Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 4.Oktober 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Siegl als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dietmar S*** wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 14.März 1989, GZ 4 U 182/86-13, nach Anhörung des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, in öffentlicher Verhandlung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 14.März 1989, GZ 4 U 182/86-13, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 53 Abs. 1 StGB (nF).
Dieser Beschluß wird aufgehoben, und es wird dem genannten Bezirksgericht aufgetragen, über den Antrag des Bezirksanwaltes vom 26. Jänner 1988 auf Widerruf der bedingten Nachsicht der über Dietmar S*** mit dem Urteil vom 22.April 1986, GZ 4 U 182/86-6, verhängten Freiheitsstrafe neuerlich zu entscheiden.
Text
Gründe:
Mit dem seit 26.April 1986 rechtskräftigen Urteil des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 22.April 1986, GZ 4 U 182/86-6, wurde der am 27.Juni 1962 geborene Dietmar S*** des (bis 27.Feber 1986 verübten) Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat verurteilt, die gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Mit dem seit 24.November 1987 rechtskräftigen Urteil des genannten Bezirksgerichtes vom 19.November 1987, GZ 4 U 102/87-10, wurde Dietmar S*** neuerlich des - nunmehr ab 1.Mai 1986 begangenen - Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat verurteilt. Diese Strafe wurde vom 13.Oktober bis 11.November 1988 vollzogen. Wegen der zuletzt genannten, während der dreijährigen Probezeit verübten strafbaren Handlung hat das Bezirksgericht Linz-Land die zuvor bezeichnete bedingte Strafnachsicht mit Beschluß vom 14. März 1989, GZ 4 U 182/86-13, mit der Begründung widerrufen, daß die spezialpräventiven Voraussetzungen für das Absehen vom Widerruf nach § 53 Abs. 1 StGB (aF) - welche Gesetzesstelle wegen des Ausspruchs der bedingten Strafnachsicht vor Inkrafttreten des StRÄG 1987 (am 1.März 1988) anzuwenden sei - angesichts der nur sporadischen Leistung von Unterhaltszahlungen nicht vorlägen. Der Widerrufsbeschluß ist in Rechtskraft erwachsen; der Strafvollzug wurde jedoch - im Hinblick auf den am 18.Juli 1989 vom Verurteilten unter Hinweis auf die zwischenzeitige Abdeckung des Unterhaltsrückstandes gestellten Antrag auf (nachträgliche) Strafmilderung (vgl. ON 17 des zitierten Aktes) - bisher nicht eingeleitet.
Rechtliche Beurteilung
Der bezeichnete Beschluß steht mit dem Gesetz nicht im Einklang. Entgegen der Meinung des Bezirksgerichtes war nämlich auf den vorliegenden Fall die zur Zeit der Beschlußfassung bereits durch das StRÄG 1987 geänderte Fassung des § 53 Abs. 1 StGB anzuwenden (Art. XIX Abs. 1 StRÄG 1987). Darnach hat das Gericht im Fall der Verurteilung eines Rechtsbrechers wegen einer während der Probezeit begangenen strafbaren Handlung die bedingte Strafnachsicht nur dann zu widerrufen und die Strafe vollziehen zu lassen, wenn dies in Anbetracht der neuerlichen Verurteilung zusätzlich zu dieser geboten erscheint, um den Rechtsbrecher von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Die vom Bezirksgericht zu Unrecht angewendete Bestimmung des § 53 Abs. 1 StGB (aF) ließ hingegen ein Absehen vom - ansonsten zwingend vorgesehenen - Widerruf nur zu, wenn aus besonderen Gründen anzunehmen war, daß der Rechtsbrecher trotz der abermaligen Verfehlung in Zukunft keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde. Da das Bezirksgericht solche Gründe als nicht gegeben erachtete, vermeinte es den Widerruf aussprechen zu müssen; die Frage, ob ein Widerruf in Anbetracht der neuerlichen Verurteilung zusätzlich zu dieser geboten erschienen wäre, um den Verurteilten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, wurde demnach - zum Nachteil des Verurteilten - gar nicht geprüft. Es kann demzufolge nicht ausgeschlossen werden, daß das Bezirksgericht - insbesondere im Hinblick auf die aktenkundigen Bestrebungen des Verurteilten, nunmehr seiner Unterhaltspflicht nachzukommen - vom Widerruf aus Anlaß der neuen Verurteilung und des damit verbunden gewesenen erstmaligen Vollzuges einer Freiheitsstrafe - unter allfälliger Verlängerung der Probezeit und Erteilung geeigneter Weisungen - abgesehen hätte.
In Stattgebung der vom Generalprokurator gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher die aufgezeigte Gesetzesverletzung festzustellen und dem Bezirksgericht - zumal die Widerrufsfrist nach § 56 StGB (iVm § 49 StGB) noch nicht abgelaufen ist - die neuerliche Entscheidung über den Widerrufsantrag (nach Prüfung der Voraussetzungen hiefür im Sinn des § 53 Abs. 1 StGB nF) aufzutragen.
Anmerkung
E18441European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0140OS00135.89.1004.000Dokumentnummer
JJT_19891004_OGH0002_0140OS00135_8900000_000