TE OGH 1990/4/4 9ObA78/90 (9ObA79/90)

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Veröffentlicht am 04.04.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Robert Müller und Ferdinand Rodinger als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden und der widerbeklagten Partei Dr.Theodor S***, Rechtsanwalt in Wien, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der A***`s Satz- und Druckformherstellung GesmbH & Co KG, Wien 1, Wiesingerstraße 6, wider die beklagte und widerklagende Partei Kurt B***, Wien 17, Halirschgasse 19/24, vertreten durch Dr.Helene Klaar, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 294.396,47 sA und Feststellung einer Konkursforderung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26.Juni 1989, GZ 34 Ra 138/88-36, womit infolge Berufung beider Parteien das Teilurteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 7.Juli 1988, GZ 6 Cga 3669/87-29, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision des Klägers wird teilweise Folge gegeben. Das Teilurteil des Berufungsgerichtes wird im Umfang der Abweisung eines Betrages von S 147.168,24 (richtig: S 147.198,20) aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlungs- und Urteilsfällung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Beklagte war seit 3.1.1977 bei der Firma A***`s Satz- und Druckformherstellung GesmbH & Co KG (im folgenden kurz: Firma A***`s) beschäftigt. Er verpflichtete sich zur Zahlung einer Konventionalstrafe in der Höhe von 12 Monatsbezügen, wenn er aus eigenem Verschulden aus dem Unternehmen ausscheiden und innerhalb eines Jahres bei einem Konkurrenzunternehmen tätig werden sollte. Am 10.1.1983 entließ der Geschäftsführer der Firma A***`s den Beklagten, nachdem er in dessen Schreibtischlade "schwarze Rechnungen" und den restlichen Kassablock einer Tankstelle gefunden hatte. Mit Strafurteil vom 16.3.1987 wurde der Beklagte schuldig erkannt, "im Zeitraum Februar 1982 bis Dezember 1982 78 Tankstellenrechnungen der Firma Friedrich W*** junior, die er mit einer unleserlichen Unterschrift versehen hatte, zur Verrechnung von Benzinkosten bei der Firma A***`s vorgelegt, somit gefälschte Urkunden im Rechtsverkehr zu Beweiszwecken gebraucht" und damit das Vergehen der Urkundenfälschung nach § 273 Abs 2 StGB begangen zu haben. Der Beklagte war nach seiner Entlassung bei der Firma B-Grafik, einer Konkurrentin der Firma A***`s beschäftigt. Er hat für seine Frau zu sorgen und verdient weniger als bei der Firma A***`s. Die Firma A***`s, an deren Stelle nach Eröffnung des Konkurses über ihr Vermögen am 6.2.1987 der Masseverwalter als Kläger in das Verfahren eingetreten ist, begehrte vom Beklagten Zahlung einer Konventionalstrafe in Höhe eines Nettojahresbezuges von S 294.396,47. Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß die Entlassung zu Unrecht erfolgt und die Konkurrenzklausel unwirksam sei, weil sie sein Fortkommen unbillig erschwere. Außerdem machte der Beklagte mit Widerklage diverse Ansprüche (restliches Provisionsentgelt zuzüglich aliquoter Sonderzahlungen, Kündigungsentschädigung samt Sonderzahlungen, Abfertigung und Urlaubsentschädigung) im Gesamtausmaß von S 279.166,90 brutto geltend. Nach der Konkurseröffnung stellte der Beklagte sein Zahlungsbegehren auf Feststellung seiner Ansprüche als Konkursforderung um.

Das Erstgericht sprach dem Kläger mit Teilurteil S 5.000 sA Konventionalstrafe zu und wies das Mehrbegehren von S 289.396,47 ab. Auf Grund der Widerklage des Beklagten stellte es dessen Konkursforderung - insoweit unbekämpft - mit S 36.453,83 brutto sA fest und wies das Feststellungsmehrbegehren von S 236.307,07 (richtig: S 235.713,07) ab. Die Entscheidung über die restlichen Provisionsansprüche in Höhe von S 7.000 behielt das Erstgericht der Endentscheidung vor.

Wegen der Sorgepflichten des Beklagten und der Erschwerung seines Fortkommens sei die Konventionalstrafe auf S 5.000 zu mäßigen. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht, der Berufung des Klägers aber teilweise Folge und hob den abweisenden Teil der Entscheidung des Erstgerichtes über die Konventionalstrafe (S 289.396,47 sA) im Umfang eines Betrages von S 142.168,23 (richtig: S 142.198,23) ohne Rechtskraftvorbehalt auf; das Mehrbegehren von S 147.168,24 (richtig: S 147.198,20) blieb abgewiesen.

Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß die Firma A***`s den Beklagten aus wichtigem Grund gerechtfertigt entlassen habe. Damit bestehe das Klagebegehren auf Zahlung der vereinbarten Konventionalstrafe jedenfalls dem Grunde nach zu Recht. Aus den Feststellungen des Erstgerichtes seien jedoch keine Umstände zu ersehen, die eine derart weitgehende Mäßigung der Konventionalstrafe auf weniger als 2 % des vereinbarten Betrages rechtfertigen würden. Insbesondere seien die eingewendete Unmöglichkeit einer zumutbaren Tätigkeit in Verweisungsberufen, die Verhältnismäßigkeit der eingeklagten Strafe sowie die Höhe der Einkommenseinbuße und der Sorgfaltspflichten des Beklagten zu ermitteln und die gegenseitigen Interessen der Streitteile abzuwägen. Da aber der Beklagte Einkommenseinbußen erlitten habe, könne schon jetzt gesagt werden, daß höchstens die Hälfte der bekämpften Konventionalstrafe angemessen sei.

Diese Entscheidung wurde von beiden Teilen mit Revision bekämpft. Über die Revision des Beklagten wurde bereits mit Urteil vom 22.11.1989, 9 Ob A 311,312/89 (ONr. 42), entschieden. Dem Rechtsmittel wurde nicht Folge gegeben. Die Berechtigung der Entlassung wurde bejaht und der Zuspruch einer Konventionalstrafe von bisher S 5.000 bestätigt.

Die Revision des Klägers wurde als verspätet zurückgewiesen. Nach Zustellung der Entscheidung des Revisionsgerichtes gab das Erstgericht dem Wiedereinsetzungsantrag des Klägers gegen die Versäumung der Revisionsfrist Folge, so daß nunmehr über die Revision meritorisch zu entscheiden ist.

Der Kläger macht als Revisionsgründe Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt (mit dem im Zuge des Wiedereinsetzungsverfahrens auf den abändernden Teil der angefochtenen Entscheidung eingeschränkten Revisionsantrag), das Teilurteil der zweiten Instanz dahin abzuändern, daß der abgewiesene Teil der Konventionalstrafe von S 152.168,24 (richtig: S 142.198,23) zuerkannt werde; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Der Beklagte beantragt, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt - abgesehen von dem der zweiten Instanz unterlaufenen geringfügigen Rechenfehler - nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Der Revisionswerber übersieht, daß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG mit dem Inkrafttreten des ASGG am 1.1.1987 außer Kraft getreten ist und der Neuverhandlungsgrundsatz seither nicht mehr gilt (vgl §§ 63, 99 Z 1 ASGG).

Mit Recht wendet sich der Revisionswerber gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, er habe einen Schaden weder behauptet noch nachgewiesen, so daß der Umstand, daß der Beklagte durch die Entlassung jedenfalls Gehaltseinbußen erlitten habe, schon jetzt die Beurteilung zulasse, daß die Konventionalstrafe höchstens mit der Hälfte der vereinbarten Summe angemessen sei.

Der Verfall der Konventionalstrafe hängt nach hM nicht von einem Schadenseintritt ab (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 5 zu § 1336 mwN;

Ehrenzweig-Mayerhofer, Schuldrecht, AT3 215; Koziol-Welser8 I 200;

DRdA 1990/4 ÄHolzerÜ). Nach § 1336 Abs 2 ABGB soll der Richter den Vergütungsbetrag, wenn er vom Schuldner als übermäßig erwiesen wird, allenfalls nach Einvernahme von Sachverständigen, mäßigen. Der Beweis der Übermäßigkeit obliegt daher dem Schuldner (Reischauer aaO Rz 18 mwN; Ehrenzweig-Mayerhofer aaO 218; RZ 1974/42; JBl 1982, 431). Der wirkliche Schaden bildet die Untergrenze der Mäßigung (Reischauer aaO Rz 13 mwN; Ehrenzweig-Mayerhofer aaO 119 jeweils mwN; SZ 54/4; DRdA 1984, 150; DRdA 1990/4 ÄHolzerÜ). Daraus folgt aber auch daß den Schuldner auch die Beweislast dafür trifft, daß der erwachsene Schaden unverhältnismäßig geringer als der bedungene Vergütungsbetrag ist (Reischauer aaO Rz 18; SZ 54/4). Der Beklagte hat den Anspruch auf Zahlung der Vergütungsstrafe zunächst dem Grunde nach bestritten und insbesondere Umstände im Sinne des § 36 Abs 2 Z 2 AngG geltend gemacht. Darin liegt nach ständiger Rechtsprechung auch das Begehren auf Mäßigung der Konventionalstrafe (Koziol-Welser aaO; RZ 1974/42; JBl 1976, 487;

SZ 54/4). In der Folge hat der Beklagte die Konventionalstrafe auch der Höhe nach bestritten. Bei der Beurteilung, ob die vereinbarte Konventionalstrafe übermäßig, also überhöht ist, sind vor allem die Verhältnismäßigkeit dieser Strafe, die wirtschaftlichen oder sozialen Verhältnisse des Arbeitnehmers, insbesondere seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse, ferner Art und Ausmaß seines Verschuldens an der Vertragsverletzung, sowie die Höhe des durch die Vertragsverletzung dem Arbeitgeber entstandenen Schadens entsprechend zu berücksichtigen (EvBl 1980/65; Arb 10.190; RdW 1986, 378).

Da die Umstände, die der Beklagte dem Anspruchsgrund entgegenhielt, allenfalls auch für die Höhe der festzusetzenden Konventionalstrafe von Bedeutung sein können, weil sie Art und Ausmaß seines Verschuldens an der Vertragsverletzung beeinflussen, war das Vorbringen des Beklagten jedenfalls ausreichend, so daß das Erstgericht - allenfalls nach Anleitung des Beklagten zu einem ergänzenden Vorbringen - zu einer entsprechenden Prüfung der Frage, ob und inwieweit die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Herabsetzung der Konventionalstrafe gegeben sind, verpflichtet war. Entgegen der Ansicht des Klägers kommt daher derzeit ein Zuspruch der vollen Konventionalstrafe - abgesehen davon, daß der ohne Rechtskraftvorbehalt erlassene Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes über einen Teilbetrag von S 142.168,23 derzeit nicht überprüft werden kann - nicht in Betracht, weil der Beklagte das Mäßigungsrecht gehörig geltend gemacht hat.

Da zu den Mäßigungskriterien praktisch noch alle Feststellungen fehlen - es ist nicht bekannt, in welcher Höhe der Beklagte nach seiner Entlassung Einkommenseinbußen erlitten hat, wie weit er für seine Frau tatsächlich sorgen muß, ob er Vermögen hat und ob der erwachsene Schaden unverhältnismäßig geringer als der bedungene Vergütungsbetrag und wie hoch das Verschulden des Beklagten an der Vertragsverletzung ist - kann derzeit auch nicht annähernd gesagt werden, ob die Konventionalstrafe mindestens auf die Hälfte oder noch weitergehend zu reduzieren sein wird. Das Teilurteil des Berufungsgerichtes ist daher im Umfang der Abweisung des Betrages von S 147.168,24 (richtig: S 147.198,23) aufzuheben, damit der Erstrichter die Mäßigungskriterien (im Rahmen des bereits rechtskräftigen Teilzuspruchs von S 5.000) in jeder Richtung frei beurteilen kann.

Der Vorbehalt der Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 Abs 2 ZPO.

Anmerkung

E20752

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00078.9.0404.000

Dokumentnummer

JJT_19900404_OGH0002_009OBA00078_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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