TE OGH 1990/1/16 5Ob124/89

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Veröffentlicht am 16.01.1990
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik, Dr.Zehetner, Dr.Klinger und Dr.Schwarz als Richter in der Mietrechtssache des Antragstellers Ibrahim C***, Maurer, Wien 17.,

Rokitanskygasse 28/17, vertreten durch Dr.Lennard Binder, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner 1.) Marie T*** und

2.) Karl T***, Hauseigentümer, beide Wien 14., Steinböckengasse 44, vertreten durch Dr.Andreas Peyrer-Heimstätt, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 16.August 1989, GZ 48 R 159/89-12, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Hernals vom 11.Jänner 1989, GZ 5 Msch 41/88-8, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der Antragsteller ist seit 1.6.1978 Mieter der Wohnung top.Nr.17 in dem nunmehr den Antragsgegnern gehörigen Haus Wien 17., Rokitanskygasse 28. Bis zum 26.11.1985 waren mit dem Antragsteller hinsichtlich dieser Wohnung jeweils "Wohnungsuntermietverträge mit bestimmter Vertragsdauer" abgeschlossen worden. Als der Antragsteller im Jahre 1985 nach Übernahme der Hausverwaltung durch Dr.Helene K*** "wie gewohnt" telefonisch um Verlängerung des befristeten Vertrages ersuchte, stellte Dr.K*** aus den Unterlagen fest, daß es sich um ein fingiertes Untermietverhältnis handle; sie teilte dem Antragsteller daher mit, daß er Hauptmieter sei und ein Hauptmietvertrag errichtet werden könne. Weil sich das Haus in einem schlechten Erhaltungszustand befand und keine ausreichenden Einnahmen vorhanden waren, wies sie den Antragsteller darauf hin, daß ein erhöhter Hauptmietzins vereinbart werden könne, weil es für die Erhaltung des Hauses nachteilig sei, wenn weniger Einnahmen erzielt würden.

Eine Feststellung dahin, daß die Errichtung des Hauptmietvertrages von der Vereinbarung eines höheren Mietzinses abhängig gemacht worden wäre, konnte von den Vorinstanzen nicht getroffen werden. Dr.K*** klärte den Antragsteller darüber auf, daß er weiterhin ca 800 S monatlich an Hauptmietzins zuzüglich Betriebskosten wertgesichert zu zahlen haben werde. Der Antragsteller erklärte sich damit einverstanden. Am 26.11.1985 unterzeichnete er den von der Kanzlei der Hausverwalterin vorbereiteten Mietvertrag. Vom 1.6.1978 bis 31.12.1978 bezahlte der Antragsteller einen monatlichen Mietzins von 1.000 S, vom 1.1.1979 bis 31.8.1984 einen solchen von 1.100 S monatlich, vom 1.9.1984 bis 30.11.1985 monatlich 1.300 S und vom 1.12.1985 bis 31.1.1988 einen monatlichen Mietzins von 801,50 S. Der Friedenskronenzins für die gegenständliche Wohnung beträgt jährlich 357,72 Kronen. Vom 1.3.1978 bis 31.12.1985 war die Einhebung des 13,02fachen des Friedensmietzinses, vom 1.1.1986 bis 30.9.1987 das 8,13fache und vom 1.10.1987 bis 28.2.1988 das 1,5fache des Friedensmietzinses zulässig. Mit dem am 4.Februar 1988 bei der Schlichtungsstelle des Magistratischen Bezirksamtes für den 17.Bezirk erhobenen Antrag begehrte Ibrahim C*** die Überprüfung des ihm vorgeschriebenen Mietzinses und den Rückersatz der zuviel eingehobenen Beträge für die Zeit von Juni 1978 bis 31.1.1988.

Die Antragsgegner gaben sich mit der im Sinne der Feststellung einer Überschreitung des gesetzlich zulässigen Zinsausmaßes für die Zeit vom 1.Dezember 1985 bis 1.Februar 1988 um monatlich 617 S zuzüglich Umsatzsteuer und der Verpflichtung zum Rückersatz von 18.324,90 S ergangenen Entscheidung der Schlichtungsstelle nicht zufrieden und riefen rechtzeitig das Erstgericht an (§ 40 Abs 1 MRG). Der Antrag sei nicht berechtigt, weil der Antragsteller seit 1978 als Hauptmieter anzusehen sei und die Antragsgegner anläßlich des im Februar 1985 mit dem Antragsteller abgeschlossenen schriftlichen Mietvertrages von dem ihnen gemäß § 16 Abs 1 Z 7 MRG zustehenden Recht Gebrauch gemacht hätten, einen angemessenen Mietzins zu vereinbaren.

Demgegenüber erwiderte der Antragsteller, diesen Mietvertrag unter Zwang unterschrieben zu haben.

Das Erstgericht stellte mit Sachbeschluß fest, daß die Antragsgegner den gesetzlich zulässigen Hauptmietzins für die Wohnung des Antragstellers in der Zeit vom 1.6.1978 bis 31.1.1988 in dem im einzelnen auch angeführten Ausmaß überschritten hätten und die Antragsgegner schuldig seien, dem Antragsteller 81.117,24 S samt stufenweisen Zinsen binnen 14 Tagen zu bezahlen. Rechtlich beurteilte es den bereits wiedergegebenen Sachverhalt dahin, daß sich der Antragsteller trotz des seriösen Vorgehens der Hausverwaltung in einer prekären Situation befunden habe, die die Anwendung des § 16 Abs 1 Z 7 MRG in der Beurteilung des Abschlusses der Vereinbarung vom 26.11.1985 ausschließe, sodaß auch durch die Vorschreibung des im schriftlichen Hauptmietvertrag vereinbarten Hauptmietzinses das gesetzlich zulässige Zinsausmaß überschritten werde.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem von den Antragsgegnern erhobenen Rekurs teilweise Folge und änderte den Sachbeschluß des Erstgerichtes, den es in seinem Ausspruch über die Überschreitung des zulässigen Zinsausmaßes durch die Mietzinsvorschreibungen hinsichtlich der Zinstermine vom 1.6.1978 bis einschließlich November 1985 bestätigte, dahin ab, daß es das Mehrbegehren, auch in der Vorschreibung eines monatlichen Hauptmietzinses von 800 S zu den Zinsterminen vom 1.12.1985 bis 1.4.1988 eine Überschreitung des gesetzlich zulässigen Zinsausmaßes zu erkennen, abwies. Insoweit das Gericht zweiter Instanz den Rekurs der Antragsgegner als berechtigt erkannte, pflichtete es der im Rekurs erhobenen Rechtsrüge bei, wonach die Feststellung einer Überschreitung des gesetzlich zulässigen Zinsausmaßes für die vom Mietvertrag vom 26.11.1985 umfaßten Zeiträume sich aus den vom Erstgericht getroffenen Sachverhaltsfeststellungen nicht ableiten ließe. Das Erstgericht habe festgestellt, daß die Hausverwalterin dem Antragsteller mitgeteilt habe, er sei Hauptmieter, es könne ein Hauptmietvertrag errichtet werden, in dem die Vereinbarung eines erhöhten Hauptmietzinses möglich sei, was die Erhaltung des Hauses begünstigen würde; der Antragsteller habe sich mit dem Vorschlag der Hausverwalterin einverstanden erklärt, es könne nicht festgestellt werden, daß die Hausverwaltung die Errichtung des Hauptmietvertrages von der Vereinbarung eines höheren Mietzinses abhängig gemacht hätte. Der Antragsteller habe im übrigen im erstgerichtlichen Verfahren Irrtum nicht eingewendet.

Der vom Erstgericht geschafene Rückforderungstitel nach § 37 Abs 4 MRG sei in vollem Umfang zu entfernen gewesen, weil die Schaffung eine solchen Titels zwingend eine vorherige Klarstellung im erstinstanzlichen Verfahren durch Erörterung mit den Parteien voraussetze, daß einem solchen Rückforderungsanspruch keine hindernden Umstände, wie etwa Gegenforderungen des Vermieters oder Verjährung entgegenstünden.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Wenngleich der Revisionsrekurswerber in seinem Rechtsmittelantrag bloß die Abänderung des Sachbeschlusses des Rekursgerichtes durch Wiederherstellung des die Zeit ab Feber 1985 betreffenden Rückforderungstitels nach § 37 Abs 4 MRG begehrt, so ist seinen Rechtsmittelausführungen doch zu entnehmen, daß er auch die Abweisung seines die Unzulässigkeit der ihm auf Grund des Mietvertrages vom 26.11.1985 vorgeschriebenen Mietzinsbeträge betreffenden Feststellungsbegehrens bekämpft. Dem Rechtsmittelwerber ist wohl beizupflichten, daß die Bestimmung des § 16 Abs 1 Z 7 MRG nach Lehre und Rechtsprechung nicht anwendbar ist, wenn die Fortsetzung eines befristeten Mietverhältnisses von der Mietzinserhöhung abhängig gemacht wird, weil der Mieter dann unter demselben wirtschaftlichen Druck steht wie bei Abschluß des Mietvertrages (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 17 zu § 16 MRG). Er übersieht aber, daß ein solcher Fall hier nicht gegeben ist. Aus dem für die rechtliche Beurteilung der Rechtssache allein maßgeblichen Feststellungen der Vorinstanzen ergibt sich, daß der Antragsteller schon vor Abschluß des Mietvertrages vom 26.11.1985 nicht Untermieter war, sondern die Rechtsstellung eines Hauptmieters hatte und die damalige Hausverwalterin dem Antragsteller - als dieser "wie gewohnt" um Verlängerung des befristeten Vertrages ersuchte - von dieser Sach- und Rechtslage auch Mitteilung gemacht hat. Wurde der erste Mietvertrag bereits im Juni 1978 abgeschlossen und in der Folge mehrfach ein ebenfalls befristeter Mietvertrag abgeschlossen, so galt das Mietverhältnis nach der damals in Geltung gestandenen Bestimmung des § 23 Abs 2 MG, als auf unbestimmte Zeit erneuert. Auch nach Inkrafttreten des MRG konnte das Erlöschen eines befristeten Vertrages mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 29 Abs 2 Z 3 bzw des Abs 2 MRG nicht durchgesetzt werden (vgl Würth-Zingher, aaO, Rz 7 und 8 zu § 29 MRG). Nach der hier maßgeblichen Sachverhaltsgrundlage konnte von den Vorinstanzen weiters nicht festgestellt werden, daß die Errichtung des Mietvertrages vom 26.11.1985 von der Vereinbarung eines höheren Mietzinses abhängig gemacht worden wäre. Kann aber nicht davon ausgegangen werden, daß die Fortsetzung eines befristeten Mietverhältnisses von der Mietzinserhöhung abhängig gemacht wurde, so kann nicht gesagt werden, daß sich der Antragsteller bei Abschluß des Mietvertrages vom 26.November 1985 unter einem ähnlichen wirtschaftlichen Druck befand, wie er bei Abschluß eines Mietvertrages üblicherweise als gegeben angenommen wird. In der Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen des § 16 Abs 1 Z 7 MRG durch das Rekursgericht ist daher kein Rechtsirrtum zu erblicken. Insoweit der Revisionsrekurswerber die Wirksamkeit der Mietzinsvereinbarung nach § 16 Abs 1 Z 7 MRG durch Verneinung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 863 ABGB zu bekämpfen versucht, ist ihm zu entgegnen, daß hier nicht die Konkludenz von Handlungen zu überprüfen ist, vielmehr ein schriftlich abgeschlossener Mietvertrag vorliegt.

Der Antragsteller hat im Verfahren erster Instanz bloß vorgebracht, den Mietvertrag unter "Zwang" unterschrieben zu haben (vgl AS 6). Die Anfechtung eines Vertrages wegen Zwanges im Sinne von ungerechter und gegründeter Furcht ist grundsätzlich nur dann möglich, wenn der Zwang vom Partner ausgeübt wurde (§ 870 ABGB) oder die Voraussetzungen des § 875 ABGB vorliegen. Beides ist hier nicht der Fall. Die vom Antragsteller offenbar angsprochene Ausnutzung einer allgemeinen Zwangslage durch den Vermieter, ist nur durch § 879 ABGB und ähnliche Vorschriften sanktioniert (vgl Rummel in Rummel, ABGB, Rz 11 zu § 870, samt Hinweis auf Rechtsprechung und Lehre). Eine solche allgemeine Zwangslage lag aber - wie bereits dargetan - nicht vor. Daß der Antragsteller sprachunkundig gewesen wäre und daher den Inhalt des Mietvertrages nicht erfaßt hätte, wurde von ihm im Verfahren erster Instanz nicht behauptet. Das Rekursgericht hat auch mit Recht darauf hingewiesen, daß das Vorbringen des Antragstellers im Verfahren erster Instanz und die Verfahrensergebnisse keinen Anhaltspunkt dafür boten, die Hausverwalterin hätte die irrtümliche Annahme einer Zwangslage auf Seiten des Antragstellers listig herbeigeführt.

Der Revisionsrekurs erweist sich daher hinsichtlich des Feststellungsbegehrens für die Zeit nach Abschluß des Mietvertrages vom 26.11.1985 als unberechtigt.

Was nun die Unterlassung der Schaffung eines Rückforderungstitels für den Zeitraum ab Feber 1985 anlangt, so erscheint der Rekurs in Ansehung der auf dem Mietvertrag vom 26.11.1985 basierenden Mietzinsbeträge, also für die Zeit ab Dezember 1985 schon deshalb unberechtigt, weil ein Ausspruch nach § 37 Abs 4 die Feststellung der Unzulässigkeit der vom Vermieter begehrten Leistungen voraussetzt, der Antragsteller aber mit seinem diesbezüglichen Feststellungsbegehren nicht durchgedrungen ist. Aber auch die Ausschaltung des vom Erstgericht geschaffenen Rückforderungstitels in Ansehung der im Rekursverfahren weiters noch strittig gebliebenen, dem Antragsteller in der Zeit von Februar 1985 bis November 1985 vorgeschriebenen Zinsbeträge durch das Rekursgericht entspricht der Sach- und Rechtslage. Die Schaffung eines Rückforderungstitels hat nämlich ua zur Voraussetzung, daß bei Spruchreife des Hauptanspruchs der Rückforderungsanspruch feststeht, ohne daß darüber ein eigenes Verfahren abgewickelt werden müßte; außerdem ist die Frage des Rückforderungsanspruchs vor der beabsichtigten Entscheidung in der Hauptsache vom Erstrichter mit den Parteien zu erörtern. Beide Voraussetzungen lagen hier nicht vor. Von den Parteien wurden lediglich "die Angaben im Schlichtungsakt betreffend Höhe der Zahlungen" außer Streit gestellt (AS 13). Aus dem von den Antragsgegnern in der Tagsatzung vom 18.7.1988 vorgelegten die hier strittig gebliebene Zeit betreffenden "Wohnungsuntermietvertrag" (Beilage 2) ergibt sich jedoch, daß in dem "Untermietzins" von monatlich 1.300 S die anteiligen Betriebskosten und öffentlichen Abgaben enthalten sind. Auf Grund der im Verfahren vorgenommenen Außerstreitstellung allein ließ sich somit ohne weiteres Verfahren der Rückforderungsanspruch des Antragstellers noch nicht abschließend beurteilen. Wurde die Erörterung des Rückforderungsanspruchs mit den Parteien unterlassen, so kann der Vermieter diesen Hinderungsgrund - wie das Rekursgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auch zutreffend ausführte - im Rekurs ohne gegen das Neuerungsverbot zu verstoßen, geltend machen, was zur ersatzlosen Behebung des Rückforderungstitels führt (vgl auch Würth-Zingher, aaO, Rz 61 zu § 37 MRG).

Damit erweist sich aber der Revisionsrekurs zur Gänze als unberechtigt.

Anmerkung

E19785

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0050OB00124.89.0116.000

Dokumentnummer

JJT_19900116_OGH0002_0050OB00124_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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