TE OGH 1989/8/1 15Os77/89

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.08.1989
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.August 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Maurer als Schriftführer in der Strafsache gegen Jutta Ursula S*** wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 (zweiter Strafsatz) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 19.April 1989, GZ 14 Vr 179/89-11, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und - aus deren Anlaß auch gemäß § 290 Abs. 1 StPO - das angefochtene Urteil aufgehoben sowie die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Darauf wird die Angeklagte mit ihrer Berufung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Jutta Ursula S*** des Verbrechens der Vertreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 (zweiter Strafsatz) StGB schuldig erkannt. Ihr liegt zur Last, sich in der Zeit vom 20.August 1987 bis 21.September 1988 in Klagenfurt als (leitende) Angestellte der Firma A***, All-Leasing GesmbH (in der Folge kurz: A***) in insgesamt 10 Zugriffen ihr anvertraute Firmen- und Kundengelder in der Gesamthöhe von 679.356,52 S mit dem Vorsatz zugeeignet zu haben, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen war die Angeklagte in der Klagenfurter Filiale der A***, einer Tochtergesellschaft des Salzburger Bankhauses D*** und Co AG, seit dem Jahre 1984 als Sekretärin beschäftigt. Nach dem Ausscheiden des Filialleiters am 31. März 1988 fiel ihr faktisch die Leitung dieser Filiale zu (US 3). Die zehn, der Angeklagten vom Erstgericht global als Veruntreuung angelasteten Tathandlungen bestanden nach den Urteilsfeststellungen darin, daß sie entweder 1.) Spareinlagen oder Kredit- bzw. Leasingzahlungen der Kunden (also ihr von den Kunden dieses Unternehmens mit einer konkreten Verwendungsbestimmung übergebenen Bargeldbeträge) nicht bestimmungsgemäß an die Zentrale der A*** weiterleitete, sondern sich zueignete (Urteilsfakten 2 bis 5 laut Aufstellung US 4) oder 2.) Geldabhebungen von Konten vornahm, und zwar entweder von Sparbüchern, die von Kunden bei der von ihr geleiteten Filiale hinterlegt worden waren (Urteilsfakten 7 bis 10), oder vom Konto der A*** bzw. der Muttergesellschaft, des Bankhauses D*** und Co AG, bei der G*** UND H*** in Klagenfurt, indem sie auf dieses Konto lautende Schecks ausstellte (Urteilsfaktum 1) oder 3.) in einem Fall (Faktum 6) sich einen von der Zentrale der A*** einem Kunden bewilligten Kredit, den jedoch dieser in der Folge nicht in Anspruch genommen hatte, in Kenntnis des Stornos effektuierte und den Kreditbetrag von 200.000 S für sich verwendete.

Das Erstgericht beurteilte die Tathandlungen der Angeklagten global als Verbrechen der Veruntreuung nach § 133 StGB, weil ihr die Geldbeträge entweder von den Kunden zur ordnungsgemäßen Einzahlung oder von der A*** zur bestimmungsgemäßen Verwendung anvertraut gewesen seien; es vertrat weiters die Ansicht, daß der Angeklagten die Bezahlung eines Betrages von 200.000 S am 25.Oktober 1988, also vor der Anzeigeerstattung am 9.November 1988 (vgl. S 9) auch nicht teilweise als tätige Reue im Sinne des § 167 StGB zuerkannt werden könnte, weil nach dem Absatz 2 Z 1 dieser Gesetzesstelle dieser Strafaufhebungsgrund nur dann Platz greife, wenn der Täter den gesamten aus seiner Tat entstandenen Schaden gutgemacht habe. Dies treffe hier nicht zu; auch liege eine vertragliche Verpflichtung der Angeklagten zur gänzlichen Schadensgutmachung binnen einer bestimmten Zeit im Sinne des § 167 Abs. 2 Z 2 StGB nicht vor (US 5). Hiebei überging es, wie am Rande bemerkt sei, entgegenstehende Behauptungen der Angeklagten (S 196) und des Zeugen H*** (S 203) mit Stillschweigen.

Den Schuldspruch bekämpft die Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, in der sie sich auf den Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue nach § 167 StGB und außerdem der Sache nach wegen der mittlerweile erfolgten gänzlichen Schadensgutmachung auf mangelnde Strafwürdigkeit der Tat (§ 42 StGB) beruft.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlaß dieser Nichtigkeitsbeschwerde war vom Obersten Gerichtshof gemäß § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen, daß der Schuldspruch der Angeklagten wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 (zweiter Strafsatz) StGB mit dem sich zum Nachteil der Angeklagten auswirkenden materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO behaftet ist:

Die Angeklagte verantwortete sich nämlich im Vorverfahren (S 178 und 194) damit, daß sie - als faktische Leiterin der Filiale der A*** in Klagenfurt - nach außen hin berechtigt gewesen sei, über die Spar- und Girokonten (ersichtlich gemeint: der Kunden der A***) durch Abhebungen direkt sowie über das Vermögen des Unternehmens (ersichtlich gemeint: des Bankhauses D*** und Co AG als Muttergesellschaft der A***) durch Ausstellung von auf das Unternehmenskonto bei der H*** G*** in Klagenfurt

gezogenen Schecks zu verfügen. Sie bekannte sich zwar in der Hauptverhandlung im Sinne der Anklage für schuldig, die einzelnen ihr laut Anklageschrift als Veruntreuung angelasteten Tathandlungen sowie ihre - im Vorverfahren behauptete - Verfügungsberechtigung der eben bezeichneten Art wurden aber weder in der Hauptverhandlung erörtert, noch finden sich Feststellungen darüber im Ersturteil. Augenscheinlich können aber nach der bisherigen Aktenlage nur die vier Fakten 2 bis 5, in denen sich die Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen aus Kundeneinzahlungen resultierende Geldbeträge von insgesamt 274.356,52 S für eigene Zwecke (also mit Bereicherungsvorsatz) zugeeignet hatte, für eine Tatbeurteilung als Veruntreuung tragfähig sein, weil sie (nur) in diesen vier Fällen die ihr mit einer bestimmten Verwendungspflicht anvertrauten Geldbeträge nicht dem vorgesehenen Zweck zuführte. Hingegen nahm sie in den Fakten 1 sowie 7 bis 10 Geldabhebungen vom Firmenkonto oder von Sparkonten (der Firmenkunden) vor, über die sie nach ihrer allerdings im Ersturteil unberücksichtigt gebliebenen Verantwortung im Vorverfahren (nach außen hin) zu verfügen rechtsgeschäftlich befugt war. Unter dieser Voraussetzung hätte sie, die es darauf abgesehen hatte, diese Geldbeträge in ihr eigenes Vermögen überzuführen und für sich zu verwenden (und dies auch tatsächlich tat), die ihr eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich mißbraucht und dadurch dem jeweiligen Machtgeber einen Vermögensnachteil (in der Höhe der von den Sparkonten und vom Firmenkonto behobenen Geldbeträge) zugefügt (vgl. hiezu insbesondere S 19, 180, 181 und 183). Somit käme aber in diesen Fällen eine Tatbeurteilung als Untreue im Sinne des § 153 StGB in Betracht. Da aber das im § 29 StGB verankerte und für den Bereich gleichartiger Realkonkurrenz wert- oder schadensqualifizierter Delikte geltende Prinzip der Zusammenrechnung der Wert- und Schadensbeträge, soweit diese in ein und demselben Urteil erfaßt sind, nur zur Anwendung kommt, wenn der Täter mehrere Taten derselben Art, somit Taten, die demselben Deliktstypus zu unterstellen sind, begangen hat und demnach eine Zusammenrechnung von Wert- bzw. Schadensbeträgen aus Veruntreuungs- und Untreuehandlungen, die Gegenstand der Aburteilung in demselben Urteil sind, nicht stattfindet (vgl. Leukauf-Steininger, StGB2, RN 2 zu § 29 StGB), kommt einer auf Grund der bisherigen Verfahrensergebnisse indizierten rechtlichen Beurteilung eines Teiles der vom Schuldspruch (wegen Veruntreuung) erfaßten Fälle als Untreue insoweit eine entscheidende Bedeutung zu, weil dadurch die im Ersturteil der Angeklagten angelastete Wertqualifikation nach § 133 Abs. 2 (zweiter Strafsatz) StGB berührt wird. Denn die Angeklagte hätte in den Fakten 2 bis 5 Veruntreuung von insgesamt 247.356,52 S, sohin (nur) das Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 (erster Strafsatz) StGB zu verantworten, wogegen ihr angesichts der in den Fakten 1 sowie 6 bis 10 nach den Urteilsannahmen verbleibenden Schadensbeträge von insgesamt 432.000 S bei einer Beurteilung als Untreue gleichfalls nur das Vergehen der Untreue nach § 153 Abs. 1 und Abs. 2 (erster Strafsatz) StGB angelastet werden könnte. Somit käme bei der Angeklagten nur eine Strafbemessung innerhalb eines (bloß) bis drei Jahre Freiheitsstrafe reichenden Strafrahmens (des § 133 Abs. 2 erster Strafsatz StGB bzw. des § 153 Abs. 2 erster Strafsatz StGB) in Betracht. Die vom Erstgericht vorgenommene Strafbemessung nach dem zweiten Strafsatz des § 133 Abs. 2 StGB (mit einem Strafrahmen von 1 bis 10 Jahren Freiheitsstrafe) würde ihr jedenfalls zum Nachteil gereichen. Der daraus resultierende, von der Angeklagten in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde aber nicht geltend gemachte materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO war sohin, weil sich der allfällige Subsumtionsfehler im vorliegenden Fall zum Nachteil der Angeklagten auswirkt, vom Obersten Gerichtshof gemäß § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen aufzugreifen.

Eine abschließende Beurteilung der der Angeklagten angelasteten Fakten 1 sowie 6 bis 10 als Untreue ist dzt. nicht möglich, weil das Ersturteil insoweit mit Feststellungsmängeln behaftet ist. Es fehlen nämlich insbesondere Feststellungen über die von der Angeklagten behauptete Befugnis, über das Firmenkonto und über die Spareinlagen der Kunden verfügen zu dürfen. Es war daher schon im Rahmen der Maßnahme gemäß § 290 Abs. 1 StPO das Ersturteil zur Gänze aufzuheben und die Sache dem Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 285 e StPO).

Auch die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten ist teilweise berechtigt:

Der in der Rechtsrüge (Z 9 lit. b) vertretenen Auffassung, daß in allen der Angeklagten angelasteten zehn Fällen der Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue nach § 167 StGB vorliege, kann zwar nicht beigetreten werden, hat doch die Beschwerdeführerin nach den Urteilsfeststellungen vor der Anzeigeerstattung nur einen Betrag von 200.000 S als Schadensgutmachung geleistet. Eine von ihr vor dem Untersuchungsrichter behauptete Vereinbarung mit Vertretern des Bankhauses D*** und Co AG über die Gutmachung des restlichen Schadens innerhalb einer bestimmten Frist, die noch vor Anzeigeerstattung (am 9.November 1988) abgeschlossen worden sei, wurde nach ihren weiteren Behauptungen aber von ihr trotz Verlängerung nicht eingehalten (S 196; vgl. auch die Aussage des Zeugen H***, S 203). Tätige Reue im Sinne des § 167 Abs. 2 Z 2 StGB hinsichtlich sämtlicher Fakten käme sohin nach ihrem eigenen Vorbringen nicht in Betracht (§ 167 Abs. 2 Z 2, zweiter Satz StGB). Es ist (auch von der Angeklagten) unbestritten, daß der Restbetrag von 500.000 S erst nach der Anzeigeerstattung und nach Ablauf der vereinbarten Frist zum Zwecke der gänzlichen Schadensgutmachung von ihr bzw. mit ihrem Einverständnis von ihren Eltern am 4. und 9.Jänner 1989 hinterlegt wurde (S 196, 203). Hingegen ist die Auffassung des Erstgerichtes, daß

der - ersichtlich dem Freiwilligkeitserfordernis des § 167 Abs. 2 StGB entsprechenden - Bezahlung eines Betrages von 200.000 S zur Schadensgutmachung am 25.Oktober 1988 (somit vor Anzeigeerstattung) keine rechtliche Bedeutung im Sinne des § 167 StGB zukomme, weil damit nicht der gesamte, der Angeklagten laut Ersturteil angelastete Schaden rechtzeitig gutgemacht worden sei, verfehlt:

Der Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue im Sinne des § 167 StGB setzt zwar eine rechtzeitige, freiwillige und vollständige Schadensgutmachung durch den Täter voraus. Dies betrifft aber (jeweils nur) den "aus seiner Tat entstandenen" Schaden. Werden daher in ein- und demselben Urteil einem Angeklagten mehrere Taten angelastet, so sind die Voraussetzungen für eine Straflosigkeit infolge tätiger Reue (§ 167 StGB) bei jeder einzelnen Tat gesondert zu prüfen (Leukauf-Steininger StGB2 RN 21 zu § 167; Liebscher im WKzStGB Rz 33 zu § 167). Die vom Erstgericht vertretene Auffassung steht mit dem Wortlaut des § 167 Abs. 2 Z 1 StGB nicht im Einklang. Sie wäre allenfalls nur im Falle eines einheitlichen, mehrere gleichartige deliktische Handlungen umfassenden Willensentschlusses - der für sich noch nicht notwendig zur Annahme eines sogenannten "fortgesetzten Verbrechens" führt - zutreffend (SSt. 50/18, SSt. 54/73). Im Hinblick darauf, daß zu dieser Frage von der eben zitierten Judikatur, die in der Lehre zT als zu restriktiv abgelehnt wird (Pallin im WKzStGB Rz 34 in den Vorbem. zu § 28), gar nicht auf die Rechtsfigur eines fortgesetzten Verbrechens abgestellt wird, erübrigt es sich,- entgegen einer Anregung der Generalprokuratur - grundsätzliche Überlegungen hiezu anzustellen. Im angefochtenen Urteil fehlen Feststellungen, die eine Beurteilung der einzelnen Tathandlungen der Angeklagten als von einem einheitlichen Willensentschluß umfaßt zuließen. Das Schöffengericht befaßte sich in dieser Beziehung überdies nicht mit der Verantwortung der Angeklagten vor dem Untersuchungsrichter, wonach sie spontan jeweils nur eine sich ihr bietende Gelegenheit zur Tatbegehung ausgenützt habe (S 196 f).

Bei der Angeklagten liegen sohin nach den bisherigen Verfahrensergebnissen augenscheinlich durch die (ersichtlich) freiwillige und jedenfalls rechtzeitig am 25.Oktober 1988 (vor der Anzeigeerstattung) vorgenommene Zahlung von 200.000 S zur Schadensgutmachung die Voraussetzungen des Strafaufhebungsgrundes der tätigen Reue nach § 167 StGB in Ansehung jener Taten vor, die insgesamt diesen Betrag nicht erreichen. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß die Angeklagte bei dieser Zahlung offensichtlich nicht ausdrücklich erklärte, auf welche der von ihr begangenen Taten sich diese Schadensgutmachung beziehen soll. Das Fehlen eines solchen Hinweises schließt bei einer Mehrheit von Taten die Annahme des Strafaufhebungsgrundes der tätigen Reue in Ansehung von einzelnen Taten nicht aus. Dieser Grundsatz gilt unabhängig von der rechtlichen Beurteilung der einzelnen Straftaten (hier Veruntreuung oder Untreue). Sie müssen nur unter den im § 167 Abs. 1 StGB angeführten Katalog jener Straftaten fallen, die einer tätigen Reue zugänglich sind.

Hingegen kommt eine von der Beschwerdeführerin der Sache nach in ihrer Rechtsrüge überdies reklamierte Straflosigkeit wegen mangelnder Strafwürdigkeit der Tat (§ 42 StGB) nicht in Betracht; kann doch von einer geringen Schuld der Angeklagten bei der wiederholten Tatbegehung in bezug auf namhafte Geldbeträge keine Rede sein (§ 42 Z 1 StGB). Eine geringe Schuld im Sinne dieser Gesetzesstelle erfordert nämlich ein erhebliches Zurückbleiben des tatbildmäßigen Verhaltens des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt, eine Voraussetzung, die hier nicht zutrifft.

Im erneuerten Rechtsgang werden vor allem zu den Fakten 1 sowie 6 bis 10 (laut der Aufstellung US 4) mängelfrei begründete Feststellungen zu der von der Angeklagten behaupteten Befugnis, über die Spareinlagen der Kunden sowie über das Firmenkonto ihrer Dienstgeberin verfügungsberechtigt gewesen sein - was allerdings hinsichtlich der Spareinlagen eher unwahrscheinlich ist -, sowie über einen wissentlichen Mißbrauch dieser Befugnis und den dadurch bei dem Machtgeber herbeigeführten Vermögensnachteil zu treffen sein; in den Fakten 7 und 8 aber auch darüber, ob die Strafbarkeit der Angeklagten nicht allenfalls durch eine weitere tätige Reue infolge (rechtzeitiger, freiwilliger und vollständiger) Schadensgutmachung erloschen ist. Nach der Darstellung der Angeklagten im Vorverfahren machte sie nämlich den durch Abhebung von einem Kundensparbuch, Kto.Nr. 93.11.132-6 (Faktum 8), zunächst herbeigeführten und in der Folge durch verschiedene Transaktionen verschleierten Schaden (vgl. hiezu S 23 f, 181) bereits am 2. September 1988, also rechtzeitig vor der am 9.November 1988 erfolgten Anzeige gut, was auch von der Anzeigerin, dem Bankhaus D*** und Co AG, in einer Erläuterung zu dem mit der Angeklagten am 27.September 1988 aufgenommenen Protokoll, in welchem die Angeklagte unter anderem auch die Abhebung eines Geldbetrages (von 105.000 S) von dem Kundensparbuch, Kto.Nr. 93.11.132-6, und die weiteren, damit im Zusammenhang stehenden Transaktionen zur Verschleierung dieser Geldabhebung schilderte, vorerst bestätigt wurde (vgl. S 47). Das Bankhaus D*** und Co AG behauptete allerdings in einer späteren Schadensaufstellung (vom 10. Jänner 1989, S 151) in Zusammenhang mit dem Sparkonto Nr. 93.11.132-6 und einem weiteren - demselben Einleger gehörigen - Sparkonto Nr. 93.11.651-5 Schadensbeträge (inklusive Zinsen) in der Höhe von 18.629,55 S und von 62.309,78 S, die - ersichtlich nach Abzug der Zinsen - in der Höhe von 18.000 S und 59.000 S in die Anklageschrift Eingang fanden (S 216) und die dann ohne nähere Begründung auch Gegenstand des Schuldspruchs wurden (Fakten 7 und 8). Nach der Darstellung des Zeugen H*** vor dem Untersuchungsrichter (S 202) soll allerdings die Angeklagte von dem Sparkonto Nr. 39.11.132-6, wie noch nachträglich festgestellt worden sei, noch weitere Geldabhebungen vorgenommen haben, desgleichen offensichtlich auch von dem Sparkonto Nr. 93.11.651-5 (Faktum 7). Zu diesem Vorbringen wurde aber die Angeklagte bisher nicht gehört, auch der Zeuge H*** wurde in der Hauptverhandlung hiezu nicht vernommen. Zu den Fakten 7 und 8 wären demnach im zweiten Rechtsgang nach entsprechender Beweisaufnahme noch die erforderlichen Feststellungen zu treffen.

Zum Faktum 6 ist noch zu bemerken, daß in diesem Fall auf Grund der bisherigen Verfahrensergebnisse eine Tatbeurteilung als Veruntreuung wohl nicht in Betracht kommen könnte:

Die Angeklagte hatte in diesem Fall in Kenntnis des Umstandes, daß ein vom Bankhaus D*** und Co AG für einen Kunden bereits bewilligter Kredit von diesem nicht in Anspruch genommen, sondern storniert worden war, am 21.September 1988 unter der Vorspiegelung einer Effektuierung dieses - bereits gegenstandslos gewordenen - Kredites einen Scheck auf die (Kredit)Summe von 200.000 S ausgestellt, der ersichtlich auf das Konto des Bankhauses D*** und Co AG bei der G*** H*** in Klagenfurt

gezogen war, veranlaßte die Einlösung dieses Schecks (durch eine offensichtlich gutgläubige Angestellte der A***), übernahm den Geldbetrag von 200.000 S und verwendete diesen für sich (vgl. S 17, 182, 199). Das strafrechtlich relevante Handlungsunrecht liegt in diesem Fall in der durch Ausstellung des Schecks über 200.000 S gelegenen Verfügung der Angeklagten über das Vermögen des Bankhauses D*** und Co AG, nämlich deren Guthaben bei der G*** UND H*** in Klagenfurt, sohin in einem offensichtlich wissentlich vorgenommenen Mißbrauch ihrer Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen (wodurch sie auch dem Machtgeber einen Vermögensnachteil in der Höhe von 200.000 S zufügte); war doch die Angeklagte - entsprechend ihrer Behauptung (vgl. S 194) - offensichtlich (nach außen hin) über dieses Firmenkonto verfügungsberechtigt. Daß dieser Geldbetrag von der Angeklagten sodann zunächst fälschlich als ein einem Kunden ausbezahltes Darlehen ausgewiesen wurde (vgl. S 182), diente bloß zur Verschleierung dieser Straftat, die somit (nach den bisherigen Verfahrensergebnissen) ersichtlich den Tatbestand der Untreue nach § 153 StGB erfüllt.

Aus den angeführten Gründen war das angefochtene Urteil sogleich bei der nichtöffentlichen Beratung aufzuheben (§ 285 e iVm § 290 Abs. 1 StPO).

Mit ihrer gegen das Strafausmaß gerichteten Berufung war die Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E18453

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0150OS00077.89.0801.000

Dokumentnummer

JJT_19890801_OGH0002_0150OS00077_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten