TE OGH 1989/12/7 12Os152/89

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.12.1989
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.Dezember 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Lassmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ezeddine M*** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 und 3 Z 3 SGG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 19.September 1989, GZ 6 d Vr 1113/89-45, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlaß wird jedoch gemäß § 290 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil, welches im übrigen (Schuldspruch 2 wegen des Vergehens nach § 16 Abs. 1 SGG und Einziehung des sichergestellten Suchtgifts) unberührt bleibt, hinsichtlich des Schuldspruchs wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 und 3 Z 3 SGG (1) im Ausspruch, die in Verkehr gesetzte Menge sei übergroß, in der darauf beruhenden Unterstellung der Tat unter die Qualifikation nach § 12 Abs. 3 Z 3 SGG, im Strafausspruch einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung und den (richtig:) Verfall "der Erlöse" aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Der am 24.Juli 1962 geborene tunesische Staatsangehörige (richtig - S 267, 269 und im Akt erliegender Paß) Ezeddine (ben Ameur) M*** wurde des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 und 3 Z 3 SGG

(1) und des Vergehens nach § 16 Abs. 1 SGG (2) schuldig erkannt. Darnach hat er in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte

1/ in einer übergroßen Menge in Verkehr gesetzt, indem er im Dezember 1988 und Jänner 1989 dem gesondert verfolgten Amor S*** insgesamt 137 Gramm Heroin verkaufte;

2/ im Februar 1989 (Haschisch - US 4, 6) erworben und besessen.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft seine Schuldsprüche mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5 und 5 a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, welcher jedoch keine Berechtigung zukommt.

Soweit die Mängelrüge (Z 5) eine zureichende Begründung dafür vermißt, daß das Erstgericht die leugnende Verantwortung des Angeklagten, die ihn belastenden Angaben des Amor S*** seien als Revancheakt für seine Weigerung, ein von S*** konsumiertes Getränk zu bezahlen, zu verstehen, als unglaubwürdig abgelehnt hat, erschöpft sie sich in einer zur Darstellung formeller Begründungsmängel vorweg ungeeigneten Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung. Der erstgerichtliche Hinweis darauf, daß die Weigerung des Angeklagten, für Amor S*** eine Konsumation zu bezahlen, infolge der Geringfügigkeit dieses Anlasses keine plausible Erklärung für wahrheitswidrige Anschuldigungen von so gravierender Tragweite wie die der in Rede stehenden Art darstellt, erweist sich nämlich, dem Beschwerdestandpunkt zuwider, keineswegs als Scheinbegründung, vielmehr als durchaus denkmögliche und logisch einwandfreie Argumentation. Nichts anderes gilt aber auch dafür, daß das Erstgericht aus den äußeren Vorgängen, insbesondere aus dem zuvor gezielt angebahnten Weiterverkauf von Heroin, die Kenntnis des Angeklagten von der kaufgegenständlichen Suchtgiftmenge abgeleitet hat. Die Tatbestandsvoraussetzungen in Richtung § 16 Abs. 1 SGG (Schuldspruch 2) hinwieder wurden - von der Mängelrüge übergangen - ausdrücklich auf Grund der eigenen Angaben des Angeklagten bejaht (S 258).

Da der Angeklagte im Rahmen seiner (in der letzten Hauptverhandlung verlesenen - S 248) Angaben in der Hauptverhandlung vom 18.Juli 1989 das behauptete feindselige Verhältnis zwischen ihm und Amor S*** ausschließlich auf die erwähnte Meinungsverschiedenheit wegen der Nichtbezahlung einer Getränkekonsumation zurückgeführt hat (S 224), kann auch davon nicht die Rede sein, daß die Begründung des angefochtenen Urteils infolge Nichterörterung eines wesentlichen Details der leugnenden Verantwortung des Angeklagten unvollständig geblieben ist. Schließlich scheitert auch der mit der Tatsachenrüge (Z 5 a) unternommene Versuch, aus der (partiellen) Übereinstimmung von Einzelheiten seiner Verantwortung mit der aus seinem Reisepaß ersichtlichen Reisetätigkeit erhebliche Bedenken dagegen zu erwecken, daß das Erstgericht der umfassenden zeitlichen Vereinbarkeit der Angaben des Zeugen S*** mit den Eintragungen im Paß des Angeklagten einen für die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen günstigen Beweiswert beimaß.

Die insgesamt nicht berechtigte Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils nach der Z 2, teils nach der Z 1 (iVm § 285 a Z 2) des § 285 d Abs. 1 StPO bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen. Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon überzeugt, daß das angefochtene Urteil im Schuldspruch wegen des Verbrechens nach § 12 SGG (1) mit dem (nicht gerügten) materiellen Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 10 StPO behaftet ist. Zwar folgen die erstgerichtlichen Rechtsausführungen, denenzufolge bereits 37,5 Gramm Heroin eine "übergroße" - dh das Fünfundzwanzigfache der im § 12 Abs. 1 SGG angeführten Menge erreichenden - Suchtgiftmenge bilden, der gefestigten Rechtsprechung, wonach die nach § 12 Abs. 1 SGG verbrechensqualifizierende Grenzmenge bei Heroin nicht höher als mit 1,5 Gramm anzunehmen ist (EvBl. 1988/3, 1988/131 und 1988/147). Unter Vernachlässigung, daß diese Judikatur auf den Heroingehalt in Reinsubstanz abstellt, hat das Erstgericht jedoch jedwede Feststellung über den Reinheitsgrad des hier in Verkehr gesetzten Heroins unterlassen. Der Klärung dieser Tatfrage hätte es aber vorliegend umso mehr bedurft, als nach der Aktenlage (S 5, 9) die beim gesondert verfolgten Amor S*** sichergestellte Restmenge von 57 Gramm des vom Angeklagten (durch die Urteilstat 1) in Verkehr gesetzten Heroins aus braunem Pulver bestand, Heroin mit solchen Eigenschaften ("Heroin Nr. 3") aber gewöhnlich nur einen Reinheitsgrad von 25 bis 45 % an Diacetyl- und Monoacetyl-Morphin erreicht (Foregger-Litzka, SGG, MSA2, S 224 f; Kodek, Juridica Kommentare - Suchtgiftgesetz, S 150). Bei einem noch im (untersten) Bereich des gewöhnlichen Reinheitsgrades von "Heroin Nr. 3" gelegenen Reingehalt wären in der in Rede stehenden Heroinmenge von 137 Gramm weniger als 37,5 Gramm Reinsubstanz enthalten (ein 25 %-iger Reingehalt von 137 Gramm "Heroin Nr. 3" entspricht 34,25 Gramm an reinem Diacetyl- und Monoacetyl-Morphin). Die Feststellung des Reingehalts an Heroin (auf welche auch der unerledigt gebliebene Antrag der Staatsanwaltschaft vom 18.Mai 1989, S 3 f Punkt 2 abzielte) wäre umso mehr geboten gewesen, als der gesondert verfolgte Komplize Amor S*** mit dem (in einer Ablichtung angeschlossenen) Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23.Februar 1989, GZ 6 e Vr 917/89-11 des teils vollendeten, teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs gebliebenen (nicht nach § 12 Abs. 3 Z 3 SGG qualifizierten) Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG und §§ 15, 12 (gemeint: 3. Fall) StGB schuldig erkannt wurde, wobei dem Schuldspruch der Verkauf, die versuchte Übergabe und die Verkaufsvermittlung von insgesamt 135 Gramm Heroin zugrundelagen, wovon immerhin 132 Gramm aus jener Menge stammten, deren Inverkehrsetzung auch dem Angeklagten M*** zur Last liegt. Da die Urteilsfeststellungen über das tatverfangene Quantum an Heroin in Reinsubstanz eine Überprüfung bzw. abschließende Beurteilung der Qualifikationsvoraussetzungen nach § 12 Abs. 3 Z 3 SGG nicht zulassen, ist im Sinn des § 290 Abs. 1 StPO davon auszugehen, daß zum Nachteil des Angeklagten das Strafgesetz unrichtig angewendet worden ist (§ 281 Abs. 1 Z 10 StPO), weshalb das angefochtene Urteil spruchgemäß partiell aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung aufzutragen war.

Bei der (schon infolge untrennbaren Sachzusammenhangs im Hinblick auf die Abhängigkeit der Erlöse vom Reinheitsgrad des verkauften Suchtgifts notwendigen) Erneuerung der Entscheidung über den (richtig:) Verfall im Sinn des § 13 Abs. 2 erster Satz SGG wird dem aus § 260 Abs. 1 Z 3 StPO folgenden Erfordernis der Individualisierung und Konkretisierung (EvBl. 1979/224, 13 Os 118/80, 10 Os 132/80 ua), insbesondere durch genaue Bezeichnung der Erlöse zu entsprechen sein. Im Rahmen der Verfahrenserneuerung wird ferner zu beachten sein, daß eine Ausdehnung der Verhandlung und Urteilsfällung auf die Aus- und Einfuhr des tatgegenständlichen Heroins (die bisher zwar nicht Anklage-, wohl aber Verhandlungsgegenstand war - S 247, Verlesungen S 248, zweiter Absatz iVm S 13 oben, 19, 228 oben) und auf das Verbrechen nach § 87 StGB (Anklageausdehnung in der Hauptverhandlung vom 18. Juli 1989 - S 228, die in der Hauptverhandlung vom 19. September 1989 unbeachtet blieb) angesichts des Erlöschens des bezüglichen Verfolgungsrechts unzulässig wäre (EvBl. 1950/84; Mayerhofer-Rieder2 EGr. 19 zu § 281 Abs. 1 Z 7 StPO). Mit seiner durch die Kassierung auch des Strafausspruches gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E19145

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0120OS00152.89.1207.000

Dokumentnummer

JJT_19891207_OGH0002_0120OS00152_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten