TE OGH 1990/2/21 11Os2/90

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Veröffentlicht am 21.02.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Feber 1990 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Horak, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Lassmann als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Klaus M*** und andere wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Raubes nach den §§ 142 Abs. 2 und § 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Alfred S*** gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 18. Oktober 1989, GZ 2 a Vr 671/89-18, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des Angeklagten Alfred S*** und gemäß § 290 Abs. 1 StPO auch des Angeklagten Klaus M*** wegen des Verbrechens des vollendeten Raubes nach dem § 142 Abs. 2 StGB (A) und in dem diese beiden Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Alfred S*** auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten, nämlich der am 18.Juni 1972 geborene Klaus M***, der am 3.September 1971 geborene Andreas J*** und der am 28.Dezember 1972 geborene Alfred S*** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Raubes nach dem § 142 Abs. 2 und dem § 15 StGB schuldig erkannt. Darnach versuchten sie am 15.Mai 1989 in Wien im einverständlichen Zusammenwirken (§ 12 StGB) dem (damals 13-jährigen) Wolfgang S*** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB) mit Bereicherungsvorsatz Bargeld abzunötigen, indem sie ihn umstellten, eine drohende Haltung einnahmen und Geld von ihm forderten (B); anschließend nahmen sie Wolfgang S*** mit Gewalt und ebenfalls mit Bereicherungsvorsatz sein BMX-Fahrrad weg, indem sie ihn umstellten, eine drohende Haltung einnahmen, das Fahrrad von ihm forderten, M*** und J*** das Fahrrad ergriffen und so lange hin und her stießen, bis Wolfgang S*** die Kraft verließ und er das Rad preisgeben mußte (A); die Taten wurden ohne Anwendung erheblicher Gewalt an Sachen geringen Wertes begangen.

Nur der Angeklagte Alfred S*** bekämpft dieses Urteil im Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5, 5 a und 9 lit. b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung. Die den Schuldspruch wegen versuchten minderschweren Raubes (B) tragende Feststellung, daß die Angeklagten beschlossen, Wolfgang S*** Geld abzunötigen und dieser Forderung durch Einnehmen einer drohenden Haltung Nachdruck verliehen, von diesem Vorhaben aber abkamen, als S*** erklärte, kein Geld bei sich zu haben (S 105), rügt der Angeklagte sowohl mit Mängelrüge (Z 5) als unzureichend begründet, als auch mit einer Tatsachenrüge (Z 5 a), in der er meint, die ohne jeden Nachdruck vorgebrachte Forderung nach Geld könne nicht als ernst gemeinter Raubversuch gewertet werden. Das Jugendschöffengericht stützte sich bei dieser Feststellung in objektiver Richtung auf die diesbezüglich im wesentlichen übereinstimmenden eigenen Einlassungen der Angeklagten und zog aus den ebenfalls zugegebenen früheren Vorfällen und dem Tatablauf im Zusammenhalt mit den Angaben des Zeugen Wolfgang S*** in subjektiver Richtung den Schluß, daß die Angeklagten nicht im Spaß handelten, sondern daß ein von ernstgemeinten Drohungen begleiteter, vom Opfer auch ernstgenommener tauglicher Versuch, Geld abzunötigen, vorliege (S 107 bis 108). Damit kam das Gericht seiner Begründungspflicht in gedrängter Form (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) ausreichend nach; bei Prüfung dieser Beweiswürdigung an Hand der Akten ergeben sich keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der festgestellten Tatsachen in entscheidungswesentlichen Punkten. Die zu diesem Faktum geltend gemachten formellen Nichtigkeitsgründe haften darum dem Ersturteil nicht an.

Rechtliche Beurteilung

Die in diesem Zusammenhang erhobene Rechtsrüge (Z 9 lit. b), es fehle nach der Beweislage an Feststellungen zum freiwilligen Rücktritt vom Versuch, entbehrt einer dem Gesetz entsprechenden Ausführung; denn sie übergeht die getroffene (Urteils-) Feststellung, die Angeklagten haben nur deshalb ihre Geldforderung nicht weiter verfolgt und sich auf die Wegnahme des BMX-Fahrrades beschränkt, weil das Opfer angab, kein Geld bei sich zu haben. Legt man diese Feststellung zugrunde, wie dies die Ausführung eines materiellen Nichtigkeitsgrundes verlangt, hatten die Angeklagten keine Möglichkeit mehr, zu Geld zu kommen, womit aber ein freiwilliger Rücktritt vom Versuch ausscheidet (LSK 1975/164). Zum Schuldspruch wegen §§ 15, 142 Abs. 2 StGB (B) war die Nichtigkeitsbeschwerde daher gemäß dem § 285 d Abs. 1 StPO als unbegründet, teilweise auch als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt zurückzuweisen.

Soweit der Beschwerdeführer aber zum Faktum A (Wegnahme des BMX-Rades) sowohl mit der Mängel- als auch mit der Tatsachenrüge geltend macht, daß er persönlich davon ausgegangen sei, J*** - der im Gegensatz zu M*** und ihm kein Fahrrad bei sich hatte - werde das BMX-Rad des S*** nur vorübergehend benützen, und damit die Feststellung bekämpft, er habe gewußt, daß J*** das Rad behalten wolle (S 105), kann seinem Vorbringen Berechtigung nicht abgesprochen werden.

Alfred S*** betonte schon bei seiner polizeilichen

Vernehmung (S 29), daß nur J*** ohne Rad unterwegs war und er

nicht weiter ernst nahm, daß J*** mit dem - S***

weggenommenen - Rad umherfuhr. Klaus M*** sagte zwar, daß Andreas J*** das Rad "für sich haben" wollte, gab aber auch schon damals zu Protokoll, daß J*** von S*** und ihm zur Rückgabe des Fahrrades überredet werden sollte, jedoch erklärte, daß er das Rad jetzt habe und nicht zurückgebe (S 31). In der Hauptverhandlung verwies M*** neuerlich darauf, daß J*** gesagt habe, er werde das Rad zurückstellen (S 91), welche Verantwortung auch J*** bestätigte (S 93). Auf Grund dieser Beweislage traf das Jugendschöffengericht nachfolgende Feststellungen: "Da M*** UND S*** nunmehr auch ob ihrer vorangegangenen Handlungsweise Bedenken bekamen, versuchten sie J*** zu überreden, das Rad wiederum an S*** zurückzugeben, doch J*** erklärte ihnen, da er das Rad nun bereits habe, werde er es auch behalten. In weiterer Folge trennten sich M*** und S*** von J***. J***

entfernte bald danach mittels eines Messers einen Schriftzug auf der rechten Seite des Rahmens und einen weiteren Schriftzug auf der Vorderseite der Gabel des BMX-Rades des S***, um das Rad, welches er, wie bereits erwähnt, behalten wollte, unkenntlich zu machen" (S 106).

Trotz dieser Feststellungen meinte das Gericht, die Verantwortungen der Angeklagten S*** und M***, sie hätten zunächst nicht angenommen, daß J*** sich das Rad dauernd behalten wolle, hielten einer kritischen Betrachtung nicht stand (S 109).

Wörtlich führten die Tatrichter hiezu aus: "J*** hatte, als er in den Besitz des Fahrrades gelangt war, nichts Eiligeres zu tun, als damit zu beginnen, das Rad durch Abkratzen von Schriftstücken mittels eines Messers unkenntlich zu machen. M*** und S*** wiederum forderten J*** nach der Tat, als sie doch Bedenken ob ihres Verhaltens bekamen, auf, das Fahrrad wiederum an S*** zurückzugeben. Eine Forderung, die im übrigen von J*** abgelehnt wurde, welche unverständlich wäre, hätte nicht die ursprüngliche Absicht bestanden, welche auch M*** und S*** bekannt sein mußte, daß J*** das Fahrrad behält".

Diese (ersichtlich einzige) Begründung für die bekämpfte Urteilsannahme läßt aber unter Zugrundelegung des gesamten Akteninhaltes erhebliche Zweifel an ihrer Tragfähigkeit aufkommen. Zunächst ist davon auszugehen, daß die Angeklagten den ihnen vom gemeinsamen Schulbesuch bekannten und als Aggressionsobjekt beliebten Wolfgang S*** zufällig getroffen hatten, als S*** und M*** mit ihren Rädern umherfuhren, J*** aber nur mitgeführt wurde. In einer solchen Situation, einem anderen Knaben das Rad wegzunehmen, um selbst damit herumfahren zu können, entspricht dem Verhaltensmuster unreifer Jugendlicher. Daraus allein den Schluß zu ziehen, daß M*** und S*** schon bei Wegnahme des Rades daran dachten, J*** wolle das Rad für immer behalten, wäre lebensfremd. Aus dem nachträglichen Verhalten des Angeklagten J*** kann für seine Person wohl geschlossen werden, daß er das Fahrrad wirklich von allem Anfang an behalten, sich also zueignen wollte. Aktenmäßig aber nicht nachvollziehbar ist die (im Detail auch nicht begründete) Urteilsannahme, J*** habe für die Mitangeklagten erkennbar (S 110) "zum Ausdruck" gebracht, daß er das Rad nicht etwa bloß vorübergehend benützen, sondern dauernd für sich behalten wolle (S 105). Die weitere Schlußfolgerung aber, die Aufforderung der beiden Angeklagten nach der Tat an J***, das Rad zurückzugeben, sei nur verständlich, wenn J*** die Absicht hatte, das Rad zu behalten, stimmt auch nur insoweit, als die Angeklagten S*** und M*** nachträglich erkannt haben müssen, daß J*** das Rad nicht sofort zurückzustellen gedenkt. Diese Überlegung trägt aber nicht die - aus der Sicht des § 5 Abs. 1 StGB auch mißverständlich formulierte - Konstatierung, daß ihnen diese Absicht schon bei Sachwegnahme bekannt (S 109) bzw. erkennbar gewesen sein mußte (S 110), weil offen bleibt, wann den beiden Angeklagten diese Erkenntnis kam und diese Reaktion auch erklärlich wäre, wenn sie entgegen ihrer ursprünglichen Annahme nachträglich feststellen mußten, daß J*** das Rad behalten will. Die Urteilsannahme, die Angeklagten S*** und M*** haben an der gewaltsamen Wegnahme des BMX-Rades mit der Absicht (gemeint: Vorsatz) mitgewirkt, daß J*** sich das Rad zueignen werde, begegnet daher erheblichen Bedenken (Z 5 a). Da aber Tätern, die mit dem Vorsatz handeln, daß das Fahrrad nur vorübergehend gebraucht wird, nicht Raub, sondern Nötigung (§ 105 StGB) zur Last läge (SSt. 33/43 uva), und jeder Angeklagte nur nach seiner Schuld zu bestrafen ist (§ 13 StGB), betrifft die - wie dargestellt - nach dem Akteninhalt nicht nachvollziehbare und daher nicht überzeugende Sachverhaltsfeststellung auch eine entscheidende Tatsache, so daß der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Alfred S*** zum Schuldspruch wegen des Verbrechens des vollendeten Raubes nach dem § 142 Abs. 2 StGB (A), ohne daß es eines Eingehens auf weitere Einwände bedurfte, Folge zu geben, dieser Schuldspruch und der zugehörige Strafausspruch aufzuheben und die Verfahrenserneuerung in diesem Umfang anzuordnen war (§ 285 e StPO).

Auf diese Teilaufhebung war der Angeklagte Alfred S*** mit seiner Berufung zu verweisen.

Da die Überlegungen, die zugunsten des Nichtigkeitswerbers Alfred S*** angestellt wurden, ebenso auf den das Urteil nicht bekämpfenden Klaus M*** zutreffen, war dessen Schuldspruch A samt Strafausspruch von Amts wegen aufzuheben und auch diesbezüglich dem Erstgericht die neuerliche Verhandlung und Entscheidung aufzutragen (§ 290 Abs. 1 StPO).

Anmerkung

E19893

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0110OS00002.9.0221.000

Dokumentnummer

JJT_19900221_OGH0002_0110OS00002_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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