TE OGH 1990/4/3 15Os4/90

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Veröffentlicht am 03.04.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.April 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Wolf als Schriftführer in der Strafsache gegen Dagmar D*** und Isolde F*** wegen des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßigen Betruges nach den §§ 12 (dritter Fall), 146, 147 Abs. 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der beiden Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 8.August 1989, GZ 12 f Vr 9779/85-78, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Presslauer, und des Verteidigers Dr. Krenn, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen beiden Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden (die Geschwister) Dagmar D*** und Isolde F*** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 12 (dritter Fall), 146, 147 Abs. 3 und 148 (zu ergänzen: zweiter Fall) StGB schuldig erkannt.

Darnach haben sie in Wien gewerbsmäßig im bewußten und gewollten

Zusammenwirken in der Zeit vom Frühjahr 1983 bis Mitte 1985 in

wiederholten Angriffen durch den Verkauf und die Lieferung von

Diäthylenglykol (kurz DI) unter dessen unrichtiger Fakturierung zur

Ausführung der strafbaren Handlungen nachgenannter, abgesondert

verfolgter und rechtskräftig verurteilter Weinproduzenten

beigetragen, die mit Bereicherungsvorsatz in zahlreichen Fällen ihre

Abnehmer durch Täuschung über Tatsachen, nämlich über die

Beschaffenheit des von ihnen gelieferten Weines, insbesondere durch

Verschweigen, daß dem Wein die toxische Chemikalie Diäthylenglykol

zugesetzt war, zum Ankauf dieses Weines verleitet haben, wodurch die

Abnehmer dieser Weine ("bzw die Letztverbraucher") insgesamt in

einem 500.000 S übersteigenden Betrag an ihrem Vermögen geschädigt

worden sind, und zwar

Weinproduzent   Menge DI   Tatzeit          Schaden

Georg B***   180 kg   Frühjahr 83-Mitte  554.000 S

                               1985

Friedrich B***    74       Juni 1984-Dezem-mind.90.000 S

      (lt. US 10 71)kg ber 1984

Rechtliche Beurteilung

Der von beiden Angeklagten gegen dieses Urteil erhobenen, auf § 281 Abs. 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützten und gemeinschaftlich ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

In der Mängelrüge (Z 5) behaupten die Beschwerdeführerinnen insofern eine Urteilsunvollständigkeit, als bei mehreren Hinweisen auf ihre Geständnisse im Vorverfahren ihre dort mehrfach geäußerte Verantwortung übergangen worden sei, nach der sie vom Verbot des DI erst erfahren hätten, als das Strafverfahren schon anhängig gewesen sei.

Dieses Beschwerdevorbringen geht jedoch deshalb fehl, weil sich lediglich Isolde F***, und auch diese nur insoweit auf nachträgliche Medienberichte berufen hat, als sie erst dadurch von der Konsistenz und Giftigkeit des DI Kenntnis erlangt habe, wobei sie aber selbst dabei ausdrücklich klarstellte, daß ihrer Schwester und ihr nichstdestoweniger bekannt gewesen sei, daß es sich bei DI um ein "im Zusammenhang mit der Weinerzeugung" verwendetes "verbotenes Mittel" gehandelt hatte (S 119/I). Mit diesem Teil ihrer Verantwortung mußte sich daher das Erstgericht nicht im besonderen auseinandersetzen (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO). Mit ihren Argumenten gegen die Beweiskraft der in Rede stehenden Geständnisse jedoch unternehmen die Angeklagten nur einen prozessual unzulässigen Angriff gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Zu Unrecht vermissen sie des weiteren im Rahmen ihrer Ausführungen zur Rechtsrüge (Z 9 lit a, der Sache nach allerdings gleichfalls Z 5) ein Eingehen des Schöffengerichtes auf die (abermals mit anderen Argumenten beweiswürdigend kommentierten) Angaben der Zeugin Maria M*** im Vorverfahren, wonach beide Beschwerdeführerinnen "mit Sicherheit" über die mißbräuchliche Verwendung des DI zur Weinverfälschung nicht Bescheid gewußt hätten (S 317/I). Denn auch diese Bekundungen der genannten Zeugin, die bloß ihren subjektiven Eindruck vom Wissensstand der Nichtigkeitswerberinnen wiedergab, waren insbesondere im Hinblick auf deren vorangeführte eigene Einlassungen als bloß indirektes und in Ansehung seiner Stichhältigkeit nicht objektivierbares Beweismittel unter dem Gesichtspunkt des Gebotes einer gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) nicht erörterungsbedürftig. Gleiches gilt für die - formell ebenfalls in der Rechtsrüge - behauptete Unvollständigkeit (Z 5) in bezug auf die Darstellung der Angeklagten F*** im Vorverfahren, daß sich die Rechtsmittelwerberinnen zunächst bei der Firma N*** über die Lieferbarkeit des DI erkundigen mußten (S 117/I); denn entscheidend ist nicht deren solcherart behauptete anfängliche Unkenntnis über dieses Produkt, sondern ihr Wissensstand darüber zur Zeit der inkriminierten Weiterverkäufe.

Insoweit aber ist der Beschwerdeeinwand völlig verfehlt, daß jene einleitende Konstatierung, wonach die Angeklagten beim Verkauf des DI annahmen, damit werde jedenfalls nicht den Gesetzen und Verordnungen entsprechend Wein erzeugt (US 8), eine "bloße Feststellung ohne jegliche Begründung" sei (Z 5): hat doch das Gericht im folgenden zu beiden Urteilsfakten klar und deutlich dargelegt, warum es das jeweils als erwiesen annahm (US 9, 10). Unstichhältig ist hiezu der Einwand (Z 5), daß die dahingehenden Folgerungen des Erstgerichtes aus der Ausstellung bloßer Paragons anstelle entsprechender Fakturen - und zudem aus der (in der Beschwerde verschwiegenen) Anführung falscher Kundenadressen in diesen Paragons - im Faktum B*** (US 9) nicht zwingend seien, weil aus diesen Gegebenheiten ebensogut auf die Abwicklung sogenannter "Schwarzgeschäfte" als steuerlichen Gründen statt auf das Wissen der Nichtigkeitswerberinnen in bezug auf Unregelmäßigkeiten bei der Weinherstellung mit dem gelieferten DI geschlossen werden könnte. Denn abgesehen davon, daß diese Urteilsannahmen in den Geständnissen der Rechtsmittelwerberinnen im Vorverfahren (S 99, 185/187, 243 a verso und 253 a verso, jeweils Bd I), auf die das Gericht die Schuldsprüche primär stützte, ihre Grundlage finden, wird mit dem Hinweis darauf, daß aus bestimmten Verfahrensergebnissen auch andere, für den Beschwerdeführerinnen günstigere Schlüsse gezogen werden könnten, ein formeller Begründungsmangel des Urteils im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes nicht dargetan; mit der erwähnten Argumentation bekämpfen sie vielmehr der Sache nach erneut bloß in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Tatrichter. Aus denselben Erwägungen versagt auch der in die gleiche Richtung zielende "Hinweis" der Angeklagten auf die (abermals bloß fragmentarisch wiedergegebene) Schlußfolgerung des Schöffengerichts aus der von Kunden gar nicht verlangten Falschdeklarierung des DI in den Fakturen im Faktum B*** (US 10).

Jene Urteilsanahmen hinwieder, denen zufolge die beiden Angeklagten schon vor den inkriminierten DI-Verkäufen bemerkten, daß mit anderen von ihnen unter falscher Bezeichnung fakturierten Chemikalien "etwas nicht stimme", und wonach ihnen insbesondere nach dem starken Ansteigen falsch deklarierter Glyzerin-Lieferungen an die Firma M*** klar war, daß dieses Glyzerin zur illegalen Weinerzeugung verwendet wurde (US 6), finden in ihren eigenen Verantwortungen im Vorverfahren durchaus Deckung (vgl insbes AS 243 a verso und 253 a/jeweils Bd I), sodaß ein formeller Begründungsmangel (Z 5) auch in dieser Hinsicht nicht vorliegt. Aus der jahrelangen Praxis der Angeklagten aber, illegale Weinzusätze nicht ordnungsgemäß zu fakturieren, konnte das Schöffengericht selbst dann, wenn deren Verkauf an sich erlaubt war, sehr wohl mängelfrei (Z 5) ableiten, daß ihnen auch bei derartigen Verkäufen an die Firma B*** die Verwendungsbestimmung der betreffenden Produkte zur Weinverfälschung bewußt war (US 8, 12), mögen sie auch daran nicht unmittelbar beteiligt gewesen sein.

Die Urteilsannahme schließlich, daß Georg B*** mindestens 100.000 l Wein mit von den Beschwerdeführerinnen gekauftem DI versetzt hat, findet - dem Vorbringen in der Nichtigkeitsbeschwerde zuwider - in dem im Zuge des durchgeführten Beweisverfahrens verlesenen (S 332/III) Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg, AZ 11 a Vr 582/85 (S 191-205/III) volle Deckung; von einer diesbezüglichen reinen Spekulation des Erstgerichtes kann sonach keine Rede sein.

Ebenso negieren die Angeklagten mit ihrer Rechtsrüge (der Sache nach erneut Z 5) erhobenen weiteren Behauptung des Fehlens von Gründen für die als erwiesen angenommene Entstehung eines Schadens (abermals) die Urteilsbegründung: diesbezüglich genügt es, sie auf US 11 unten und 12 oben zu verweisen. Ihr Hinweis auf die geringe Höhe ihres eigenen Gewinnes aus den DI-Verkäufen ist insoweit ohne jeden Belang.

Nicht durchzudringen vermögen die Beschwerdeführerinnen mit ihrer Rechtsrüge (Z 9 lit a) dahin, daß es mangels jeglichen Kontaktes ihrerseits zu den Käufern des von ihnen gelieferten DI an einem tatrelevanten "Kausalzusammenhang" dieser Verkäufe mit den unter Benützung des in Rede stehenden Zusatzes zur Weinverfälschung begangenen Betrugshandlungen der Genannten fehle und ihnen daher ein diesbezüglicher Tatbeitrag nicht angelastet werden könne. Denn zur (damit der Sache nach relevierten) Wirksamkeit eines solchen Tatbeitrags ist ein direkter Kontakt zwischen dem Beitragstäter und dem unmittelbaren Täter keineswegs erforderlich; genug daran, daß der (mit Bezug auf die Deliktsvollendung vorsätzlich geleistete) Beitrag - wie hier - tatsächlich, in welcher Entwicklungsstufe immer, zur (mindestens bis ins Versuchsstadium fortschreitenden) Tatbegehung benützt wird.

Keine Berechtigung schließlich kommt auch der Subsumtionsrüge (Z 10) zu, mit welcher die Annahme der Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit nach § 148 (zweiter Fall) StGB bekämpft wird. Schon eine einzige Tat kann die Annahme gewerbsmäßiger Begehung rechtfertigen, sofern sich der Täter dabei durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen beabsichtigt (vgl insbesondere Mayerhofer-Rieder, StGB3, ENr 3 und Foregger-Serini, StGB4, Erl I - jeweils zu § 70). Eine derartige Täter-Absicht wurde hier aber als erwiesen angenommen: haben doch die beiden Nichtigkeitswerberinnen die ihnen angelasteten Tathandlungen nach den Urteilsfeststellungen in ihrem Bestreben gesetzt, dem von ihnen geleiteten Unternehmen Kunden zu erhalten und sich durch deren wiederkehrende Belieferung mit DI ein entsprechendes Einkommen zu verschaffen (US 8, 11, 13). Von einem bloß gelegentlichen gleichartigen Delinquieren aus Gewinnsicht kann bei dieser Tendenz der Rechtmittelwerberinnen nicht die Rede sein. Da auch der solcherart von ihnen angestrebte Erlös die Bagatellgrenze insgesamt bei weitem überschreiten sollte, kommt dem Verhältnis der Umsätze aus dem Verkauf des DI zum Gesamtumsatz der von ihnen geleiteten Firmen keinerlei Bedeutung zu. Die zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über beide Angeklagten nach § 147 Abs. 3 StGB unter Anwendung des § 41 Abs. 1 (Z 4) StGB jeweils Freiheitsstrafen von sechs Monaten, die gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend den langen Tatzeitraum und die mehrfache Qualifikation, mildernd hingegen den bisherigen ordentlichen Lebenswandel, den Beitrag zur raschen Wahrheitsfindung und die Tatsache, daß nur Beitragstäterschaft iS des § 12 3. Alternative StGB vorliege.

Mit ihren Berufungen streben Dagmar D*** und Isolde F*** eine weitere Herabsetzung der über sie verhängten Freiheitsstrafen an, weil sowohl ihr Verschulden als auch die Liefermengen gering gewesen seien.

Auch die Berufungen erweisen sich als nicht berechtigt. Vorweg ist anzumerken, daß die Tatsache, daß "nur" Beitragstäterschaft iS des § 12, dritter Fall StGB vorliegt, wegen der rechtlichen Gleichwertigkeit aller im § 12 StGB angeführten Beteiligungsformen (vgl Leukauf-Steininger, Komm2, RN 5 zu § 12 StGB) für sich allein keinen Milderungsgrund darstellt. Im übrigen hat das Schöffengericht die besonderen Strafbemessungsgründe im wesentlichen vollständig angeführt.

Dem Berufungsvorbringen zuwider ist weder die Schuld der Berufungswerberinnen noch die Menge des von ihnen gelieferten DI als gering zu bezeichnen, wurden doch von ihnen an Georg B*** 180 Kilogramm und an Friedrich B*** (mittelbar) 71 Kilogramm dieses Stoffes geliefert, womit weit mehr als 100.000 Liter Wein verfälscht werden konnten.

Angesichts der Strafdrohung des § 147 Abs. 3 StGB, die sich auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren erstreckt, können sich die Rechtsmittelwerberinnen durch die Verhängung je einer - ohnedies unter Gewährung außerordentlicher Strafmilderung und überdies bedingt nachgesehenen - sechsmonatigen Freiheitsstrafe nicht für beschwert erachten. Mangels Vorliegens besonderer Gründe in der Bedeutung des § 37 Abs. 2 StGB kam die Verhängung einer Geldstrafe an Stelle der ausgesprochenen Freiheitsstrafe nicht in Frage.

Es mußten daher auch die Berufungen erfolglos bleiben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E20546

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0150OS00004.9.0403.000

Dokumentnummer

JJT_19900403_OGH0002_0150OS00004_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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