TE OGH 1989/11/16 12Os108/89

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Veröffentlicht am 16.11.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.November 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Salat als Schriftführerin in der Strafsache gegen Martin G*** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 29. März 1989, GZ 13 Vr 1717/88-13, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Der am 2.November 1967 geborene Martin G*** wurde von der Anklage, das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB dadurch begangen zu haben, daß er in der Zeit vom 26. Mai 1988 bis 20.Juni 1988 in Rosegg als Beamter des Gendarmeriepostens Rosegg in zwölf Fällen nach Ausstellung von Organstrafverfügungen die Durchschriften nicht dem Postenkommandanten ablieferte, die Amtshandlung nicht in die Dienstvorschreibung eintrug und die vereinnahmten Geldstrafen im Gesamtbetrag von 1.500 S für sich behielt, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Staatsanwaltschaft dagegen aus § 281 Abs. 1 Z 5 und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist teils offenbar unbegründet, teils entbehrt sie einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung.

In ihrer Mängelrüge (Z 5) bekämpft die Beschwerdeführerin die tatrichterliche Feststellung, der Angeklagte habe bestimmte Strafgeldbeträge nur deshalb nicht abgeführt, weil er bei einem der nachfolgenden, insbesondere mit Überstunden verbundenen Dienste den Nachweis eines regelmäßigen Erfolges habe vorweisen wollen, als "aktenwidrig". Es ergebe sich nämlich aus den Bekundungen der Zeugen Ernst F*** und Ignaz A***, daß kein wie immer gearteter Druck zur Einhebung von Strafen auf die Beamten ausgeübt worden sei. Dem Urteil könne aber nicht entnommen werden, weshalb das Erstgericht diesen Aussagen keinen Glauben schenkte.

Dem ist zunächst zu erwidern, daß die in Frage stehende Konstatierung im Urteil nicht mit Druckausübung auf den Angeklagten begründet wurde, von einer "Aktenwidrigkeit" also nicht gesprochen werden kann, die nur dann vorläge, wenn einer Aussage ein anderer Inhalt zugeordnet worden wäre als jener, den sie nach dem Hauptverhandlungsprotokoll tatsächlich hatte. Die bekämpfte Feststellung ist aber auch durchaus zureichend begründet, weil sie in der - vom Schöffengericht ersichtlich als glaubwürdig befundenen - Verantwortung des Angeklagten (S 193), er sei vom Postenkommandanten (F***) darauf aufmerksam gemacht worden, Organstrafverfügungen einzuheben, andernfalls die Gendarmen die Überstunden verlieren würden, eine tragfähige Stütze findet. Daraus folgerte das Erstgericht durchaus schlüssig, es sei keineswegs abwegig, daß seitens vorgesetzter Stellen darauf gedrungen werde, in Überstundendiensten einen entsprechenden Arbeitserfolg zu erbringen, um im Zuge der Überstundeneinsparungen diese Dienste nicht zu verlieren.

Einen weiteren Begründungsmangel erblickt die Anklagebehörde darin, daß sich das Erstgericht überhaupt nicht mit der Aussage des Zeugen A*** (in der Hauptverhandlung) auseinandergesetzt habe, wonach der Angeklagte noch am 25.Juli 1988 - also fünf Wochen nach der Kontrolle durch den Zeugen F*** und eine Woche vor der freiwilligen Austrittserklärung des Angeklagten - zugegeben habe, die Strafgelder zur Bezahlung von Privatschulden verwendet zu haben. Dem Urteil sei nicht zu entnehmen, ob der Aussage des Zeugen A*** in diesem Punkt Glaubwürdigkeit beigemessen werde. Auch diese Rüge geht fehl. Läßt sie doch außer acht, daß der Angeklagte den Inhalt des in Rede stehenden Gespräches mit A*** ausdrücklich zugestanden hat (S 50) und daß die schöffengerichtlichen Erwägungen darüber, aus welchen Gründen der Angeklagte die Strafgelder nun tatsächlich zurückbehielt (S 215 bis 221), mit der Würdigung der Aussage des Zeugen A*** in keinerlei Zusammenhang stehen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) der Beschwerdeführerin entbehrt zur Gänze einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung. Denn mit der Behauptung, angesichts der Verantwortung des Angeklagten, es sei ihm nicht bekannt gewesen, daß mit Organstrafverfügungen eingehobene Geldbeträge sofort nach dem Einrücken abzuliefern seien, hätte das Erstgericht Feststellungen darüber treffen müssen, ob derartige Bestimmungen Gegenstand seiner Ausbildung und dienstinternen Belehrung waren bzw ob mit der Ausstellung der Ermächtigungsurkunde zur Einhebung von Geldstrafen entsprechende Instruktionen verbunden waren, werden in Wahrheit keine Feststellungs-, sondern Begründungsmängel releviert, jedoch auch diese nicht in der von der Prozeßordnung vorgesehenen Form.

Kann doch von einem materielle Nichtigkeit bewirkenden Feststellungsmangel nur dann gesprochen werden, wenn ein Umstand nicht konstatiert wird, von dessen Vorhandensein nach richtiger Rechtsansicht die Beantwortung der Frage abhängt, ob sich der Angeklagte einer gerichtlich strafbaren Handlung schuldig gemacht hat (Mayerhofer-Rieder2 § 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO ENr 7 ff), was aber auf die in Rede stehenden Fragen ersichtlich nicht zutrifft; vielmehr stellen sie nur denkmögliche Prämissen für die Lösung der Tatfrage dar, ob der Angeklagte bei der Nichtablieferung der einkassierten Strafgeldbeträge wissentlich handelte bzw allenfalls, ob er mit dem zur Tatbestandserfüllung erforderlichen zumindest bedingten Schädigungsvorsatz tätig wurde.

Hätte das Beweisverfahren Ergebnisse dahin erbracht, daß der Angeklagte über den fraglichen Punkt im Zuge seiner Ausbildung, anläßlich dienstinterner Belehrungen oder bei der Ausstellung der Ermächtigungsurkunde (ausdrücklich) instruiert wurde und hätte das Schöffengericht bei seiner sich mit der inneren Tatseite beschäftigenden Beweiswürdigung diese Umstände mit Stillschweigen übergangen, läge gewiß Nichtigkeit nach der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO vor. War dies aber - wie hier - nicht der Fall, dann wäre es Verpflichtung der Anklagebehörde gewesen, entsprechende Beweisanträge zu stellen, weil sich aus dem System der Nichtigkeitsgründe ergibt, daß das Urteil nach § 281 Abs. 1 Z 5 StPO nur dann nichtig ist, wenn das Gericht die erhobenen Beweise unvollständig gewürdigt, nicht aber, wenn es die möglichen Beweisquellen unvollständig ausgeschöpft hat. Eine derartige Mangelhaftigkeit des Verfahrens kann nur aus dem Grunde des § 281 Abs. 1 Z 4 StPO gerügt werden, soferne in der Hauptverhandlung entsprechende Anträge gestellt wurden (Mayerhofer-Rieder aaO § 281 Abs. 1 Z 5 StPO Nr 82 ff).

Wenn die Anklagebehörde schließlich lapidar behauptet, dem Angeklagten wäre "im übrigen ein ihm unterlaufener Rechtsirrtum vorwerfbar im Sinne des § 9 Abs. 3 StGB", entzieht sich dieser Vorwurf mangels Substantiierung einer argumentativen Erörterung, die nicht daran vorübergehen dürfte, daß jeder Rechtsirrtum nach § 9 StGB die Wissentlichkeit ausschließt, sodaß die Vorwerfbarkeit eines solchen Irrtums außer Betracht bleiben kann (Mayerhofer-Rieder3 § 5 StGB ENr 10), bzw daß dort, wo das Gesetz Wissentlichkeit oder Absicht voraussetzt (§ 5 Abs. 2 und 3 StGB), hinsichtlich der dadurch betroffenen Umstände § 9 StGB nicht anwendbar ist (Mayerhofer-Rieder aaO § 9 StGB Anm 6). Nach dem Gesagten war mithin die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft teils als offenbar unbegründet nach § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt nach der Z 1 dieser Gesetzesstelle in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Anmerkung

E18980

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0120OS00108.89.1116.000

Dokumentnummer

JJT_19891116_OGH0002_0120OS00108_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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