TE OGH 1990/3/28 2Ob147/89

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Veröffentlicht am 28.03.1990
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Andrzej K***, Fernsehtechniker, Gießaufgasse 28/38, 1050 Wien, vertreten durch Dr. Günther Romauch, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1) Ing. Franz F*** Gesellschaft m.b.H., Weyrerstraße 135, 3340 Waidhofen an der Ybbs, vertreten durch Dr. Werner Pennerstorfer, Rechtsanwalt in St. Pölten, und 2) Helmut B***, KFZ-Mechanikermeister, Graben 18, 3340 Waidhofen an der Ybbs, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und Dr. Hans Pucher, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen S 118.560,-- s. A. und Feststellung (S 60.000,--), infolge Rekurses der zweitbeklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 27. Juli 1989, GZ 12 R 2/89-16, womit das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 13. Juni 1988, GZ 2 Cg 27/88-9, teilweise aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind als weitere

Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Angestellter der E***-U*** AG. Am 22. Februar 1986 sollte auf dem von der Erstbeklagten betriebenen Schigelände der Forsteralm die Elin-Betriebsmeisterschaft in Form eines Riesentorlaufes durchgeführt werden. Das Schirennen wurde von einem örtlichen Sportverein, dem ASKÖ Waidhofen an der Ybbs, organisiert. Als der Kläger am 22. Februar 1986 vor dem Beginn des Schirennens die Piste abfuhr, stieß er gegen ein gespanntes Zeitnehmungskabel und verletzte sich dabei.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 118.560,-- s.A. (Schmerzengeld, Heilungskosten und Sachschaden); überdies stellte er ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand für seine künftigen Unfallschäden gerichtetes Feststellungsbegehren. Dem Grunde nach stützte er sein Begehren im wesentlichen darauf, daß ihm die Erstbeklagte für die Unfallsfolgen zu haften habe, weil sie Schutz- und Sorgfaltspflichten, die sie auf Grund ihres Vertrages mit der E***-U*** AG bei der Durchführung des Schirennens gegenüber dem Kläger getroffen hätten, verletzt habe. Das haftungsbegründende Verschulden des Zweitbeklagten, der von der Erstbeklagten mit der eigentlichen Durchführung des Schirennens beauftragt worden sei, liege darin, daß er seiner Verkehrssicherungspflicht bei Vorbereitung des Rennens nicht ausreichend nachgekommen sei. Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Die Erstbeklagte wendete im wesentlichen ein, es sei zwischen ihr und der E***-U*** AG kein Vertrag über die Durchführung einer Betriebsmeisterschaft abgeschlossen worden. Die Erstbeklagte habe lediglich ihr Schigebiet zur Durchführung der Betriebsmeisterschaft zur Verfügung gestellt und die Terminvereinbarung vorgenommen. Im übrigen treffe den Kläger das Alleinverschulden an seinem Unfall. Der Zweitbeklagte wendete im wesentlichen ein, es käme ihm das Haftungsprivileg des § 333 ASVG zugute, weil er gegenüber dem Kläger als Aufseher im Betrieb zu gelten habe. Die Piste sei gesperrt gewesen. Bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte der Kläger wissen müssen, daß die Piste für den Riesentorlauf vorgesehen und daher noch nicht zugänglich gewesen sei. Auch im Bereich der Unfallstelle hätten sich mehrere rote Fahnen befunden, sodaß das gespannte Zeitnehmungskabel hinreichend abgesichert gewesen sei. Der Kläger habe sich die Folgen seines Unfalles auch deshalb selbst zuzuschreiben, weil er unaufmerksam gefahren sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Der Kläger ist seit Jahren Dienstnehmer der E***-U*** AG. Er ist Schifahrer und hat bisher zumindest fünfmal an Betriebsmeisterschaften der E***-U*** AG teilgenommen. Das Schigebiet der Forsteralm wurde von der Erstbeklagten gepachtet. Sie ist Eigentümerin der dort befindlichen Liftanlagen. Die Durchführung der Betriebsmeisterschaft der E***-U*** AG erfolgt dergestalt, daß der Betriebsratsvertreter ermächtigt wird, die nötigen Kontakte zu knüpfen. Der betreffende Angestellte Ing. Franz H*** gab im Jahr 1985 bekannt, in welcher Form die E***-U*** AG die Betriebsmeisterschaft durchgeführt haben will. Hiebei wurden von ihm die Details so festgelegt, daß ein Riesentorlauf in einem Durchgang in nicht schwierigem Gelände abgehalten werden soll, der so lang sein soll, daß der schnellste Teilnehmer in ca. 35 Sekunden im Ziel ist.

Die Erstbeklagte führt die Rennen, die von zahlreichen Firmen angemeldet werden, nicht selbst durch, sondern gibt den Auftrag zur Durchführung des Rennens, wie von dem jeweiligen Interessenten gewünscht, an einen der vier örtlichen Vereine weiter. Dabei gibt es für die Durchführung eines Rennens zwei Renntarife, je nachdem, welche Rennserviceleistungen gewünscht werden. Gegenüber den Interessenten an Rennveranstaltungen übt die Erstbeklagte lediglich eine koordinierende Funktion aus, die darin besteht, die Termine für angemeldete Rennen zu überwachen, um Kollisionen zu vermeiden. Mit der Durchführung des Rennens selbst hat die Erstbeklagte nichts zu tun. Dies überläßt sie den örtlichen Vereinen, worauf sie auch in ihren Prospekten, die sie werbemäßig versendet, hinweist. Im vorliegenden Fall verfügte der Betriebsrat der E***-U*** AG über diese Prospekte; Ing. Franz H*** wurde ermächtigt, ein Rennen zu bestellen. Er setzte sich mit der Erstbeklagten in Verbindung und erfuhr von ihr, daß die Durchführung des Rennens - wie von der E***-U*** AG gewünscht - am 22. Februar 1986 möglich sei. Auf Grund eines ausdrücklichen Wunsches des Ing. Franz H*** erfolgte auch noch eine sonst nicht übliche schriftliche Terminbestätigung. Da die E***-U*** AG nicht auf einem bestimmten Verein bestand, der das Rennen organisieren sollte, wählte die Erstbeklagte den ASKÖ Waidhofen an der Ybbs als Organisationsverein aus. Der Geldbetrag, der nach dem Renntarif II vereinbart wurde, wurde durch den Betriebsrat der E***-U*** AG direkt an den ASKÖ Waidhofen an der Ybbs bezahlt.

Am 22. Februar 1986 begaben sich 12 Mitglieder des ASKÖ Waidhofen an der Ybbs unter der Führung des Zweitbeklagten als Rennleiters zur Forsteralm, wo sie um 8 Uhr mit den Arbeiten für das um 10,30 Uhr zu startende Betriebsrennen begannen.

Rechts seitlich talwärts des Zieles (bergwärts gesehen) führt ein Schilift bergwärts. Von der Bergstation weg führen drei Schipisten talwärts, die jeweils durch ein Waldstück voneinander getrennt sind. Oberhalb der Waldstücke befinden sich zwei Startstellen. Das Rennen sollte auf der mittleren der drei Pisten, die eine Breite von 40 bis 50 m aufweist, stattfinden. Unterhalb der erwähnten Waldstücke gehen die drei Pisten in eine große Wiesenfläche über, wobei die äußerst rechte Piste (bergwärts gesehen) und die mittlere Piste von dem dazwischen liegenden Wald talabwärts durch eine fixe zaunartige Absperrung mit Aluminiumpflöcken getrennt sind. Diese Absperrung führt von ungefähr 2 m unterhalb des Waldrandes bis 2 m oberhalb einer am 22. Februar 1986 vorhanden gewesenen Schihütte (Schihütte 1). Links unterhalb dieser ersten Schihütte befindet sich in einer Entfernung von etwa 100 m eine weitere Schihütte des ASKÖ Waidhofen an der Ybbs (Schihütte 2). Neben dieser zweiten Schihütte war das Ziel eingerichtet.

Vom linken Zielrand (bergwärts gesehen) führt eine Absperrung bestehend aus Stangen und Bändern bergwärts; sie reicht bis etwa 40 m vor das die mittlere Piste und (bergwärts gesehen) die äußerst links befindliche Piste abgrenzende Waldstück.

Der Kläger fuhr am 22. Februar 1986 mit dem erwähnten Lift bergwärts und kam gegen 9 Uhr bei der Bergstation an. Als er dann talwärts fuhr, war folgender Absicherungszustand der Rennpiste gegeben:

Die obere Einfahrtsschneise der Rennpiste zwischen den zwei Waldstücken war durch farbige Plastikbänder abgesperrt. Den Rennteilnehmern war es untersagt, die Piste schnell oder gar rennmäßig zu befahren; es durfte nur seitlich zwecks Besichtigung der gesteckten Tore abgerutscht werden. Während die Hälfte der Mitglieder des ASKÖ Waidhofen an der Ybbs (6 Personen) am oberen Ende der Piste arbeiteten, führte die andere Hälfte im Zielraum unter der Anleitung des Zweitbeklagten, der selbständig die der zweckmäßigen und gefahrlosen Ausführung des Rennens dienlichen Anordnungen zu treffen hatte, Arbeiten durch.

Von den zwei Startstellen führt je ein der Zeitnehmung dienendes unterirdisch verlegtes Erdkabel zu den Schihütten 1 und 2. Während bei dem zur Schihütte 2 führenden Kabel ein Defekt aufgetreten war, war eine Kontaktmöglichkeit zur Schihütte 1 gegeben. Aus diesem Grund wurde von dem im Zielbereich arbeitenden Arbeitstrupp unter der Anleitung des Zweitbeklagten ein Zeitnehmungskabel von der Schihütte 2 zur Schihütte 1 dergestalt verlegt, daß das dunkle, schwach kleinfingerstarke Kabel über eine Länge von etwa 30 bis 40 m in einer Höhe von etwa 1 m geführt, sodann zwischen zwei Stangen über eine Distanz von etwa 2 m auf eine Höhe von 2,4 m hochgespannt und über die weitere Distanz von etwa 50 bis 60 m zur Schihütte 2 geführt wurde. Der Zweitbeklagte führte Absicherungsarbeiten betreffend dieses Zeitnehmungskabel durch. Über die gesamte Wegstrecke, über die das Kabel in einer Höhe von 1 m geführt wurde, war es durch rote Plastikfähnchen abgesichert. Der Zweitbeklagte arbeitete sich von der Schihütte 1 mit weiteren Absperrungen talwärts, indem er von der Schihütte 1 in Richtung Schihütte 2 zwischen den in Abständen von 8 bis 10 m befindlichen Torstangen in einer Höhe von 1,2 bis 1,4 m bunte Plastikbänder spannte. Währenddessen gingen der Kläger und der Zeuge Z*** in nicht feststellbarem Abstand unter der bergwärts befindlichen Absperrung der Piste durch, um diese zu besichtigen. Nach der Besichtigung der Strecke wollte sich der Kläger zur Lifthütte begeben, um nochmals bergwärts zu fahren. Obwohl man auch die Schihütte 2 unten umfahrend und sodann ein wenig zu Fuß gehend zur Lifthütte gelangen kann, wählte der Kläger eine Fahrlinie, die zwischen den Schihütten 1 und 2 in gerader Richtung auf die Lifthütte zuführte. Ungeachtet des Umstandes, daß die Torstangen bereits gebohrt und gesetzt, jedoch noch nicht beflaggt waren, überquerte er die Rennpiste und fuhr an der Stelle gegen das Zeitnehmungskabel, wo es von einer Höhe von 1 m auf eine Höhe von 2,4 m hochgespannt worden war. Hiebei beachtete der Kläger weder die unmittelbar rechts von dieser Stelle befindlichen roten Fähnchen noch die weiter links von ihm befindlichen Absperrungen durch farbige Bänder. Er beachtete auch nicht, daß der Zweitbeklagte zu diesem Zeitpunkt ca. 10 bis 12 m von der Unfallstelle entfernt noch Absperrungsarbeiten verrichtete.

Der Kläger erlitt schwere Verletzungen im Mund- und Kieferbereich.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß die Erstbeklagte nur für ein Auswahlverschulden zu haften hätte, ein solches aber nicht vorliege. Die Erstbeklagte sei der E***-U*** AG gegenüber zu keiner Leistung verpflichtet gewesen. Hinsichtlich des Zweitbeklagten ging das Erstgericht davon aus, daß es sich um eine Betriebsveranstaltung gehandelt habe. Der Zweitbeklagte sei daher als Aufseher im Betrieb anzusehen, weshalb ihm der Haftungsausschluß des § 333 ASVG zugute komme. Daß der Zweitbeklagte vorsätzlich gehandelt hätte, sei nicht behauptet worden.

Der gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes gerichteten Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht, soweit sie sich gegen die Abweisung des gegen die Erstbeklagte gerichteten Klagebegehrens richtete, mit Urteil in der Hauptsache nicht Folge. Hingegen gab es der Berufung des Klägers, soweit sie sich gegen die Abweisung des gegen den Zweitbeklagten gerichteten Klagebegehrens richtete, mit Beschluß Folge. Es hob in diesem Umfang das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln und übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich.

Rechtlich führte es im wesentlichen aus, die Erstbeklagte habe in ihrem Prospekt Beilage I ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Schirennen durch die örtlichen Vereine durchgeführt würden. Beilage A werde als Terminbestätigung bezeichnet und es werde in ihr ausdrücklich auf den Tarif II (laut Prospekt) verwiesen. Es sei daher davon auszugehen, daß die Erstbeklagte vereinbarungsgemäß lediglich die Schipiste zur Verfügung zu stellen und für deren Freihaltung zu einem bestimmten Termin zu sorgen hatte, die Durchführung des Schirennens aber "durch die örtlichen Vereine", im vorliegenden Fall durch den ASKÖ Waidhofen an der Ybbs, erfolgen sollte, wobei die Erstbeklagte diesen Verein lediglich beizustellen hatte. Der Unfall sei auf ein Verhalten des Zweitbeklagten zurückzuführen, welches er bei einer der Durchführung des Schirennens dienenden Tätigkeit gesetzt habe, das aber mit der Verpflichtung der Erstbeklagten zur Freihaltung der Piste zu einem bestimmten Termin nichts zu tun gehabt habe. Der Zweitbeklagte habe somit nicht als Erfüllungsgehilfe der Erstbeklagten gehandelt. Diese hafte daher nicht nach § 1313 a ABGB, sondern nur für Auswahlverschulden. Ein solches sei aber nicht einmal behauptet worden.

Nicht gefolgt werden könne der Ansicht des Erstgerichtes über die Anwendbarkeit der Haftungsbeschränkung des § 333 Abs 4 ASVG hinsichtlich des Zweitbeklagten. Diese Bestimmung sei nicht ausdehnend auszulegen, sodaß, möge auch der Unfall des Klägers gemäß § 175 Abs 1 ASVG einen Arbeitsunfall darstellen, gegen die Anwendung der Haftungsbeschränkung des § 333 Abs 4 ASVG auf einen Unfall außerhalb der eigentlichen betrieblichen Tätigkeit erhebliche Bedenken bestünden. Abgesehen davon sei das Tatsachenvorbringen des Zweitbeklagten nicht geeignet, um daraus eine Eigenschaft des Zweitbeklagten abzuleiten, die der eines Aufsehers im Betrieb auch nur nahe käme. Der Zweitbeklagte habe nur vorgebracht, der Unfall habe sich nicht auf der allgemeinen Piste, sondern auf der zugetragen, die für die Durchführung des Riesentorlaufes vorgesehen gewesen und entsprechend abgesichert gewesen sei; "demnach" werde vom Zweitbeklagten die Meinung vertreten, daß die Voraussetzungen nach § 333 ASVG vorlägen. Der Zweitbeklagte sei "in diesem Sinne" bevollmächtigter Vertreter der E***-U*** AG bzw. Aufseher im Betrieb gewesen. Aus welchen tatsächlichen Gegebenheiten der Zweitbeklagte diese rechtlichen Schlußfolgerungen ableite, bleibe nach seinem Vorbringen unerfindlich. Das Erstgericht habe zwar über dieses Vorbringen hinausgehend festgestellt, der Zweitbeklagte sei Rennleiter gewesen und Mitglieder des ASKÖ Waidhofen an der Ybbs hätten unter der Anleitung des Zweitbeklagten, der selbständig die der zweckmäßigen und gefahrlosen Ausführung des Rennens dienlichen Anordnungen zu treffen hatte, im Zielraum Arbeiten durchgeführt. Hieraus könne aber nicht entnommen werden, daß der Zweitbeklagte schon vor Beginn des Rennens gegenüber dem Kläger in irgendeiner Form weisungsberechtigt oder überhaupt berechtigt gewesen wäre, Anordnungen betreffs Sperre der Piste zu treffen oder daß er dies auch nur tatsächlich getan hätte. Der Zweitbeklagte sei in keinem Arbeitsverhältnis zur E***-U*** AG gestanden und habe daher nicht Aufseher im Betrieb gegenüber dem Kläger, einem seinem eigenen Betrieb nicht angehörenden Arbeitnehmer, werden können. Der Zweitbeklagte hafte daher nicht nur bei Vorsatz. Seine Haftung sei auch nicht auf grobe Fahrlässigkeit eingeschränkt. Die Bestimmung des § 1319 a ABGB gelte nur für den Halter eines Weges oder für Leute des Haftpflichtigen. Der ASKÖ Waidhofen an der Ybbs sei aber als bloß mit der Durchführung eines Schirennens beauftragter Verein nicht Halter der Schipiste im Sinne des § 1319 a ABGB gewesen.

Nach den getroffenen Feststellungen sei die Schipiste nicht zur Gänze gesperrt gewesen, sondern es sei den (künftigen) Rennteilnehmern nur untersagt gewesen, die Piste schnell oder gar rennmäßig zu befahren; es durfte nur zur Besichtigung des gesteckten Torlaufes seitlich abgerutscht werden. Der Zweitbeklagte habe daher damit rechnen müssen, daß Personen die Piste befahren, und vor allem damit, daß sie sich wieder zur Lifthütte begeben, um nochmals bergwärts zu fahren, wobei der kürzeste Weg von der Piste zur Lifthütte zwischen den Schihütten 1 und 2 hindurchgeführt habe. Es sei für den Kläger geradezu naheliegend gewesen, der für ihn deutlich sichtbaren Absperrung auszuweichen und an der Stelle durchzufahren, an der er das tatsächlich getan habe, wobei er aber gerade an dem hochgespannten Kabel hängengeblieben sei. Dem Zweitbeklagten müsse es als zumindest leichte Fahrlässigkeit angelastet werden, daß er bei nicht zur Gänze gesperrter Piste, wenn er auch gerade mit Absperr- und Kennzeichnungsarbeiten beschäftigt gewesen sei, gerade diese Stelle, wenn auch nur kurzfristig, ungekennzeichnet gelassen habe.

Aber auch dem Kläger müsse ein Mangel an entsprechender Aufmerksamkeit angelastet werden. Immerhin habe er knapp vor Beginn eines Schirennens eine gesperrte Schipiste befahren, die nur für die Besichtigung mit langsamem Abrutschen freigegeben gewesen sei. Außerdem habe er wahrnehmen müssen, daß am unteren Ende der Piste noch Absperrungsmaßnahmen durchgeführt wurden. Unter diesen Umständen hätte er bei der beabsichtigten Zufahrt zur Lifthütte besonders langsam fahren und besondere Aufmerksamkeit anwenden müssen. Es sei unter diesen Umständen eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 2 zu Lasten des Zweitbeklagten gerechtfertigt. Dem Kläger stehe somit gegen den Zweitbeklagten ein Anspruch auf Ersatz von zwei Dritteln seines Schadens zu. Da das Erstgericht zur Höhe des Schadens des Klägers und zur Berechtigung seines Feststellungsbegehrens keine Feststellungen getroffen habe, müsse das angefochtene Urteil im Umfang der Entscheidung gegenüber dem Zweitbeklagten aufgehoben werden.

Gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der (unzutreffend als Revisionsrekurs bezeichnete) Rekurs des Zweitbeklagten mit dem Antrag, "den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß mit Urteil das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde und die Klage gegenüber dem Zweitbeklagten abgewiesen werde"; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag. Der Kläger hat eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag erstattet, dem Rechtsmittel des Zweitbeklagten keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, sachlich aber nicht berechtigt. Der Zweitbeklagte versucht mit seinen Rekursausführungen darzutun, daß ihm gegenüber dem Kläger das im § 333 Abs 4 ASVG normierte Haftungsprivileg zukomme und daß daher, weil er den Unfall des Klägers nicht vorsätzlich verursacht habe, das gegen ihn gerichtete Klagebegehren abzuweisen sei.

Dem ist nicht zu folgen.

Das im § 333 ASVG normierte Haftungsprivileg des Dienstgebers bzw. der ihm gleichgestellten Personen setzt das Vorliegen eines Arbeitsunfalles (bzw. einer hier nicht in Frage stehenden Berufskrankheit) voraus.

Der Begriff des Arbeitsunfalles ist im § 175 Abs 1 ASVG als Unfall definiert, der sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignete; daneben werden im § 175 Abs 2 ASVG verschiedene Arten von Unfällen im Zusammenhang mit einer betrieblichen Tätigkeit ausdrücklich als Arbeitsunfälle bezeichnet.

Nun können auch betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen grundsätzlich unter Versicherungsschutz stehen. Der Schutz solcher Veranstaltungen besteht insoweit, als die Teilnahme an ihnen ein Ausfluß der Ausübung der Erwerbstätigkeit ist (Tomandl, System 285 mwN). Es muß sich hier um Gemeinschaftsveranstaltungen handeln, die allen Betriebsangehörigen offenstehen, an denen, wenn auch ohne ausdrücklichen Zwang, alle Betriebsangehörigen teilnehmen sollen und die eine gewisse Mindestbeteiligung aufweisen. Die Gemeinschaftsveranstaltung muß vom Betriebsleiter selbst veranstaltet, zumindest aber bei der Planung und Durchführung von seiner Autorität getragen werden (10 Ob S 280, 281/89). Auch sportliche Betätigung der Dienstnehmer kann im betrieblichen Interesse liegen. Organisiert der Dienstgeber zum Ausgleich für die meist einseitige körperliche, geistige oder nervliche Belastung für die Dienstnehmer einen Ausgleichssport, der dazu dienen soll, körperlichen Schädigungen vorzubeugen, so wird ein dabei erlittener Unfall unter Versicherungsschutz stehen. Eine Grenze ist aber dort zu ziehen, wo die sportliche Betätigung Wettkampfcharakter annimmt oder Spitzenleistungen angestrebt werden. Sportarten mit Wettkampfcharakter entsprechen der für den Betriebssport vorausgesetzten Zielrichtung nicht, wenn der Wettkampfcharakter im Vordergrund steht (Brackmann, Handbuch 482 ff.). Selbst wenn der Leistungssport vom Unternehmer finanziert und oganisiert wird, ist er versicherungsrechtlich nicht mehr geschützt, es sei denn, daß arbeitsvertraglich die Durchführung der betrieblichen Arbeit mit der Verpflichtung zur Sportausübung gekoppelt ist, wie dies bei Halbprofis häufig vorkommt (Tomandl aaO 286; 10 Ob S 224/89).

Daß den von der E***-U*** AG veranstalteten jährlichen "Betriebsmeisterschaften" in Form eines Riesentorlaufes mit Klasseneinteilung, Zeitnehmung und Rennservice nach Tarif II, das, wie sich aus Beilage I ergibt, unter anderem die Beistellung von Torrichtern und das Schreiben von Ergebnislisten umfaßt, eindeutig Wettkampfcharakter zukommt, kann ebensowenig bezweifelt werden wie der Umstand, daß damit für die freiwilligen Teilnehmer ein erhöhtes Verletzungsrisiko verbunden ist.

Da somit der hier in Frage stehende Unfall des Klägers vom 22. Februar 1986 nicht als Arbeitsunfall im Sinne des § 175 ASVG zu qualifizieren ist, kann schon aus diesem Grund dem Zweitbeklagten das Haftungsprivileg des § 333 Abs 4 ASVG nicht zugutekommen. Im übrigen wird im Rechtsmittel des Zweitbeklagten seine Haftung für den dem Kläger entstandenen Schaden ebensowenig bestritten wie die Angemessenheit der vom Berufungsgericht vorgenommenen Verschuldensteilung. Diesbezüglich genügt daher der Hinweis auf die zutreffende rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes. Dem Rekurs des Zweitbeklagten muß daher ein Erfolg versagt bleiben.

Da sein Rechtsmittel aber zur Klärung der Rechtslage beigetragen hat, ist die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens im Sinne des § 52 ZPO dem weiteren Verfahren vorzubehalten (EvBl 1958/28 uva.).

Anmerkung

E20591

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0020OB00147.89.0328.000

Dokumentnummer

JJT_19900328_OGH0002_0020OB00147_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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