TE OGH 1990/3/6 14Os181/89

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Veröffentlicht am 06.03.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.März 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Ponholzer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Walter H*** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7.November 1989, GZ 3 b Vr 9188/89-9, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Jerabek, und des Verteidigers Dr. Lambert, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die Freiheitsstrafe auf zwei Jahre herabgesetzt wird.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 28.April 1954 geborene Walter H*** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Danach hat er am 21.August 1989 in Wien Peter S***, indem er ihn gegen eine Hausmauer stieß, wonach dieser zu Boden stürzte, und ihm dann die Handtasche mit ca 800 S entriß, mit Gewalt gegen dessen Person fremde bewegliche Sachen mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz weggenommen.

Das Schöffengericht stellte fest, daß der Angeklagte den Entschluß zur gewaltsamen Wegnahme der von S*** getragenen Herrenhandtasche faßte, ihm einen Stoß versetzte, wodurch dieser an die Hausmauer prallte, sich eine Rißquetschwunde und einen Bluterguß im Bereich des linken Auges sowie Blutergüße am linken Ober- und Unterarm zuzog und in der Folge aus nicht mehr feststellbarer Ursache zu Sturz kam. Er ergriff sodann die von S*** an der Schlaufe getragene Handtasche, riß kräftig daran und flüchtete mit der von der Schlaufe abgerissenen Tasche, in der sich ein Bargeldbetrag von knapp 800 S befand.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5, 5 a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Als mit einem formellen Begründungsmangel (Z 5) behaftet rügt der Beschwerdeführer die Urteilsannahme, er sei schon beim Verlassen des Lokales, das er vorher ebenso wie S*** besucht hatte, dem späteren Raubopfer mit dem Gedanken an eine finanzielle Bereicherung gefolgt und diesem wiederum sei bereits das dem Raub der Handtasche vorangegangene Verhalten des Angeklagten verdächtig vorgekommen. Diesem Vorbringen fehlt - abgesehen davon, daß das Erstgericht die bemängelten Feststellungen aus den Umständen des genannten Tatablaufs formal mängelfrei ableiten konnte - schon deshalb jede Relevanz, weil nicht die dem Schuldspruch wegen Raubes zugrundeliegende (entscheidende) Annahme einer gewaltsamen Sachzueignung mit Bereicherungsvorsatz an sich, sondern lediglich der Zeitpunkt, zu dem der Angeklagte diesen Vorsatz faßte, in Frage gestellt wird.

Die Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer auf den Versuch des Raubopfers, ihn abzuschütteln, mit Festhalten und dem Versetzen eines Stoßes reagiert und in der Folge die Handtasche unter Überwindung eines entgegenstehenden Behauptungswillens durch kräftiges Anreißen an sich gebracht hat, finden den Beschwerdeausführungen zuwider in der vom Erstgericht als Feststellungsgrundlage herangezogenen Aussage des Zeugen S*** ohnedies hinreichend Deckung. Dieser hat seine schon bei der Polizei wenige Stunden nach dem Tatgeschehen gemachten Angaben, daß sich der Beschwerdeführer quasi angeschmiegt und ihm sodann plötzlich einen Stoß versetzt habe (AS 17), in der Hauptverhandlung in den wesentlichen Punkten des Haltens und Stoßens mehrfach bekräftigt (AS 66, 68, 69) und unmißverständlich ausgesagt, daß ihm der Beschwerdeführer die Tasche gegen seinen Willen mit Gewalt entrissen hat (AS 67, 69, 73).

Eine Überprüfung der Glaubwürdigkeit und inneren Beweiskraft der Angaben des Tatopfers, denen das Erstgericht ungeachtet einzelner "Ungereimtheiten" (US 7) den Vorzug vor der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers gegeben hat, kann nicht zum Gegenstand einer Mängelrüge (Z 5) gemacht werden.

Den in diesem Zusammenhang von der Beschwerde hervorgehobene Umstand, daß der Zeuge S*** in der Hauptverhandlung die konkrete Ursache seines Sturzes auf der Straße nicht mehr nennen konnte, hat das Schöffengericht in seine Erwägungen einbezogen (US 5). Der Einwand schließlich, S*** habe auch von einer vor dem Anprall an die Mauer erlittenen Verletzung gesprochen übersieht, daß dem Hauptverhandlungsprotokoll eine solche Bekundung des Genannten nicht zu entnehmen ist (sh insbes die in der Beschwerde zitierte S 10 des Hauptverhandlungsprotokolls = AS 66). Die Mängelrüge erweist sich daher zur Gänze als unbegründet.

Die Tatsachenrüge (Z 5 a) wendet sich unter weitestgehender Wiederholung des Vorbringens zur Mängelrüge gegen die erstgerichtliche Annahme der gewaltsamen Sachwegnahme, ohne jedoch stichhältige Anhaltspunkte für die Berechtigung der vom Beschwerdeführer im Sinne seiner - vom Erstgericht

abgelehnten - Verantwortung gewünschten Revision der Tatfrage in Richtung eines "auf bloßen Diebstahl" abzielenden Vorsatzes aufzeigen zu können. Angesichts der eindeutigen Aktenlage vermag sie auch unter Berücksichtigung der Beschwerdeargumentation keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu wecken. Sachlich unbegründet ist auch die Subsumtionsrüge (Z 10), mit der das Vorliegen der Voraussetzungen für die Annahme eines minderschweren Raubes nach § 142 Abs. 2 StGB mit dem Hinweis auf die nur geringwertige Raubbeute sowie auf das einmalige Anreißen an der Tasche des Raubopfers als nur unerhebliche Gewaltanwendung geltend gemacht wird. Die Rüge übersieht, daß sich die vom Erstgericht dem Beschwerdeführer angelastete Gewaltanwendung nicht auf die in der Beschwerde hervorgehobene indirekte körperliche Attacke (Entreißen der Tasche) beschränkt, sondern vor allem auch das Festhalten und das Versetzen eines Stoßes umfaßt, welcher einen Anprall des durch körperliche Beeinträchtigung nach einem Knöchelbruch in seiner Abwehrfähigkeit beschränkten Tatopfers gegen eine Mauer, verbunden mit mehrfachen Verletzungen samt Berufsunfähigkeit und Gesundheitsschädigung von mehr als dreitägiger Dauer (AS 43), zur Folge hatte. Bereits dieser Einsatz beachtlicher physischer Kraft in vehementer Weise steht, wird ein objektiv-individualisierender Maßstab angelegt, bei Berücksichtigung der eingetretenen Verletzungsfolgen der Annahme nur unerheblicher Gewaltanwendung entgegen (Leukauf-Steininger, StGB2, RN 35, Kienapfel aaO RN 109 bis 111, Zipf, WK, Rz 47 je zu § 142 StGB und die dort zitierte Judikatur). Da die Voraussetzungen der geltend gemachten Privilegierung kumulativ vorliegen müssen (Foregger-Serini4 Erl V zu § 142 StGB), hat das Erstgericht die vorliegende Tat zu Recht nicht dem § 142 Abs. 2 StGB unterstellt.

Wenn die Beschwerde in diesem Zusammenhang den unmittelbaren Konnex zwischen dem inkriminierten Versetzen eines Stoßes und dem auf Sachbemächtigung durch Entreißen der Handtasche gerichteten Vorsatz des Beschwerdeführers vermißt, negiert sie den festgestellten Urteilssachverhalt (US 4 unten, 5). Diesbezüglich entbehrt der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund (Z 10) einer gesetzmäßigen Ausführung.

Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten zu drei Jahren Freiheitsstrafe, wobei als mildernd die Schadensgutmachung, als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen gewertet wurden. Dagegen wendet sich die Berufung des Angeklagten, die die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB, allenfalls Bemessung der Strafe an der Untergrenze des gesetzlichen Strafsatzes anstrebt.

Zutreffend rügt die Berufung, daß das Erstgericht den Beitrag des Angeklagten zur Wahrheitsfindung nicht als mildernd angenommen hat. Dieser hat nicht nur bei seiner niederschriftlichen Vernehmung vor der Polizei, sondern auch in der Hauptverhandlung zugegeben, dem Zeugen S*** die Handtasche entrissen und das erbeutete Geld für Alkoholika ausgegeben zu haben. Daraus konnte das Schöffengericht in Verbindung mit der Aussage des Zeugen S*** die zum Schuldspruch erforderlichen Feststellungen treffen.

Legt man nun den vom Erstgericht im übrigen zutreffend angenommenen Strafzumessungsgründen auch diesen Milderungsumstand zugrunde und beurteilt auf dieser Grundlage sowie den allgemeinen Strafzumessungsgründen des § 32 StGB unter Berücksichtigung der relativ geringen Schädigung des Opfers (§ 32 Abs. 3 StGB) die dem Schuldspruch zugrundeliegende Tat, ist eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat sowie der Persönlichkeit des Täters angemessen. In diesem Sinne war der Berufung ein Erfolg zuzuerkennen.

Die außerordentliche Strafmilderung kommt wegen der zeitnahen, dem durchschnittlichen Unrechts- und Schuldgehalt strafbarer Handlungen angepaßten Strafdrohungen nur bei atypisch leichten Fällen des betreffenden Deliktstypus in Betracht (Mayerhofer-Rieder, StGB2, ENr 1 bis 2 a zu § 41). Nach den Urteilsfeststellungen kann vorliegend von einem atypisch leichten Fall nicht mehr gesprochen werden. Auch scheitert die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung daran, daß die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe nicht beträchtlich überwiegen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die im Urteilsspruch angeführte Gesetzesstelle.

Anmerkung

E20207

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0140OS00181.89.0306.000

Dokumentnummer

JJT_19900306_OGH0002_0140OS00181_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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