TE OGH 1990/3/27 10ObS109/90

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Veröffentlicht am 27.03.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Felix Joklik (Arbeitgeber) und Gerald Kopecky (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Smajl K***, Pensionist, 8700 Leoben, Bahnstraße 8, vertreten durch Dr.Gerhard Delpin, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei P*** DER A***

(L*** G***), 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Ausgleichszulage und Invaliditätspension infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19.Oktober 1989, GZ 7 Rs 99/89-8, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 12.Mai 1989, GZ 23 Cgs 30/89-5, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei, dem Kläger vom 1.8.1985 an I. die Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß und II. dazu die Ausgleichszulage im gesetzlichen Ausmaß zu zahlen, wies aber III. das Mehrbegehren, die beklagte Partei zu verurteilen, dem Kläger unter Berücksichtigung der von ihm erworbenen Versicherungsmonate, der Bemessungsgrundlage und des Kinderzuschusses für sieben Kinder die Invaliditätspension in einem höheren Ausmaß als bisher zu zahlen, ab.

Dabei ging es unter anderem davon aus, daß sich der Kläger seit August 1985 vorwiegend in Österreich aufhält, während seine Ehegattin und seine sieben Kinder im Alter von sechs bis zwanzig Jahren in Jugoslawien leben.

Die Höhe der dem Kläger vom 1.8.1985 gebührenden Invaliditätspension errechnete das Erstgericht mit 2.392,40 S zuzüglich des Kinderzuschusses für sieben Kinder von 3.178 S, zusammen also mit 5.570,40 S. Dazu gebühre dem Kläger eine Ausgleichszulage in der Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der Invaliditätspension (ohne Kinderzuschuß) und dem wegen der sieben Kinder um siebenmal 534 S auf 8.742 S erhöhten Richtsatz. Gegen den die Ausgleichszulage betreffenden Punkt II. des erstgerichtlichen Urteils richtete sich die Berufung der beklagten Partei. Diese bekämpfte die Feststellung, daß sich der Pensionsberechtigte seit 1.8.1985 überwiegend im Inland aufhält, und vertrat daher die Rechtsansicht, daß der Kläger überhaupt keinen Anspruch auf eine Ausgleichszulage habe. Sie bekämpfte aber auch die Richtsatzerhöhung, weil sich die sieben Kinder des Pensionsberechtigten nicht im Inland aufhalten.

Die Berufungsschrift wurde dem damals noch nicht vertretenen Kläger mit einer Rechtsbelehrung über die Möglichkeit einer Berufungsbeantwortung und über den Vertretungszwang im Berufungsverfahren zugestellt, doch beteiligte er sich am Berufungsverfahren nicht.

Rechtliche Beurteilung

Mit der nach § 492 Abs 2 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorhergegangene mündliche Verhandlung erfolgten angefochtenen Entscheidung gab das Berufungsgericht der Berufung teilweise Folge und änderte den angefochtenen Punkt II. des erstgerichtlichen Urteils dahin ab, daß es die beklagte Partei nur zur Zahlung einer Ausgleichszulage vom 1.8.1985 an in der gesetzlichen Höhe (des Unterschiedsbetrages zwischen der Invaliditätspension Äohne KinderzuschußÜ und dem Richtsatz für Pensionsberechtigte aus eigener Pensionsversicherung, die mit der Ehegattin nicht im gemeinsamen Haushalt leben), aber ohne Berücksichtigung des (Richtsatz)Erhöhungsbe(i)trages für Kinder gemäß § 293 (Abs 1) ASVG verurteilte.

Nach der den Entscheidungen des OLG Wien 23.1.1986 SSV 26/7 und 10.6.1988 SVSlg 33.428 folgenden Rechtsansicht des Berufungsgerichtes erhöht sich der Richtsatz nach der letztgenannten Gesetzesstelle für die nicht im Inland lebenden Kinder des Pensionsberechtigten nicht.

Nur gegen die Nichtberücksichtigung der Richtsatzerhöhung für die Kinder richtet sich die nicht beantwortete Revision des Klägers wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, das Berufungsurteil dahin abzuändern, daß die beklagte Partei verurteilt wird, dem Kläger vom 1.8.1985 an eine Ausgleichszulage zur Invaliditätspension in der gesetzlichen Höhe mit Berücksichtigung des Erhöhungsbe(i)trages für Kinder gemäß § 293 ASVG zu zahlen; allenfalls das angefochtene oder auch das erstgerichtliche Urteil aufzuheben.

Die nach § 46 Abs 4 ASGG ohne die Beschränkungen des Absatzes 2 dieser Gesetzesstelle zulässige Revision ist nicht berechtigt. Aus dem schon dargestellten Ablauf des Berufungsverfahrens ergibt sich, daß der in der Revision erhobene Vorwurf, das Urteil des Berufungsgerichtes wäre wegen des im § 477 Abs 1 Z 5 ZPO nichtig, weil der Kläger im Berufungsverfahren nicht vertreten gewesen sei, unbegründet ist.

Auch die geltend gemachte Mangelhaftigkeit (§ 503 Z 2 ZPO) liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 leg cit). Auf den unter diesem Revisionsgrund ausgeführten Feststellungsmangel wird bei der Behandlung der Rechtsrüge näher eingegangen werden.

Nach § 292 Abs 1 ASVG hat der Pensionsberechtigte, solange er sich im Inland aufhält, Anspruch auf eine Ausgleichszulage zur Pension.

Nach Z 1 Schlußprotokoll (im folgenden mit SchP abgekürzt) zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 19.11.1965 BGBl 1966/289 (im folgenden mit Abk abgekürzt) in der hier anzuwendenden Fassung umfaßt der im Art 1 Z 10 Abk angeführte Begriff "Pension" nicht die Ausgleichszulage nach den österreichischen Rechtsvorschriften bzw die Schutzzulage nach den jugoslawischen Rechtsvorschriften. Ergänzend dazu bestimmt Z 4 SchP zu Art 5 Abk, a) daß die Ausgleichszulage nach den österreichischen Rechtsvorschriften bzw die Schutzzulage nach den jugoslawischen Rechtsvorschriften beim Aufenthalt des Pensionsberechtigten im Gebiete des anderen Vertragsstaates nicht gewährt wird. Diese Ausnahme erfolgte nach den ErlBem der RV zu Art 5 Abk (108 BlgNR 11. GP) mit Rücksicht auf den Fürsorgecharakter - heute Sozialhilfecharakter - der Ausgleichszulage und wegen der mit einer Bedürftigkeitsprüfung bei Auslandsaufenthalt verbundenen administrativen Schwierigkeiten (Fürböck-Teschner in MGA, Zwischenst SV Lfg 3, 5b, 106 FN 2 zu Z 1 SchP). Teschner weist in MGA, ASVG

49. ErgLfg FN 2 zu § 292 in diesem Zusammenhang darauf hin, daß in allen von Österreich abgeschlossenen Sozialversicherungsabkommen die Gewährung der Ausgleichszulage in das Ausland ausgeschlossen sei. Daß es sich bei der Ausgleichszulage um keine Versicherungsleistung im engeren Sinne, sondern um eine Leistung mit Fürsorge(Sozialhilfe)charakter handelt, wurde auch schon wiederholt vom erkennenden Senat ausgesprochen (zB SSV-NF 1/62 mwN; 2/48; Teschner nunmehr auch in Tomandl, SV-System 4.ErgLfg 410; ders in MGA ASVG 49.ErgLfg 1412 FN 2 zu § 292).

Daraus hat das OLG Wien in den schon zit E SSV 26/7 und SVSlg

33.428 zutreffend abgeleitet, der Grundsatz, daß Sozialhilfeleistungen nur an oder für Personen gewährt werden können, die sich im Inland aufhalten, müsse auch für die Berücksichtigung nicht im Inland lebender Kinder des Pensionsberechtigten bei der Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes gelten.

Auf Grund der letztgenannten E hat der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, um eine gleichartige Vorgangsweise der Versicherungsträger bei der Berechnung der Ausgleichszulage sicherzustellen, am 19.10.1987 im Einvernehmen mit dem BMAS empfohlen, im Sinne der Rechtsmeinung des OLG Wien vorzugehen (zitiert in MGA, ASVG 49.ErgLfg 1412 FN 2 zu § 292). Auch Teschner führt in Tomand, SV-System 4.ErgLfg 412/2 unter Berufung auf die spätere E des OLG Wien aus, jedes in Österreich lebende Kind eines Pensionisten aus eigener Pensionsversicherung führe, sofern das Einkommen des Kindes einen bestimmten Grenzbetrag nicht übersteige, zu einer Erhöhung des Richtsatzes. Nach § 292 Abs 1 ASVG beträgt der Richtsatz unbeschadet der (die jährliche Anpassung desselben regelnden) Bestimmungen des Abs 2 a) für Pensionsberechtigte aus eigener Pensionsversicherung, aa) wenn sie mit dem Ehegatten (der Ehegattin) im gemeinsamen Haushalt leben, rund 43 % mehr als bb) wenn diese Voraussetzungen nicht zutreffen. Der Richtsatz nach lit a erhöht sich nach Satz 2 des zit Abs um rund 10,67 % des Richtsatzes für nicht mit dem Ehegatten (der Ehegattin) im gemeinsamen Haushalt lebende Pensionsberechtigte für jedes Kind (§ 252), dessen Nettoeinkommen den Richtsatz für einfach verwaiste Kinder bis zur Vollendung des 24.Lebensjahres nicht erreicht. Hält sich der Pensionsberechtigte selbst nicht im Inland auf, gewährleistet ihm das österreichische Recht überhaupt kein sozialversicherungsrechtliches Existenzminimum (§ 292 Abs 1 ASVG). Das ist auf den schon mehrfach hervorgehobenen sozialhilfeähnlichen Charakter der Ausgleichszulage zurückzuführen. Die meisten österreichischen Sozialhilfegesetze unterscheiden nämlich bei den Richtsätzen, ob ein Hilfesuchender allein oder in Haushaltsgemeinschaft lebt, ob nur sein Unterhalt nicht gedeckt ist oder ob auch ihm gegenüber unterhaltsberechtigte Angehörige zu versorgen sind. In allen Ländern gibt es daher einen Richtsatz für den Alleinunterstützten und - im Vergleich dazu

niedrigere - Richtsätze für Personen, die in einer Haushaltsgemeinschaft leben. Hier wird meist noch zwischen dem Hauptunterstützten (Haushaltsvorstand) und Mitunterstützten (sonstige Haushaltsangehörige) unterschieden. Der Richtsatz für den Alleinunterstützten soll den Bedarf eines allein lebenden Hilfesuchenden abdecken. Die Richtsätze für den Hauptunterstützten und den (die) Mitunterstützten zusammen sollen für den Bedarf des Hilfesuchenden und seiner im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen ausreichen (Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht 440 f).

Da der Anspruch auf die Leistungen der Sozialhilfe an eine örtliche Nahebeziehung des Hilfesuchenden zu einem Bundesland (ordentlicher Wohnsitz oder Aufenthalt) geknüpft ist (Pfeil, aaO 376 f), ergibt sich daraus, daß das auch bei den ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Kindern der Fall sein muß.

Die bisherigen Überlegungen sind auch auf die Berücksichtigung der Kinder des Pensionsberechtigten im Ausgleichszulagenrecht (Richtsatzerhöhung) anzuwenden. Wenn der Pensionsberechtigte selbst nur Anspruch auf Ausgleichszulage hat, solange er sich im Inland aufhält, muß dies umsomehr für seine Angehörigen gelten. Hält sich ein Kind (§ 252 ASVG), dessen Nettoeinkommen den Richtsatz für einfach verwaiste Kinder bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres nicht erreicht, im Gegensatz zum Pensionsberechtigten nicht im Inland auf, dann erhöht sich daher der Richtsatz für dieses Kind nicht.

Daß zB § 123 Abs 1 ASVG den Anspruch auf die Leistungen der Krankenversicherung ausdrücklich auf Angehörige beschränkt, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, läßt - entgegen der Meinung des Revisionswerbers - nicht den Schluß zu, daß der Ausschluß der Richtsatzerhöhung für Kinder, die sich nicht im Inland aufhalten, einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung bedurft hätte.

§ 123 Abs 1 ASVG regelt die Anspruchsberechtigung des Versicherten auf die Leistungen der Krankenversicherung für Angehörige, betrifft also Versicherungsleistungen im engeren Sinne. Da das Gesetz eine Anspruchsberechtigung für die Angehörigen des Versicherten nur unter bestimmten Voraussetzungen zubilligen wollte, bedurfte es einer diesbezüglichen ausdrücklichen Regelung. Bei der die Richtsatzerhöhung regelnden ausgleichsrechtlichen, also eine Versicherungsleistung im weiteren Sinne betreffenden Bestimmung des § 292 Abs 1 letzter Satz ASVG erübrigte sich eine ausdrückliche Einschränkung auf Kinder, die sich im Inland aufhalten, weil sich diese Einschränkung schon aus dem sozialhilferechtlichen Charakter der Ausgleichszulage ergibt. Familienrechtliche Unterhaltspflichten des Pensionsberechtigten gegenüber einem Kind, das sich nicht im Inland aufhält, bleiben daher für den Ausgleichszulagenrichtsatz unberücksichtigt. Die familienrechtliche Unterhaltspflicht des Pensionisten wird in einem solchen Fall nur dadurch berücksichtigt, daß auch für ein solches Kind (§ 252 ASVG) nach § 262 Abs 1 leg cit zu den Leistungen aus den Versicherungsfällen des Alters und zur Invaliditätspension ein Kinderzuschuß gebührt.

Da es auf die Gründe, aus denen die Kinder des Revisionswerbers nicht in Österreich leben, nicht ankommt, waren diesbezügliche Feststellungen nicht erforderlich.

Deshalb erweist sich auch die Rechtsrüge als nicht berechtigt. Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Der als Vertreter des Revisionswerbers einschreitende Rechtsanwalt, der sich in der Revision nach § 30 Abs 2 ZPO auf die ihm erteilte Prozeßvollmacht im Sinne des § 31 ZPO berufen hat, wurde dem Kläger im Rahmen der auch für das Revisionsverfahren bewilligten Verfahrenshilfe vorläufig unentgeltlich als Vertreter beigegeben (SSV-NF 1/19; 2/26, 27 ua).

Anmerkung

E20791

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:010OBS00109.9.0327.000

Dokumentnummer

JJT_19900327_OGH0002_010OBS00109_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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