TE OGH 1990/2/22 12Os168/89

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Veröffentlicht am 22.02.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.Feber 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Tschütscher als Schriftführerin in der Strafsache gegen Karl Albin L*** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und § 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 19.Oktober 1989, GZ 3 c Vr 4799/89-22, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, und des Verteidigers Dr. Köhler, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 2.Oktober 1946 geborene Karl Albin L*** des Vergehens der teils vollendeten, teils versuchten Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 und § 15 StGB (I), des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und § 15 StGB (II) und des Vergehens des versuchten unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach §§ 15, 136 Abs. 1 und 2 StGB (III) schuldig erkannt.

Darnach hat er in Wien

I. nachstehende Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt oder zu unterdrücken versucht, zu verhindern, daß sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes oder einer Tatsache gebraucht werden, nämlich

1. unterdrückt, und zwar

a) nachts zum 10.Mai 1989 den Führerschein des Günther S***, indem er die Urkunde aus dessen Personenkraftwagen entnahm und bei sich behielt;

b) am 11.Mai 1989 einen Führerschein, einen Zulassungsschein, einen Blutspenderausweis, eine Notfallskarte, alle lautend auf Robert F***, eine Kfz-Steuerkarte, eine Scheckkarte der Z***, eine Zeitkarte des V*** OST-REGION,

indem er diese Urkunden aus dem Personenkraftwagen des Robert F*** entnahm, sie zunächst bei sich behielt, sich ihrer aber dann teilweise durch Wegwerfen in einem Park entledigte (S 18);

2. am 10.August 1989 einen Führerschein, lautend auf Dipl.Ing. Otto K***, einen Führerschein, lautend auf Irene K***, und einen Zulassungsschein zu unterdrücken versucht, indem er diese Urkunden aus dem Personenkraftwagen des Ehepaares K*** entnahm und in seinen Aktenkoffer steckte;

II. nachstehenden Personen fremde bewegliche Sachen mit Bereicherungsvorsatz teils weggenommen, teils durch Einbruch wegzunehmen versucht, und zwar

1. am 11.Mai 1989 dem Robert F*** verschiedene (im Urteil aufgezählte) Gegenstände aus dem Auto weggenommen;

2. am 10.August 1989 dem Dipl.Ing. Otto K*** eine Geldbörse mit einer Barschaft von 500 S und einen Fotoapparat in brauner Tragtasche durch Einbruch in seinen Personenkraftwagen wegzunehmen versucht;

III. am 10.August 1989 den Personenkraftwagen der Marke Mercedes des Dipl.Ing. Otto K*** ohne dessen Einwilligung in Gebrauch zu nehmen versucht, wobei er sich die Gewalt über das Fahrzeug durch Aufdrücken der Zentralverriegelung mittels eines mitgebrachten Werkzeuges, mithin durch eine im § 129 StGB geschilderte Handlung, verschaffte.

Von der weiteren Anklage, er habe bei Betretung nach den Taten zum Nachteil des Robert F*** (I 1 b und II 1) Polizeibeamte mit Gewalt zu hindern versucht, ihn festzunehmen, wurde der Angeklagte rechtskräftig freigesprochen.

Dieses Urteil ficht der Angeklagte im Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5, 5 a, 9 lit. a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, im Strafausspruch mit Berufung an. Mit der (undifferenziert ausgeführten) Mängel- und Tatsachenrüge (Z 5 und 5 a) behauptet der Beschwerdeführer, das Erstgericht habe seinen zu den entzogenen Urkunden je Faktum einzeln festgestellten Gebrauchsverhinderungsvorsatz (S 140 bis 141) nur unvollständig begründet, zumal es seine in der Hauptverhandlung vom 19. Oktober 1989 vorgebrachte Verantwortung unberücksichtigt gelassen habe, wonach er die betreffenden Dokumente entweder wegzuwerfen oder aber in einen Postkasten einzuwerfen beabsichtigt hätte. Damit übergeht die Beschwerde aber zunächst, daß sich diese Einlassung in der Hauptverhandlung vom 19.Oktober 1989 - etwas anders als die seinerzeitigen Ausführungen in der Hauptverhandlung vom 6.August 1989 (S 82) - nur auf die ins Auge gefaßte Verfügung über den Führerschein des Günther S*** (I 1 a) bezog (S 119 iVm S 120 und 121); das Beschwerdevorbringen steht somit insoweit mit der Aktenlage nicht ganz im Einklang. Darüber hinaus verkennt der Beschwerdeführer aber vor allem, daß das von ihm nach seinem eigenen Eingeständnis auch ins Auge gefaßte (und nach der Aktenlage teilweise auch effektuierte) Wegwerfen der entzogenen Urkunden, um sich ihrer zu entledigen, eine typische Unterdrückungshandlung iS des § 229 Abs. 1 StGB darstellt (Mayerhofer-Rieder3 E 4, 4 b und 4 d zu § 229 StGB). Wenn der Angeklagte aus diesem, vom Erstgericht als Geständnis gewerteten Vorbringen günstigere Folgerungen abgeleitet wissen will, bekämpft er damit zunächst in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung (Z 5), vermag aber auch keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der zur subjektiven Tatseite getroffenen Tatsachenfeststellungen zu erwecken (Z 5 a).

Als nicht aktenkonform erweist sich des weiteren auch die gegen die Annahme der Qualifikationen nach § 129 Z 1 StGB (II 2) und nach § 136 Abs. 2 StGB (III) gerichtete Beschwerdebehauptung, daß das zugrundegelegte Tatsachensubstrat ausschließlich auf der unverläßlichen Aussage des Zeugen Dipl.Ing. Otto K*** beruhe. Das Gericht hat nämlich seine Urteilsannahme, daß der Angeklagte das versperrt gewesene Fahrzeug des Dipl.Ing. Otto K*** dadurch gewaltsam geöffnet hat, daß er mit einem nicht näher bekannten Werkzeug die Gummidichtung bei der hinteren Fahrzeugtüre wegbog und die Verriegelung löste, nicht allein mit der Aussage dieses Zeugen, sondern auch mit den konformen Depositionen der gleichzeitig anwesenden Irene K*** und mit den am Fahrzeug festgestellten Beschädigungsspuren begründet. Wenn der Angeklagte demgegenüber auf eine gewisse Unsicherheit des Zeugen Dipl.Ing. K*** in der Hauptverhandlung allein abstellt und darauf hinweist, daß das Tatwerkzeug nicht sichergestellt werden konnte, unternimmt er auch hier wieder nur den Versuch, seiner Verantwortung zum Durchbruch zu verhelfen, ohne aber formelle Begründungsmängel oder erhebliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Tatsachenfeststellungen aufzeigen zu können.

Bei dem Zurückgreifen auf das Vorbringen, sich bei Verübung der Taten zum Nachteil des Dipl.Ing. Otto K*** (I 2, II 2 und III) im Zustand der vollen Berauschung (§ 287 Abs. 1 StGB) befunden zu haben, vernachlässigt der Angeklagte, daß er nach dem eingeholten psychiatrischen Sachverständigengutachten, dem sich das Gericht im Hinblick auf das zielgerichtete Handeln des Angeklagten sowohl bei der Tatausführung als auch seiner anschließenden Flucht angeschlossen hat, damals voll zurechnungsfähig war. Die Beschwerde zeigt sohin auch diesbezüglich weder einen formalen Begründungsmangel im Sinne der Z 5, noch sich aus den Akten ergebende Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde gelegten Tatsachen im Sinn der Z 5 a des § 281 Abs. 1 StPO auf.

Dem Beschwerdeführer kann aber auch nicht gefolgt werden, wenn er in seiner Rechtsrüge (Z 9 lit. a) unter Zitierung des § 74 Z 7 StGB allein mit dem Hinweis auf eine die (inhaltlich anders gestaltete) Versicherungskarte betreffende Entscheidung (EvBl. 1984/144) dem dem Robert F*** entfremdeten Blutspenderausweis und der Notfallskarte (I 1 b) die Urkundenqualität abspricht, ohne aber im einzelnen auszuführen, welche konstitutiven Elemente einer Urkunde im strafrechtlichen Sinn er im gegebenen Fall vermißt (vgl. hiezu grundsätzlich Kienapfel im Wiener Kommentar Rz 9 zu § 223 StGB). Da sowohl der Blutspenderausweis des Roten Kreuzes, als auch eine Notfallskarte auf Namen lautende Ausweispapiere sind, in denen medizinisch relevante Daten (Blutgruppe, Rhesusfaktor, Blutabnahme und andere Untersuchungsdaten) von einer hiezu befugten Person (in der Regel einem Arzt) in der Absicht bestätigt werden, daß auf diese Daten bei einer neuerlichen Blutspende oder einem spontan notwendig werdenden medizinischen Eingriff rasch zurückgegriffen werden kann, wobei eine schuldhafte Mißachtung des Inhaltes dieser Ausweise auch Rechtsfolgen nach sich ziehen kann, mangelt es weder an der Rechtserheblichkeit des Urkundeninhalts (Beweisfunktion), noch an der Erkennbarkeit des Ausstellters (Garantiefunktion), sodaß an der Urkundenqualität dieser Ausweise kein Zweifel besteht. Soweit in der Rechtsrüge (Z 9 lit. a und 10) unter Mißachtung der gegenteiligen - wie dargestellt

unbedenklichen - Tatsachenfeststellungen der bedingte Gebrauchsverhinderungsvorsatz (I) und die Qualifikation nach § 129 StGB im Rahmen des Einbruches in das Fahrzeug des Dipl.Ing. Kriegler (II 2 und III) verneint und die rechtliche Subsumtion der Taten einerseits unter den Tatbestand des § 229 Abs. 1 StGB, andererseits unter denjenigen des § 129 StGB bzw.§ 136 Abs. 2 StGB in Frage gestellt wird, werden die angezogenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgründe nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht, weshalb auf dieses Vorbringen nicht weiter einzugehen war.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach §§ 28 Abs. 1, 129 StGB eine zweijährige Freiheitsstrafe und wertete als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen, die Wiederholung der strafbaren Handlungen, die zahlreichen Vorstrafen, die die Anwendung des § 39 StGB ermöglicht hätten, und den raschen Rückfall. Als mildernd wurden ihm ein teilweises Geständnis und der Umstand, daß es teilweise beim Versuch geblieben ist, zugutegehalten.

Der Angeklagte begehrt mit seiner Berufung die Milderung dieser Strafe, vermag aber dazu weitere rücksichtswürdige Umstände nicht aufzuzeigen.

Daß bei versuchten Taten kein erheblicher Schaden entsteht, ist an sich der Regelfall. Auch der durch den rechtskräftigen Freispruch feststehende Umstand, daß der Berufungswerber seiner Verhaftung keinen Widerstand entgegengesetzt hat, vermag keine mildernde Wirkung zu entfalten. Da der Angeklagte trotz Kenntnis seiner Charakterschwäche im Zustand der Alkoholisierung neuerlich Alkohol mißbrauchte, ist ihm die Beeinträchtigung seiner Zurechnungsfähigkeit vorzuwerfen (§ 35 StGB). Daß ein Fahrzeug zufällig unverschlossen war (I 1 b), mag dem sich auf Diebszug befindlichen Angeklagten zwar die Tatausführung erheblich erleichtert haben, kann aber die Schuld als solche nicht mildern, zumal ihm ja diesfalls ein Aufbrechen nicht zur Last liegt. Da sohin trotz der gravierenden Erschwerungsumstände die Strafe ohnehin im unteren Drittel des gemäß § 39 StGB bis auf siebeneinhalb Jahre Freiheitsstrafe ausweitbaren Strafrahmens des § 129 StGB ausgemessen wurde, konnte der Berufung des Angeklagten nicht nähergetreten werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E19902

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0120OS00168.89.0222.000

Dokumentnummer

JJT_19900222_OGH0002_0120OS00168_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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