TE OGH 1990/4/5 7Ob13/90

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Veröffentlicht am 05.04.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Herbert H***, Rechtsanwalt, Berndorf, Hernsteinerstraße 2/1/3, vertreten durch Dr.Norbert Kosch u. a., Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wider die beklagte Partei C*** Versicherung Aktiengesellschaft, Wien 1, Börsegasse 14, vertreten durch Dr.Johannes Nino Haerdtl, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 623.421,24 s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 16. November 1989, GZ 2 R 204/89-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 25. Juni 1989, GZ 2 Cg 294/88-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 17.651,04 (darin S 2.941,84 an Ust.) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Rechtsanwalt. Er schloß mit der beklagten Partei am 8.3.1983 eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für den Risikobereich "Rechtsanwalt" ab. Hiebei wurden als Vertragsgrundlage die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung von Vermögensschäden (AVBV) und als besondere Bedingung vereinbart, daß sich die Versicherung auch auf die Amtsführung als Vormund, Vermögensverwalter, Kurator mit Vermögensverwaltung, Testamentsvollstrecker, Konkursmasseverwalter, Mitglied des Gläubigerausschusses bei Konkursen, Liquidator, Zwangsverwalter, Ausgleichsverwalter und Hausverwalter erstreckt. Als Versicherungssumme bzw. Deckungsumfang wurden S 2 Mio. je Schadensfall vereinbart. Der Versicherungsvertrag sollte am 8.3.1983 beginnen und am 8.3.1993 ablaufen. Nach Art. 1. I. der AVBV gewährt der Versicherer dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz für den Fall, daß er wegen eines bei der Ausübung der in der Polizze angegebenen beruflichen Tätigkeit von ihm selbst oder einer Person, für die er nach dem Gesetz einzutreten hat, begangenen Verstoßes von einem anderen auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts für einen Vermögensschaden verantwortlich gemacht wird. Nach Art. 4. I. AVBV bezieht sich der Versicherungsschutz nicht auf Haftpflichtansprüche, soweit sie auf Grund eines Vertrages oder besonderer Zusage über den Umfang der gesetzlichen Haftpflicht hinausgehen; wegen Schadensstiftung durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Machtgebers (Berechtigten) oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung.

Am 7.6.1983 errichtete der Kläger über Auftrag des Hermann N*** und des Norbert T*** einen Kaufvertrag, worin der zu diesem Zeitpunkt außerbücherliche Eigentümer Hermann N*** dem Norbert T*** bestimmte, näher bezeichnete Liegenschaften verkaufte. Der Kaufvertrag wurde von den Vertragsteilen am 8.6.1983 unterfertigt. Der Kaufpreis für die Liegenschaften wurde mit

S 1,952.000,-- vereinbart. Dieser Betrag sollte nach Punkt III des Kaufvertrages vom Käufer wie folgt bezahlt werden:

"a) Der Käufer übernimmt die auf den Liegenschaften pfandrechtlich sichergestellten Verbindlichkeiten des Verkäufers gegenüber der Sparkasse Pottenstein im Betrag von S 942.000,-- zur Allein- und Selbstzahlung und verpflichtet sich, den Verkäufer diesbezüglich vollkommen klag- und schadlos zu halten;

b) ein weiterer Betrag von S 500.000,-- wird über Auftrag des Käufers durch die Sparkasse Pottenstein dem Vertragsverfasser als Treuhänder innerhalb von 8 Tagen nach Unterfertigung des Kaufvertrages durch die Vertragsteile auf ein von diesem namhaft zu machendes Treuhandkonto überwiesen. Der Treuhänder wird von den Vertragsteilen ermächtigt und angewiesen, diesen Betrag an den Verkäufer innerhalb von 14 Tagen nach Sicherstellung der lastenfreien Einverleibung des Eigentumsrechtes für den Käufer und sobald sichergestellt ist, daß die weiter unten vereinbarte auflösende Bedingung nicht eintritt, an den Verkäufer weiterzuleiten;

c) Der Restkaufpreis von S 510.000,-- wird in 120 gleichen monatlichen Raten a S 4.250,--, beginnend am 1.6.1983 auf ein vom Verkäufer namhaft zu machendes Konto berichtigt."

Der vom Käufer durch Kreditaufnahme bei der Sparkasse Pottenstein zu finanzierende Kaufpreisteil von S 500.000,-- sollte mit einem Höchstbetragspfandrecht von S 650.000,-- auf den Kaufliegenschaften zugunsten der Sparkasse Pottenstein gesichert werden, wobei die Vertragsparteien im Punkt V 3 den von der Sparkasse Pottenstein verlangten bücherlichen Vorrang gegenüber dem Pfandrecht zugunsten des Verkäufers für die Kaufpreisraten vereinbart hatten. Die Kaufliegenschaften hätten für die einzuverleibenden Pfandrechte zugunsten der Sparkasse Pottenstein Deckung geboten.

Der damalige erste Vorstandsdirektor der Sparkasse Pottenstein, Dir.H***, hat sich an den Vertragsgesprächen zwischen den Parteien des Kaufvertrages, die in Gegenwart des Klägers stattgefunden hatten, aktiv beteiligt. Dir.H*** war damit einverstanden, daß in jenem Zeitpunkt, in dem feststand, daß die in Punkt XI 1 des Kaufvertrages vereinbarte auflösende Bedingung nicht eintritt, die von der Sparkasse Pottenstein finanzierte Teilkaufsumme an den Verkäufer zur Auszahlung gelangen sollte. Dir.H*** hat die Auszahlung der Teilkaufsumme an den Verkäufer nicht davon abhängig gemacht, daß zu diesem Zeitpunkt bereits das Höchstbetragspfandrecht im Grundbuch einverleibt ist.

Am 8.6.1983 unterfertigte der Käufer Norbert T*** die

Pfandbestellungsurkunde über ein einzuverleibendes

Höchstbetragspfandrecht von S 650.000,-- zugunsten der Sparkasse

Pottenstein auf den Kaufliegenschaften. Diese

Pfandbestellungsurkunde wurde dem Kläger übermittelt. Am 14.6.1983

schrieb der Kläger an die Sparkasse Pottenstein unter anderem: "In

obiger Angelegenheit ... erlaube ich mir auch schriftlich

mitzuteilen, daß ich als Treuhänder die Haftung dafür übernehme, daß

zugleich mit der Einverleibung des Eigentumsrechtes für Herrn

Norbert T*** ... ob den kaufgegenständlichen Liegenschaften

... das Höchstbetragspfandrecht von S 650.000,-- auf Grund der

Pfandbestellungsurkunde vom 8.6.1983 unmittelbar im Range nach den

bestehenden, laut Vertragspunkt 2. (des Kaufvertrages vom 8.6.1983)

für die Sparkasse Pottenstein NÖ einverleibt wird ... Ich bitte

nunmehr um Überweisung des Treuhandbetrages auf mein Konto ...". Die Sparkasse Pottenstein stellte daraufhin dem Käufer den Kredit zur Verfügung und überwies gleichzeitig den Betrag von S 500.000,-- an den Kläger als Treuhänder auf ein von ihm bei der Sparkasse Pottenstein errichtetes Treuhandkonto. Im August 1983 wurde der Kläger vom Verkäufer Hermannn N*** verständigt, daß die in Punkt XI. des Kaufvertrages vereinbarte auflösende Bedingung nicht eintritt. Mit Zustimmung beider Parteien überwies der Kläger daraufhin den Betrag von S 500.000,-- an den Verkäufer. Der Kläger hatte zu diesem Zeitpunkt mit Ausnahme der Unbedenklichkeitsbescheinigung alle Originalurkunden in Händen, die zur Einverleibung des Eigentumsrechtes für den Käufer Norbert T*** und zur Einverleibung der im Kaufvertrag ausbedungenen Pfandrechte notwendig gewesen wären. Durch Säumnis des Finanzamtes und auch des Käufers wegen verzögerter Fragebeantwortungen wurde erst nach mehrfachen Urgenzen des Klägers am 4.4.1985 der Grunderwerbssteuerbescheid zugestellt. Der Käufer Norbert T*** bezahlte in der Folge die Grunderwerbssteuer nicht, so daß die Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht ausgestellt und der Kaufvertrag nicht verbüchert werden konnte. Da der Käufer auch mit den Ratenzahlungen an den Verkäufer in Verzug geriet, trat dieser mit Schreiben vom 18.11.1985 vom Kaufvertrag über die Liegenschaften zurück. Über das Vermögen des Käufers wurde am 19.2.1986 das Konkursverfahren eröffnet.

Durch den Rücktritt vom Vertrag ist die Erfüllung der bedungenen Einverleibung des Pfandrechtes zugunsten der Sparkasse Pottenstein auf Grund der Pfandbestellungsurkunde vom 8.6.1983 nicht mehr möglich. Hermann N*** weigerte sich auch, den erhaltenen Betrag von S 500.000,-- zurückzuzahlen. Er rechnete einen Teilbetrag von S 200.000,-- auf verkauftes Inventar an und nahm hinsichtlich des Restbetrages eine Aufrechnung mit Schadenersatzansprüchen vor. Die Sparkasse Pottenstein nahm den Kläger wegen der letztlich nicht erfolgten Besicherung ihrer Forderungen aus der Pfandbestellungsurkunde vom 8.6.1983 auf Grund seiner Treuhandverpflichtung in Anspruch.

Der Kläger hat es bei den Gesprächen im Zuge der Errichtung des Kaufvertrages gegenüber der Sparkasse Pottenstein und gegenüber dem Verkäufer unterlassen, darauf hinzuweisen, daß die grundbücherliche Durchführung des Kaufvertrages daran scheitern könnte, daß der Käufer nicht in der Lage wäre, den für die Entrichtung der Grunderwerbssteuer notwendigen Betrag - etwa

S 140.000,-- - aufzubringen.

Zur Vermeidung eines Rechtsstreites deckte der Kläger über Aufforderung der Sparkasse Pottenstein am 21.4.1987 den offenen Kredit dadurch ab, daß er seinerseits bei der Sparkasse einen Kredit aufnahm.

Ersuchen des Klägers, ihm wegen der gegen ihn gerichteten Forderungen der Sparkasse Pottenstein Versicherungsschutz zu gewähren, wurden von der beklagten Partei abgelehnt. Den Kläger treffe an der Auszahlung des Betrages von S 500.000,-- an den Verkäufer kein Verschulden.

Mit Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 14.5.1987, 2 Cg 451/86-8, wurde die beklagte Partei schuldig erkannt, dem Kläger für den aus der Errichtung und Durchführung des Kaufvertrages vom 8.6.1983 und der übernommenen Sicherstellung eines Pfandrechtes von S 650.000,-- zugunsten der Sparkasse auf den Kaufliegenschaften im Vermögen der Sparkasse entstandenen oder in Hinkunft entstehenden Schaden Versicherungsschutz zu gewähren. Das Berufungs- und das Revisionsgericht bestätigten diese Entscheidung.

Mit der am 8.8.1988 eingelangten Klage begehrt der Kläger die Zahlung von S 623.421,24 s.A. Der Kläger habe der Sparkasse gegenüber seine Aufklärungs- und Belehrungspflichten verletzt. Er hätte bei der Auszahlung des Betrages von S 500.000,-- die Sparkasse darauf hinweisen müssen, daß für die Grunderwerbssteuer von S 140.160,-- keine Deckung oder sonstige Besicherung bestehe. Hätte er dies getan, hätte die Sparkasse verlangt, entweder den zur Deckung dieser Steuer erforderlichen Betrag einzubehalten oder ihn anderweitig sicherzustellen.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Der erste Vorstandsdirektor der Sparkasse Pottenstein sei damit einverstanden gewesen, den Betrag von S 500.000,-- an den Verkäufer auszubezahlen, wenn die im Kaufvertrag vereinbarte auflösende Bedingung nicht eintrete. Er habe die Auszahlung nicht davon abhängig gemacht, daß zu diesem Zeitpunkt die Höchstbetragshypothek im Grundbuch einverleibt sei. Den Kläger treffe kein Verschulden. Sowohl er als auch die Sparkasse hätten darauf vertraut, daß der Käufer die Grunderwerbssteuer bei Fälligkeit zahlen werde. Es liege außerhalb des Einflußbereiches des Klägers, daß dies nicht geschehen sei und daß daher der Kaufvertrag nicht habe durchgeführt werden können. Die Sparkasse treffe (zumindest) ein erhebliches Mitverschulden. Das Erstgericht gab der Klage statt. Es traf die bereits wiedergegebenen Feststellungen. Der Kläger habe die ihm gegenüber der Sparkasse obliegenden Aufklärungs- und Belehrungspflichten verletzt, weil er die Sparkasse nicht darauf aufmerksam gemacht habe, daß für die Bezahlung der Grunderwerbssteuer nicht vorgesorgt sei. Die Sparkasse treffe kein Mitverschulden.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Es übernahm dessen Feststellungen und legte sie auch seiner Entscheidung zugrunde. Der Kläger habe im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit für die Parteien des Kaufvertrages der den Kauf finanzierenden Sparkasse zugesagt, für eine gleichzeitige Einverleibung des Eigentumsrechtes des Käufers und des Höchstbetragspfandrechtes der Sparkasse Sorge zu tragen. Er habe sich damit auf Grund des ihm erteilten Auftrages gegenüber der Sparkasse verpflichtet, für eine wirksame Sicherstellung des Kredites zu sorgen. Für Schäden, die durch die verschuldete Verletzung dieser Verpflichtung adäquat verursacht würden, habe der Kläger gemäß den §§ 1295 ff ABGB einzustehen. Es treffe ihn deshalb nicht nur eine gesetzliche Haftpflicht, weil er gegenüber der Sparkasse Aufklärungs- und Belehrungspflichten verletzt habe. Der an der Unfähigkeit des Käufers, die Grunderwerbssteuer zu zahlen, gescheiterten Durchführung des Kaufvertrages hätte der Kläger dadurch vorbeugen können, daß er von dem ihm überwiesenen Betrag einen entsprechenden Teilbetrag einbehalten hätte. Zwar dürfe ein Anwalt darauf vertrauen, daß der an der Einverleibung seines Eigentumsrechtes interessierte Käufer die Mittel für die Grunderwerbssteuer aufbringe. Werde aber, wie hier, der Kaufpreis - abgesehen von einer dem Verkäufer zu zahlenden Leibrente - zur Gänze fremdfinanziert, müsse der Anwalt prüfen, ob die Bezahlung der Grunderwerbssteuer gewährleistet sei. Daß der Kläger eine derartige Prüfung unterlassen habe, sei ihm zumindest als leichte Fahrlässigkeit anzulasten. Der Kläger habe daher nicht alles getan, um die der Sparkasse gegebene Zusage einzuhalten. Die Sparkasse habe sich darauf verlassen können, daß der Kläger als Anwalt alle Risken beachten und abwägen werde. Sie habe die Auszahlung des Kreditbetrages nicht davon abhängig machen müssen, daß die Grunderwerbssteuer bezahlt oder doch sichergestellt sei. Durch die in diesem Sinn "vorbehaltlose" Zustimmung ihres Vertreters habe die Sparkasse den Schaden nicht mitverschuldet. Andere Tatsachen, aus denen auf ein Mitverschulden der Sparkasse geschlossen werden könnte, habe die beklagte Partei nicht behauptet. Mit der Berichtigung der Forderung der Sparkasse sei der Kläger nur seiner Schadenersatzverpflichtung nachgekommen.

Die beklagte Partei bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen, in eventu, es im klageabweisenden Sinn abzuändern.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit (§ 503 Abs 1 Z 2 ZPO) liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung macht die beklagte Partei geltend, der Kläger sei als Rechtsanwalt gemäß § 9 Abs 1 RAO verpflichtet, die übernommenen Vertretungen dem Gesetz gemäß zu führen und die Rechte seiner Partei gegen jedermann mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten. Er sei daher im vorliegenden Fall zu einer entsprechenden Vertretung der Parteien des Kaufvertrages verpflichtet gewesen, deren Interesse auf Errichtung und Abwicklung dieses Vertrages gerichtet gewesen sei. Die Sparkasse sei in diesem Verhältnis Dritter gewesen. Gemäß § 10 Abs 1 RAO sei der Rechtsanwalt verpflichtet, die Vertretung oder auch nur die Erteilung eines Rates abzulehnen, wenn er die Gegenpartei in derselben oder in einer damit zusammenhängenden Sache vertreten habe. Es sei dem gleichzuhalten, wenn ein Rechtsanwalt in derselben oder in einer damit zusammenhängenden Sache eine Partei vertrete, die gegenteilige Interessen habe oder doch haben könnte. Selbst wenn man Aufklärungs- und Treuepflichten des Klägers gegenüber der Sparkasse annehme, würden diese "jedenfalls von den Treuepflichten gegenüber seinen Parteien" (jenen des Kaufvertrages) "begrenzt und müßten hinter diese selbstredend zurücktreten". Der Kläger habe sich aber auch nur verpflichtet, gleichzeitig mit der Einverleibung des Eigentumsrechtes für den Käufer auch das Höchstbetragspfandrecht für die Sparkasse einzuverleiben bzw. entsprechende Anträge zu stellen; er habe die Sparkasse dagegen nicht aufzuklären oder zu belehren gehabt.

Das Revisionsgericht stimmt diesen Ausführungen im Ergebnis nicht zu. Doppelvertretung, die bei Anwälten und Notaren an sich häufig ist, wenn es um Vertragserrichtung und -durchführung geht, ist nach österreichischem Recht grundsätzlich zulässig. Der Geschäftsbesorger hat in diesem Fall die Interessen beider Geschäftsherrn entsprechend zu wahren. Nur wenn Interessenkollision zu befürchten ist, ist Doppelvertretung unzulässig (Strasser in Rummel, ABGB, Rz 22 zu § 1009 mwN). Doppelvertretung ist zumindest dann zulässig, wenn die Vertragsteile dieser zugestimmt oder sie genehmigt haben (Stanzl in Klang2 IV/1, 819; ÖBl 1975, 93). Hat der Beauftragte die Interessen mehrerer Personen zu vertreten, erwächst für ihn als Anwalt die Verpflichtung, alle Auftraggeber mit gleicher Sorgfalt zu behandeln und vor Interessengefährdung zu bewahren (SZ 34/153).

Daß der Kläger von beiden Vertragsteilen des Kaufvertrages mit ihrer Vertretung bei Abschluß und Durchführung dieses Vertrages beauftragt war, zieht die beklagte Partei nicht in Zweifel. Der Kläger war aber in gleicher Weise und mit Einverständnis der Parteien des Kaufvertrages auch mit der Vertretung der Sparkasse beauftragt, die in die Vertragsgespräche zwischen den Parteien des Kaufvertrages eingebunden war. Dies ergibt sich nicht zuletzt auch daraus, daß der erste Vorstandsdirektor der Sparkasse sich an diesen Gesprächen aktiv beteiligte. Der Kläger war auch bei Empfangnahme und Überweisung des Betrages von S 500.000,-- an den Verkäufer nicht nur Treuhänder der Parteien des Kaufvertrages, sondern auch der Sparkasse, wie er in dem Schreiben an die Sparkasse vom 14.6.1983 ausdrücklich festhält. Eine mehrseitige Treuhand ist durchaus möglich. Der Treuhänder hat in diesem Fall Interessen in mehreren Richtungen zu wahren. Widersprechende Parteiinteressen bilden sogar einen der wichtigsten Bestellungsgründe für Treuhänder. In der Annahme von Treuhandmandaten im Interesse beider Seiten liegt daher keine Doppelvertretung (EvBl 1980/162; EvBl 1972/19 je mwN). War der Kläger über gemeinsamen Auftrag sowohl der Parteien des Kaufvertrages als auch der Sparkasse, jedenfalls aber mit Zustimmung eines jeden Teils als beauftragter Vertreter tätig, kann kein Grund gefunden werden, weshalb der Kläger in seinen Aufklärungs- und Treuepflichten gegenüber der Sparkasse durch die Treuepflichten gegenüber den Parteien des Kaufvertrages begrenzt gewesen sein sollte. Der Kläger hatte sich auch entgegen der Ansicht der beklagten Partei durch die Übernahme der Haftung dafür, daß zugleich mit der Einverleibung des Eigentumsrechtes für den Käufer das Höchstbetragspfandrecht von S 650.000,-- für die Sparkasse einverleibt wird, durchaus verpflichtet, für eine wirksame Sicherstellung des dem Käufer gewährten Kredites zu sorgen, also auch dafür Sorge zu tragen, daß bei Überweisung des Betrages von S 500.000,-- an den Verkäufer die Einverleibung des Eigentumsrechtes für den Käufer sichergestellt ist. Hat der Kläger dies nicht getan, weil er für die Zahlung der Grunderwerbssteuer durch den Käufer keine Vorsorge traf, obwohl eine solche Vorsorge mit Rücksicht darauf, daß der Kauf - wie bereits vom Berufungsgericht hervorgehoben wurde - (mit Ausnahme der geringen Leibrentenleistungen) zur Gänze fremdfinanziert war und er keineswegs ohne weiteres darauf vertrauen durfte, daß der Käufer den doch relativ erheblichen Betrag aufbringen werde, angezeigt und notwendig gewesen wäre, ist dies bei Anwendung des Sorgfaltsmaßstabes des § 1299 ABGB als ein Verschulden zu werten.

Ein eigenes Verschulden der Sparkasse, weil sie nicht von sich

aus durch entsprechende Auszahlungsbedingungen dafür gesorgt habe,

daß die Auszahlung des Betrages von S 500.000,-- nur bei

entsprechender Sicherstellung erfolge - insbesondere Auszahlung der Darlehensvaluta erst nach grundbücherlicher Sicherstellung (vgl. VersR 1975, 171), Sicherstellung der Zahlung der Grunderwerbssteuer - , liegt nicht vor. Die Sparkasse durfte auf ein entsprechend aufmerksames und sorgfältiges Verhalten des Klägers vertrauen.

Jener Umstand, der nach Ansicht der beklagten Partei ein Mitverschulden der Sparkasse begründen soll, wurde im übrigen festgestellt. Das Erstgericht hat nämlich als erwiesen angenommen, daß der Vorstandsdirektor der Sparkasse die Auszahlung der Teilkaufsumme an den Verkäufer nicht davon abhängig machte, daß zu diesem Zeitpunkt bereits das Höchstbetragspfdandrecht im Grundbuch einverleibt ist (AS 60 = S 20 des erstinstanzlichen Urteils). Ein Feststellungsmangel liegt daher nicht vor.

Mit Recht haben die Vorinstanzen dem Klagebegehren stattgegeben. Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E20714

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0070OB00013.9.0405.000

Dokumentnummer

JJT_19900405_OGH0002_0070OB00013_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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