TE OGH 1989/8/1 15Os34/89

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Veröffentlicht am 01.08.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.August 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Maurer als Schriftführer in der Strafsache gegen Rudolf S*** und andere wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt als Beteiligter nach §§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten S*** gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 21. Dezember 1988, GZ 29 Vr 2955/88-30, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten S*** auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rudolf S*** wurde mit dem angefochtenen Urteil - neben einem anderen Täter - des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 12 (zweiter Fall), 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er in den Jahren 1981 bis 1987 in insgesamt 54 Fällen in Sillian und Lienz mit dem Vorsatz, dadurch den Staat in seinen konkreten Rechten auf Vereinnahmung der Umsatzsteuer und auf ordnungsgemäße Durchführung des Ausfuhrbescheinigungsverfahrens für Umsatzsteuerzwecke zu schädigen, den vorsatzlos handelnden Zollwachebeamten Karl A*** im Wissen, daß dieser dadurch seine Befugnis, als Beamter des Zollamtes Sillian in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäft vorzunehmen, mißbraucht, dazu bestimmte, auf den ihm von Rudolf S*** vorgelegten Ausfuhrbescheinigungen für Umsatzsteuerzwecke (Formular U 34) zollamtlich die Warenausfuhr in das Ausland zu bescheinigen, obwohl die steuerrechtlichen Voraussetzungen hiefür nicht vorlagen. Der Zollwachebeamte Karl A*** wurde hingegen von der wider ihn erhobenen Anklage des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen, und zwar, wie sich aus den Urteilsgründen insgesamt (so insbesondere US 17) ergibt, weil sein Schädigungsvorsatz verneint wurde. Soweit er an mehreren Stellen des Urteils undifferenziert als blindes, vorsatzloses Werkzeug bezeichnet wird, bezieht sich dies im Kontext auf den Schädigungsvorsatz, allenfalls auch auf die Wissentlichkeit des Mißbrauchs (§ 5 Abs 3 StGB), nicht aber auf dessen Vorsätzlichkeit (§ 5 Abs 1 StGB) schlechthin, die auch bei der grob vorschriftswidrigen Führung der gegenständlichen Amtsgeschäfte (Bescheinigungen auch auf nur teilweise ausgefüllten, teils aber überhaupt bis auf Firmenstampiglie und bloßen Namen des fingierten, vorgeblichen Käufers unausgefüllten Formularen) nicht weggedacht werden kann, vielmehr den Tathandlungen und pflichtwidrigen Unterlassungen geradezu zwingend innewohnt.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte S*** mit einer auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO (der Sache nach allerdings auf Z 10, weil bei Zutreffen der Beschwerdeausführungen kein Freispruch, sondern jedenfalls ein Schuldspruch nach §§ 146 f StGB - siehe 13 Os 45/85 - zu ergehen hätte) gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, weil es an einer Feststellung fehle, daß sein Wissen sich auf die Wissentlichkeit des Befugnismißbrauches durch den Zollbeamten erstreckt habe; nach Lehre und Rechtsprechung bestehe das "doppelte Wissentlichkeitserfordernis", der Beitragstäter müsse (auch) wissen, daß der Beamte als unmittelbarer Täter seine Befugnis wissentlich mißbrauche.

Rechtliche Beurteilung

Diese Rechtsrüge geht jedoch fehl. Das Erfordernis der sogenannten doppelten Wissentlichkeit wurde früher von Kienapfel vertreten (BT II1 RN 76 zu § 153), selbst von ihm aber nun fallengelassen: Anm zu RZ 1987/4 sowie BT II2 RN 99 zu § 153). Von der Rechtsprechung wurde eine derartige Anforderung an den Vorsatz des extranen Beteiligten hingegen - entgegen Kienapfel Anm zu RZ 1987/4 auch nicht zu JBl 1983, 545 und ÖJZ-LSK 1983/57 - nicht gestellt, sondern auf das Wissen des Extraneus um die wissentliche Pflichtverletzung durch den unmittelbaren Täter abgestellt (siehe auch dazu RZ 1988/33 = JBl 1988, 392 mit Anm Liebscher). Grundsätzlich ist vielmehr davon auszugehen, daß auf der subjektiven Tatseite bei jedem Beteiligten, der im Sinne des § 12 StGB "die Tat begeht", nicht mehr zu fordern ist, als das Vorliegen der vom Gesetz bestimmten Vorsatzform in seiner Person. Die Bestimmung eines vorsatz- oder schuldlos handelnden Werkzeugs kann daher durchaus tatbestandsmäßig sein; das StGB kennt keine qualitative Akzessorietät der Bestimmungs- und Beitragstäterschaft (vgl Leukauf-Steininger, StGB2 RN 22 zu § 12, Kienapfel, AT E 3, RN 24, E 4, RN 19 ff, 31). Die für den Bereich von Sonderdelikten herausgearbeitete Erkenntnis (EvBl 1987/37 = RZ 1987/4; JBl 1988, 392 = RZ 1988/33; Friedrich in RZ 1986, 258 f), von der abzugehen kein Anlaß besteht, der Vorsatz des Extraneus müsse sich auf eine (auch bedingt) vorsätzliche (nicht wissentliche) Mitwirkung des Intraneus erstrecken, beruht auf dem Verständnis des Wortes "Mißbrauch" als einer "vorsatzgeprägten Ausführungsart" (vgl auch Nowakowski, in "Zum Neuen Strafrecht" II, 158). Ein Vorsatz des unmittelbaren Täters auch hinsichtlich der durch seinen Mißbrauch bewirkten Schädigung ist hingegen mit einem Mißbrauch dem Wortsinn nach nicht notwendig verbunden und daher für die Haftung des Bestimmenden ohne Belang.

An einer in diesem Sinn vorsätzlichen Ausführung der Tat durch den unmittelbaren Täter kann nach den Urteilsfeststellungen nicht gezweifelt werden (siehe US 8 f). Der Beschwerdeführer aber hielt ihnen zufolge (US 9) sowohl den Mißbrauch des Beamten als auch die Schädigung des Staates für gewiß.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten S*** nach § 302 Abs 1 StGB zu acht Monaten Freiheitsstrafe, die es gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah.

Es wertete bei dieser Strafbemessung die Vielzahl der Taten und deren langen Begehungszeitraum als erschwerend, dagegen die bisherige Unbescholtenheit des Berufungswerbers und sein volles Geständnis als mildernd.

Der eine bedingt nachzusehende Geldstrafe oder eine Herabsetzung des Ausmaßes der Freiheitsstrafe anstrebenden Berufung des Angeklagten S*** kommt keine Berechtigung zu.

Der Reue des Berufungswerbers wurde durch die Zuerkennung des Milderungsgrundes des vollen - somit reumütigen (vgl § 34 Z 17 erster Fall StGB) - Geständnisses Rechnung getragen. Von einer besonders verlockenden Gelegenheit im Sinn des § 34 Z 9 StGB kann keine Rede sein; sie läge nur dann vor, wenn sie ihrer Art nach auch einem maßgerechten Menschen einen Fehltritt nahelegen konnte (Kunst im WKzStGB Rz 32 zu § 34; Leukauf-Steininger StGB2 RN 15 zu § 34), was angesichts der vielfachen Tatwiederholungen zu verneinen ist.

Zwar trifft zu, daß der Berufungswerber in den 51 auch den Mitangeklagten L*** betreffenden Fällen ersichtlich keinen finanziellen Vorteil hatte und insoweit der Schaden von diesem Mitangeklagten gutgemacht wurde, doch ging die Idee zur Verübung derartiger Taten allein vom Angeklagten S*** aus, der sie vorerst zu seinem eigenen Vorteil verwirklichte (S 226 f) und auch bei den mit L*** verübten Taten wichtiger Mittelsmann war, ohne dessen führende Mitwirkung (§ 33 Z 4 StGB) sie nicht zu bewerkstelligen gewesen wären.

Unter diesen Aspekten erweist sich die vom Erstgericht vorgenommene Strafbemessung - auch in der Relation zwischen den Angeklagten S*** und L*** - durchaus zutreffend und keineswegs korrekturbedürftig.

Auch der Berufung war sohin ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E18026

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0150OS00034.89.0801.000

Dokumentnummer

JJT_19890801_OGH0002_0150OS00034_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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