TE OGH 1989/11/21 15Os114/89

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Veröffentlicht am 21.11.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.November 1989 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Edelmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Johann N*** wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach §§ 159 Abs. 1 Z 1, 161 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsache Wien als Schöffengericht vom 13.Dezember 1988, GZ 12 c Vr 10540/86-101, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Podovsovnik zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johann N*** (B.) vom Vorwurf des (in drei Fakten mit insgesamt rund 12,1 Millionen Schilling Schaden begangenen) Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs. 1 und Abs. 2 StGB freigesprochen, jedoch (A.) des Vergehens der fahrlässigen Krida nach §§ 159 Abs. 1 Z 1, 161 Abs. 1 StGB (mit einer kridamäßigen Überschuldung in der Höhe von mindestens 38 Millionen Schilling) schuldig erkannt. Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er in der Zeit von Ende 1984 bis Ende April 1986 in Wien als Gesellschafter und Geschäftsführer der I*** GesmbH (im folgenden: I***), welche Schuldnerin mehrerer Gläubiger war, insbesondere durch starke Umsatzausweitung ohne ausreichendes Eigenkapital in Verbindung mit zu knapper Kalkulation sowie mit leichtsinniger und unverhältnismäßiger Kreditbenützung fahrlässig deren Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt.

Die Fahrlässigkeit des Angeklagten erblickte das Erstgericht darin, daß er in der Hoffnung auf eine Geschäftsbeteiligung der P*** AG an der I*** oder doch auf eine gewinnträchtige Zusammenarbeit mit ersterer, aber ohne verbindliche Zusagen ihrerseits, den Umsatz der GesmbH sprunghaft derart ausweitete, daß sie der Expansion organisatorisch nicht mehr gewachsen war und die Kosten überproportional anstiegen; daß er im Interesse dieser Geschäftsausweitung, mit der er die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft demonstrieren wollte, äußerst knapp kalkulierte und sogar sogenannte "Verlustbaustellen" übernahm; und daß er den damit verbundenen Kapitalbedarf der I***, deren finanzielle Substanz zudem durch die Insolvenz eines Geschäftspartners angegriffen war, durch eine von der P*** AG bei ihrer Hausbank unterstützte, jedoch nicht besicherte Aufblähung des Kreditvolumens auf mehr als das Doppelte finanzierte (US 8 bis 11, 17 bis 20, 22 f., 33 f.); die darin gelegenen Fehldispositionen führten nach dem Scheitern der Beteiligungsgespräche und der dadurch ausgelösten Fälligstellung der Bankkredite zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft (US 10 f.). Der auf § 281 Abs. 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen den Schuldspruch kommt keine Berechtigung zu.

Nicht stichhältig sind die in Ausführung der Rechtsrüge (Z 9 lit a) erhobenen Einwände des Beschwerdeführers gegen den die Unternehmensexpansion betreffenden Fahrlässigkeitsvorwurf. So ist vor allem die Beschwerdeansicht, daß der Angeklagte gerade im Hinblick auf die Bereitschaft der Ö***

L*** (als Hausbank des P***-Konzerns), die von ihm angestrebte Umsatzausweitung ohne zusätzliche Garantien zu finanzieren, mit der Zumutung des Verzichts auf eine solche Expansionschance überfordert gewesen wäre, völlig verfehlt: wurde er doch selbst durch eine allenfalls von Seiten der Bank zu sorglose Gewährung des Kredits umsoweniger seiner eigenen Verantwortlichkeit für dessen leichtsinnige Inanspruchnahme enthoben, als ihm (auch) in bezug auf die Möglichkeit eines Scheiterns seiner Bemühungen um eine gewinnversprechende Kooperation mit der P***-AG die (vergleichsweise) entscheidend kompetentere Grundlage zur Beurteilung ihrer ökonomischen Vertretbarkeit zur Verfügung stand. Insoweit aber ist der Auffassung des Schöffengerichts vollauf beizupflichten, daß ungeachtet der auch seitens der P*** AG vorgelegenen Beteiligungspläne sowie des Umstands, daß letztere im Zusammenhang damit die I*** bei der Ausweitung ihres Umsatzes und ihres Kreditvolumens unterstützte, das Eingehen eines Insolvenz-Risikos, wie es mit einer derart abrupten und kostenverursachenden Aufblähung des Geschäftsumfangs erfahrungsgemäß verbunden ist, ausschließlich in der Hoffnung, aber ohne verbindliche Zusage einer sie wirtschaftlich rechtfertigenden Kooperation mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht zu vereinbaren war.

Der darauf bezogene sichtbar polemische Einwand, daß dann, wenn die Unterkapitalisierung eines Unternehmens "jeder" Erweiterung des Geschäftsumfangs entgegenstünde, "kein Unternehmer in Österreich in Zukunft unternehmerische Entscheidungen, die auf eine Unternehmensausweitung oder Kooperation hinauslaufen, treffen dürfte", weil die Kapitalausstattung der I*** der "durchschnittlichen Situation sämtlicher österreichischen Unternehmen einschließlich der verstaatlichten Industrie" weitgehend entsprochen habe, geht dementgegen eben daran vorbei, daß der vom Beschwerdeführer solcherart rein aleatorisch unternommenen Expansion keine ausreichend seriöse Erwartung eines ihre Finanzierung deckenden künftigen Geschäftsganges zugrundelag.

Auf den Verlauf der Kooperationsgespräche mit der P*** AG und auf die Unterstützung des Angeklagten durch sie bei der L*** ist das Erstgericht dabei ohnehin ausführlich und mit dem Ergebnis eingegangen, es habe sich hiebei "offenbar um ein System von durch P*** teilweise genährten Hoffnungen, unverbindlichen Versprechungen und Andeutungen, genährt auch durch die Duldung unautorisierter Maßnahmen Einzelner" gehandelt, wobei "auch der L*** gegenüber die Möglichkeit einer engen Zusammenarbeit in den Raum gestellt" worden sei, doch seien die Gespräche gänzlich unverbindlich geblieben (US 10, 17 bis 20).

Eine Erörterung der darauf bezogenen Aussagen der Zeugen M*** und S*** sowie des Gutachtens des Sachverständigen

Dipl.Ing. W*** in allen Details jedoch war insoweit - der Mängelrüge (Z 5) zuwider - durchaus entbehrlich (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO), zumal auch von einem Widerspruch der nach Ansicht des Beschwerdeführers daraus abzuleitenden "massiven Beteiligungsabsicht" der P*** AG mit den zuvor relevierten Urteilsannahmen einschließlich der Feststellung, daß die genannte AG keine Haftung für die der I*** gewährten Kredite übernahm (US 10), keine Rede sein kann. Rein spekulative Schlußfolgerungen aus dem durch die Stellungnahme der P*** AG ausgelösten Entgegenkommen der L*** gegenüber dem Angeklagten darauf, daß erstere darnach doch auch ihm gegenüber Erklärungen abgegeben haben müsse, die für ein Vertrauen seinerseits auf eine künftige Kooperation als tragfähig zu beurteilen seien, erweisen sich dementgegen bloß als prozeßordnungswidriger Angriff gegen die schöffengerichtliche Beweiswürdigung.

Nicht nur aus dem Unterbleiben schriftlicher Abmachungen hinwieder hat das Schöffengericht abgeleitet, daß sich der Beschwerdeführer bei der ihm vorgeworfenen Expansion auf eine künftige Kooperation mit der P*** AG nicht hätte verlassen dürfen, sondern auf das Fehlen konkreter Zusagen überhaupt (US 10), und auch dabei hat es nicht auf das Nichtvorliegen "schriftlicher Vorstandsbeschlüsse" abgestellt, sondern lediglich darauf, daß bindende Beschlüsse der AG, wären sie gefaßt worden, in schriftlichen Unterlagen, insbesondere in Sitzungsprotokollen, Niederschlag gefunden haben müßten (US 17). Mit ihren insoweit urteilsfremden Argumenten läßt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) demnach eine prozeßordungsgemäße Ausführung vermissen.

Die als möglich unterstellte beschlußmäßige Erteilung eines Verhandlungsmandates durch den Vorstand der AG an deren geschäftsführende Organe (US 17) aber steht entgegen der in der Mängelrüge (Z 5) vertretenen Auffassung des Angeklagten keineswegs in einem Widerspruch dazu, daß das Ergebnis der betreffenden Gespräche gänzlich unverbindlich geblieben ist; in welchem Abschnitt der Entscheidungsgründe sich das Erstgericht damit auseinandersetzte, ist unter dem Gesichtspunkt eines Begründungsmangels (Z 5) völlig ohne Belang.

Mit dem im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) erhobenen weiteren Einwand schließlich, er habe auf Grund der Gegebenheiten aus kaufmännischen Überlegungen darauf vertrauen dürfen, daß ihm die P*** AG, die ihm die Aufnahme der Kredite ermöglicht hatte, bei ihrer Hausbank auch die Möglichkeit eröffnen würde, die für sie übernommenen Baustellen ordnungsgemäß abzuschließen und so einen "Deckungsbeitrag für die aufgenommenen Kredite ins Verdienen zu bringen", verkennt der Beschwerdeführer, daß sich zur Verwirklichung des Tatbestands nach § 159 Abs. 1 Z 1 StGB die Vorhersehbarkeit der Zahlungsunfähigkeit als Deliktserfolg durchaus nicht über ihren Eintritt als Folge seiner erörterten Fehldispositionen hinaus auf den gesamten Kausalverlauf einschließlich der sie im konkreten Fall letztlich auslösenden Faktoren erstrecken mußte. Genug daran, daß sich die Fälligstellung des Bankkredits nach dem Scheitern der geplant gewesenen Kooperation mit der P*** AG auf Grund der damit eingetretenen wirtschaftlichen Situation der I*** nicht nur keineswegs als atypische, sondern umgekehrt als geradezu typische Konsequenz seiner fahrlässigen Unternehmensexpansion erwies. Bereits deswegen sind alle darauf bezogenen Beschwerdeargumente (Z 5 und Z 9 lit a) nicht zielführend, mit denen der Angeklagte die Vorhersehbarkeit des Kreditabrufs für ihn im April 1986 im Hinblick auf die Rolle der P*** AG und der L*** bei der

vorausgegangenen Erhöhung des Kreditvolumens sowie auf die angebliche Unrichtigkeit des Ergebnisses einer dieser Fälligstellung zugrunde gelegten Bilanzprüfung durch den Kreditgeber bestreitet und eine hypothetisch positive Geschäftsentwicklung im Fall des Unterbleibens einer Kreditkündigung wahrscheinlich zu machen trachtet.

Eine Erörterung der die Feststellungen über eine zu knappe Kalkulation der I***, insbesondere im Zusammenhang mit den sogenannten "Verlustbaustellen", betreffenden Ausführungen der Mängelrüge (Z 5) aber erübrigt sich schon mit Rücksicht darauf, daß sie sich bloß auf eine von mehreren Fahrlässigkeitskomponenten beziehen, also weder für die Schuldfrage noch für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes von Belang sind.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 159 Abs. 1 StGB zu 18 Monaten Freiheitsstrafe, die es ihm gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah.

Bei der Strafbemessung wertete es keinen Umstand als erschwerend, wogegen es ihm als mildernd zugute hielt, daß er bisher einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat und die Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch steht, daß er "bis zu einem gewissen Maße" durch das Verhalten von Angehörigen der P*** AG zu nachteiligen unternehmerischen Entscheidungen verleitet wurde, daß er nicht unerhebliche Eigenmttel sowie Mittel seiner Familie zur Verfügung gestellt, also auch selbst finanziellen Schaden erlitten hat und daß er durch seine Darstellung zur Wahrheitsfindung beitrug.

Mit seiner Berufung strebt Johann N*** eine Herabsetzung des Strafmaßes und eine Verkürzung der Probezeiten.

Auch dieses Rechtsmittel erweist sich als unbegründet. Daß der Angeklagte durch die Insolvenz der I*** seine vormalige Existenzgrundlage und gleichsam sein Lebenswerk verloren hat, wurde vom Erstgericht im Kern sehr wohl berücksichtigt, indem es seinen dadurch erlittenen finanziellen Schaden als mildernd wertete. Die Bewilligung der Kreditausweitung durch die L*** aber beruhte in hohem Maß auf seiner Unterstützung durch die P*** AG: auch der Milderungswert ihrer negativen Auswirkungen auf die Unternehmensentwicklung zur Zahlungsunfähigkeit hin wird demnach im Effekt schon durch die Zubilligung des Milderungsgrundes erfaßt, daß der Angeklagte durch das Verhalten von Angehörigen der genannten AG zu nachteiligen unternehmerischen Entscheidungen verleitet wurde; keine schuldmindernde Bedeutung hingegen ist dem Umstand beizumessen, daß die Fälligstellung der Kredite für ihn überraschend kam.

Die Dauer der in erster Instanz ausgemessenen Freiheitsstrafe kann demzufolge bei sorgfältiger Würdigung der (von den Tatrichtern vollständig aufgezeigten) Strafbemessungsgründe nach ihrem Gewicht unter Bedacht auf die sehr große Schadenshöhe nicht als überhöht bezeichnet werden und auch einer Reduzierung der Probezeit steht der beträchtliche soziale Störwert der Tat entgegen.

Der Berufung mußte daher gleichfalls ein Erfolg versagt bleiben.

Anmerkung

E19008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0150OS00114.89.1121.000

Dokumentnummer

JJT_19891121_OGH0002_0150OS00114_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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