TE OGH 1989/10/17 11Os108/89

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Veröffentlicht am 17.10.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Oktober 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Edelmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Konrad V*** wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach dem § 206 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 1. Juni 1989, GZ 1 b Vr 1.953/89-20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 11.November 1937 geborene Konrad V*** des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach dem § 206 Abs 1 StGB sowie der Vergehen der Blutschande nach dem § 211 Abs 2 StGB und des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach dem § 212 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er im Jänner und im Februar 1989 in Wien 1. mit der am 5. September 1976 geborenen unmündigen Doris L*** den außerehelichen Beischlaf unternahm, 2. dadurch seine leibliche Tochter, mithin eine Person, mit der er in absteigender Linie verwandt ist, zum Beischlaf verführte, sowie dadurch 3. sein minderjähriges Kind zur Unzucht mißbrauchte.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Ziffern 3, 4, 5, 5 a und 9 lit. a (der Sache nach 10) des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Eine in der Hauptverhandlung vorgefallene Verletzung des Gesetzes, und zwar des § 152 StPO, erblickt der Beschwerdeführer zu Recht in der begonnenen Vernehmung der Zeugin Birgit L*** ohne Belehrung über ihr Entschlagungsrecht als Tochter des Angeklagten. Diese Belehrung holte das Gericht nach einem entsprechenden Hinweis der Verteidigerin zwar nach, zu diesem Zeitpunkt lagen aber bereits den Angeklagten belastende (im Hauptverhandlungsprotokoll wie in anderen derartigen Fällen blau unterstrichene) Angaben der Zeugin darüber vor, daß der Angeklagte einmal ihre Schwester Doris gegen deren Willen in das Schlafzimmer geführt und die Tür sodann abgesperrt habe.

Da das Schöffengericht (ua) die Aussage der Zeugin Birgit L***, die auf ihr Entschlagungsrecht nicht verzichtete (§ 152 Abs 3, letzter Satz, StPO), seinen Feststellungen ausdrücklich zugrundelegte (S 103 unten) und der Angeklagte in der Hauptverhandlung den bekundeten Vorfall ausdrücklich bestritt (S 77 ff, insbesonders S 82), ist nach Lage des Falles nicht unzweifelhaft erkennbar, daß die Formverletzung keinen (dem Angeklagten) nachteiligen Einfluß auf die Entscheidung üben konnte (§ 281 Abs 3 StPO).

Rechtliche Beurteilung

Es zeigt sich sohin, daß das angefochtene Urteil iS der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO nichtig ist.

Der Angeklagte ist aber auch insoweit im Recht, als er mit seiner Verfahrensrüge (Z 4) die Abweisung des Beweisantrages auf zeugenschaftliche Vernehmung des minderjährigen Franz E*** zum Beweis dafür bekämpft, daß sich der einzige Vorfall, bei dem sich Doris L*** mit ihm allein im Schlafzimmer befand, so wie in seiner Beschuldigtenverantwortung angegeben (ON 5), abgespielt habe (S 97).

Dieser Antrag wurde vom Schöffensenat mit der Begründung abgelehnt, daß E*** nicht Tatzeuge der Vorfälle im Schlafzimmer war (S 97).

Diese Begründung des abweisenden Zwischenerkenntnisses geht am relevanten Kern des Beweisthemas vorbei, das offensichtlich auf die Widerlegung der vom Tatopfer Doris L*** im Zusammenhang mit dem Anlaß und den näheren Umständen des Aufsuchens des elterlichen Schlafzimmers gegebenen belastenden Darstellung abzielt und nicht nur die Vorgänge im unmittelbaren Bereich des inkriminierten Tatgeschehens im Auge hat.

Das angefochtene Urteil ist daher auch mit dem Nichtigkeitsgrund der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO behaftet.

Da bei dieser Sachlage die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war über die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß dem § 285 e StPO bereits in nichtöffentlicher Sitzung wie im Spruch zu erkennen. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Bei der Neudurchführung des Verfahrens wird das Erstgericht zu beachten haben, daß nach herrschender Lehre und Rechtsprechung echte Idealkonkurrenz zwischen den Tatbeständen nach den §§ 211 Abs 2 und 212 Abs 1 StGB ausgeschlossen ist (LSK 1977/116 = EvBl. 1977/165, EvBl. 1977/197, LSK 1979/316).

Anmerkung

E18620

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0110OS00108.89.1017.000

Dokumentnummer

JJT_19891017_OGH0002_0110OS00108_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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