TE OGH 1989/12/14 8Ob673/89

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Veröffentlicht am 14.12.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch, Dr.Huber, Dr.Schwarz und Dr.Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter K***, ohne Beschäftigung, Gerhardusgasse 7, 1200 Wien, vertreten durch Dr. Evelyn Dürmayer, Rechtsanwalt in Wien, diese vertreten durch Dr. Walter Leeb, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S*** W***, vertreten durch Dr. Peter Rureck, Rechtsanwalt in Wien, wegen 80.000 S sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 5. April 1989, GZ 41 R 103/89-33, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Hietzing vom 15. November 1988, GZ 4 C 1112/86-27, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrte von der beklagten Partei die Bezahlung von 80.000 S sA mit der Begründung, er habe in der Wohnung Märzstraße 115-123/10/2/10 in 1140 Wien als Mieter Investitionen mit dem nun geltend gemachten Zeitwert vorgenommen; die beklagte Partei als ehemalige Vermieterin dieser Wohnung weigere sich jedoch, ihm diese Investitionen abzulösen. Die im Mietvertrag enthaltene Bestimmung, wonach dem Mieter für Investitionen bei Auflösung des Mietverhältnisses kein Ersatz gebühre, sei mit dem Kläger nicht erörtert worden; diese Klausel sei auch nicht von seinem Vertragswillen umfaßt gewesen und deshalb nicht Bestandteil des Mietvertrages geworden. Der Kläger habe seinen Ersatzanspruch rechtzeitig geltend gemacht. Er habe von der Aufkündigung erst unmittelbar nach der Räumung der Wohnung am 12. September 1985 erfahren. Die Frist des § 10 MRG habe erst frühestens mit der Delogierung zu laufen begonnen, sie sei somit gewahrt worden. Zusätzlich werde der Anspruch auf den Titel der ungerechtfertigten Bereicherung gestützt.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil ihr der Kläger seine Ansprüche nicht rechtzeitig angezeigt habe. Außerdem handle es sich nicht um nützliche Aufwendungen, die dem klaren und überwiegenden Vorteil der beklagten Partei gedient hätten. Im übrigen seien Ansprüche für Aufwendungen auf den Mietgegenstand vertraglich ausgeschlossen worden.

Das Erstgericht sprach dem Kläger 30.220 S sA zu und wies das Mehrbegehren von 49.780 S sA ab. Es traf folgende Feststellungen:

Der Kläger schloß am 15. Februar 1982 mit der beklagten Partei einen Hauptmietvertrag über die vorgenannte Wohnung in der Märzstraße in Wien. Punkt 12 Abs 2 des bei Vertragsabschluß verwendeten Vertragsformblattes SD 12-1-8106 der Magistratsabteilung 52 lautet:

"Bei Auflösung des Mietverhältnisses ist die Vermieterin berechtigt, entweder die Herstellung des früheren Zustandes, oder die Belassung des baulichen Zustandes zur Zeit der tatsächlichen Übergabe ohne Kostenersatz an den Mieter zu verlangen."

Am 13. September 1985 wurde der Kläger aus der Wohnung im Zuge eines Exekutionsverfahrens delogiert. Dem Kläger war die gerichtliche Aufkündigung des Mietvertrages am 31. Oktober 1984 durch Hinterlegung zugestellt worden.

Beim Einzug des Klägers in die Wohnung waren die vorhandenen Elektroinstallationen brüchig gewesen; sie mußten vom Kläger erneuert werden. Während der Zeit, in der der Kläger Hauptmieter der Wohnung war, führte er umfangreiche Investitionen durch, von denen folgende über seine Mietdauer hinaus wirksam und von Nutzen sind:

1. Installation einer Gasetagenheizung und zentralen Wasserversorgung mit einem Zeitwert von 46.025,68 S. Für diese Investitionen hatte der Kläger einen geförderten Wohnungsverbesserungskredit aufgenommen und bis zum Verlassen der Wohnung insgesamt 22.875 S an Kreditraten zurückgezahlt.

2.

Verfliesungsarbeiten mit einem Materialzeitwert von 3.387 S.

3.

Maurerarbeiten zur Errichtung einer Trennwand für die Dusche mit einem Materialzeitwert von 2.303,57 S.

              4.              Erneuerung der vorhandenen Elektroinstallationen mit einem Zeitwert von 1.755 S.

5.

Anschaffung eines Gasherdes mit einem Zeitwert von 1.000 S.

6.

Sonstige Elektroinstallationen mit einem Zeitwert von 5.134,35 S.

7.

Anbringung eines Spiegelschrankes im Bad mit einem Zeitwert von 100 S.

Sämtliche Zeitwerte beziehen sich auf den Zeitpunkt des Auszuges des Klägers aus der Wohnung. Außerdem brachte der Kläger einen Isolieranstrich an den Wohnungswänden an, verlegte einen Linoleumbelag und einen Spannteppich in der Wohnung und installierte eine Nirostaabwäsche.

Am 7. Oktober 1985 zeigte der Kläger seine Ersatzansprüche für Aufwendungen gemäß § 10 MRG der beklagten Partei schriftlich an. Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß der Kläger seinen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen nach § 10 MRG deswegen verloren habe, weil er ihn nicht rechtzeitig im Sinne des § 10 Abs 4 MRG anzeigte. Der Räumungstitel sei dem Kläger am 31. Oktober 1984 durch Hinterlegung zugestellt worden; die erst am 7. Oktober 1985 erstattete Anzeige nach § 10 Abs 4 MRG sei daher verspätet. Die vom Kläger im Kündigungsakt aufgestellte Behauptung, zum Zeitpunkt der Hinterlegung der Aufkündigung nicht ortsanwesend gewesen zu sein, habe der Kläger nicht weiter verfolgt, weshalb es auch zu keiner Beseitigung des Räumungstitels gekommen sei. § 10 Abs 7 MRG lasse jedoch weitergehende Ansprüche nach §§ 1097, 1036, 1037 ABGB unberührt. Wohl seien die Ansprüche des Mieters nach § 1097 ABGB grundsätzlich vertraglich im vorhinein abdingbar, doch sei der vertragliche Ausschluß im vorliegenden Fall unwirksam; die beklagte Partei verwende nämlich Vertragsformblätter, die den Ausschluß des Ersatzanspruchs von Mietern nach § 1097 ABGB als Nebenbestimmung enthalten. Dieser den Mietern der beklagten Partei auferlegte Anspruchsverzicht benachteilige die Mieter gröblich, weshalb die Verzichtsklausel gemäß § 879 Abs 3 ABGB nichtig sei. Die Forderungen des Klägers bestünden daher teilweise zu Recht. Alle mit der Schaffung einer dem zeitgemäßen Standard entsprechenden Badegelegenheit und der Installation einer Etagenheizung und einer zentralen Warmwasserversorgung in Verbindung stehenden Investitionen seien dem Kläger somit zu ersetzen. Dem Kläger stehe auch ein Anspruch auf Ersatz des Zeitwertes jener Elektroinstallationen zu, die der Erneuerung der vorhandenen Elektroleitungen gedient hatten. Die restlichen Investitionen seien nicht zum klaren, überwiegenden Vorteil der beklagten Partei getätigt worden, weshalb ihm dafür kein Ersatz gebühre.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Streitteile Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es fügte seiner Entscheidung einen Rechtskraftvorbehalt an. Das Gericht zweiter Instanz vertrat die Auffassung, daß das Erstgericht zu überprüfen haben werde, ob die die Anzeigepflicht nach § 10 Abs 4 Z 3 MRG auslösende Rechtskraft des Räumungstitels tatsächlich eingetreten sei. Der Kläger habe behauptet, zum Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung ortsabwesend gewesen zu sein. Im Falle der Richtigkeit wäre die seinerzeitige Zustellung der Aufkündigung durch Hinterlegung unwirksam gewesen und der Räumungstitel nicht rechtskräftig geworden. Daher hätte auch der Lauf der Frist des § 10 Abs 4 Z 3 MRG nicht beginnen können. Die Delogierung des Klägers könnte nicht als Zurückstellung des Mietgegenstandes nach der genannten Bestimmung angesehen werden, weil § 10 Abs 1 MRG auf die Beendigung des Mietverhältnisses abstelle, eine solche aber bei titelloser Räumung des Bestandobjektes nicht erfolgt sei. Die am 7. Oktober 1985 erfolgte Anzeige des Klägers könnte aber - nach Erörterung mit den Parteien - dahin beurteilt werden, daß diese nunmehr einverständlich von der Beendigung des Bestandverhältnisses ausgingen. Das Erstgericht habe aber richtig erkannt, daß nach § 10 Abs 7 MRG unter weitergehenden Ansprüchen nach den §§ 1097, 1036, 1037 ABGB auch solche verstanden werden, die nach § 10 Abs 4 Z 3 MRG verspätet angezeigt wurden. Eine Nichtigkeit der den Verzicht auf Ansprüche nach §§ 1097, 1037 ABGB enthaltenden Klauseln im bezogenen Vertragsformular liege jedoch nicht vor, weshalb der Kläger Ansprüche nach den genannten Bestimmungen nicht erheben dürfe. Hingegen könne auf Ansprüche nach den §§ 1097, 1036 ABGB wirksam nicht verzichtet werden. Diesbezüglich werde das Erstgericht daher - im Rahmen des Zuspruches für Elektroinstallationen - nähere Umstände zu klären haben.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Rekurs der beklagten Partei. Es wird darin unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht und beantragt, den erstgerichtlichen Beschluß aufzuheben und das Klagebegehren abzuweisen. Hilfsweise wird begehrt, dem Berufungsgericht möge die neuerliche Verhandlung und Entscheidung aufgetragen werden. Der Kläger beantragt in der Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Die beklagte Partei stellt sich auf den Standpunkt, daß es bei der Beurteilung der Frist nach § 10 Abs 4 Z 3 MRG nur darauf ankomme, ob formell ein unangefochten gebliebener Räumungstitel vorliegt; dabei sei nicht zu berücksichtigen, daß dieser allenfalls noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist.

Diese Auffassung kann aber weder mit dem dazu vorgebrachten Argument der Rechtssicherheit noch mit dem Interesse des Vermieters, so rasch wie möglich eine Beurteilung der Rechtmäßigkeit der erhobenen Aufwendungsansprüche vornehmen zu können (vgl. Meinhart, Aufwandsansprüche des Mieters nach § 10 MRG in ImmZ 1985, 236 f), begründet werden. Vielmehr ist darauf Bedacht zu nehmen, daß bei der angeordneten Verfristung von Ansprüchen der vorliegenden Art ohnedies eine zeitlich bedrängte Situation des Mieters vorliegt, die nicht noch dadurch verschärft werden darf, daß ihm die Berechtigung versagt wird, die Rechtskraft des Räumungstitels als Voraussetung der im § 10 Abs 4 Z 3 MRG vorgesehenen Befristung zu bestreiten. Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht das - von der beklagten Partei ungerügte - Vorbringen des Klägers dahin verstanden, daß er sich auf seine Ortsabwesenheit zum Zeitpunkt der Hinterlegung der gerichtlichen Aufkündigung berufen habe. Es kann deshalb der angeordneten Überprüfung dieser Frage und damit jener der Rechtskraft des Räumungstitels nicht entgegengetreten werden. Nach § 10 Abs 4 Z 3 MRG hat die Anzeige bei früherer Zurückstellung des Mietgegenstandes spätestens mit diesem Zeitpunkt zu erfolgen. Geschah diese jedoch auf Grund einer gesetzwidrigen Räumung zu einem Zeitpunkt, zu welchem das Mietverhältnis noch nicht beendet war (vgl. § 1109 ABGB), weil die gerichtliche Aufkündigung - die Richtigkeit der vom Berufungsgericht so verstandenen Behauptung des Klägers unterstellt - nicht in Rechtskraft erwachsen konnte, kann der ohne darauf abzielenden Willensäußerung des Mieters vorgenommenen Übertragung des Besitzes am Bestandgegenstand an die beklagte Partei nicht die Wirkung einer "Zurückstellung" im Sinne des § 10 Abs 4 Z 3 MRG zuerkannt werden (vgl. Edlbacher, Ausgewählte Fragen zum Aufwandanspruch des Hauptmieters nach § 10 MRG, ÖJZ 1985, 145, 148, der die Zurückstellung eines Mietgegenstandes in einem gerichtlichen Verfahren als eine stillschweigende einvernehmliche Auflösung ansieht).

Die beklagte Partei stellt sich weiters auf den Standpunkt, daß nur solche Ansprüche nach §§ 1097, 1036, 1037 ABGB im Sinne des § 10 Abs 7 MRG unberührt bleiben, die durch § 10 Abs 1 und 3 MRG nicht gedeckt seien. Ihre Argumente sind jedoch nicht stichhältig:

§ 10 Abs 3 MRG behandelt nur den Ersatz bestimmter, wenn auch typischer nützlicher Aufwendungen des Mieters im Sinne der §§ 1097, 1037 ABGB. Der Ersatz anderer nützlicher Aufwendungen, die also nicht nach § 10 Abs 3 MRG begehrt werden können, kann aber trotzdem, allerdings unter den Voraussetzungen der §§ 1097, 1037 ff ABGB verlangt werden; notwendige (dem Vermieter obliegende) Aufwendungen im Sinne der §§ 1097, 1036 ABGB bleiben gänzlich durch

§ 10 MRG unberührt (vgl. Würth-Zingher, MRG2 FN 1 zu § 10; ImmZ 1986, 216 ua). Handelt es sich aber um inhaltlich weitergehende Ansprüche, als sie § 10 in den Abs 1 und 3 MRG vorsieht, so können diese nicht bloß deshalb, weil sie auch allenfalls der Geltendmachung nach den hiefür vorgesehenen Beurteilungskriterien dieser Bestimmung unterliegen, ihrer Eigenschaft als Ansprüche nach §§ 1097, 1037 ABGB entkleidet werden. Diesbezüglich hat das Berufungsgericht jedoch ausdrücklich klargestellt, daß der Kläger auf solche Ansprüche wirksam verzichtet hat, weshalb auf die zutreffenden Ausführungen des Gerichtes zweiter Instanz verwiesen werden kann. Die Überprüfung des durch § 10 MRG unberührt gebliebenen Anspruches auf Ersatz der Aufwendungen für Elektroinstallationen nach §§ 1097, 1036 ABGB hat aber nach den hiefür geltenden Bestimmungen zu erfolgen, wozu auch - von der beklagten Partei wird dies unter Hinweis auf Edlbacher aaO, 149, zu Unrecht in Frage gestellt - die Einhaltung der hiefür vorgesehenen Frist von 6 Monaten im Sinne des § 1097 ABGB gehört. Der Kläger hat auch vorgebracht, die im Mietvertrag enthaltene Bestimmung, daß für Investitionen bei Auflösung des Mietverhältnisses kein Ersatz gebühre, sei mit ihm nicht erörtert worden. Dieses Vorbringen zielt auf den Sinngehalt des § 864 a ABGB ab. Der Oberste Gerichtshof ist jedoch der Ansicht, daß diese Bestimmung nicht verwirklicht wird, weil es sich im vorliegenden Fall um eine allgemein übliche, jedenfalls nicht ungewöhnliche Klausel handelt. Allerdings hätten nach den Erfordernissen des redlichen Verkehrs in dem von der Beklagten verwendeten Vertragsformular die der Verzichtsklausel durch § 10 MRG gesetzten Grenzen der Gestaltungsfreiheit im Wortlaut entsprechende Berücksichtigung finden und klar aufgezeigt werden sollen. Aus den dargelegten Erwägungen ist die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteiles durch das Berufungsgericht zu billigen und dem gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs der beklagten Partei der Erfolg zu versagen.

Der Kostenausspruch beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E19572

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0080OB00673.89.1214.000

Dokumentnummer

JJT_19891214_OGH0002_0080OB00673_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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