TE Vwgh Erkenntnis 2005/11/24 2005/07/0078

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Veröffentlicht am 24.11.2005
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Index

L66203 Landw Bringungsrecht Güter- und Seilwege Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/06 Bodenreform;

Norm

AVG §8;
GSGG §1 Abs2;
GSGG §2 Abs2 Z2;
GSLG NÖ §3 Abs1 Z2;
GSLG NÖ §5;
GSLG NÖ;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Chlup, über die Beschwerden der DB in A, vertreten durch Dr. Alfons Adam und Mag. Gernot Steier, Rechtsanwälte in 3040 Neulengbach, Rathausplatz 108, gegen die Bescheide des Landesagrarsenates beim Amt der niederösterreichischen Landesregierung vom 16. November 2004,

1.) Zl. LF6-LAS-193/001-2004 (hg. Zl. 2005/07/0094), betreffend Nichtzuerkennung der Parteistellung, und 2.) Zl. LF6-LAS-93/002- 2004 (hg. Zl. 2005/07/0078), betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Bringungsrechtsangelegenheit (jeweils mitbeteiligte Partei: Güterweggemeinschaft U, z. Hd. GH in A), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhalts aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Kosten in der Höhe von insgesamt EUR 2.342,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. 2607/3, GB A. Unmittelbar angrenzend an ihr Grundstück befindet sich die Liegenschaft Nr. 2607/1. Entlang der gemeinsamen Grenze dieser Grundstücke, auf dem Grundstück Nr. 2607/1, plante die Güterweggemeinschaft U (die mitbeteiligte Partei) die Errichtung des Teilabschnittes 2 des Güterweges U und beantragte bei der niederösterreichischen Agrarbezirksbehörde (ABB) die Erteilung einer Bewilligung nach dem Niederösterreichischen Güter- und Seilwegelandesgesetz, LGBl. 6620-2 (NÖ GSLG).

Mit Schreiben vom 30. Oktober 2004 meldete die Beschwerdeführerin bei der ABB Bedenken gegen die Errichtung des Güterwegs an und brachte im Wesentlichen vor, dass sich auf dem Grundstück Nr. 2607/1, auf dem der Güterweg errichtet werden solle, ein steiler Rutschhang befinde. Bei der vorgesehenen Ausbaubreite von vier Metern müsse der Rutschhang angeschnitten werden, weshalb eine konkrete und schwer wiegende Gefährdung für ihr Haus und ihre Liegenschaft gegeben sei. Auch aus der im Rahmen des Bewilligungsverfahrens eingeholten sachverständigen geologischen Stellungnahme vom 3. Juli 2003 gehe hervor, dass der Hang - den Tatsachen entsprechend - deutliche Anzeichen von älteren Bodenbewegungen aufweise, die Bäume im darüber anschließenden Wald einen krummen Wuchs besäßen, und dass es notwendig sei, die errichteten Böschungen umgehend zu begrünen, um mögliche Nachrutschungen zu vermeiden.

Mit Schreiben vom 24. November 2004 stellte die Beschwerdeführerin bei der ABB einen Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung im Verfahren über die Neutrassierung des Güterwegs. Sie begründete diesen Antrag damit, dass nach § 5 Abs. 2 NÖ GSLG eine Bringungsanlage u.a. nur dann bewilligt werden dürfe, wenn durch die vorgesehene Maßnahme Rechte fremder Personen nicht verletzt würden. Inwiefern ihre Interessenssphäre durch das gegenständliche Vorhaben verletzt werde, ergebe sich aus ihrem Schreiben vom 30. Oktober 2004.

Die ABB holte daraufhin eine ergänzende sachverständige Stellungnahme ein, aus der sich zusammengefasst ergibt, dass die auf der in Frage stehenden Liegenschaft angetroffenen Gelände- und Untergrundverhältnisse auf eine hohe Standsicherheit hinwiesen. Auf Grund von Vernässungen im Zuge extremer Witterungsverhältnisse seien flachgründige Hangbewegungen - wie sie dort an einer Stelle bereits vor mehreren Jahrzehnten schon einmal aufgetreten seien -, grundsätzlich nicht auszuschließen. Eine Auslösung von Bodenbewegungen durch die geplante Wegeanlage in diesem Abschnitt sei jedoch nicht zu erwarten. Durch die neu geplante, hangeinwärts gerichtete Wegtrasse sei die Erfassung und Ableitung von Hangwässern mittels Muldengraben und zusätzlicher Drainage sichergestellt, wodurch jede Gefährdung für das unterhalb liegende Wohnhaus der Beschwerdeführerin, wie sie in einem gewissen Ausmaß derzeit noch bestehe, beseitigt werde.

Mit Bescheid vom 6. April 2004 wies die ABB den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung der Parteistellung im Verfahren zur Errichtung des Güterwegs U Abschnitt 2 ab.

Mit Bescheid vom 30. April 2004 bewilligte die ABB die Errichtung der Bringungsanlage "Güterweg U", Teilabschnitt 2 unter Vorschreibung von Auflagen.

Gegen beide Bescheide erhob die Beschwerdeführerin Berufung.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der ABB vom 6. April 2004, mit dem der Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung abgewiesen worden war, als unbegründet ab.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der ABB vom 30. April 2004, mit dem die Errichtung des Teilabschnitts 2 des Güterwegs U bewilligt worden war, mangels Parteistellung der Beschwerdeführerin als unzulässig zurückgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde in diesen beiden Bescheiden zusammengefasst aus, dass private Rechte nur dann subjektive öffentliche Rechte im Sinn des § 8 AVG begründeten, wenn die Wahrung dieser Rechte den Behörden ausdrücklich zur Pflicht gemacht werde. § 5 Abs. 3 NÖ GSLG über die Sicherheit des Verkehrs und zum Schutz der im Abs. 2 genannten Interessen und Rechte fremder Personen richte sich ausschließlich an die Agrarbehörde und begründe keine subjektiv öffentlichen Rechte. Für den normativen Gehalt eines Gesetzes sei zudem allein der Wortlaut des anzuwendenden Gesetzes entscheidend. Nur wenn der Wortlaut unklar sei, sei zur Auslegung auf Materialien zurückzugreifen. Nach dem völlig klaren Wortlaut des § 5 NÖ GSLG habe weder der Anrainer noch der Nachbar die Stellung einer Partei.

Gegen den erstangefochtenen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

Dieser lehnte mit Beschluss vom 23. Juni 2005, B 521/05-5, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung ab.

In der nunmehr zur hg. Zl. 2005/07/0094 protokollierten Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid wird Rechtswidrigkeit des Inhalts, in der zur hg.  Zl. 2005/07/0078 protokollierten Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

In beiden Beschwerden bringt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass unmittelbar an den Grundstücksteil, der für den Güterweg vorgesehen sei, ein sehr steiler Rutschhang grenze. Aus der ersten Stellungnahme des amtlichen geologischen Dienstes gehe hervor, dass der Hang deutliche Bodenbewegungen aufweise und dass die errichteten Böschungen umgehend begrünt werden müssten, um mögliche Nachbrüche zu verhindern. Diese Stellungnahme und auch ihre eigene Kenntnis der Gegebenheiten seien Grund genug zu Annahme, dass eine konkrete schwer wiegende Gefährdung ihres Hauses und ihrer Liegenschaft gegeben sei. Mit dem Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung habe sie zumindest die Möglichkeit erreichen wollen, durch ein von ihr in Auftrag gegebenes geologisches Gutachten dem Amtssachverständigen auf gleicher fachlicher Ebene zu begegnen, weil sie ganz sicher sei, dass der durch Errichtung des Güterweges angeschnittene Rutschhang für ihr Eigentum eine große Gefahr darstelle.

Nach § 5 Abs. 2 NÖ GSLG sei eine Bewilligung nur zu erteilen, wenn durch die hier vorgesehene Maßnahme Rechte fremder Personen nicht verletzt würden. § 5 leg. cit. sehe zwar nicht ausdrücklich eine Parteistellung vor, er schließe diese aber auch nicht aus. Diese Vorschrift entspreche der Bestimmung des § 8 AVG, sodass im gegenständlichen Fall auch die dort entwickelten Rechtsgrundsätze Anwendung zu finden hätten. Die Parteistellung könne auch gegeben sein, wenn die durch die Sache berührte Rechtssphäre eine privatrechtliche - wie hier das Nachbarrecht - sei. Die Bewilligung hätte nicht erteilt werden dürfen, weil dadurch ihre Rechte verletzt würden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und brachte jeweils eine Gegenschrift ein, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragte.

Die mitbeteiligte Partei hat sich an keinem der beiden Verfahren beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die vorliegenden Beschwerden wegen ihres rechtlichen, sachlichen und persönlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden und hat hierüber erwogen:

Das NÖ GSLG enthält keine ausdrückliche Bestimmung darüber, wer im Verfahren zur Genehmigung einer Bringungsanlage Parteistellung genießt.

Gemäß § 8 AVG sind Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, Beteiligte und, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien.

Darüber, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, dass von einem Rechtsanspruch oder rechtlichem Interesse die Rede sein kann, enthält § 8 AVG keine Bestimmung. Es kann demnach die Frage, wer in einem konkreten Verwaltungsverfahren Parteistellung besitzt, an Hand des AVG allein nicht gelöst werden. Die Parteistellung muss vielmehr aus den verwaltungsrechtlichen Vorschriften abgeleitet werden; auf dem Boden des materiellen Verwaltungsrechts muss sie nach dem Gegenstand des betreffenden Verwaltungsverfahrens und nach dem Inhalt der zur Anwendung kommenden Verwaltungsvorschriften beurteilt werden. Die Begriffe "Rechtsanspruch" und "rechtliches Interesse" gewinnen erst durch die jeweils zur Anwendung kommende Verwaltungsvorschrift einen konkreten Inhalt, wonach allein die Frage der Parteistellung beantwortet werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. April 2004, 2003/07/0125, u.a.). Prüfungsmaßstab für die Frage der Parteistellung der Beschwerdeführerin war daher der Inhalt des NÖ GSLG.

Vorauszuschicken ist, dass die Beschwerdeführerin sowohl im Verwaltungsverfahren als auch in ihren Beschwerden ihre Einwände auf konkrete schwer wiegende Gefährdungen ihres Hauses und ihrer der Bringungsanlage benachbarten Liegenschaft gestützt hat. Dass sich diese Einwendungen auf aus dem Grundeigentum erwachsende Privatrechte der Beschwerdeführerin beziehen, hinderte die Bejahung ihrer Parteistellung nicht. Denn auch ein Privatrecht kann die Parteistellung im Verwaltungsverfahren begründen, wenn dessen Wahrung der Verwaltungsbehörde vom Gesetzgeber zur Pflicht gemacht wird (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Juli 1997, 97/07/0015).

§§ 3 und 5 NÖ GSLG lauten (auszugsweise):

"Art, Inhalt und Umfang

§ 3. (1) Die Agrarbehörde hat Art, Inhalt und Umfang eines Bringungsrechtes so festzusetzen, dass

1. die durch die Einräumung und Ausübung eines Bringungsrechtes erreichbaren Vorteile die damit verbundenen Nachteile überwiegen;

2.

weder Menschen noch Sachen gefährdet werden;

3.

fremder Grund unter Berücksichtigung seines Verwendungszweckes in möglichst geringem Ausmaß in Anspruch genommen wird und

              4.              möglichst geringe Kosten verursacht werden.

(2) ...

Bewilligungspflicht

§ 5. (1) Zur Errichtung oder Änderung einer Bringungsanlage durch einen Bringungsberechtigten oder durch eine nach den Bestimmungen dieses Gesetzes gebildete Bringungsgemeinschaft oder Güterweggemeinschaft ist eine besondere Bewilligung der Agrarbehörde erforderlich.

(2) Die Bewilligung ist auf Antrag der Bringungsberechtigten, der Bringungsgemeinschaft oder der Güterweggemeinschaft unter Rücksichtnahme auf die Landesverteidigung, Wasserwirtschaft, Bundes- und Landesstraßen, Eisenbahnen oder Anlagen der Energieversorgung, des Bergbaues, der Luft- und Schifffahrt, sowie auf sonstige öffentliche Interessen zu erteilen, wenn durch die vorgesehene Maßnahme Rechte fremder Personen nicht verletzt werden.

(3) Der Bewilligungsbescheid hat die für die Sicherheit des Verkehrs und zum Schutze der im Abs. 2 genannten Interessen und Rechte fremder Personen erforderlichen Vorschreibungen über die Ausführung und Ausstattung der Anlage zu enthalten. Er kann auch gemeinsam mit dem Bescheid über die Einräumung des Bringungsrechtes erlassen werden.

(4) Die Benützungsberechtigten haben den Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Anlage spätestens 2 Wochen vor diesem Zeitpunkt der Agrarbehörde zu melden. Diese hat die Benützung zu untersagen, wenn sie Mängel feststellt, die die Verkehrssicherheit beeinträchtigen, oder wenn durch Nichteinhaltung von Vorschreibungen öffentliche Interessen, insbesondere auf dem Gebiete der Landesverteidigung, Wasserwirtschaft, Bundes- und Landesstraßen, Eisenbahnen oder Anlagen der Energieversorgung, des Bergbaues, der Luft- und Schifffahrt, oder Interessen fremder Personen verletzt werden.

(5) ..."

§ 5 NÖ GSLG nennt Rechte und Interessen "fremder" Personen, ohne klar zum Ausdruck zu bringen, welche Rechte gemeint sind und wer in diesen Personenkreis fällt. Geht man davon aus, dass die Antragsteller und die Eigentümer der Grundstücke, über die die Bringungsanlage führt (Belastete), in einem unmittelbaren rechtlichen Naheverhältnis zur Angelegenheit des Verfahrens (Bewilligung einer Bringungsanlage) stehen und daher nicht "fremd" zum Verfahrensgegenstand sind, liegt das auch von der belangten Behörde gewählte Verständnis nahe, Nachbarn oder Anrainer fielen unter den Begriff "fremder Personen" in § 5 NÖ GSLG.

Ein Bringungsrecht darf nur so festgesetzt werden, dass weder Menschen noch Sachen gefährdet werden (§ 3 Abs. 1 Z 2 NÖ GSLG). Die Bringungsanlage darf daher nicht zusätzliche Gefahrenquellen schaffen, wie etwa Abrutschgefahr oder Absturzgefahr.

Aus der Bestimmung des § 5 Abs. 2 NÖ GSLG ergibt sich nun, dass die Agrarbehörde eine Bringungsanlage - wie den gegenständlichen Güterweg - unter Berücksichtigung diverser öffentlicher Interessen nur dann bewilligen darf, wenn dadurch die Rechte fremder Personen nicht verletzt werden. In diesem Sinn bestimmen auch die Abs. 3 bzw. 4 leg. cit., dass der Bewilligungsbescheid u.a. die zum Schutze der Rechte fremder Personen erforderlichen Vorschreibungen enthalten muss bzw. dass die Benützung der Anlage zu untersagen ist, wenn durch die Nichteinhaltung von Vorschreibungen u.a. die Interessen fremder Personen verletzt werden.

Dass die in § 5 geschützten Rechte und Interessen fremder Personen mit § 3 des Gesetzes in Verbindung zu setzen sind, ergibt sich aus den Materialien zum NÖ GSLG. Die Materialien (GZ VI/4-A- 82/20-1972 vom 19. Dezember 1972) führen zu § 5 aus:

"Um den mit der Benützung von Bringungsanlagen für Personen und Sachen naturgemäß verbundenen Gefahren von vornherein durch eine entsprechende Ausführung der Anlage möglichst vorzubeugen, sieht diese Bestimmung für die Errichtung oder Änderung jeder Bringungsanlage in Ausübung eines landwirtschaftlichen Bringungsrechtes oder durch eine Bringungsanlage oder Güterweggemeinschaft eine Bewilligung der Agrarbehörde vor. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung ist normiert worden, dass die mit Bewilligung der Agrarbehörde errichteten Bringungsanlagen keiner zusätzlichen baubehördlichen Bewilligung bedürfen.

Die Behörde hat weiters eine Handhabe, bei Außerachtlassung der verfügten Bauvorschreibungen die Inbetriebnahme und Benützung der Anlage zu versagen. Diese Vorschriften stellen eine Ergänzung des im § 3 Abs. 1 Z. 2 aufgestellten Grundsatzes dar, dass weder Menschen noch Sachen gefährdet werden dürfen."

Die Rechte fremder Personen sollten demnach vor einer Gefährdung, wie sie § 3 Abs. 1 Z 2 NÖ GSLG nennt, geschützt werden. Darunter fällt aber auch die Gefährdung der Substanz des Grundeigentums bzw. eines bestehenden Hauses (hier: durch Hangrutschungen).

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde überbindet § 5 leg. cit. der Agrarbehörde die Pflicht, diese privaten Rechte fremder Personen zu wahren, dh. bei einem Eingriff in diese Rechte die Bewilligung nicht zu erteilen oder bei der Erteilung der Bewilligung auf den Schutz dieser Interessen und Rechte fremder Personen durch entsprechende Vorschreibungen zu achten. Auch diese Rechte werden nach dem Wortlaut der zitierten gesetzlichen Bestimmung zum Schutzobjekt des Gesetzes.

Eine Aussage oder Hinweise dahingehend, dass Privatrechte und privatrechtliche Interessen - wie die der Beschwerdeführerin - von dieser Pflicht der Behörde ausgenommen wären, ist dem NÖ GSLG hingegen nicht zu entnehmen.

Den "fremden Personen" erwächst daher aus § 5 NÖ GSLG das Recht, dass bei Verletzung ihrer Rechte keine Bewilligung für die Errichtung bzw. die Benützung einer Bringungsanlage erteilt werden darf; dieses Recht vermittelt ihnen aber Parteistellung im Verfahren zur Bewilligung einer Bringungsanlage.

Für dieses Ergebnis spricht auch, dass nach Rechtsprechung und Lehre die Frage, ob einer Norm des objektiven Rechts ein subjektiver Rechtsanspruch korrespondiert, wenn sich im Gesetz auch keine bestimmte sprachliche Wendung über die Qualifikation des faktischen Interesses einer Person findet, nach einer Zweifelsregel gelöst wird: Hat eine Person ein Interesse an der Erfüllung einer Pflicht, ein Interesse, das für die gesetzliche Festlegung der verpflichtenden Norm maßgebend war, so streitet im demokratischen Rechtsstaat eine Vermutung für ihre Befugnis zur Rechtsverfolgung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2002, Zl. 2001/07/0133). Diese Überlegungen gelten auch für den vorliegenden Fall.

Daran ändert auch der Hinweis der belangten Behörde darauf nichts, dass die §§ 13 bis 16 des Güter- und Seilwege-Grundsatzgesetzes 1967, BGBl. Nr. 198 in der Fassung BGBl. I Nr. 39/2000, die im NÖ GSLG vorgesehene Berücksichtigung dieser Rechte Dritter nicht kennen.

Der Beschwerdeführerin kommt daher im Verfahren über die Bewilligung der Bringungsanlage die Befugnis zur Verfolgung ihrer Rechte, somit Parteistellung und die Berechtigung zur Erhebung eines Rechtsmittels, zu.

Indem die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit dem erstangefochtenen Bescheid zunächst die Parteistellung im Verfahren zur Bewilligung des Teilabschnittes 2 des Güterwegs U zu Unrecht versagte und in der Folge mit dem zweitangefochtenen Bescheid deren Berufung gegen die Bewilligung der Errichtung dieses Teilabschnittes mangels Parteistellung zurückwies, belastete sie die angefochtenen Bescheide mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb diese gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben waren.

Bemerkt wird, dass Gegenstand beider Beschwerdeverfahren die Frage der Parteistellung der Beschwerdeführerin (bzw. ihrer Berufungslegitimation) war; eine Entscheidung darüber, ob die der Beschwerdeführerin die Parteistellung verschaffenden Rechte durch die Erteilung der Bewilligung für den Güterweg tatsächlich verletzt wurden, bleibt dem Folgeverfahren vorbehalten.

Der Ausspruch über die Kosten stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 24. November 2005

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1Besondere RechtsgebieteParteibegriff - Parteienrechte Allgemein diverse Interessen RechtspersönlichkeitBesondere Rechtsgebiete DiversesAuslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Rechtsverletzung des Beschwerdeführers Beschwerdelegitimation bejahtIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005070078.X00

Im RIS seit

25.12.2005

Zuletzt aktualisiert am

11.12.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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