TE OGH 1989/11/30 7Ob713/89

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Veröffentlicht am 30.11.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Marc M***, geboren am 29.Jänner 1987, infolge Revisionsrekurses der Mutter Christine M***, Bludenz, Oberbings 3, vertreten durch Dr. Fritz Schneider und Dr. Eva Schneider, Rechtsanwälte in Bludenz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgericht vom 16.Oktober 1989, GZ 1 a R 408/89-33, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 12. September 1989, GZ P 125/88-30, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Minderjährige ist der uneheliche Sohn der Rechtsmittelwerberin und des Pedro Jos W***, der die Vaterschaft am 2.3.1987 vor der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch anerkannt hat. Mit Beschluß vom 12.9.1989 entzog das Erstgericht der Mutter die Obsorge und sprach aus, daß diese dem Vater allein zukommt. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.

Nach den wesentlichen Feststellungen der Vorinstanzen lebten die Eltern im Jahre 1987 in Lebensgemeinschaft. Der Vater pflegte schon damals das Kind. Im November 1987 wollte die Mutter mit dem Vater nicht mehr zusammenleben und für das Kind keine Verantwortung mehr tragen. Ende 1987 trennten sich die Eltern. Die Mutter wohnte mit dem Kind bis Ende Mai 1988 in Koblach. Während dieser Zeit kam sie öfter mit dem Kind erst in der Nacht zwischen 21 und 22 Uhr nach Hause. Sie ließ das Kind auch allein, sodaß es längere Zeit weinte. Die Mieter im Hause beschwerten sich darüber und hatten mit dem Kind Mitleid. Die Mutter schrie zeitweise mit dem Kind und kochte für das Kind nicht regelmäßig warm. In der ersten Zeit der Trennung kam der Vater regelmäßig zu Besuch. Das Kind hängt sehr am Vater. Von der Mutter wurden die Kontakte des Vaters zum Kind immer mehr unterbunden. In der Folge brachte die Mutter das Kind zu ihren Eltern, weil sie ganztägig berufstätig war. Anfangs besuchte sie das Kind regelmäßig. Zwischen der Mutter und der mütterlichen Großmutter bestehen jedoch Differenzen. Nach dem August 1988 hatte die Mutter zum Kind nicht mehr regelmäßig Kontakt und kümmerte sich nicht mehr um das Kind. Sie hatte (berufsbedingt) für das Kind keine Zeit. Der Vater wohnt bei seinen Eltern, in deren Wohnung für den Minderjährigen ein eigener Raum zur Verfügung steht. Die väterliche Großmutter ist nicht berufstätig und kann sich während der berufsbedingten Abwesenheit des Vaters um das Kind kümmern. Nach der Rechtsansicht der Vorinstanzen setze eine Gefährdung des Kindeswohles im Sinne des § 176 Abs.1 ABGB nicht geradezu einen Mißbrauch der elterlichen Befugnisse voraus. Es genüge, daß die elterlichen Pflichten (objektiv) nicht erfüllt oder (subjektiv) gröblich vernachlässigt würden. Diese Voraussetzungen seien hier gegeben, zumal die Mutter nach Aufhebung der Lebensgemeinschaft mit dem Vater das Kind oft allein gelassen, es nicht regelmäßig mit warmem Essen versorgt habe und mit dem Kind oft erst spät am Abend nach Hause gekommen sei. Auch nach der Unterbringung des Kindes bei ihren Eltern habe sich die Mutter nicht regelmäßig um das Kind gekümmert.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs der Mutter ist unzulässig.

Nach § 16 AußStrG ist gegen eine bestätigende Entscheidung der zweiten Instanz der Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof nur im Falle einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit oder einer Nichtigkeit zulässig. Die Rechtsmittelwerberin behauptet eine offenbare Gesetzwidrigkeit, weil eine Entziehung der Obsorge immer nur als äußerste Notmaßnahme angeordnet werden dürfe. Eine Verletzung dieses Grundprinzips des Familienrechtes bilde eine offenbare Gesetzwidrigkeit.

Gefährden die Eltern durch ihr Verhalten das Wohl des mj. Kindes, so hat das Gericht die zur Sicherung des Wohles des Kindes nötigen Verfügungen zu treffen. Als solche Verfügung kommt auch die Entziehung der Obsorge in Betracht (§ 176 Abs.1 ABGB). Ob ein bestimmter Sachverhalt eine Gefährdung des Kindeswohles erkennen läßt, ist eine Ermessensentscheidung, die im Regelfall nur dann offenbar gesetzwidrig ist, wenn das Gericht den Ermessensspielraum überschreitet, wie etwa wenn es das Kindeswohl ganz außer acht läßt (EFSlg.52.778 bis 52.789 ua). Davon kann aber im vorliegenden Fall keine Rede sein, weil die Vorinstanzen gerade das Wohl des Minderjährigen in den Mittelpunkt ihrer Erwägungen gestellt haben. Richtig ist, daß die Entziehung der Obsorge immer nur als äußerste Notmaßnahme in Frage kommt und dabei immer ein strenger Maßstab anzulegen ist. Der Oberste Gerichtshof hat auch ausgesprochen, daß ein Verstoß gegen dieses Grundprinzip eine offenbare Gesetzwidrigkeit darstellen kann (EFSlg.55.644). Aus den Feststellungen der Vorinstanzen ergibt sich, daß während der Ausübung der Pflege und Erziehung durch die Mutter eine Gefährdung der körperlichen und geistigen Entwicklung des Minderjährigen bestand. Selbst bei Anlegung eines strengen Maßstabes kann in der getroffenen Verfügung ein offenbar gesetzwidriger Eingriff in die Rechte der Mutter nicht erkannt werden.

Demgemäß ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Anmerkung

E19305

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00713.89.1130.000

Dokumentnummer

JJT_19891130_OGH0002_0070OB00713_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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