TE OGH 1989/8/24 12Os71/89

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Veröffentlicht am 24.08.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.August 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Friedrich, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vrabl-Sanda als Schriftführerin in der Strafsache gegen Friedrich K*** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143, erster Satz, zweiter Fall, StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Feldkirch vom 26.April 1989, GZ 16 Vr 783/88-38, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Strafe unter Anwendung des § 41 StGB auf 3 (drei) Jahre Freiheitsstrafe herabgesetzt. Gemäß § 43 a Abs. 4 StGB wird ein Teil der Freiheitsstrafe von 2 (zwei) Jahren unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der 23-jährige Fliesenleger Friedrich K*** wurde des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143, erster Satz, zweiter Fall, StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 1. Juli 1988 in Sulz der Doris K*** mit Gewalt gegen ihre Person und durch gefährliche Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe eine fremde bewegliche Sache, nämlich 2.100 S Bargeld, mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung abgenötigt, indem er mit einem gegen sie gerichteten Messer mit 13 cm langer, spitzer Klinge in ihre Wohnung eindrang, sie mit beiden Händen von hinten umklammerte, das Messer mit der rechten Hand gegen ihren Bauch hielt und sie sodann zur Überlassung von Geld aufforderte.

Die Geschwornen hatten unter Zugrundelegung der nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 16.März 1989, GZ 12 Os 16/89-10, unberührt gebliebenen Teile des im ersten Rechtsgang ergangenen Wahrspruchs zum Grundtatbestand des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB die (nunmehr allein) an sie gestellte (uneigentliche) Zusatzfrage nach Verübung des inkriminierten Raubes unter Verwendung einer Waffe (§ 143, erster Satz, zweiter Fall, StGB) stimmeneinhellig bejaht.

Rechtliche Beurteilung

Die Annahme dieser Qualifkation und das Unterbleiben einer Anwendung des § 41 StGB bei der Strafbemessung bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 345 Abs. 1 Z 4, 8, 10 a und 13 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, welcher jedoch keine Berechtigung zukommt.

Der aus dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund erhobene Einwand, die Frage an die Geschwornen sei nach deren Ergänzung in der Hauptverhandlung (gemeint: vor den Schlußvorträgen der Parteien) nicht neuerlich verlesen worden, findet zwar im Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls Deckung, scheitert aber daran, daß diese Formverletzung (§ 310 Abs. 3 StPO), wie nach Lage des Falles unzweifelhaft erkennbar ist, auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte (§ 345 Abs. 3 StPO). Der dem Antrag des öffentlichen Anklägers auf Ergänzung der Frage durch den Zusatz: "....gegen ihren Bauch hielt und in der Folge am Körper mit sich führte...." stattgebende Beschluß wurde nämlich in der Hauptverhandlung verkündet (S 301), wodurch der modifizierte Inhalt der Frage sowohl den Geschwornen als auch den Parteien zur Kenntnis gelangte (Mayerhofer-Rieder2, ENr 5 zu § 345 "Schlußsätze" StPO). Das zudem gerügte Unterbleiben einer neuerlichen schriftlichen Abfassung der (ergänzten) Frage und ihrer neuerlichen Unterfertigung durch den Vorsitzenden aber steht nicht unter Nichtigkeitssanktion (§ 310 Abs. 3 StPO).

Die weitere Beschwerdebehauptung hinwieder, "daß der Obmann der Geschwornen ... die Frage (gemeint: vor der Urteilsverkündung) ohne den vom Schwurgericht beschlossenen Zusatz verlesen hat" (§ 340 Abs. 2 StPO), läßt sich inhaltlich des Hauptverhandlungsprotokolls zwar nicht abschließend verifizieren (S 303), erweist sich aber bei der gegebenen Fallkonstellation vorweg ebenfalls als ungeeignet, eine für den Beschwerdeführer nachteilige Beeinflussung des Wahrspruchs der Geschwornen aufzuzeigen. Betrifft doch der ergänzende Zusatz überhaupt nur eine die übrigen qualifizierenden Komponenten des bewaffneten Raubes nach der ursprünglichen Fassung der Frage bloß illustrativ verstärkende Tatmodalität ohne eigenständige Qualifikationsbedeutung, wie aus dem (vom Beschwerdeführer ohnehin vermerkten) Unterbleiben einer Aufnahme in den Urteilstenor deutlich wird.

Die Instruktionsrüge (Z 8), die eine zur Irreleitung der Geschwornen geeignete Unrichtigkeit bzw Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung in zweifacher Hinsicht geltend macht, ist gleichermaßen nicht im Recht: Denn neben der Erläuterung, daß die Verneinung der Zusatzfrage zu einem auf den Grundtatbestand des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB beschränkten Schuldspruch "führen" würde (S 324), gibt der in der Rechtsbelehrung enthaltene Hinweis auf den insoweit rechtskräftigen Teil des Schuldspruchs (S 323 f) unmißverständlich darüber Aufschluß, daß es diesfalls bei einem Schuldspruch wegen § 142 Abs. 1 StGB bleibt. Soweit die Beschwerde aber eine einer Unrichtigkeit gleichzuhaltende Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung in der fehlenden Klarstellung erblickt, daß einen Raub unter Verwendung einer Waffe nicht verübt, wer die Waffe in zeitlicher und (gemeint: funktionsmäßig) deutlicher Trennung von der Sachwegnahme bzw -abnötigung einsetzt, ist sie ebensowenig im Recht. Zutreffend wird nämlich in der Rechtsbelehrung ohnehin auch dargelegt, daß bereits die vorübergehende Benützung der Waffe (zumindest als Drohmittel) "im Verlauf der Tatausführung" zur Annahme der Qualifikation des § 143, erster Satz, zweiter Fall, StGB ausreicht (S 322). Diese dem Gesetz entsprechenden Rechtsausführungen bringen das Qualifikationserfordernis des Waffengebrauchs in der Ausführungsphase der Raubtat im Sinn eines zeitlichen und funktionsmäßigen Zuammenhanges der Waffenverwendung und der raubspezifischen Sachwegnahme bzw -abnötigung eindeutig in allgemein verständlicher Weise zum Ausdruck, weshalb es insbesondere der vom Beschwerdeführer vermißten gesonderten Negativabgrenzung, daß bei Fehlen eines solchen Konnexes die in Rede stehende Qualifikation nicht in Betracht kommt, nicht bedurfte. Als nicht berechtigt erweist sich auch die Tatsachenrüge (Z 10 a), mit welcher unter Bezugnahme auf die Angaben der Zeugin Doris K***, die Verantwortung des Angeklagten und die Niederschrift der Geschwornen (§ 331 Abs. 3 StPO) erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des dem Wahrspruch in bezug auf die qualifizierende Verwendung einer Waffe zugrundeliegenden Tatsachensubstrats geltend gemacht werden. Die unter Vernachlässigung solcher Angaben sowohl des Tatopfers (S 299) als auch des Angeklagten (S 293), die den qualifikationsessentiellen Zusammenhang zwischen dem (zumindest drohenden) Waffeneinsatz und der Sachwegnahme deutlich machen, von der Beschwerde aus dem Zusammenhang gelösten Aussagedetails vermögen jedoch ebensowenig erhebliche Bedenken in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes zu erwecken wie der Versuch, den Wortlaut der Niederschrift der Geschwornen (S 311) im Sinn von rechtsmißverständlich angenommenen Tatsachenprämissen zu interpretieren..

Letztlich erweist sich auch das Vorbringen zu § 345 Abs. 1 Z 13 StPO, mit dem die Nichtanwendung des § 41 StGB bekämpft wird, als nicht zielführend, weil der Einwand, das Erstgericht hätte zu Unrecht die außerordentliche Strafmilderung auch vom Vorliegen einer atypisch leichten Tatbestandsverwirklichung nach §§ 142 Abs. 1, 143, erster Satz, zweiter Fall, StGB abhängig gemacht, keine fehlerhafte Rechtsanwendung im Bereich der Strafzumessung aufzeigt. Bei der nach § 41 StGB vorzunehmenden Beurteilung kommt es nämlich nicht allein auf die in § 34 StGB aufgezählten besonderen Milderungsgründe an;

vielmehr sind auch der Unrechtsgehalt der Tat und alle sonst bedeutsamen Umstände zu berücksichtigen, die die Tat als überdurchschnittlich leicht ausweisen (Pallin im WK, Rz 3;

Leukauf-Steininger2, RN 4 jeweils zu § 41 StGB; EvBl 1982/27;

EvBl 1983/153). Die vom Erstgericht vertretene, der gefestigten Rechtsprechung entsprechende Auffassung, daß die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung auf atypisch leichte Ausnahmefälle beschränkt sei, verstößt sohin nicht gegen die Strafbemessungsvorschrift des § 41 StGB. Mit der Behauptung hingegen, die gegenständliche Urteilstat stelle einen solchen atypisch leichten Fall dar, wird nur ein im Rahmen der Rechtsrüge unbeachtlicher Berufungsgrund geltend gemacht.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verhängte gemäß § 143, erster Strafsatz, StGB über den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Bei der Strafbemessung wertete es nichts erschwerend, als mildernd hingegen sah es das Teilgeständnis des Angeklagten, seinen bisher ordentlichen Lebenswandel und die Tatsache an, daß die Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch steht; ferner sein deutlich eingeschränktes Dispositionsvermögen sowie die volle Schadensgutmachung.

Diesen Strafausspruch bekämpft der Angeklagte (auch) mit Berufung, mit der er die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 (Abs. 1 Z 3) StGB und die (subsidiär teil-)bedingte Nachsicht der (reduzierten) Freiheitsstrafe im wesentlichen mit der (weiteren) Begründung anstrebt, er habe seine tiefe Reue über die Tat nicht nur durch die volle materielle Schadensgutmachung, sondern auch durch die Zahlung eines Betrages von 25.000 S zur Abgeltung des seelischen Ungemachs der überfallenen Frau deutlich zum Ausdruck gebracht; ferner rechtfertigen seine volle soziale Integration und regelmäßige fachärztliche Kontrolluntersuchungen trotz der bei ihm bestehenden Gehirnatrophie nach dem Gutachten des gerichtspsychiatrischen Sachverständigen die Erwartung seiner künftigen Straffreiheit.

Der Berufung kommt schon insoweit Berechtigung zu, als sie das Vorliegen der Voraussetzungen für die außerordentliche Strafmilderung geltend macht. Zwar ist in Ergänzung der erstgerichtlichen Strafzumessungserwägungen die reifliche Überlegung der Tat (Maskierung, Benützung fremder Schuhe bei der Tatausführung - S 176, 301) als erschwerend zu berücksichtigen; auch kann nicht außer acht bleiben, daß das Opfer in der eigenen Wohnung überfallen wurde. Aus der Sicht der Täterpersönlichkeit heben indes - der Auffassung des Geschwornengerichtes zuwider - eine Reihe von Umständen den konkreten Fall als atypisch leichte Form eines bewaffneten Raubes vom Durchschnitt gleichartiger Kriminalität deutlich ab: In erster Linie ist es die geringe Intensität des qualifikationsspezifischen deliktischen Willens, die in der (im wesentlichen spontanen) Bereitschaft des Angeklagten, das zur Drohung verwendete Messer auf die Aufforderung des Opfers hin abzulegen, ihren faßbaren Niederschlag fand. Zeigt sich doch gerade darin eine atypisch eingeschränkte Wirksamkeit jener Gefährlichkeitskomponente, die den erhöhten Störwert des Raubes unter Verwendung einer Waffe sonst üblicherweise ausmacht. Unter Mitberücksichtigung der im Spektrum einschlägiger Delinquenz außergewöhnlichen Bemühungen des erstmals straffällig gewordenen Angeklagten, über den objektiven Schaden hinaus einen Ersatz für die erlittene Unbill der Frau zu leisten, ferner im Hinblick auf sein geordnetes soziales Umfeld und sein infolge vorzeitiger Abbauerscheinungen reduziertes Dispositionsvermögen, welches nach der Aktenlage nunmehr kontinuierlicher fachärztlicher Kontrolle unterliegt, kann ein beträchtliches Überwiegen der Milderungsgründe nicht in Abrede gestellt werden. Dazu ist des weiteren von der begründeten Aussicht auszugehen, daß der Angeklagte auch bei Verhängung einer das gesetzliche Mindestmaß unterschreitenden Freiheitsstrafe keine weiteren strafbaren Handlungen mehr begehen wird. So gesehen kann nach Lage des Falles mit einer auf drei Jahre herabgesetzten Freiheitsstrafe das Auslangen gefunden werden. Darüber hinaus spricht in Anbetracht des familiären Rückhalts und der offenkundigen Bereitschaft des Angeklagten, gegen seine tatfördernde Persönlichkeitsabnormität mit ärztlicher Hilfe anzukämpfen, im Sinn der weiteren Berufungsargumentation auch eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit eindringlich gegen einen künftigen Rückfall, weshalb unter den Voraussetzungen des § 43 StGB gemäß § 43 a Abs. 4 StGB ein Teil der ausgesprochenen Strafe von zwei Jahren unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachzusehen war.

Anmerkung

E18217

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0120OS00071.89.0824.000

Dokumentnummer

JJT_19890824_OGH0002_0120OS00071_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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