TE OGH 1990/3/8 7Ob10/90

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Veröffentlicht am 08.03.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei O***

W*** V***, Linz, Gruberstraße 32,

vertreten durch Dr.Walter Rinner, Rechtsanwalt in Linz, wider die

beklagte Partei E*** A*** V***-A***,

Linz, Zollamtsstraße 1, vertreten durch Dr.Heinz Oppitz und Dr.Heinrich Neumayr, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 416.750 sA und Feststellung (Gesamtstreitwert S 496.750), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 21.November 1989, GZ 4 R 140/89-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 3.Jänner 1989, GZ 3 Cg 116/88-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 17.317,80 (darin enthalten S 2.886,30 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Kaufvertrag vom Juni 1986 verkaufte Dkfm.Mag.Rudolf L*** das Haus Linz, Bergschlößlgasse 1, an die Stadt Linz, deren Eigentumsrecht am 15.7.1986 grundbücherlich einverleibt wurde. Die Stadt Linz schloß für dieses Gebäude am 9.9.1986 eine Brandschadenversicherung mit der Klägerin ab. Zwischen Dkfm.Mag.Rudolf L*** und der Beklagten bestand für dieses Gebäude zur Polizzen-Nummer 558-101.380 ein am 9.1.1986 abgeschlossener Versicherungsvertrag, der ua das Risiko Brandschaden umfaßte. Da die Stadt Linz diesen Versicherungsvertrag nicht übernehmen wollte und der Auffassung war, daß sie als Erwerberin der Liegenschaft nicht berechtigt sei, diesen Versicherungsvertrag zu kündigen, richtete Dkfm.Mag.Rudolf L*** am 10.7.1986 ein Schreiben an die Beklagte, mit dem er den Verkauf der Liegenschaft mitteilte und den besthenden Versicherungsvertrag per 6.7.1986 aufkündigte. Gleichzeitig ersuchte er um Rücküberweisung der für einen Zeitraum nach dem 6.7.1986 bereits gezahlten Prämie. Erst am 12.9.1986 teilte die Beklagte Dkfm.Mag.Rudolf L*** mit, daß die von ihm ausgesprochene Kündigung nicht zur Kenntnis genommen werde, weil die Versicherung im Fall eines Eigentümerwechsels nur durch den Erwerber gekündigt werden könne. Auf Grund eines Gespräches zwischen Dkfm.Mag.Rudolf L*** und einem Angestellten der Beklagten zahlte die Beklagte jedoch im Herbst 1986 einen Teil der geleisteten Jahresversicherungsprämie zurück. Die Beklagte hat der Erwerberin der Liegenschaft nie eine Versicherungsprämie vorgeschrieben.

Am 3.5.1987 wurde das Haus Linz, Bergschlößlgasse 1, durch einen Brand zerstört. Auf Grund dieses Versicherungsfalles leistete die Klägerin bisher eine Verkehrswertentschädigung in der Höhe von 2,500.000 S.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von S 416.750 samt 4 % Zinsen seit 24.2.1988. Weiters erhebt sie das Feststellungsbegehren, daß die Beklagte verpflichtet sei, sich an den Aufwendungen der Klägerin aus dem Schadensfall vom 3.5.1987 wegen des Feuerschadens am Objekt Linz, Bergschlößlgasse 1, im Rahmen ihrer Feuerversicherung Polizzen-Nummer 558-101.380 im Verhältnis dieser Versicherungssumme zu der der Klägerin im Sinne des § 59 VersVG zu beteiligen. Der zwischen dem Verkäufer der Liegenschaft und der Beklagten abgeschlossene Versicherungsvertrag sei auf die Erwerberin übergegangen und beim Eintritt des Feuerschadens am 3.5.1987 noch aufrecht gewesen. Die vom Verkäufer ausgesprochene Kündigung sei nicht wirksam gewesen. Die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß sie dessen unwirksame Kündigung nicht rechtzeitig zurückgewiesen habe. Sie habe später selbst noch den Standpunkt vertreten, daß der Vertrag noch aufrecht sei und deshalb eine Beteiligung an dem zwischen der Klägerin und der Stadt Linz geschlossenen Versicherungsvertrag verlangt. Die Beklagte sei der Klägerin gegenüber nach Maßgabe der Beträge, deren Zahlung ihr gegenüber dem geschädigten Hauseigentümer obliege, zum Ersatz verpflichtet. Auf Grund des Verhältnisses beider Versicherungssummen zueinander habe die Klägerin wegen der bisher geleisteten Zahlung von S 2,500.000 Anspruch auf Ersatz von S 416.750. An der begehrten Feststellung bestehe ein Interesse, weil die Wiedererrichtung des Gebäudes und damit eine weitere Leistung durch die Klägerin bevorstehe.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Der zwischen ihr und Dkfm.Mag.Rudolf L*** am 9.1.1986 abgeschlossene Versicherungsvertrag sei am 3.5.1987 nicht mehr aufrecht gewesen. Dkfm.Mag.Rudolf L*** habe den Versicherungsvertrag mit Schreiben vom 10.7.1986 unter Hinweis auf die Veräußerung aufgekündigt. Nun sei zwar der Verkäufer nicht berechtigt gewesen, die Kündigung auszusprechen. Dennoch aber hätte die Beklagte die Pflicht getroffen, diese unwirksame Kündigung rechtzeitig zurückzuweisen. Die Beklagte habe das aber erst mit Schreiben vom 12.9.1986 getan. Diese Kündigung, die keiner Annahme durch die Beklagte bedurft habe, sei daher rechtswirksam. Die Kündigung durch Dkfm.Mag.Rudolf L*** sei aber auch deshalb rechtswirksam, weil sie in Übereinstimmung mit der Erwerberin ausgesprochen worden sei. Die Beklagte sei aber auch gemäß § 71 Abs 1 Satz 2 VersVG von der Leistung frei, weil ihr weder die Erwerberin noch der Veräußerer den Abschluß des Kaufvertrages rechtzeitig bekannt gegeben hätten.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Beklagte sei durch das Schreiben des Dkfm.Mag.Rudolf L*** vom 10.7.1986 ausreichend deutlich von der Veräußerung der versicherten Sache verständigt worden. Sie wäre daher nicht von der Leistung frei gewesen. Da aber eine vom zur Kündigung nicht berechtigten Veräußerer einer versicherten Liegenschaft ausgesprochene Kündigung als Anbot zur Vertragsauflösung zu beurteilen sei und die Beklagte durch ihr Verhalten schlüssig zum Ausdruck gebracht habe, daß sie dieses Anbot annehme, sei der zwischen dem Veräußerer und der Beklagten geschlossene Versicherungsvertrag einvernehmlich aufgelöst worden. Die Beklagte habe das gegenüber der Erwerberin dadurch zum Ausdruck gebracht, daß sie ihr keine Prämien vorgeschrieben habe. Schutzwürdige Interessen der Käuferin würden dadurch nicht beeinträchtigt, weil Dkfm.Mag.Rudolf L*** im Einvernehmen mit ihr die Kündigung ausgesprochen habe.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes, übernahm dessen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht folgendes aus:

Die vom Veräußerer der versicherten Liegenschaft unter Hinweis auf die Veräußerung ausgesprochene Kündigung sei im Hinblick auf den Eigentumsübergang durch Verbücherung am 15.7.1986 vorzeitig gewesen. Der Veräußerer sei aber auch nicht berechtigt gewesen, die bestehende Sachversicherung zu kündigen. Die Beklagte hätte diese unwirksame Kündigung nach Treu und Glauben unverzüglich zurückweisen müssen. Die nicht rechtzeitige Zurückweisung einer mangelhaften Kündigung werde als Zustimmung zur vorzeitigen Auflösung des Vertragsverhältnisses angesehen. Die dem Eigentumserwerb durch die Stadt Linz nachfolgenden Verhandlungen zwischen Dkfm.Mag.Rudolf L*** und der Beklagten hätten am Bestand des Versicherungsvertrages allerdings nichts mehr ändern können, weil Dkfm.Mag.Rudolf L*** damals nicht mehr Vertragspartner der Beklagten gewesen sei. Die Wirkung der verspäteten Zurückweisung der mangelhaften Kündigung werde für den Bereich des § 59 Abs 2 VersVG nicht beseitigt. Gegen dieses Urteil richtet sich die wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Klägerin mit dem Antrag, es aufzuheben und die Sache "zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen" oder es im Sinne der Stattgebung der Klage abzuändern.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die gerügte Mangelhaftigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). In ihrer Rechtsrüge wendet sich die Klägerin gegen die Auffassung des Berufungsgerichtes, der bei der Beklagten bestehende Feuerversicherungsvertrag sei wegen nicht rechtzeitiger Zurückweisung der unwirksamen Kündigung des Veräußerers als beendet anzusehen. Die Erwerberin, der die Versicherungspolizze übergeben worden sei, müsse vielmehr in ihrem Vertrauen auf den aufrechten Bestand des Versicherungsvertrages gestützt werden. Da der Veräußerer zufolge der §§ 69 ff VersVG ohnedies aus dem Vertragsverhältnis ausscheide, sei sein Interesse an einer vorzeitigen Auflösung des Versicherungsvertrages nicht schutzwürdig. Außerdem widerspreche es dem Grundsatz von Treu und Glauben und den guten Sitten, sich zur Abwehr einer Inanspruchnahme auf einen eigenen Fehler zu berufen.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden: Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrmals (SZ 17/46; SZ 28/130; VersR 1984, 1208; VersR 1985, 175; 7 Ob 16/89) ausgesprochen hat, ist der Versicherer verpflichtet, unwirksame Kündigungen jeder Art alsbald zurückzuweisen. Erfolgt eine solche Zurückweisung nicht, dann ist die Kündigung als wirksam zu behandeln. Die dogmatische Begründung für diese Ansicht liegt im Grundsatz von Treu und Glauben, der im Versicherungsverhältnis im Vordergrund steht. Die Klärung der Vertragslage ist bei einer unklaren oder rechtlich mangelhaften Kündigung sowohl für den Fall des Eintritts des Versicherungsfalles als auch im umgekehrten Fall dringend geboten. Deshalb muß der Versicherer eine Klärung unverzüglich einleiten (VersR 1984, 1208; VersR 1985, 175; Ehrenzweig zur Entscheidung SZ 28/130 in JBl 1955, 452). Die nicht rechtzeitige Zurückweisung einer - aus welchen Gründen immer - unwirksamen Kündigung ist als Zustimmung zur vorzeitigen Auflösung des Vertragsverhältnisses oder als Verzicht auf die Geltendmachung der aus der Verspätung oder der Unwirksamkeit einer Kündigung abgeleiteten Rechtsfolgen anzusehen (VersR 1984, 1208; VersR 1985, 175; aM Schauer, Warnpflichten bei unwirksamer

Kündigung des Versicherungsnehmers, RdW 1988, 316 ff: Gegen dessen Auffassung, aus dem Schweigen des Versicherers könne nicht ohne weiteres die Zustimmung zur vorzeitigen Auflösung des Versicherungsvertrages abgeleitet werden, weil der Versicherungsnehmer, der eine unwirksame, bloß empfangsbedürftige, aber nicht annahmbedürftige Kündigung ausgesprochen habe, nicht davon ausgehen dürfe, daß eine Zustimmung zu einer gar nicht abgegebenen Offerte zur vorzeitigen Vertragsauflösung erklärt werde, spricht allerdings, daß der Absender einer - bloß empfangsbedürftigen - Kündigung damit rechnen darf, daß der Versicherer einen allenfalls bestehenden Grund für deren Unwirksamkeit alsbald geltend machen werde). Ein schutzwürdiges Interesse des Erwerbers der versicherten Liegenschaft, der - wie im vorliegenden Fall - den vom Veräußerer eingegangenen Versicherungsvertrag nicht übernehmen will, eine bestehende Sachversicherung aufrecht zu erhalten, ist nicht erkennbar. Die Ausführungen in der Revision veranlassen den erkennenden Senat daher nicht, von seiner Rechtsprechung abzugehen. Es trifft aber auch nicht zu, daß hier ein der Entscheidung SZ 55/32 vergleichbarer Fall vorliegt. In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall hat der Versicherer die von der Verkäuferin der Liegenschaft ausgesprochene, gemäß § 70 Abs 2 VersVG unwirksame Kündigung nicht zur Kenntnis genommen und sich der Erwerberin gegenüber auf den Übergang der Versicherung auf sie berufen. Im vorliegenden Fall aber hat der Veräußerer der Liegenschaft gerade wegen der Weigerung der Erwerberin, den bei der Beklagten bestehenden Versicherungsvertrag zu übernehmen und deren - unrichtiger - Erklärung, als vertragsfremder Dritter zur Kündigung des Versicherungsvertrages nicht berechtigt zu sein, die Kündigung mit Wissen und Willen des Erwerbers ausgesprochen.

Im Fall einer Doppelversicherung sind die Versicherer gemäß § 59 Abs 2 VersVG nach Maßgabe der Beträge, deren Zahlung ihnen den Versicherungsnehmern gegenüber vertragsmäßig obliegt, untereinander zum Ersatz verpflichtet. In objektiver Hinsicht wird nur gefordert, daß ein Interesse gegen dieselbe Gefahr bei mehreren Versicherern gedeckt ist und die Versicherungssummen zusammen den Versicherungswert übersteigen oder die Summe der Entschädigungen, die von jedem einzelnen Versicherer ohne Bestehen der anderen Versicherung zu zahlen wären, den Gesamtschaden übersteigt. Im Fall einer Doppelversicherung trifft jedoch keinen Versicherer die Pflicht gegenüber dem anderen Versicherer, den mit ihm geschlossenen Versicherungsvertrag unter allen Umständen aufrecht zu erhalten. Daß die Beklagte zur Auflösung des mit dem Veräußerer geschlossenen Versicherungsvertrages durch die Unterlassung der rechtzeitigen Zurückweisung seiner unwirksamen Kündigung beigetragen hat, ist daher für die Beurteilung des Ersatzanspruches der Klägerin ohne Belang. Der auf diese Säumnis gestützte Einwand der Beklagten, daß der Versicherungsvertrag aufgelöst worden sei, verstößt aus den dargelegten Gründen auch nicht gegen die guten Sitten. Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E20096

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0070OB00010.9.0308.000

Dokumentnummer

JJT_19900308_OGH0002_0070OB00010_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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