TE OGH 1989/11/29 3Ob122/89

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.11.1989
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Warta, Dr.Klinger und Dr.Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*** FÜR O*** UND S***, Linz,

Hauptplatz 10-11, vertreten durch Dr.Walter Rinner, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei W*** IM H***, Lesezirkel, Buchhandlung und Zeitungsbüro M*** & Co, Wien 14., Hackingerstraße 52, vertreten durch Dr. Karl Burka, Rechtsanwalt in Wien, wegen Zustimmung zur Ausfolgung eines Erlags von 43.609 S sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Steyr als Berufungsgerichtes vom 24. April 1989, GZ R 364/88-10, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Enns vom 18. August 1988, GZ C 75/88-4, als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluß des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und diesem eine neue Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind als weitere Kosten des Berufungsverfahrens zu behandeln.

Text

Begründung:

Ernst A*** hatte seine Lohnforderungen der klagenden Partei verpfändet, wovon sein Dienstgeber verständigt worden war. Später wurden dieselben Lohnforderungen u.a. zugunsten der beklagten Partei gepfändet. Der Drittschuldner erlegte gemäß § 307 Abs 1 EO einen Betrag von 43.609 S und später weitere Mehrbeträge. Ein von der klagenden Partei im Exekutionsverfahren gestellter Ausfolgungsantrag wurde mit der Begründung auf den Rechtsweg verwiesen, es fehlten die Zustimmungserklärungen aller Forderungsprätendenten und ausreichende Unterlagen über den Bestand des Pfandrechtes der klagenden Partei. Die beklagte Partei lehnte die Erteilung einer förmlichen Zustimmung zur Ausfolgung des Erlagsbetrages an die klagende Partei ab. Ernst A*** und die klagende Partei stehen zueinander im Verhältnis von Verbraucher und Unternehmer iSd KSchG.

Die klagende Partei begehrte beim Erstgericht als dem gemäß § 17 Abs 2 EO zuständigen Exekutionsgericht das Urteil, die beklagte Partei sei schuldig, der Ausfolgung der erlegten Beträge von 43.609 S samt angefallener Fruktifikationszinsen sowie der künftig hinterlegten Beträge bis zur Höhe der der klagenden Partei gegen Ernst A*** zustehenden Forderung zuzustimmen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die klagende Partei könne sich wegen § 12 KSchG nicht auf ihr vertragliches Pfandrecht berufen und müsse im übrigen ihre Ansprüche im Exekutionsverfahren geltend machen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes und das vorangegangene Verfahren ab der Klagszustellung als nichtig auf und wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Es war der Ansicht, es müsse zunächst das exekutionsrechtliche Verteilungsverfahren über den Erlag durchgeführt werden, und erst wenn dort nach Geltendmachung des Vorpfandrechtes der klagenden Partei streitige Umstände auftreten sollten, könne eine Verweisung auf den Rechtsweg in Betracht kommen. Für eine sofort eingebrachte Klage sei der streitige Rechtsweg ausgeschlossen. An den Verweisungsbeschluß des Exekutionsgerichtes sei das Prozeßgericht nicht gebunden.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der klagenden Partei ist berechtigt.

Was mit einem gemäß § 307 Abs 1 EO erlegten Betrag zu geschehen hat, ist im Gesetz nicht geregelt. Der Hinweis auf § 1425 ABGB erlaubt den Schluß, daß die Ausfolgung des Erlagsbetrages nur möglich ist, wenn entweder Einigung unter den Personen besteht, zu deren Gunsten der Erlag erfolgte, oder die fehlende Zustimmung zur Ausfolgung durch ein Urteil ersetzt wird. Nach einhelliger Auffassung gibt es aber auch Fälle, in denen ein exekutionsrechtliches Verteilungsverfahren stattfindet, in welchem die Vorschriften über die Verteilung des Verkaufserlöses von Fahrnissen sinngemäß anzuwenden sind (JBl 1987, 326; Heller-Berger-Stix 2204).

Wiederholt hat der Oberste Gerichtshof mit Billigung im Schrifttum ausgesprochen, daß ein solches Verteilungsverfahren nur in Frage kommt, wenn unbestritten oder durch Urteil festgestellt ist, daß die gepfändete und überwiesene Forderung der verpflichteten Partei zustand (Heller-Berger-Stix 2204; SZ 9/21; ZBl. 1931/264; SZ 17/52; SZ 49/94; JBl 1987, 326). Dabei handelte es sich aber jeweils um Fälle einer Zession, nicht um den hier gegebenen Fall der Geltendmachung einer Verpfändung der exekutiv gepfändeten und überwiesenen Forderung.

Wenn strittig ist, ob dem Dritten ein Pfandrecht an der strittigen Forderung zusteht - Höhe der gesicherten Forderung, Fälligkeit derselben, Rang des Pfandrechtes für den Fall, als es wirksam ist, stehen hingegen im vorliegenden Verfahren außer Streit - kann ein solcher Streit von vorneherein im Rechtsweg ausgetragen werden. Der Rechtsstreit hat dann nämlich den Charakter einer Pfandvorrechtsklage iSd § 258 Abs 1 EO. Eine solche Klage kommt nicht nur bei körperlichen Sachen in Betracht; sondern auch der Pfandgläubiger, der an einer Forderung ein freiwilliges Pfandrecht erworben hat, ist zur Geltendmachung seines Pfandrechtes nach Analogie des § 258 EO berechtigt (Heller-Berger-Stix 1719). Das Klagebegehren muß dabei nicht auf die Feststellung des Pfandrechtes des Forderungspfandgläubigers beschränkt sein, sondern kann auch auf Zustimmung zur Ausfolgung des Erlagsbetrages lauten (vgl. Heller-Berger-Stix 1717 und ähnliche Überlegungen in EvBl 1975/109). Gerade der Bestand des von der klagenden Partei geltend gemachten Pfandrechtes ist aber strittig, mag es sich nach der jetzt erfolgten Außerstreitstellung der Verbraucher- und Unternehmereigenschaft der betroffenen Vertragsparteien auch nur mehr um eine Rechtsfrage handeln.

Zur Klärung des behaupteten Vorpfandrechtes stand damit der Rechtsweg offen, ohne daß zu untersuchen ist, ob er im vorliegenden Fall unabhängig von den hier angestellten Überlegungen nicht auch schon deshalb nicht verwehrt werden durfte, weil die klagende Partei mit rechtskräftigem Beschluß des Exekutionsgerichtes im exekutionsrechtlichen Verfahren gerade auf diesen Rechtsweg verwiesen worden war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E19477

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0030OB00122.89.1129.000

Dokumentnummer

JJT_19891129_OGH0002_0030OB00122_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten