zu bestätigen ist. Ein Zuspruch der bis Ende 1986 begehrten Versicherungsprämien bzw. Prämienrückstände kann aber nicht erfolgen, weil die Feststellungen des Erstgerichtes über die Prämienrückstände vom Beklagten bekämpft wurden und das Berufungsgericht, ausgehend von seiner vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht, diese Tatsachenrüge des Beklagten nicht abschließend erledigte (AS 96 ON 18). Im Umfang der Abweisung eines Betrages von S 122.577 s.A. erweist sich somit eine Aufhebung in die zweite Instanz als notwendig.

Demgemäß ist der Revision teilweise Folge zu geben. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs. 2 ZPO.

Anmerkung

E18120

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00016.89.0615.000

Dokumentnummer

JJT_19890615_OGH0002_0070OB00016_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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