TE OGH 1990/3/21 11Os19/90

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Veröffentlicht am 21.03.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.März 1990 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofko als Schriftführerin in der Strafsache gegen Walter F*** wegen des Vergehens der Unterschlagung (unter Ausnützung einer Amtsstellung) nach dem § 134 Abs. 2 (und dem § 313) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Schöffengericht vom 4.Oktober 1989, GZ 16 Vr 584/89-8, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Kodek, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Lientscher zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Walter F*** ist schuldig, am 5.April 1989 in Traisen als Sachbearbeiter des Gendarmeriepostens Traisen, sohin als Beamter, mit dem Vorsatz, dadurch einen anderen an seinen Rechten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht zu haben, indem er einen von Martin P*** angezeigten Fund nicht protokollierte und den angegebenen Fund, nämlich eine Geldbörse des Manfred K*** mit mindestens 400 S Bargeld, einem Adressenzettel mit Telefonnummer und weiterem Inhalt, nicht an das zuständige Gemeindeamt weiterleitete, sondern sich zueignete. Er hat hiedurch das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB begangen und wird hiefür nach dieser Gesetzesstelle unter Anwendung des § 41 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten sowie gemäß dem § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Gemäß dem § 43 StGB wird die Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Gendarmeriebeamte Walter F*** gegen den die Staatsanwaltschaft Anklage wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB erhoben hatte, des Vergehens der Unterschlagung (unter Ausnützung einer Amtsstellung) nach dem § 134 Abs. 2 (und dem § 313) StGB schuldig erkannt, weil er am 5.April 1989 in Traisen als Sachbearbeiter des Gendarmeriepostens Traisen, somit als Beamter, unter Ausnützung der ihm durch seine Amtstätigkeit gebotenen Gelegenheit ein fremdes Gut, das ohne Zueignungsvorsatz in seinen Gewahrsam kam, nämlich eine von Martin P*** beim Gendarmerieposten Traisen als Fund abgegebene Geldbörse des Manfred K*** mit mindestens 400 S Bargeld und - inhaltlich der Entscheidungsgründe des erstgerichtlichen Urteils - weiteren nicht vermögenswerten Gegenständen unterschlug.

Das Schöffengericht verneinte Amtsmißbrauch: Der Angeklagte habe zwar gegen die Dienstvorschrift des Landesgendarmeriekommandos vom 24. August 1951 (S 117 ff) verstoßen, es gehöre aber nicht zu den Amtsgeschäften eines Gendarmeriebeamten, Fundgegenstände entgegenzunehmen, geschweige denn sie sich widerrechtlich zuzueignen. Der Angeklagte habe somit keinen Hoheitsakt gesetzt. Die durch Dienstvorschrift geregelte Verpflichtung der Weiterleitung (eines abgegebenen Fundes) an das zuständige Gemeindeamt sei kein Amtsgeschäft, sondern gleichsam eine für die amtsspezifischen Vollziehungsziele nicht bedeutsame Serviceleistung. Der Angeklagte ließ dieses Urteil unangefochten.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs. 1 Z 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde der Anklagebehörde die eine anklagegemäße Beurteilung der Tat als Amtsmißbrauch anstrebt, kommt Berechtigung zu.

Unbestritten ist vorliegend die Beamteneigenschaft des Täters im Sinn des § 74 Z 4 StGB. Die ihm hier obliegende Amtshandlung, nämlich die Protokollierung einer Fundanzeige, die Entgegennahme und Weiterleitung des Fundes an die zur Verwahrung und gegebenenfalls ortsüblichen Bekanntmachung (§ 390 ABGB) verpflichtete Stelle war ihm durch das Rundschreiben des Landesgendarmeriekommando für Niederösterreich vom 24.August 1951, ENr 17.795 Adj, (S 120) ausdrücklich aufgetragen:

Soweit das ABGB bei der Regelung des Fundes von Befugnissen der "Ortsobrigkeit" spricht (§§ 389, 390), handelt es sich um Angelegenheiten der Hoheitsverwaltung, die der "allgemeinen Sicherheitspolizei" (Art 10 Abs. 1 Z 7 B-VG: Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, ausgenommen die örtliche Sicherheitspolizei) zuzuordnen (s VfSlg 8155/1977;

VwSlg 10.958 A/1983; Stelzer, JBl 1989 S 555) und in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache sind. Damit obliegt auch die Vollziehung des im konkreten Fall relevanten, zum Gebiet des "öffentlichen Sicherheitswesens" iSd § 15 Behörden-ÜberleitungsG, StGBl 94/1945 idF BGBl 142/1946 und 685/1988 zählenden (vgl VfSlg 4692/1964; § 3 der VO BGBl 74/1946) (Teil-)Bereichs des Fundwesens den Sicherheitsbehörden, hier der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde (Bezirkshauptmannschaft). Nach § 20 Abs. 3 Behörden-überleitungsG idF BGBl 59/1972 ist nun das Bezirksgendarmeriekommando bei der Führung des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Bezirksverwaltungsbehörde unterstellt (s auch VfSlg 4692/1964, 8145/1977). Die entsprechende Tätigkeit der Gendarmerie (also auch die Handhabung der allgemeinen Sicherheitspolizei) ist den im § 20 Abs. 3 Behörden-ÜberleitungsG bezeichneten Sicherheitsbehörden zuzurechnen; soweit Organe des Bezirksgendarmeriekommandos oder der (ihm untergeordneten) Postenkommanden Agenden des "öffentlichen Sicherheitsdienstes" wahrnehmen, schreiten sie als Hilfsorgane der (als Sicherheitsbehörden 1. Instanz agierenden) Bezirksverwaltungsbehörden ein (vgl auch § 2 Abs. 2 des GendarmerieG 1918, StGBl 75/1918 idF BGBl 59/1972; sh auch § 1 dieses Gesetzes, der die Bundesgendarmerie ausdrücklich zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit beruft Ä: primärer Bestimmungszweck der GendarmerieÜ). Davon ausgehend, daß der Schutz der gefährdeten Sicherheit des Eigentums dem Tatbestand der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, ausgenommen die örtliche Sicherheitspolizei (Art 10 Abs. 1 Z 7 B-VG) unterfällt (vgl insb dazu auch VfSlg 8155/1977 und VwSlg 10.958 A/1983), sind Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, so auch Gendarmeriebeamte, als Hilfsorgane der Sicherheitsbehörden - ohne daß es eines speziellen behördlichen Auftrages bedürfte - allein schon kraft ihrer Dienstpflicht verhalten, gefundene Gegenstände sicherzustellen und bei der zuständigen Dienststelle (Behörde) abzugeben (vgl dazu VwSlg 10.958 A/1983).

Demgemäß handelt es sich bei der dem Angeklagten auferlegten Tätigkeit um ein Amtsgeschäft, das er in Vollziehung der Gesetze vorzunehmen gehabt hätte. Daß die Unterschlagung anvertrauter oder sonstwie erhaltener Gegenstände an sich kein Amtsgeschäft ist (Bertel im WK z StGB, RN 29 ff, insb RN 32 aE zu § 302), trifft wohl zu. Doch handelt es sich hier nicht um einen bloßen "Griff in die Kasse" (EvBl 1987/153 = JBl 1987, 735 = RZ 1987/56; SSt 50/13 = EvBl 1979/162 = JBl 1979, 608 = ÖJZ-LSK 1979/129, 130 ua) oder ein anderes Eigentumsdelikt, das nur unter Ausnützung der durch die Amtsstellung gebotenen Gelegenheit (§ 313 StGB) begangen wird. Der Angeklagte führte vielmehr die ihm obliegende Amtshandlung nicht vorschriftsmäßig durch, indem er bereits die - auch im Interesse des Finders liegende - ordnungsgemäße Protokollierung der Fundanzeige unterließ und eine solche Maßnahme dem Finder gegenüber nur vortäuschte. Die darauf folgende Zueignung stellt nur die letzte Phase einer Tätigkeit dar, die insgesamt Ausübung der (mißbrauchten) Befugnis zur Vornahme von Amtsgeschäften war (s erneut SSt 50/13; SSt 48/78 = EvBl 1978/72; ÖJZ-LSK 1979/96; vgl auch Mayerhofer/Rieder StGB3 E 60 zu § 302, in welchem Fall die Tatbestandsmäßigkeit bloß aus besonders gelagerten, in der subjektiven Tatseite gelegenen, hier nicht zutreffenden Gründen verneint wurde.

Nach den erstgerichtlichen Urteilsfeststellungen (vgl US 4) verstieß der Angeklagte wissentlich gegen ihm bekannte spezifische Dienstvorschriften, deren Unkenntnis er im übrigen gar nicht behauptet hatte (vgl insb S 145).

Da somit alle für einen Schuldspruch nach dem § 302 Abs. 1 StGB erforderlichen Tatsachen festgestellt sind, war der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StGB sogleich in der Sache selbst - wie aus dem Spruch ersichtlich - zu erkennen.

Bei der notwendig gewordenen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof keinen Umstand als erschwerend, den bisher ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten, dessen Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch steht, und die geringe Schadenshöhe als mildernd.

Angesichts des Überwiegens der mildernden Umstände liegen die Voraussetzungen für die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung (§ 41 StGB) vor. Eine Freiheitsstrafe von drei Monaten erscheint der tatbezogenen Schuld des Täters angemessen. Da überdies anzunehmen ist, daß die bloße Androhung der Strafe hinreichen wird, um den bisher unbescholtenen Angeklagten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten und nach den Umständen des vorliegenden Falles generalpräventiven Erwägungen kein überragender Stellenwert zukommt, war die Freiheitsstrafe für eine angemessene Probezeit bedingt nachzusehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstellen.

Anmerkung

E20173

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0110OS00019.9.0321.000

Dokumentnummer

JJT_19900321_OGH0002_0110OS00019_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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