TE OGH 1990/1/30 15Os151/89

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.01.1990
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Jänner 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kluwik als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dr. Eveline M*** wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5.Oktober 1989, GZ 5 d Vr 4431/87-54, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Stöger, der Angeklagten Dr. Eveline M*** und des Verteidigers Dr. Gerd Höllerl, zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 290 Abs. 1 StPO wird das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch gleichwie im Strafausspruch aufgehoben sowie die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an den Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien verwiesen.

Die Angeklagte wird mit ihren Rechtsmitteln darauf verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem (auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthaltenden) angefochtenen Urteil wurde Dr. Eveline M*** des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat sie zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt "nach dem 1.Dezember 1983" in Wien falsche Urkunden, und zwar zwei Rechnungen der Fa. Wolfgang D*** über 30.000 S und 6.676,92 S (richtig: 5.676,92 S - vgl. US 4), mit dem Vorsatz hergestellt, daß diese im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache (nämlich der Begleichung einer angeblichen Automiete) gebraucht werden.

Nach den Urteilsfeststellungen hat sie die von ihr hergestellten falschen Rechnungen, von denen eine undatiert und die andere mit dem Datum 1.Dezember 1983 versehen war, bei der Abwicklung eines subventionierten Filmprojekts ihres Ehegatten Mag. Mansur M*** zusammen mit anderen Rechnungen tatsächlich dem Bundesministerium für Unterricht und Kunst zur Abrechnung vorgelegt.

Den Schuldspruch bekämpft die Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde nach § 281 Abs. 1 Z 5 und 9 lit. b StPO.

Rechtliche Beurteilung

Aus diesem Anlaß überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon, daß das Ersturteil zum Nachteil der Beschwerdeführerin mit einer von ihr inhaltlich nicht gerügten materiellrechtlichen Nichtigkeit (Z 9 lit. b) behaftet ist:

Gemäß § 57 Abs. 3 StGB beträgt die Verjährungsfrist für die mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bedrohten Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 1 und Abs. 2 StGB drei Jahre. Nach den Urteilsannahmen fiel die Tatzeit der Urkunden-Herstellung (§ 223 Abs. 1 StGB) auf einen nicht festgestellten Zeitpunkt nach dem 1. Dezember 1983. Damit wäre aber die Strafbarkeit dieser Tat unter der (bei Nichteruierbarkeit des genauen Tatzeitpunktes zugunsten der Nichtigkeitswerberin zu unterstellenden) Annahme, daß sie die beiden falschen Rechnungen noch vor dem 8.Juli 1984 hergestellt hat, jedenfalls verjährt, weil das vorliegende Strafverfahren gegen sie erst durch die Einleitung der Voruntersuchung am 8.Juli 1987 (S 3 b verso) gerichtsanhängig wurde.

Angesichts der Feststellung (US 4/5), daß die Rechtsmittelwerberin die beiden vom Schuldspruch erfaßten Rechnungen durch deren Vorlage zu Beweiszwecken auch tatsächlich gebraucht hat (§ 223 Abs. 2 StGB), erweist sich freilich die vom Schöffengericht vorgenommene Unterstellung des gesamten inkriminierten Tatverhaltens unter § 223 Abs. 1 StGB als verfehlt, weil derjenige, welcher mit dem dort umschriebenen erweiterten Vorsatz eine falsche Urkunde herstellt (oder eine echte Urkunde verfälscht) und davon in der Folge im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache Gebrauch macht, nur das Vergehen nach § 223 Abs. 2 StGB zu verantworten hat; das Vergehen nach § 223 Abs. 1 StGB wird nämlich diesfalls durch jenes nach § 223 Abs. 2 StGB verdrängt und durch die Bestrafung des Täters wegen des zuletzt genannten Deliktes mitabgegolten (vgl. SSt. 48/60 uva). Für den Beginn der Verjährungsfrist ist sohin nach Lage des Falles von entscheidender Bedeutung, wann die Angeklagte von den hier in Rede stehenden Urkunden Gebrauch gemacht hat. Hierüber lassen die Entscheidungsgründe aber gleichfalls jegliche Feststellung vermissen: sollte sie die falschen Rechnungen nicht nach dem 8.Juli 1984 gebraucht haben, wäre nach dem zuvor Gesagten die Strafbarkeit der Urkundenfälschung (nach Abs. 1 gleichwie nach Abs. 2 des § 223 StGB) verjährt.

Im fortgesetzten Verfahren erscheint zur möglichst genauen Ermittlung der Tatzeit zumindest eine neuerliche Vernehmung des MinRat Mag. Johannes H*** (allenfalls auch des MinRat Dr. Herbert S***) als Zeugen unumgänglich, wobei durch Einsichtnahme in die bezughabenden Originalakten des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Sport vor allem in Ansehung sämtlicher vorliegend für den chronologischen Tatablauf relevanten Anhaltspunkte (Einlaufvermerke, Datierungen von Bearbeitungsvorgängen etc) die Grundlage für entsprechende Feststellungen zu schaffen sein wird. In diesem Zusammenhang ergibt sich aus der derzeitigen, nach dem Vorgesagten unvollständigen Aktenlage aus dem Schreiben des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst vom 22.November 1984 (erliegend im Beilagenkonvolut zu ON 3), daß die Leihwagenrechnungen über den Betrag von 35.678,92 S zum Zeitpunkt der Verfassung des Schreibens dem genannten Bundesministerium bereits vorgelegt waren; Hinweise auf den Tatzeitpunkt könnten auch aus der Gesprächsnotiz des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Sport vom 28. Februar 1985, GZ 2042/1/44/85 (erliegend im Beilagenkonvolut zu ON 5) gewonnen werden, nach der die Beschwerdeführerin die in ihrem an das Bundesministerium für Unterricht und Kunst gerichteten Brief vom 10.Dezember 1984 beigeschlossen gewesenen Rechnungen zum Zweck der Prüfung und nach Anerkennung zur Übernahme in die Buchhaltung an W. P*** übergeben hat. Dabei wird auch auf die Anlage 7/16 zum Sachverständigengutachten ON 40 Bedacht zu nehmen sein, wonach die aktuellen Belege im November 1984 von der Nichtigkeitswerberin dem genannten Ministerium übergeben worden sein sollen. Der dem Urteil darnach anhaftende Feststellungsmangel war gemäß § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen aufzugreifen; da er eine abschließende Beurteilung der Verjährungsfrage nicht zuläßt und eine - mit der Rechtsrüge (Z 9 lit. b) begehrte - Anwendung des § 42 StGB im Hinblick auf die (durch die Intensität des Täterwillens manifestierte) keineswegs geringfügige Schuld (Abs. 1 Z 1) nach dem bisher festgestellten Tatsachensubstrat der bekämpften Entscheidung nicht in Betracht kommt, war letztere im Schuldspruch und demzufolge auch im Strafausspruch aufzuheben sowie die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an den (infolge Rechtskraft des Teilfreispruches) nunmehr zuständigen Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zurückzuverweisen (§ 288 Abs. 2 Z 1 StPO).

Mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und mit ihrer Berufung war die Rechtsmittelwerberin darauf zu verweisen.

Anmerkung

E19685

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0150OS00151.89.0130.000

Dokumentnummer

JJT_19900130_OGH0002_0150OS00151_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten