TE OGH 1990/4/3 4Ob173/89

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Veröffentlicht am 03.04.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Alfons S***, Rechtsanwalt, Dornbirn, Marktplatz 10, vertreten durch Dr. Ekkehard Bechtold, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagte Partei Dr. Ingobert S***, Rechtsanwalt, Bregenz, Bahnhofstaße 25/I, wegen Feststellung und Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren S 500.000), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 8.Mai 1989, GZ 4 R 138/89-9, womit der Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 21.März 1989, GZ 10 Cg 65/89-5, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsrekursverfahrens vorläufig, die beklagte Partei hingegen endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Beklagte hat in Ausübung seines Berufes als Rechtsanwalt in einer Reihe von Zivil-, Straf- und Disziplinarverfahren als Parteienvertreter behauptet, daß der Kläger Beweismittel gefälscht und eine falsche Zeugenaussage abgelegt habe. Zu Rechtsanwalt Dr. Klaus G*** sagte der Beklagte im Zuge eines privaten Gespräches während des Wartens auf eine Verhandlung vor dem Bezirksgericht Dornbirn, er habe Hinweise, daß der Kläger in einem Verfahren ein unrichtiges Beweismittel hergestellt habe; das Übergabedatum in einem Kaufvertrag sei tatsachenwidrig abgeändert und die unrichtige Urkunde dem Finanzamt Bregenz zugespielt worden. Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches beantragt der Kläger, dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung Behauptungen zu verbieten, wonach der Kläger Urkunden oder Beweismittel gefälscht oder sich einer falschen Zeugenaussage schuldig gemacht habe. Der Beklagte wiederhole die unrichtigen, ehrenrührigen und den Kredit des Klägers schädigenden Tatsachenbehauptungen als Parteienvertreter in einer Reihe von Verfahren; er stelle diese unrichtigen Behauptungen aber auch ohne konkreten Anlaß gegenüber dritten Personen auf, die mit diesen Verfahren nicht befaßt seien. Der Beklagte verstoße damit gegen § 1330 ABGB und § 1 UWG. Beide Streitteile seien in Bregenz als Rechtsanwälte tätig, so daß anzunehmen sei, daß der Beklagte auch in Wettbewerbsabsicht gehandelt habe.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrages. Zu den von ihm als Parteienvertreter in mehreren Verfahren aufgestellten Behauptungen sei er - nach gewissenhafter Prüfung der Information seiner Mandanten - gemäß § 9 RAO berechtigt gewesen. Die beanstandeten Tatsachenbehauptungen seien wahr; gegen den Kläger sei deshalb auch ein Strafverfahren anhängig. Dem Beklagten könne nicht verboten werden, als Anwalt die ihm bekannt gewordenen Tatsachen unumwunden vorzubringen; auch private Äußerungen könnten ihm nicht verboten werden, wenn sie wahr seien. Der Sicherungsantrag unterscheide nicht zwischen den durch § 9 RAO gedeckten Äußerungen des Beklagten als Parteienvertreter und seinen privaten Äußerungen; schon deshalb müsse er abgewiesen werden.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Soweit der Beklagte die beanstandeten Tatsachen in Verfahren als Parteienvertreter vorgebracht habe, sei er durch § 9 RAO gedeckt gewesen; die Tätigkeit eines Rechtsanwaltes bringe es mit sich, daß er im Interesse der von ihm vertretenen Partei auch für Dritte ehrenrührige Tatsachen vortragen muß. Da der Sicherungsantrag nicht zwischen den Äußerungen des Beklagten als Rechtsanwalt und als Privatperson unterscheide, könne ihm nicht stattgegeben werden, weil eine solche Stattgebung zur Folge hätte, daß der Beklagte seinen Berufspflichten nicht mehr nachkommen kann.

Das Rekursgericht verbot dem Beklagten, im eigenen Namen und ohne Hinweis darauf, daß er entsprechende Äußerungen in Vertretung Dritter vorbringe, Behauptungen aufzustellen, wonach der Kläger Urkunden oder Beweismittel gefälscht habe. Das Mehrbegehren,

a) dem Beklagten auch die Behauptung zu verbieten, der Kläger habe sich einer falschen Zeugenaussage schuldig gemacht, und

b) beide Verbote auch hinsichtlich solcher Äußerungen zu erlassen, die der Beklagte in Vertretung Dritter und mit Hinweis auf das Vertretungsverhältnis gemacht hat, wies es hingegen ab. Ferner sprach das Rekursgericht aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Beschwerdegegenstandes S 15.000, der gesamte Wert des Beschwerdegegenstandes S 300.000 übersteige. Auf Grund der bereits dem Erstgericht vorliegenden Bescheinigungsmittel traf das Rekursgericht noch die ergänzende Feststellung, daß die von den Mandanten des Beklagten gegen den Kläger wegen Urkundenfälschung erstattete Strafanzeige von der Anklagebehörde bisher nicht zurückgelegt wurde; es sei jedoch nicht bescheinigt, daß der Kläger tatsächlich Urkunden und Beweismittel gefälscht und sich falscher Zeugenaussagen schuldig gemacht habe. In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht folgendes aus:

Die herabsetzenden Tatsachenbehauptungen, die der Beklagte als Parteienvertreter in verschiedenen Verfahren gemacht habe, seien durch § 9 RAO gerechtfertigt, weil sie durch die Informationen des Beklagten gedeckt gewesen seien; auf die Äußerungen, die der Beklagte gegenüber Dr. Klaus G*** gemacht habe, treffe das jedoch nicht zu. Soweit der Kläger seinen Anspruch auf § 1330 ABGB gestützt habe, sei ihm entgegenzuhalten, daß die Unwahrheit der vom Beklagten erhobenen Vorwürfe ebensowenig feststehe wie deren Wahrheit; nach § 1330 Abs 2 ABGB habe jedoch der Geschädigte zu beweisen, daß die behaupteten Tatsachen unrichtig sind. Der Kläger habe sich aber auch auf § 7 UWG berufen. Hier habe der Verbreiter einer zur Schädigung geeigneten Behauptung den Wahrheitsbeweis zu führen; der gute Glaube schütze nicht. Dem Beklagten sei der Wahrheitsbeweis nicht gelungen. Die Mitteilung an Dr. Klaus G*** sei nicht vertraulich gewesen; es sei auch nicht zu ersehen, daß Dr. Klaus G*** daran ein berechtigtes Interesse gehabt hätte. Die vom Beklagten behaupteten Tatsachen seien geeignet, den Kredit des Klägers zu schädigen. Die Wettbewerbsabsicht werde bei abfälligen Äußerungen über einen Mitbewerber vermutet. Die Streitteile stünden miteinander im Wettbewerb; der Beklagte habe die Behauptung des Klägers, daß er in Wettbewerbsabsicht gehandelt habe, nicht einmal bestritten. Soweit dem Beklagten private, nicht als Parteienvertreter durch § 9 RAO gedeckte Äußerungen verboten werden sollen, wonach der Kläger Urkunden oder Beweismittel gefälscht habe, sei der Sicherungsantrag daher berechtigt.

Gegen die einstweilige Verfügung des Rekursgerichtes erhebt der Beklagte einen auf Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtige Beweiswürdigung und unrichtige rechtliche Beurteilung gestützten Revisionsrekurs und beantragt, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Der Kläger beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Die gerügte Mangelhaftigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Soweit der Beklagte die negative Feststellung bekämpft, es sei nicht bescheinigt, ob der Kläger tatsächlich Urkunden und Beweismittel gefälscht und sich einer falschen Zeugenaussage schuldig gemacht habe, und aus den vorliegenden Bescheinigungsergebnissen abzuleiten versucht, daß ihm die Bescheinigung der Wahrheit seiner Behauptungen gelungen sei, ist ihm lediglich entgegenzuhalten, daß der Oberste Gerichtshof auch im Provisorialverfahren nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz und daher an die Feststellungen der Vorinstanzen gebunden ist (ÖBl. 1981, 157 uva).

Das Rekursgericht hat zur Frage der Wettbewerbsabsicht des Beklagten keine Tatsachenfeststellungen getroffen, sondern deren Annahme mit einer bestehenden Vermutung begründet und dabei ausgeführt, daß der Beklagte die Behauptung des Klägers, er habe in Wettbewerbsabsicht gehandelt, nicht bestritten habe. Die Ausführungen im Revisionsrekurs, die sich gegen die Annahme der Wiederholungsgefahr richten, wenden sich somit nicht gegen eine Tatsachenfeststellung, sondern gegen die rechtliche Beurteilung der zweiten Instanz. Das Rekursgericht ist jedoch zutreffend davon ausgegangen, daß bei abfälligen Äußerungen über einen Mitbewerber von vornherein die Vermutung für die Wettbewerbsabsicht spricht, sofern der Beklagte nicht das Gegenteil beweist oder bescheinigt (ÖBl. 1974, 137; ÖBl. 1987, 23). Die den Kläger herabsetzenden Äußerungen des Beklagten gegenüber einem Berufskollegen sind objektiv geeignet, den Absatz des Klägers zu schmälern, weil einerseits die Weitergabe der unwahren Tatsachenbehauptung an potentielle Kunden des Klägers nicht ausgeschlossen ist, andererseits aber auch der Mitteilungsempfänger geneigt sein könnte, von einer Substitution des Klägers Abstand zu nehmen. Mit der allgemeinen Bestreitung sämtlicher Angaben in der Klage hat der Beklagte - wie das Rekursgericht zutreffend angenommen hat - den konkreten Beweis (die Bescheinigung), nicht in Wettbewerbsabsicht gehandelt zu haben, gar nicht angetreten. Gegen die Annahme der Wettbewerbsabsicht bestehen daher keine Bedenken.

Der Beklagte bekämpft auch die Ausführungen des Rekursgerichtes, daß der Kläger unbeschadet der nicht rechtzeitigen Erstattung einer Klagebeantwortung und der Erlassung eines - noch nicht rechtskräftigen - Versäumungsurteiles gemäß § 398 Abs 1 ZPO ein Rechtsschutzinteresse an einer einstweiligen Verfügung habe; er meint, daß er mit der Klagebeantwortung in Wahrheit nicht säumig gewesen sei. Ob der Beklagte rechtzeitig eine Klagebeantwortung erstattet hat, ist aber im Provisorialverfahren nicht zu prüfen. Da das Versäumungsurteil noch nicht rechtskräftig ist, mangelt es dem Kläger tatsächlich nicht am Rechtsschutzinteresse an der Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich, soweit sie den Kläger betrifft, auf § 393 Abs 1 EO, soweit sie den Beklagten betrifft, auf §§ 78, 402 EO, §§ 40, 50, 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E20300

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0040OB00173.89.0403.000

Dokumentnummer

JJT_19900403_OGH0002_0040OB00173_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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