TE OGH 1990/2/22 6Ob534/90

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Veröffentlicht am 22.02.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Kellner als weitere Richter in der Eheangelegenheit des Rudolf K***, ÖBB-Bediensteter, Graz, Göstingerstraße 29, vertreten durch Dr. Otmar Franiek, Rechtsanwalt in Graz, und der Maria K***, Kassierin, Graz, Göstingerstraße 29, vertreten durch Dr. Siegfried Leitner, Rechtsanwalt in Graz, wegen nachehelicher Vermögensaufteilung und Sicherung des Aufteilungsanspruches durch einstweilige Regelung der Benützung der Ehewohnung nach dem 1.Fall des § 382 Z 8 c EO, infolge Rekurses des Mannes als des Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz als Rekursgerichtes vom 8. Januar 1990, GZ 2 R 518-520/89-48, womit infolge Rekurses der Frau als der gefährdeten Partei der Beschluß des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 10.November 1989, GZ 29 F 7/88-37, unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehaltes zur Verfahrensergänzung aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird stattgegeben und der den Sicherungsantrag der Frau abweisende erstinstanzliche Beschluß wiederhergestellt. Die gefährdete Partei ist schuldig, ihrem Gegner die mit S 5.959,36 bestimmten Kosten (darin enthalten an Umsatzsteuer S 993,28) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die am 10.August 1968 geschlossene Ehe des damals 20 Jahre alten Mannes und der damals 19 Jahre alten Frau wurde mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil vom 24.Februar 1988, nachdem die eheliche Lebensgemeinschaft bereits mit Jahresende 1987 aufgehoben worden war, geschieden.

Die Eheleute hatten ihren gemeinsamen Haushalt, in dem auch ihre drei Töchter heranwuchsen, in einem Haus geführt, das im Familienbesitz stand. Derzeit ist (auf Grund Erbganges nach seinem Vater im Sinne der Einantwortungsurkunde vom 21.Juni 1968, also schon seit einem vor der Eheschließung gelegenen Zeitpunkt) der Mann Eigentümer eines Viertelanteiles an der Hausliegenschaft; die restlichen Anteile stehen (seit dem Erbgang nach der 1976 gestorbenen Mutter des Mannes) im Eigentum der beiden älteren Töchter. Die am 23.Mai 1969 geborene älteste Tochter ist bereits volljährig. Die am 5.Oktober 1976 geborene Miteigentümerin ist ebenso wie die am 24.März 1983 geborene jüngste Tochter noch minderjährig.

Auf Grund eines von der Frau am 18.April 1988 angebrachten Antrages ist das Aufteilungsverfahren anhängig. Gegenstand dieses Verfahrens ist nach dem Antrag der Viertelanteil des Mannes an der Hausliegenschaft. Die Frau strebt nach ihrem Aufteilungsvorschlag die Übertragung des Eigentums an diesem Grundanteil an sie an. Dabei erkennt sie selbst, daß der Liegenschaftsanteil des Mannes nicht als Bestandteil ehelicher Ersparnisse, sondern nur als Rechtsgrundlage für die Benützung der Ehewohnung, auf deren Weiterbenützung die Frau angewiesen zu sein behauptet, einer richterlichen Aufteilungsregelung unterliegen kann.

Das dem Mann und den beiden älteren Töchtern gemeinschaftliche Villenwohnhaus steht auf einer von einer 1037 m2 großen Parkfläche umschlossenen 351 m2 großen Baufläche. Das 1913 errichtete, größtenteils unterkellerte Haus hat Wohnräume im Erdgeschoß und im Obergeschoß mit einer Nutzfläche von jeweils 95,50 m2 sowie im Dachgeschoß ausgebaute Wohnräume mit einer Nutzfläche von rund 62 m2 und einen ausbaufähigen Dachboden mit einer Fläche von 38 m2. Bautechnisch wären die im Erdgeschoß gelegenen Räume mit einem unter 200.000 S einzuschätzenden Gesamtaufwand als eine gesonderte Wohneinheit ausgestaltbar. Aber auch die Schaffung zweier selbständiger Wohneinheiten im Erdgeschoß ist mit einem geschätzten Bauaufwand von rund 80.000 S bautechnisch möglich.

Nach den Antragsbehauptungen sei die Frau zur Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses auf die Ehewohnung angewiesen. Der Mann habe sich in Dachgeschoß-Räume zurückgezogen. Ein Zuammenleben mit ihm unter einem Dach sei der Frau aber wegen seiner Neigung zu Gewalttätigkeiten nicht zumutbar.

Am 24.Oktober 1989 stellte die Frau den Antrag, durch einstweilige Verfügung im Sinne des § 382 Z 8 c, erster Fall, EO, eine einstweilige Regelung der Benützung der Ehewohnung dadurch vorzunehmen, daß dem Mann geboten werde, das Villengrundstück unverzüglich zu verlassen, und daß ihm ferner verboten werde, das Grundstück bis zur Beendigung des Aufteilungsverfahrens zu betreten. In ihrem Antrag auf einstweilige Regelung der Wohnungsbenützung behauptete die Frau selbst, als Ehewohnung seien die im Obergeschoß des als Einfamilienhaus bezeichneten Villenwohnhauses gelegenen Räume benützt worden, der Mann habe sich (nach Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft) in die beiden mangels Naßräume nur beschränkt benützbaren Zimmer im Dachgeschoß zurückgezogen. Die im Erdgeschoß gelegenen Räume seien seit Jahren unbenützbar. Der Mann habe dort eigenmächtig mit Bauarbeiten begonnen. Zur Deckung ihres dringenden Wohnbedürfnisses sei die Frau auf ihre Wohnversorgung in dem Haus angewiesen, in dem sie selbst mit den Kindern die ehemalige Ehewohnung weiter benütze. Der Mann benütze aber Hauseingang und Stiegenaufgang und mache der Frau und der ältesten Tochter durch grobe Beschimpfungen, Drohungen und Sachbeschädigung das Zusammenleben im Haus unerträglich.

Der Mann sprach sich gegen die beantragte einstweilige Regelung aus. Er ließ die von der Frau geschilderten tatsächlichen Benützungsverhältnisse im Haus unwidersprochen, bestritt aber die ihm angelasteten verbalen und tätlichen Aggressionen und sprach sich insbesondere auch aus rechtlichen Gründen gegen seine Verweisung aus dem Haus aus.

Das Gericht erster Instanz wies den Sicherungsantrag der Frau im wesentlichen aus den in der Entscheidung SZ 55/144 dargelegten Gründen ab.

Das Rekursgericht faßte einen Aufhebungsbeschluß. Dazu sprach es aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt und setzte seiner Entscheidung einen Rechtskraftvorbehalt, der als Ausspruch der Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof im Sinne des § 527 Abs 2 ZPO zu verstehen ist, bei. Das Rekursgericht erachtete die erstinstanzliche Auffassung über eine mangelnde gesetzliche Deckung für eine mittels einstweiliger Verfügung anzuordnende Ausweisung eines ehemaligen Ehegatten aus der Ehewohnung im Sinne der Entscheidung SZ 58/68 (= EvBl 1986/61) als widerlegt und demgemäß eine Ausweisung als Anordnung zur Durchführung und Sicherung einer einstweiligen Regelung der Ehewohnungsbenützung auch im ersten Fall des § 382 Z 8 c EO (sogenannte "Regelungs-EV") als zulässig. Das Rekursgericht beurteilte den in diesem Sinne zu verstehenden Sicherungsantrag der Frau als nicht unschlüssig und trug dem Gericht erster Instanz die Verfahrensergänzung durch Feststellung des als bescheinigt anzusehenden Sachverhaltes in Ansehung der sachlichen Voraussetzungen für die beantragte einstweilige Wohnungsbenützungsregelung auf.

Der Mann ficht den rekursgerichtlichen Aufhebungsbeschluß mit einem auf Wiederherstellung der erstinstanzlichen Antragsabweisung zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Die Frau erachtet die Rechtsmittelzulässigkeitsvoraussetzung im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO als nicht erfüllt, hilfsweise strebt sie die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Die Entscheidung über den Antrag auf einstweilige Regelung der Ehewohnung hängt von der Beurteilung der Regelungsmöglichkeit nach § 87 EheG im Falle einer teils auf einer ungeregelten Nutzungsbefugnis eines Miteigentümers und teils auf familienrechtlicher Beziehung beruhenden Benützung der Ehewohnung sowie von der Beurteilung des räumlichen Umfanges der Ehewohnung in einem nur von den Ehegatten und den in ihrem Haushalt lebenden Kindern bewohnten, mehrgeschoßigen Haus mit selbständigen oder trennbaren Wohneinheiten, von denen nicht alle tatsächlich als Ehewohnung benützt wurden, ab.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof ist daher entgegen der von der Rechtsmittelgegnerin vertretenen Ansicht im Sinne der §§ 528 Abs 1, 527 Abs 2, 402 Abs 2 und 78 EO zulässig.

Dem Rechtsmittel ist auch die Berechtigung nicht zu versagen:

Die aus dem Elternpaar und den drei Töchtern bestehende Familie lebte im gemeinsamen Haushalt, der im Obergeschoß eines Hauses mit drei Wohnebenen geführt wurde. Ein Viertelanteil an der Hausliegenschaft steht im Eigentum des Mannes, je drei Achtelanteile stehen im Eigentum der beiden älteren Kinder. Als Ehewohnung dienten nach dem eigenen Vorbringen der Frau in ihrem Sicherungsantrag die im Obergeschoß sowie im Dachgeschoß gelegenen Räumlichkeiten, nicht aber auch die im Erdgeschoß befindlichen Räume. Diese könnten objektiv eine selbständige Wohneinheit bilden. Die Bezeichnung des Hauses als eines "Einfamilienhauses" im Sicherungsantrag entspricht daher weder nach der Verkehrsauffassung der objektiven Ausgestaltung noch auch dem tatsächlichen Gebrauch und der Widmung durch die Ehegatten, weil zwar nur eine fünfköpfige Familie im Haus wohnte, eine fast 100 m2 große Wohnung im Erdgeschoß aber unbenützt geblieben war und diese nicht als bloßes Zubehör der Obergeschoßwohnung gewertet werden könnte. Schon nach den Antragsbehauptungen der Frau ist also nicht das ganze Haus Ehewohnung gewesen.

Die Raumnutzung und das ihr zugrundeliegende Recht unterliegen nicht als eheliche Ersparnis sondern nur als Ehewohnung einer Regelung im nachehelichen Aufteilungsverfahren. Rechtstitel der gemeinsamen Benützung der Ehewohnung war zumindest auch die aus dem Miteigentumsanteil des Mannes fließende Nutzungsbefugnis bei einer zwischen den Miteigentümern offenen Benützungsregelung (eine solche hätte mangels Vertretung der Kinder auch nicht schlüssig zustandekommen können, ebensowenig ein sonstiges Rechtsverhältnis über die Raumnutzung).

Überlagert war dieser Rechtstitel aus dem Miteigentum von der rein familienrechtlichen und daher höchstpersönlichen Beziehung zwischen den Kindern und ihren obsorgeberechtigten Eltern. Soweit daraus überhaupt ein Rechtsanspruch auf die Wohnungsbenützung durch einen Elternteil ableitbar sein könnte, wäre er wegen des höchstpersönlichen Charakters keiner Regelung zwischen den Elternteilen im nachehelichen Aufteilungsverfahren zugänglich. Die Benützungsregelung zwischen dem Vater und seinen Töchtern als den Miteigentümern der Wohnhausliegenschaft ist ebenfalls kein Gegenstand des Aufteilungsverfahrens zwischen den geschiedenen Ehegatten.

Die nach Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft vorgenommene faktische Benützungsänderung des Mannes läßt allerdings unberührt, daß Grundlage der gemeinsamen Benützung der Räume in den beiden Obergeschoßen durch die beiden Ehegatten auch die dem Mann als Miteigentümer zustehende (ungeregelte) Nutzungsbefugnis war, die auch im Falle einer rechtswirksamen inhaltlichen Änderung durch eine Beschränkung der Benützungsausübung auf einen anderen Teil des Hauses (nämlich auf alle oder einen Teil der Räume im Erdgeschoß) für das nacheheliche Aufteilungsverfahren immer noch Regelungsgegenstand bliebe (es läge nur ein Austausch der Nutzungsobjekte auf Grund des unverändert gebliebenen Rechtstitels vor). Andererseits benähme eine etwa aufrechte familienrechtliche Obsorge der Frau über das zweitältere, noch minderjährige Kind, das ebenfalls Liegenschaftsmiteigentümer ist, und ein sich aus der Obsorge ergebendes Mitbenützungsverhältnis der Mutter noch nicht ein dieser ohne das Wohnen im Haus ihrer Kinder begründetes Angewiesensein auf die Wohnungsbenützung im Sinne des § 82 Abs 2 EheG.

Solange aber das Wohnbedürfnis der Frau faktisch in einer Wohneinheit geführt wird, die von den im Haus tatsächlich benützten Räumen des Mannes räumlich abtrennbar ist, fehlt es an der Notwendigkeit einer einstweiligen Regelung im Sinne des § 382 Z 8 Buchstabe c EO und damit an einer Grundlage für eine Sicherung einer derartigen einstweiligen Regelung durch Hausverweisung des Mannes. Aus dieser Erwägung bedarf es der vom Rekursgericht aufgetragenen Verfahrensergänzung nicht. Das dringende Wohnbedürfnis der Frau kann in einer Wohngemeinschaft mit ihren drei Töchtern in der 95 m2 großen Wohneinheit im Obergeschoß des mehrgeschoßigen Hauses gedeckt werden. Aus dieser Wohnung hat sich der Mann völlig zurückgezogen. Die geschiedenen Ehegatten leben seit der Aufhebung ihrer ehelichen Gemeinschaft zwar weiterhin im selben Haus, aber in getrennten Wohneinheiten. Die von der Frau in ihrem am Tage der erstinstanzlichen Beschlußfassung überreichten Schriftsatz behaupteten Belästigungen durch den Mann erfolgten nach dem Vorbringen nicht in der Ehewohnung sondern in allgemein benützten Teilen des Hauses (einschließlich des Hausgartens). Bei den im Sicherungsantrag erwähnten Vorfällen in einer nicht näher umschriebenen "Vergangenheit" handelt es sich offenkundig um die bereits im Aufteilungsantrag geschilderten Ereignisse aus der Zeit einer noch aufrechten Wohngemeinschaft (Herbst 1987), denen nur demonstrative Bedeutung beizumessen wäre. Die Dringlichkeit einer einstweilen, bis zur Beendigung des Aufteilungsverfahrens wirksamen Regelung ist nicht erkennbar. Im Ergebnis war daher die erstinstanzliche Abweisung des Sicherungsantrages wiederherzustellen. Die gefährdete Partei hat ihrem Gegner gemäß den §§ 78, 402 Abs 2 und §§ 41 und 50 ZPO die Äußerungskosten (ON 36) einschließlich ON 39 und ON 44) sowie die ihm im Rechtsmittelverfahren erwachsenen Kosten (Rekursbeantwortung ON 46 und Rekurs an den Obersten Gerichtshof ON 51) zu ersetzen.

Anmerkung

E20363

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0060OB00534.9.0222.000

Dokumentnummer

JJT_19900222_OGH0002_0060OB00534_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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