TE OGH 1990/4/3 4Ob525/90

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Veröffentlicht am 03.04.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. Benedikt F***, Privater, 2. Gerda F***, Hausfrau, beide Wien 19., Boschstraße 24/7/15, beide vertreten durch Dr. Armin Paulitsch, Rechtsanwalt in Wien, und der den klagenden Parteien beigetretenen Nebenintervenientin I*** U***- UND S*** Aktiengesellschaft, Wien 1., Tegetthoffstraße 7, vertreten durch Dr. Franz Klaban, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei W*** S*** Elektrizitätswerke, Wien 9., Mariannengasse 4, vertreten durch Dr. Konrad Kuderna, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 320.000 sA (Revisionsinteresse S 153.920), infolge ao. Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 13.Juli 1989, GZ 4 R 134/89-52, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 30.Dezember 1988, GZ 15 Cg 61/85-45, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben; das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung einschließlich des mangels Anfechtung rechtskräftig gewordenen Teiles zur Gänze wie folgt zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien S 166.080 samt 4 % Zinsen seit 9.7.1985 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Das auf Zahlung weiterer S 153.920 samt 4 % Zinsen seit 9.7.1985 gerichtete Mehrbegehren wird abgewiesen.

Die Prozeßkosten (einschließlich der durch die Bekämpfung des Zwischenurteiles aufgelaufenen Kosten des Rechtsmittelverfahrens) werden gegeneinander aufgehoben. Die beklagte Partei ist jedoch schuldig, den klagenden Parteien zur ungeteilten Hand die Hälfte der mit S 30.473 bestimmten Gerichts- und Sachverständigengebühren, somit S 15.236,50, binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen. Der Antrag der Nebenintervenientin auf Zuspruch von Verfahrenkosten wird abgewiesen."

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit S 14.318,20 (darin enthalten S 2.386,37 Umsatzsteuer und keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Auf Grund des rechtskräftigen Zwischenurteils des Erstgerichtes vom 30.August 1986 (ON 18) ist die Beklagte verpflichtet, den durch die am 29.November 1984 vorgenommene Abschaltung der Stromversorgung des Hauses der Kläger in Klosterneuburg-Weidling verursachten Schaden zu ersetzen. Als Folge dieser Stromabschaltung war die Heizungsanlage ausgefallen. Durch Frosteinwirkung wurden Sanitärinstallationen und die Zentralheizungsanlage beschädigt; nach dem Wiederauftauen ausfließendes Leitungswasser beschädigte Fußböden, Tapeten und die Malerei. Die Kosten der Behebung der Schäden (Neuwerte) und die sich unter Berücksichtigung des Alters und der durchschnittlichen Lebensdauer der beschädigten Teile des Hauses ergebende Zeitwerte betragen im einzelnen (ohne Umsatzsteuer):

                    Neuwerte          Zeitwerte

Teppichböden          S  16.676.--         S  2.500,--

Mosaikbrettlboden     S  20.600,--         S 20.600,--

PVC-Belag             S   6.492,50         S  4.100,--

Tapeten- und

Malerarbeiten         S  73.500,--         S 37.100,--

Zentralheizung        S 138.000,--         S 33.100,--

Sanitärinstallationen S  77.000,--         S 41.000,--

Die Kläger begehren von der Beklagten die Zahlung von S 320.000 samt 4 % Zinsen seit dem Tage der Erhebung der Klage. Sie hätten Anspruch auf Ersatz der vollen Reparaturkosten, die vorsichtshalber nur mit dem Teilbetrag von S 320.000 geltend gemacht würden. Das Haus habe durch die Reparaturen keine Werterhöhung erfahren. Die Beklagte bekämpft die Höhe des geltend gemachten Schadenersatzbetrages. Die Kläger hätten nur Anspruch auf den Ersatz der Zeitwerte der beschädigten Teile des Hauses; deren Nutzungsdauer sei deutlich kürzer als die des Hauses. Die beschädigten Teile müßten ohnehin in kürzeren Abständen erneuert werden. Unter Berücksichtigung dieser Zeitwerte stehe den Klägern nur ein Ersatzbetrag von S 166.080 zu. Diesen Betrag (samt Zinsen) habe die Beklagte bereits am 24.November 1988 an die Kläger überwiesen; die Kläger hätten ihn jedoch wieder rücküberwiesen. Selbst wenn man grundsätzlich den Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten bejahen wollte, stünden die gesamten Reparaturkosten den Klägern schon deshalb nicht zu, weil sie sich wegen der Anschaffung neuer Einrichtungsteile noch vor Ablauf der jeweiligen Nutzungsdauer etwas erspart hätten.

Das Erstgericht gab der Klage zur Gänze statt (ON 45 i.d.F. des Berichtigungsbeschlusses ON 46). Den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt beurteilte es rechtlich wie folgt:

Für die Beschädigung von Sachen mit überschaubarer Lebensdauer hätten sich die Kläger durch das Vorziehen der in absehbarer Zeit ohnehin notwendigen Investitionen etwas erspart; bei den Tapeten- und Malerarbeiten sowie den Teppichböden hätten die Kläger daher nur Anspruch auf Ersatz der Zeitwerte dieser Teile. Für beschädigte Teile mit einer Bestanddauer von mehreren Jahrzehnten seien dagegen die Neuwerte zu ersetzen. Auf Grund der festgestellten Werte hätten die Kläger Anspruch auf Ersatz des gesamten eingeklagten Schadenersatzbetrages.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses - nur in Ansehung des Zuspruches eines S 166.080 s.A. übersteigenden Betrages von der Beklagten bekämpfte - Urteil in der Hauptsache und sprach aus, daß die Revision nicht zulässig sei. Die Kläger seien als Miteigentümer des Hauses zur gesamten Hand forderungsberechtigt. Der Anspruch auf Ersatz von Reparaturkosten bestehe auch dann, wenn eine Reparatur nicht vorgenommen wird. Die Höhe des Anspruches auf Ersatz fiktiver Reparaturkosten sei jedoch mit der Differenz zwischen dem Zeitwert vor und nach Beschädigung begrenzt, weil der Geschädigte sonst nicht nur einen Ausgleich für den erlittenen Schaden erhielte, sondern bereichert wäre. Allerdings komme es bei dieser Begrenzung nicht auf den Wert einzelner Teile, sondern auf den Wert des ganzes Hauses an. Die Behauptungs- und Beweislast für eine Werterhöhung der Sache trage der Schädiger. Die Kläger hätten die Höhe der Reparaturkosten bewiesen; hingegen habe die Beklagte den sie treffenden Nachweis nicht erbracht, daß die fiktiven Reparaturkosten höher seien als die Wertminderung des beschädigten Hauses. Daraus, daß die beschädigten Teile gebraucht und bis zu einem gewissen Grad abgenützt waren, ergebe sich nicht, daß die Differenz zwischen dem Zeitwert des Hauses vor und nach der Beschädigung geringer wäre als der den Klägern zugesprochene Betrag.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidung dahin abzuändern, daß das Teilbegehren von S 153.920 sA abgewiesen werde. Die Kläger beantragen, die außerordentliche Revision als unzulässig zurückzuweisen oder ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil zu der hier entscheidungswesentlichen Frage, ob bei Beschädigung einzelner Teile eines Hauses grundsätzlich Anspruch auf Ersatz der vollen Reparaturkosten oder nur Anspruch auf Ersatz des Zeitwertes zerstörter Teile besteht, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliegt; sie ist aber auch berechtigt. Den Revisionsausführungen der Beklagten, daß sie nur verpflichtet sei, den Klägern den Zeitwert der beschädigten Teile des Hauses zu ersetzen, muß im Ergebnis beigepflichtet werden. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß der Geschädigte Anspruch auf Ersatz des erlittenen Schadens hat, durch die Ersatzleistung also weder schlechter noch besser als vor dem Schadensereignis gestellt werden darf. Der Ersatz ist gemäß § 1323 ABGB in erster Linie im Wege der Naturalrestitution, bei deren Untunlichkeit aber durch Vergütung des Schätzwertes zu leisten. Beruht das schädigende Verhalten auf leichter Fahrlässigkeit, so ist nach § 1332 ABGB der gemeine Wert der beschädigten Sache zu ersetzen. Dieser besteht im Sinne des § 305 ABGB in dem zu schätzenden Nutzen, den die Sache mit Rücksicht auf Zeit und Ort gewöhnlich und allgemein leistet, also dem Verkehrswert (SZ 56/54). Erfordert die gänzliche Zerstörung der Sache durch das schädigende Ereignis eine Neuanschaffung, dann hat der Geschädigte Anspruch auf den Wiederkaufswert. Dem Geschädigten muß daher in der Regel als Schadenersatz jene Summe Geldes zuerkannt werden, die es ihm ermöglicht, sich auf dem Markt einen Ersatzgegenstand zu Händlerverkaufspreisen wiederzubeschaffen (SZ 35/87; SZ 48/89; SZ 54/65 und 95). Wurde hingegen eine Sache nur beschädigt, dann ist die Differenz des gemeinen Wertes der Sache vor und nach der Beschädigung zu ersetzen (SZ 55/28; SZ 56/54; ZVR 1976/259). Die vollen Reparaturkosten sind nur dann zu ersetzen, wenn dadurch keine Verbesserung der beschädigten Sache herbeigeführt wird. Wird hingegen durch eine notwendige Reparatur nicht nur der vor der Beschädigung bestandene Zustand wiederhergestellt, sondern zugleich, weil dieselbe Reparatur auch ohne das schadensstiftende Ereignis später hätte vorgenommen werden müssen, über die Naturalherstellung eine Verbesserung der beschädigten Sache herbeigeführt, so besteht der Schaden nur in der Differenz zwischen dem sich ohne das Schadensereignis vermindernden Verkehrswert und dem durch das schädigende Ereignis noch weiter verringerten Verkehrswert; in diesen Fällen ist daher der Verkehrswert vor und nach der Schädigung ermitteln (SZ 55/28). Diese Begrenzung des Schadenersatzanspruches besteht auch beim Ersatz sogenannter fiktiver Reparaturkosten (JBl. 1988, 249; JBl. 1985, 41). Bei der Reparatur eines Kraftfahrzeuges unter Verwendung neuer Ersatzteile hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß sich der Geschädigte unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung nur eine Werterhöhung des gesamten Fahrzeuges, nicht aber eine Werterhöhung der einzelnen Ersatzteile anrechnen lassen muß (SZ 55/104); das wurde damit begründet, daß der neue Teil dem Fahrzeug einverleibt wurde und damit seine wirtschaftliche Selbständigkeit verloren hat. Die für diese Entscheidung maßgebenden Erwägungen können aber auf die Beschädigung einzelner Teile eines Hauses - wie der Heizungsanlage, der Sanitärinstallationen, der Fußbodenbeläge, der Tapeten und der Malerei - nicht angewendet werden. Ebensowenig kann daraus abgeleitet werden, daß auch der Schadenersatzanspruch bei Reparatur einzelner Teile eines Hauses grundsätzlich in den vollen Reparaturkosten bestünde und nur in dem Umfang eine Begrenzung erführe, in dem der Wert des gesamten Hauses gesteigert wurde. Diese einzelnen Teile bestimmen nicht im gleichen Ausmaß wie die Bestandteile eines Kraftfahrzeuges den Wert der Gesamtsache; vor allem dann, wenn - wie hier - nur solche Teile beschädigt wurden, die erfahrungsgemäß nur eine wesentlich kürzere Lebensdauer als das Haus selbst haben und daher während der gesamten Lebensdauer des Hauses mehrmals erneuert werden müssen, würde die Begrenzung des Schadenersatzanspruches mit der Wertsteigerung des ganzen Hauses, welche mit der Erneuerung solcher Zubehörteile regelmäßig gar nicht verbunden ist, zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Geschädigten führen. Im Rahmen des Schadenersatzrechtes ist stets eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten; auf die sachenrechtliche Beurteilung beschädigter Teile als Bestandteile oder Zubehör kommt es dabei nicht an. Haben zerstörte Teile auf den gesamten Wert eines Hauses keinen maßgebenden Einfluß, dann hat der Eigentümer nur Anspruch auf den nach ihrer Lebensdauer ermittelten Zeitwert der beschädigten Zubehörteile, nicht aber auf Ersatz der vollen Reparaturkosten. Das ergibt sich auch daraus, daß der Schaden im Fall des § 1332 ABGB nicht nach den konkreten Wiederbeschaffungskosten einer neuen Sache zu berechnen ist, sondern nach dem Wert der beschädigten oder zerstörten Sache (Apathy, Aufwendungen zur Schadensbeseitigung 86). Bei Beschädigung gebrauchter Sachen bekommt der Geschädigte nur einen Teil dessen, was er für die Neuanschaffung benötigt (Koziol, Haftpflichtrecht2, 197); einer Ermittlung der gar nicht ins Gewicht fallenden Wertsteigerung des gesamten Hauses bedarf es hier daher nicht.

Im vorliegenden Fall steht fest, daß die zerstörten Teile des Hauses der Kläger jeweils eine wesentlich geringere Nutzungsdauer gehabt haben als das gesamte, im Jahr 1965 errichtete Haus. Der Zeitwert der zerstörten Sachen (einschließlich 20 % Umsatzsteuer) beträgt unter Berücksichtigung ihrer Lebensdauer nur S 166.080. Ungeachtet der Höhe der tatsächlichen Reparaturkosten haben die Kläger daher nur Anspruch auf Ersatz dieses Betrages. Der Revision, mit der nur der Zuspruch eines S 166.080 sA übersteigenden Betrages bekämpft wurde, war daher zur Gänze Folge zu geben. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz (einschließlich der Kosten des Rechtsmittelverfahrens über das Zwischenurteil) gründet sich auf § 43 Abs. 1 ZPO. Da die Kläger mit etwa der Hälfte des geltend gemachten Anspruches durchgedrungen sind, waren die Verfahrenskosten erster Instanz - mit Ausnahme der Gerichts- und Sachverständigengebühren - gegeneinander aufzuheben. Da die Kläger somit keinen Kostenersatzanspruch haben, hat auch die ihnen beigetretene Nebenintervenientin keinen Ersatzanspruch gegenüber der Beklagten. Der Ausspruch über den Ersatz der von den Klägern entrichteten Gerichts- und Sachverständigengebühren gründet sich auf § 43 Abs. 1, letzter Satz, ZPO. Die Kläger haben demnach gegenüber der Beklagten Anspruch auf den Ersatz der Hälfte dieser Gebühren.

In dem dem Endurteil nachfolgenden Rechtsmittelverfahren hat die Beklagte zur Gänze obsiegt; sie hat daher Anspruch auf Ersatz ihrer gesamten Kosten dieses Verfahrensabschnittes.

Anmerkung

E20295

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0040OB00525.9.0403.000

Dokumentnummer

JJT_19900403_OGH0002_0040OB00525_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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