TE Vwgh Erkenntnis 2005/11/24 2004/11/0240

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.11.2005
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal;

Norm

ÄrzteG 1998 §14a Abs2;
ÄrzteG 1998 §35 Abs2 Z2;
ÄrzteG 1998 §35 Abs2;
ÄrzteG 1998 §35 Abs7;
ÄrzteG 1998 §35 Abs9 idF 2003/I/140;
ÄrzteG 1998 §4 Abs3 Z3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der Dr. J in B, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 8. Juli 2004, Zl. 14-Ges-65/2/2004, betreffend Anrechnung ärztlicher Ausbildungszeiten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 19. September 2003 wurde der Beschwerdeführerin, vormals Staatsangehörige der Ukraine, mit Wirkung vom 30. September 2003 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Mit dem am 23. Oktober 2003 bei der Österreichischen Ärztekammer eingelangten Schreiben beantragte die Beschwerdeführerin unter Hinweis darauf, dass sie im Jahr 1999 an der Universität Graz das Medizinstudium mit Auszeichnung beendet und in der Folge am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in St. Veit an der Glan auf einer Turnusausbildungsstelle fast zwei Jahre lang eine ärztliche Tätigkeit ausgeübt habe, worüber ihr auch Rasterzeugnisse ausgestellt worden seien, die Anrechnung der von ihr absolvierten ärztlichen Ausbildungszeiten. Bei Anrechnung der von ihr absolvierten ärztlichen Ausbildungszeiten als Turnuszeiten bliebe ihr nur mehr "ein Jahr vom Turnus übrig", um sich niederlassen zu können.

Mit Bescheid (des Vorstands) der Österreichischen Ärztekammer vom 15. März 2004 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Anrechnung der am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder St. Veit/Glan absolvierten Ausbildungszeiten im Fach Innere Medizin, Frauenheilkunde und Geburtshilfe und Chirurgie auf die Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin gemäß § 14a iVm § 35 Abs. 9 ÄrzteG 1998 idF BGBl. I Nr. 140/2003, abgewiesen. Die erstinstanzliche Behörde führte in der Begründung des Bescheides nach Darstellung der Rechtslage aus, die Beschwerdeführerin habe über den Zeitraum vom 1. Juli 1999 bis 30. Juni 2000 (laut eines undatierten Bescheides des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales) und für die Zeit vom 1. Juli 2000 bis zum 30. Juni 2001 (laut Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 29. Juni 2000) über eine Bewilligung zur Ausübung einer ärztlichen Tätigkeit in unselbständiger Stellung und nur zu Studienzwecken am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in St. Veit/Glan verfügt. Gemäß § 35 Abs. 9 ÄrzteG 1998 seien die dort von der Beschwerdeführerin absolvierten Ausbildungszeiten für die Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin nicht verwendbar. Die nähere Prüfung der Ausbildungsschritte habe daher unterbleiben können.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 8. Juli 2004 wurde der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin nicht Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Auch die belangte Behörde verwies in der Begründung ihres Bescheides, wie schon die Erstbehörde, darauf, dass gemäß § 35 Abs. 9 ÄrzteG 1998 die gegenständlichen nur in unselbständiger Stellung und nur zu Studienzwecken absolvierten Tätigkeiten nicht angerechnet werden könnten. Die vom "Dienstgeber" ausgestellten Rasterzeugnissen hätten nicht ausgestellt werden dürfen, ihnen komme keine rechtliche Bedeutung zu. Auch die in der Zwischenzeit erlangte österreichische Staatsbürgerschaft ändere daran nichts, weil sie erst nach der Ausbildung der ärztlichen Tätigkeit zu Studienzwecken verliehen worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Beschwerdeführerin die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden maßgeblichen Bestimmungen des Ärztegesetzes 1998 in der Fassung des BGBl. I Nr. 140/2003 lauten (auszugsweise) wie folgt:

"Sonstige Anrechnung ärztlicher Aus- oder Weiterbildungszeiten

§ 14a. (1) Sofern § 14 nicht zur Anwendung kommt, sind unter der Voraussetzung der Gleichwertigkeit im Inland nach den Vorschriften dieses Bundesgesetzes absolvierte ärztliche Ausbildungszeiten, im Ausland absolvierte ärztliche Aus- oder Weiterbildungszeiten sowie Zeiten des Präsenzdienstes, des Ausbildungsdienstes von Frauen beim Bundesheer sowie des Zivildienstes auf die jeweils für die Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin oder zum Facharzt oder für die Ausbildung in einem Additivfach vorgesehene Dauer anzurechnen.

(2) Der Antrag ist im Wege der Landesärztekammer jenes Bundeslandes einzubringen, in dem der Hauptwohnsitz oder, wenn der Antragsteller keinen Hauptwohnsitz in Österreich hat, der zuletzt in Österreich innegehabte Hauptwohnsitz oder, sofern ein solcher nicht bestanden hat, der letzte Wohnsitz oder Aufenthalt des Antragstellers in Österreich gelegen ist. Sofern auch ein solcher nicht bestanden hat, ist der Antrag im Wege einer vom Antragsteller zu wählenden Landesärztekammer einzubringen. Diese hat nach Prüfung der formellen Voraussetzungen den Antrag der Österreichischen Ärztekammer zu übermitteln. Die Österreichische Ärztekammer hat den Antragsteller nach Beurteilung von Inhalt und Dauer seiner fachärztlichen Aus- oder Weiterbildung über die anrechenbaren Ausbildungszeiten zu unterrichten. Dies hat anhand der vorgelegten Unterlagen und unter Berücksichtigung seiner Berufserfahrung, Zusatzausbildung und sonstigen fachärztlichen Aus- oder Weiterbildung zu erfolgen.

(3) Die Österreichische Ärztekammer hat mit Bescheid innerhalb einer Frist von vier Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem der Antragsteller den Antrag einschließlich der vollständigen Unterlagen einreicht, zu entscheiden.

(4) Gegen Bescheide der Österreichischen Ärztekammer gemäß Abs. 3 steht die Berufung an den Landeshauptmann offen, in dessen Bereich der Hauptwohnsitz oder, wenn der Antragsteller keinen Hauptwohnsitz in Österreich hat, der zuletzt in Österreich innegehabte Hauptwohnsitz oder, sofern ein solcher nicht bestanden hat, der letzte Wohnsitz oder Aufenthalt des Antragstellers in Österreich gelegen ist. Sofern auch ein solcher nicht bestanden hat, steht die Berufung an den Landeshauptmann jenes Bundeslandes offen, in dem der Antragsteller den Antrag im Wege der betreffenden Landesärztekammer eingebracht hat.

...

Ärztliche Tätigkeit in unselbstständiger Stellung zu

Studienzwecken

§ 35. (1) Eine ärztliche Tätigkeit nur in unselbstständiger Stellung und nur zu Studienzwecken dürfen ausüben

1. Ärzte, die nicht österreichische Staatsbürger oder Staatsangehörige der übrigen Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind, sofern sie nicht über eine Berechtigung gemäß den §§ 32 oder 33 verfügen, sowie

2. Ärzte, die österreichische Staatsbürger oder Staatsangehörige einer der übrigen Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, jedoch nicht gemäß den §§ 4, 5, 5a, 18, 19 oder 19a zur ärztlichen Berufsausübung berechtigt sind oder deren medizinische oder zahnmedizinische Doktorate nicht den Erfordernissen des § 4 Abs. 3 Z 1 oder Abs. 3 Z 1 und 2 oder des § 18 Abs. 3 oder 4 Z 1 entsprechen.

(2) Die in Abs. 1 genannten Ärzte dürfen in unselbstständiger Stellung und zu Studienzwecken tätig werden

1. in Universitätskliniken, Klinischen Instituten oder sonstigen Organisationseinheiten einschließlich allfälliger Untereinheiten von Medizinischen Universitäten im Rahmen der ihnen zugewiesenen Obliegenheiten mit Bewilligung des Leiters der betreffenden Organisationseinheit oder allfälligen Untereinheit jeweils bis zur Dauer eines Jahres;

2. in allen übrigen Krankenanstalten bzw. medizinischwissenschaftlichen Anstalten, die Ausbildungsstätten im Sinne der §§ 9, 10 oder 11 sind, im Rahmen der ihnen zugewiesenen Obliegenheiten mit Bewilligung der Österreichischen Ärztekammer jeweils bis zur Dauer eines Jahres.

...

(7) Ärzte, denen eine Bewilligung gemäß Abs. 2 oder eine Verlängerung gemäß Abs. 3 oder 4 erteilt worden ist, sind nicht berechtigt, ärztliche Tätigkeiten außerhalb der Einrichtung, für die die Bewilligung erteilt worden ist, oder ärztliche Tätigkeiten, die den Rahmen der ihnen in dieser Einrichtung zugewiesenen Obliegenheiten überschreiten, auszuüben.

...

(9) Zeiten einer ärztlichen Tätigkeit in unselbstständiger Stellung zu Studienzwecken sind auf die Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin, zum Facharzt oder in einem Additivfach nicht anrechenbar.

..."

Die belangte Behörde stützt die Begründung ihres Bescheides der Sache nach allein auf § 35 Abs. 9 ÄrzteG 1998 und geht dabei erkennbar von der Rechtsansicht aus, diese Bestimmung schließe schon deshalb, weil die Beschwerdeführerin mit Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales (ohne Datum) und daran anschließend mit Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 29. Juni 2000 zur Ausübung einer ärztlichen Tätigkeit "... nur zu Studienzwecken" zugelassen worden sei, eine Anrechnung der in Rede stehenden Zeiten aus. Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Auffassung nicht.

Der durch die 5. Ärztegesetz-Novelle dem § 35 angefügte Abs. 9 gehört ungeachtet seiner Stellung im Gesetz (1. Hauptstück, 3. Abschnitt) seinem Zweck nach zu den Regelungen des Ärztegesetzes 1998 über die praktische Ausbildung der Ärzte und die Anrechnung von Zeiten einer unselbständigen ärztlichen Tätigkeit auf die vorgeschriebene praktische Ausbildung (1. Hauptstück, 1. Abschnitt, §§ 7 bis 15). Sie dienen dem Zweck sicherzustellen, dass der betreffende Arzt vor Beginn der selbständigen Ausübung des Arztberufes dem jeweiligen Ausbildungserfordernis (§ 4 Abs. 3 Z 3) entsprechend praktisch ausgebildet ist. Davon ausgehend ist unter Bedachtnahme auf den besagten Regelungszweck und im Hinblick darauf, dass nach der 5. Ärztegesetz-Novelle nunmehr neben Ausbildungszeiten nach diesem Gesetz auch primär anderen Zwecken (Präsenzdienst, Ausbildungsdienst von Frauen beim Bundesheer, Zivildienst) dienende Zeiten einer unselbständigen ärztlichen Tätigkeit (selbst wenn sie außerhalb von anerkannten Ausbildungsstätten im Sinn der §§ 9 bis 11 absolviert wurden; für sie gilt die in § 35 Abs. 2 Z 2 und Abs. 7 leg. cit. normierte Beschränkung nicht) unter der Voraussetzung der Gleichwertigkeit anrechenbar sind, die Wendung "Zeiten einer ärztlichen Tätigkeit .... zu Studienzwecken" in § 35 Abs. 9 ÄrzteG 1998 zur Vermeidung einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung dahin auszulegen, dass sie nur solche Zeiten einer "ärztlichen Tätigkeit zu Studienzwecken" erfasst, die nicht gleichwertig sind. Eine Bewilligung nach § 35 Abs. 2 ÄrzteG 1998 schließt daher eine Anrechnung nicht schlechthin aus. Es bedarf auch in einem solchen Fall einer Prüfung der ausgeübten ärztlichen Tätigkeit unter dem Gesichtspunkt der Gleichwertigkeit.

Für dieses Auslegungsergebnis sprechen auch die letzten zwei Sätze des § 14a Abs. 2 ÄrzteG 1998, wonach die Österreichische Ärztekammer den Antragsteller über die anrechenbaren Zeiten zu unterrichten hat, und zwar "nach Beurteilung von Inhalt und Dauer seiner fachärztlichen Aus- oder Weiterbildung .... anhand der vorgelegten Unterlagen und unter Berücksichtigung seiner Berufserfahrung, Zusatzausbildung und sonstigen fachärztlichen Aus- oder Weiterbildung". Eine Prüfung darauf hin, ob allenfalls eine Bewilligung nach § 35 Abs. 2 erteilt wurde, ist nicht vorgesehen. Dass es auf den materiellen Inhalt der absolvierten Ausbildung ankommt und ein Bescheid, womit eine "zu Studienzwecken" erteilte Bewilligung dem nicht entgegensteht, hat der Verwaltungsgerichtshof im Übrigen schon in seinem Erkenntnis vom 1. Juli 1969, SlgNr. 7617/A, ausgesprochen.

Der angefochtene Bescheid beruht auf einer - wie dargelegt - unzutreffenden Rechtsansicht. Offensichtlich deshalb hat die belangte Behörde nicht geprüft, ob es sich bei den in Rede stehenden Zeiten - inhaltlich betrachtet - nicht ohnedies um "nach den Vorschriften dieses Bundesgesetzes absolvierte ärztliche Ausbildungszeiten" handelt (was die Beschwerdeführerin der Sache nach behauptet und wofür die vorgelegten Rasterzeugnisse in Verbindung mit dem Umstand sprechen, dass nach der damaligen Rechtslage - nach § 14 Abs. 2 leg. cit. in der Fassung vor der 2. Ärztegesetz-Novelle - eine Anrechnung als ärztliche Ausbildungszeiten unter der Voraussetzung des nachträglichen Erwerbes der österreichischen Staatsbürgerschaft vorgesehen war; in diesem Fall stellte sich die Frage der Gleichwertigkeit von vornherein nicht), oder, sofern dies nicht der Fall ist, ob und inwieweit Gleichwertigkeit gegeben ist.

Da dieser wesentliche Mangel auf einer unzutreffenden Rechtsauffassung beruht, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 24. November 2005

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Auslegung Diverses VwRallg3/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004110240.X00

Im RIS seit

08.01.2006

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten