TE OGH 1990/4/19 8Ob564/90

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Veröffentlicht am 19.04.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Huber, Dr. Graf und Dr. Jelinek als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Hartwig, geboren 26. Februar 1978, und Gerwin, geboren 10. Dezember 1978, H***, vertreten durch die Mutter Helene H***, technische Zeichnerin, Weitlofgasse 20/46, 1180 Wien, diese vertreten durch Dr. Herbert Grass, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalt, infolge Revisionsrekurses des Vaters Manfred H***, Modellbauer, 1180 Wien, Schöffelgasse 12/5/1, vertreten durch Dr. Martin Binder ua., Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 30. November 1989, GZ. 47 R 726/89-45, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 28. August 1989, GZ. 7 P 239/87-38, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird, soweit er die Zurückweisung des Unterhaltsherabsetzungsantrages des Vaters für die Zeit vom 1. November 1987 bis 7. Juli 1988 betrifft, aufgehoben und dem Rekursgericht eine neue Entscheidung über die Herabsetzung der Unterhaltsverpflichtung des Vaters für diese Zeit unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen. Im übrigen, also hinsichtlich der Abweisung des Unterhaltsherabsetzungsbegehrens für die Zeit ab 8. Juli 1988, wird dem Rekurs nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern der Minderjährigen wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 29. Oktober 1987, 7 Sch 32/87-3, rechtskräftig geschieden. Die beiden minderjährigen Kinder verblieben in Pflege und Erziehung der Mutter. Der Vater verpflichtete sich mit Vergleich vom gleichen Tag, für die beiden Minderjährigen einen Unterhalt von je S 3.500 monatlich zu bezahlen. Dabei wurde im Vergleich festgehalten, daß der Unterhaltsregelung für die beiden Kinder das steuerpflichtige Einkommen des Vaters für 1985 in Höhe von S 104.128 zugrundegelegt wird (P 7 und 10 des Vergleiches). Dieser Vergleich wurde pflegschaftsbehördlich genehmigt.

Am 8. Juli 1988 beantragte der Vater die Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung auf S 2.300 monatlich je Kind und brachte dazu vor, er habe auf Grund einer Betriebsprüfung eine Steuernachzahlung von S 140.000. Sein Einkommen für 1987 werde ca. S 150.000 betragen. Darüber hinaus habe er nun eine weitere gesetzliche Unterhaltsverpflichtung für die mj. Ines F***, geboren am 19. März 1988. Am 28. Juli 1989 beantragte der Vater die Herabsetzung seiner monatlichen Unterhaltsverpflichtung rückwirkend ab 1. November 1987.

Mit dem angefochtenen Beschluß setzte das Erstgericht die Unterhaltsverpflichtung des Vaters für die Zeit vom 1. November 1987 bis 31. Dezember 1987 auf S 2.300 je Kind und ab 1. Jänner 1988 auf S 2.600 je Kind herab. Das Mehrbegehren des Vaters, gerichtet auf eine Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung um weitere S 300 monatlich je Kind für die Zeit ab 1. Jänner 1988 wies es unbekämpft ab.

Gegen den dem Antrag stattgebenden Teil des Beschlusses, sohin auch gegen die rückwirkende Unterhaltsherabsetzung für die Zeit ab 1. November 1987 bis 7. Juli 1988, erhoben die Minderjährigen Rekurs mit dem Abänderungsantrag, das Herabsetzungsbegehren des Vaters zur Gänze abzuweisen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Minderjährigen Folge und änderte den angefochtenen Beschluß dahingehend ab, daß es den Herabsetzungsantrag des Vaters betreffend die Zeit vom 1. November 1987 bis 7. Juli 1988 zurückwies und für die Zeit ab 8. Juli 1988 zur Gänze abwies. In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Ansicht, es verbleibe - entgegen der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 5 Ob 605/89 - bei der alten Rechtsprechung, daß die rückwirkende Herabsetzung des Unterhalts Minderjähriger im streitigen Verfahren durchzusetzen und daher insoweit der Herabsetzungsantrag des Vaters zurückzuweisen sei. Für die Zeit ab 8. Juli 1988 sei er zur Gänze abzuweisen, weil dem Antragsteller nur eine weitere Sorgepflicht für die am 19. März 1988 geborene Tochter Ines treffe, sein Einkommen aber gegenüber der Vergleichsgrundlage von S 8.677 monatlich auf nunmehr S 14.971 monatlich gestiegen sei. Die neu hinzugekommene Unterhaltsverpflichtung gegenüber der mj. Ines finde in dem nunmehr wesentlich höheren Einkommen des Vaters noch ausreichend Deckung.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben, in der Sache selbst zu entscheiden und den angefochtenen Beschluß dahingehend abzuändern, daß der Rekurs der Minderjährigen als unbegründet verworfen wird, in eventu dahingehend abzuändern, daß dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen wird; hilfsweise begehrt er, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht aufzutragen, unter Verzicht auf den gebrauchten Zurückweisungsgrund, neuerlich in der Sache selbst zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und teilweise auch berechtigt. Entgegen der Meinung des Revisionsrekurswerbers sind hinsichtlich der Zulässigkeit seines Revisionsrekurses noch die Rechtsmittelbestimmungen des AußStrG in der vor der Wertgrenzen-Novelle 1989 geltenden Fassung anzuwenden, weil der zweitinstanzliche Beschluß vor dem 31. Dezember 1989 ergangen ist (Art. XLI Z 5 WGN 1989). Sowohl bei der Frage, in welcher Verfahrensart die Herabsetzung des Unterhalts zu begehren ist, als auch bei der Frage, ob und inwieweit die Bemessung eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs von der Wirksamkeit oder der Auslegung einer vertraglichen Regelung abhängt, handelt es sich nicht um eine Frage der Bemessung des gesetzlichen Unterhalts gemäß § 14 Abs 2 AußStrG (Jud. 60 neu P I und IV; zuletzt 5 Ob 610/89), sodaß der Revisionsrekurs, weil keine Bemessungsfrage betreffend, zulässig ist.

1. Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 12. September 1989, 5 Ob 605/89, EvBl 1990/2, dargelegt, warum er seine frühere Rechtsprechung, daß eine rückwirkende Herabsetzung des Unterhalts nur im streitigen Verfahren begehrt werden könne, nicht aufrechterhalte und ausgesprochen, daß ein solches Begehren, so lange kein Exekutionsverfahren eingeleitet ist, im außerstreitigen Verfahren - genauso wie ein Herabsetzungsantrag für die Zukunft oder ein Erhöhungsantrag für Zukunft oder Vergangenheit - geltend zu machen ist; auf die ausführliche Begründung dieses Beschlusses wird verwiesen; hievon abzugehen besteht kein Anlaß.

Es wäre vielmehr - entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes - willkürlich, eine Ausnahme für die rückwirkende Herabsetzung zu machen. Daß nach Bewilligung eines Exekutionsverfahrens mit einer Klage nach § 35 EO vorzugehen ist, gilt für alle Herabsetzungsbegehren, gleichgültig, ob es sich um die Vergangenheit betreffende oder um zukünftig fällig werdende handelt, für die bereits Exekution bewilligt wurde (EFSlg 41.850 mwN ua.). Der Revisionsrekurs ist daher, soweit er sich gegen die Zurückweisung des Herabsetzungsbegehrens vom 1. November 1987 bis 7. Juli 1988 richtet, im Sinn des Aufhebungsantrages berechtigt; eine Sachentscheidung kommt nicht in Betracht, weil andernfalls der Instanzenzug verkürzt würde.

Bei der neuerlichen Entscheidung wird das Rekursgericht darauf Bedacht zu nehmen haben, daß die Sorgepflicht für ein weiteres Kind erst ab März 1988 hinzugekommen ist.

2. Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die Abweisung des Herabsetzungsbegehrens ab 8. Juli 1988 richtet, ist er nach § 14 Abs 2 AußStrG bekämpfbar, weil das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluß im angeführten Umfang abgeändert hat; er ist aber nicht berechtigt.

Es trifft zu, daß Unterhaltsvereinbarungen grundsätzlich der Umstandsklausel unterliegen. Tritt eine wesentliche Änderung der für die Unterhaltsbemessung maßgebenden Umstände ein, können grundsätzlich sowohl der Unterhaltsberechtigte als auch der Unterhaltsverpflichtete eine Neufestsetzung des Unterhaltes begehren. Hiebei ist auf die Unterhaltsvereinbarung und die seither eingetretenen Veränderungen Bedacht zu nehmen. Die gerichtliche Neubemessung hat nicht völlig losgelöst von der bisherigen vertraglichen Regelung und der unter Bedachtnahme auf die in diesem Zeitpunkt gegebenen Verhältnisse zum Ausdruck gekommenen Konkretisierung der Bemessungsgrundsätze durch die Parteien zu erfolgen (EFSlg 43.715 mwN); dies muß jedenfalls bezüglich der vom unterhaltspflichtigen Vater vergleichsweise übernommenen Unterhaltspflicht gelten, weil diese zur Gänze seiner Parteidisposition unterliegt.

Eine Vernachlässigung der Relation zwischen dem Einkommen und dem vereinbarten Unterhalt wird daher - abgesehen von einer anderslautenden Vereinbarung, die hier nicht vorliegt - nur dann in Betracht kommen, wenn die Neubemessung des bisher auf Grund eines Vergleiches geregelten Unterhalts nicht bloß auf Grund einer Änderung der Einkommensverhältnisse, sondern auch unter Berücksichtigung weiterer für die Unterhaltsbemessung maßgeblicher Umstände vorgenommen werden muß (EFSlg 43.715 mwN ua.). Diese Ausführungen müssen - mit dem Rekursgericht - dahingehend einschränkend verstanden werden, daß dann, wenn sich nicht nur die Einkommensverhältnisse, sondern auch andere für die Unterhaltsbemessung relevante Umstände ändern, z.B. wie hier die Sorgepflicht für ein weiteres Kind hinzukommt, auch auf diese Umstände Bedacht zu nehmen ist.

Der Vater hat sich im Scheidungsvergleich freiwillig zu einem zwar betraglich nicht sehr hohen, im Verhältnis zu seinem damaligen Einkommen aber relativ hohen Unterhalt für seine minderjährigen Kinder verpflichtet. Warum diese vergleichsweise übernommene Vereinbarung sittenwidrig sein sollte, führt er nicht aus und ist auch nicht objektiv erkennbar. Von dieser Relation abzugehen, besteht nur insoweit Anlaß, als die Sorgepflicht für ein weiteres Kleinkind hinzukommt. Da sich das Einkommen des Vaters aber zwischenzeitig wesentlich - um ca. 50 % - erhöht hat, kann er seiner neu hinzugekommenen Sorgepflicht für ein weiteres Kleinkind aus diesem erhöhten Einkommen leicht nachkommen. Für eine Herabsetzung der vergleichsweise übernommenen Unterhaltsverpflichtung besteht daher kein Raum.

Zur nunmehr wesentlich höheren Unterhaltsbemessungsgrundlage ist zu bemerken, daß es sich hiebei um eine reine Bemessungsfrage handelt, die gemäß dem hier noch anzuwendenden § 14 Abs 2 AußStrG aF vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbar ist.

Anmerkung

E20727

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0080OB00564.9.0419.000

Dokumentnummer

JJT_19900419_OGH0002_0080OB00564_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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