TE OGH 1990/3/8 7Ob512/90

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Veröffentlicht am 08.03.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Franz T***, Chemiker, Plesching, Langfeldstraße 7 b, vertreten durch Dr.Klaus Herke, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Dr.Gerald T***, praktischer Arzt, Schwaz, Marktstraße 17, vertreten durch Dr.Ludwig Hoffmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 184.017,18 sA (Revisionsstreitwert S 153.390,78 sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 15.September 1989, GZ 4 R 139/89-36, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 13.Jänner 1989, GZ 15 Cg 251/86-29, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.791,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.131,90 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Nachlaß der am 3.Juli 1985 verstorbenen Antonia T*** wurde

ihren beiden Söhnen, dem Kläger und Dr.Heinrich T***, die aufgrund

des Gesetzes eine bedingte Erbserklärung abgegeben hatten, je zur

Hälfte eingeantwortet. Nach dem der Abhandlung zugrunde gelegten

Nachlaßinventar bestand der Nachlaß aus

a) dem Hälfteanteil an der Liegenschaft

EZ 204 II KG Schwaz im Werte von           S 1,198.300,--

b) 1/3-Anteil an der Liegenschaft

EZ 1062 II KG Schwaz im Werte von           S   264.180,--

c) einem Guthaben beim Bundes-

rechenamt von                               S     3.431,30

d) aus Fahrnissen im Werte von          S    94.380,--

zusammen                                    S 1,560.291,30;

abzüglich der Passiven von                  S    22.634,20

ergab sich ein Rohnachlaß von               S 1,537.657,10.

Die Erblasserin hatte mit Kodizill vom 29.April 1985 ihren Hälfteanteil an der Liegenschaft EZ 204 II dem Beklagten, dem Sohn des Dr.Heinrich T***, und ihren Anteil an der Liegenschaft EZ 1062 II dem Dr.Markus T***, einem Sohn des Klägers, sowie Einrichtungsgegenstände ihrer Enkelin Dr.Karin B*** vermacht. Nach Abzug der Vermächtnisse ergab das Nachlaßinventar einen Reinnachlaß von S 50.177,10. Auf der Basis dieses Inventars behauptet der Kläger einen Pflichtteilsanspruch von S 384.414,28 und begehrt unter Anrechnung seines Erbteils und unter Berücksichtigung einer Teilzahlung von S 100.302,-- eine Pflichtteilsergänzung von S 184.017,18 samt 4 % Zinsen seit 5.April 1986.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit S 153.390,78 samt 4 % Zinsen seit 24.Oktober 1988 (Schluß der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz) statt und wies das Mehrbegehren von S 30.624,40 und das Zinsenmehrbegehren ab. Es traf folgende Feststellungen über den Wert des Nachlaßvermögens zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin:

Hälfteanteil an der Liegenschaft

EZ 204 II                                  S   814.551,--

1/3-Anteil an der Liegenschaft

EZ 1062 II                                 S   264.180,--

Guthaben beim Bundesrechenamt              S     3.431,30

Guthaben beim Bundesrechenamt              S     5.994,20

Fahrnisse                                  S    94.380,--

insgesamt                                  S 1,162.536,50

(richtig                                   S 1,182.536,50)

Passiva insgesamt                          S    22.635,20

Reinnachlaß                                S 1,159.902,30

(richtig                                   S 1,159.901,30).

Vom Wert der Vermächtnisse zum Todeszeitpunkt von insgesamt S 1,103.731,-- entfallen auf die Legatarin Dr.Karin B*** S 25.000,--.

Der Wert des Nachlaßvermögens zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz beträgt:

Hälfteanteil an der EZ 204 II              S 1,060.825,60

1/3-Anteil an der EZ 1062 II               S   283.050,--

Guthaben beim Bundesrechenamt              S     3.616,90

Guthaben beim Bundesrechenamt              S     6.265,20

Fahrnisse                                  S    99.476,50

insgesamt                                  S 1,453.234,20

Passiva insgesamt                          S    23.856,40

Reinnachlaß daher                          S 1,429.377,80.

Vom Wert der Vermächtnisse zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz von insgesamt S 1,370.225,60 entfallen auf die Legatarin Dr.Karin B*** S 26.350,--.

Nach der Ansicht des Erstgerichtes sei bei der Ermittlung des Pflichtteiles des Klägers gemäß § 786 2. Satz ABGB auf den Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz abzustellen. Der Pflichtteil des Klägers betrage somit 1/4 von S 1,429.377,80, das seien S 357.344,45. Hievon sei der Erbteil des Klägers von S 29.576,-- abzuziehen, sodaß dem Kläger eine restliche Pflichtteilsforderung von S 327.768,45 zustehe. Hiezu habe gemäß § 783 ABGB der Beklagte verhältnismäßig beizutragen, und zwar mit 77,4 % bzw. S 253.692,78. Nach Abzug des bereits bezahlten Betrages von S 100.302,-- ergebe sich somit eine berechtigte Forderung des Klägers von S 153.390,78.

Das Berufungsgericht änderte das nur in seinem stattgebenden Teil angefochtene Ersturteil im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens ab und erklärte die Revision für zulässig. Das Berufungsgericht führte eine teilweise Beweiswiederholung durch Verlesung der Gutachten des Sachverständigen durch und stellte den Verkehrswert des Hälfteanteils der Liegenschaft EZ 204 II zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz mit S 800.000,-- fest. Im übrigen übernahm das Berufungsgericht die Feststellungen des Erstgerichtes. Davon ausgehend ermittelte es einen Rohnachlaß zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz von S 1,168.552,20 und den Wert der Erbquote des Klägers mit S 29.576,--. Das Berufungsgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes über die Pflicht der Legatare zur verhältnismäßigen Beitragsleistung auf den Pflichtteilsanspruch des Klägers. Da der Beklagte sein Vermächtnis bereits erhalten habe, bestehe ein Rückerstattungsanspruch. Diesen könne der Kläger aber nur entsprechend seiner Erbquote und somit zur Hälfte geltend machen. Der Pflichtteilsanspruch des Klägers betrage insgesamt rund S 292.000,--. Bei einer verhältnismäßigen Beitragsleistung des Beklagten von rund 68 % ergebe sich ein Rückerstattungsanspruch gegen den Beklagten von unter S 100.000,--, sodaß der Kläger vom Beklagten nichts mehr zu fordern habe.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Der behauptete Verfahrensmangel liegt nicht vor (§ 510 Abs. 3 ZPO).

Nach § 783 ABGB müssen sowohl die eingesetzten Erben als auch die Legatare verhältnismäßig zur vollständigen Entrichtung des Pflichtteils beitragen, wenn einem Noterben der gebührende Pflichtteil nicht oder nicht vollständig ausgemessen worden ist. Nach herrschender Auffassung regelt der § 783 ABGB die materielle Beitragspflicht und ist nicht bloß ein Verweis auf die Bestimmungen der §§ 692 ff ABGB (Welser in Rummel2 Rz 3 zu § 783; Schwimann-Eccher ABGB III § 783 Rz 1; Zemen, Zur Kürzung der Vermächtnisse nach § 783 ABGB in ÖJZ 1985, 66 f mwN; SZ 11/71). Dies bedeutet, daß die Erben und Vermächtnisnehmer im Verhältnis der Wertbeteiligung am Nachlaß mit der Entrichtung der Pflichtteile belastet sind, wobei es auf die Art der Erbfolge nicht ankommt und auch die gesetzlichen Erben - nicht nur die eingesetzten - zur Erfüllung der Pflichtteilsforderungen beizutragen haben (Zemen aaO). Ist ein gesetzlicher Erbe Pflichtteilsberechtigter, so ist sein Erbteil, wenn dessen Wert unter jenem des Pflichtteils liegt, aus dem Wert der Vermächtnisse und der (übrigen) Erbteile auf die Höhe des Pflichtteils zu ergänzen. Erweist sich demnach eine Kürzung der Legate als notwendig, haben diese die Erben vorzunehmen. Sie haben den Legataren entsprechend weniger auszuzahlen und können zuviel Geleistetes zurückfordern (§ 693 ABGB). Der Pflichtteilsberechtigte hat ein Forderungsrecht nur an die Erben und kann, wie schon das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, die Vermächtnisnehmer in der Regel nicht direkt in Anspruch nehmen (Welser aaO Rz 5; Kralik, Erbrecht 316 f; SZ 11/71). Über Zulässigkeit und Ausmaß der Vermächtniskürzung kann endgültig nur im Rechtsweg entschieden werden (Welser aaO und Rz 11 zu § 693 mwN; EvBl. 1983/158). Im vorliegenden Fall ist nicht strittig, daß der Wert des Erbteils des Klägers unter dem seines Pflichtteils liegt und den Beklagten somit eine Beitragspflicht trifft. Streit besteht lediglich über das Ausmaß der Kürzung bzw. des Rückforderungsanspruchs. Mangels eines entsprechenden Einwandes kann daher auch die Frage nach einem allfälligen Ausschluß (Verzicht) des Rückforderungsrechtes unterbleiben (vgl. hiezu Welser aaO Rz 3 zu § 693; Kralik aaO 245). Nach dem vorliegenden Sachverhalt wäre ein solcher umso weniger anzunehmen, als nach dem Protokoll über die Abhandlungstagsatzung vom 11.November 1985 die Zustimmung des Klägers zur Einverleibung des Eigentumsrechtes des Beklagten ohnehin nicht vorbehaltslos erfolgte.

Über die Wertberechnung enthält der § 783 ABGB keine Bestimmungen, sodaß diese nach den Grundsätzen der §§ 692 ff ABGB zu erfolgen hat. Nach § 693 ABGB richtet sich der Beitragsanspruch gegen die Legatare, wenn sie die Vermächtnisse bereits empfangen haben, nach dem Wert, den das Vermächtnis zur Zeit des Empfanges hatte. Das Risiko der Wertminderung bis zu diesem Zeitpunkt trägt somit der Erbe, dem aber auch der Vorteil einer Wertvermehrung zugutekommt. Bei bereits empfangenem Vermächtnis geht der Beitragsanspruch des Erben auf verhältnismäßige Rückerstattung in Geld, wobei soviel zu zahlen ist, als der Erbe ursprünglich abzuziehen berechtigt gewesen wäre (Welser aaO Rz 1 zu § 693). Dies bedeutet, daß dann, wenn lediglich zwischen dem gesetzlichen Erben, der auch pflichtteilsberechtigt ist, und dem Legatar, der das Vermächtnis bereits erhalten hat, Streit über das Ausmaß der Kürzung besteht, die Wertberechnung ausschließlich nach dem Wert im Zeitpunkt des Empfanges des Vermächtnisses vorzunehmen ist. Als Zeitpunkt des Empfanges ist bei Liegenschaften nicht die Eintragung des Eigentumsrechtes des Legatars anzusehen, auf die der Erbe keinen Einfluß nehmen kann und die im Falle einer Veräußerung durch den Legatar im Regelfall überhaupt unterbleibt, sondern der Zeitpunkt, zu dem der Legatar nach den Ergebnissen der Verlassenschaftsabhandlung in die Lage gesetzt ist, die Einverleibung zu beantragen. Andernfalls könnte der mit der Wertminderung belastete Risikozeitraum, der entgegen der sonstigen Regel auf den Erben fällt, durch Verhalten des Legatars einseitig beeinflußt werden. Nach den Ergebnissen der Abhandlungstagsatzung vom 11.November 1985 und den dort gestellten Schlußanträgen war das Eigentumsrecht der Legatare ob der ihnen vermachten Liegenschaftsanteile einzuverleiben. Entgegen der Meinung des Klägers hat daher eine Wertsteigerung des Liegenschaftsanteils des Beklagten, die erst nach diesem Zeitpunkt dadurch eingetreten ist, daß der Beklagte Volleigentümer der Liegenschaft wurde, außer Betracht zu bleiben. Es kommt aber auch nicht auf den Wert zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Intanz an. Für den nach dem Gesagten maßgeblichen Zeitpunkt des Empfanges des Legates bedarf es keiner neuerlichen Schätzung, weil dieser Zeitpunkt nicht wesentlich von dem Zeitpunkt des Todes der Erblasserin abweicht und darüber vom Berufungsgericht übernommene Feststellungen des Erstgerichtes vorliegen. Da der ordentliche Wert einer Sache auch aufgrund eines Mischwertes zwischen Verkehrs- und Ertrags- bzw. Kostenwert errechnet werden kann (SZ 57/90), bestehen gegen die vom Sachverständigen gewählte Methode keine Bedenken. Die darauf beruhenden Feststellungen sind der Anfechtung im Revisionsverfahren entzogen. Davon ausgehend ergibt sich ein Pflichtteilsanspruch des Klägers von rund S 261.890,17, zu dessen Deckung der Beklagte mit rund 70 % beizutragen hat. Der Rückforderungsanspruch beträgt somit S 183.323,12. Davon kann aber der Kläger entsprechend seinem Erbteil nur die Hälfte geltend machen. Der Rückforderungsanspruch der Erben gegen einen Vermächtnisnehmer aus einer Legatsreduktion ist eine Geldforderung, sodaß jeder der mehreren bedingt erbserklärten Erben nur den seiner Erbquote entsprechenden Teil zurückfordern kann. Prozessuale Überlegungen, die der Revisionswerber ins Treffen führt, ändert daran nichts, weil diese für die Frage der Teilbarkeit der aus einem Schuldverhältnis entspringenden Rechte nicht bestimmend sind. Da der Beklagte dem Kläger bereits mehr geleistet hat, als dieser nach den obigen Ausführungen von ihm zu fordern hätte, hat das Berufungsgericht zu Recht im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens erkannt.

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E20374

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0070OB00512.9.0308.000

Dokumentnummer

JJT_19900308_OGH0002_0070OB00512_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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