TE OGH 1990/6/12 4Ob47/90

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Veröffentlicht am 12.06.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*** I*** Rosa C*** Gesellschaft mbH, Linz, Rainerstraße 23, vertreten durch Dr. Ewald Weiss, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B*** F*** Institut für Gewichtsabnahme und Figurkorrektur Gesellschaft mbH, Linz, Kaarstraße 7, vertreten durch Dr. Walter Rinner, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterlassung, Leistung einer Geldbuße und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert: 500.000 S), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 28. November 1989, GZ. 2 R 308/89-18, womit der Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 30. August 1989, GZ. 4 Cg 380/88-15, abgeändert und das Urteil dieses Gerichtes vom 30. August 1989 unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Beide Parteien haben die Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Streitteile betreiben in Linz sogenannte "Schlankheitsinstitute", in denen sie ihren Kunden Dienstleistungen zur Gewichtsabnahme anbieten.

Die Beklagte veröffentlichte in der Oberösterreich-Ausgabe der "Neuen Kronen-Zeitung" vom 22. September 1988 und auf der Titelseite der im Großraum Linz erscheinenden Wochenzeitung "korrekt - Linzer Rundschau" (Nr. 38, Woche vom 22. September bis 28. September 1988) unter der fettgedruckten Überschrift "Erfolgreich und kostengünstig bei B*** F***" gleichlautende ganzseitige Werbeeinschaltungen, in denen u.a. hieß:

"Durch unsere in Linz einzigartigen Sauerstoff- und Kohlensäure-Behandlungen mit anschließendem für jede Person speziell genau ausgearbeitetem Bewegungsprogramm für die gezielte Abnahme, erreichen wir mit unserer natürlichen SKBM-Methode besondere und gute Erfolge und sind im Vergleich mit anderen ein kostengünstiges Institut für Gewichtsabnahme und Figurkorrektur.

Zum Beispiel vergleichen Sie selber:

Programm                B*** F***   F*** in Linz

Therapie mit 15 Besuchen  S  6.000,-      S  9.300,-

Therapie mit 30 Besuchen  S 12.000,-      S 15.980,-"

Am 10. Oktober 1988 ließ die Beklagte in der Oberösterreich-Ausgabe der "Neuen Kronen-Zeitung" ein weiteres Inserat einschalten, in dem es unter der gleichen Überschrift wie folgt hieß:

"Zum Beispiel vergleichen Sie selber:

Programm                B*** F***   F*** in Linz

Therapie mit 30 Besuchen  S 12.000,-      S 15.980,-

Therapie mit 45 Besuchen  S 18.000,-      S 21.500,-"

Mit der Behauptung, die Beklagte habe mit diesen Inseraten gegen §§ 1 und 2 UWG verstoßen, begehrte die Klägerin zunächst, die Beklagte schuldig zu erkennen, ab sofort im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs auf ihre eigenen Dienstleistungen bezogene Preisvergleiche zu unterlassen, wenn dem Preisvergleich nicht identische Dienstleistungen zugrunde gelegt werden und/oder durch die Werbebehauptung der Eindruck erweckt wird, die Dienstleistung der Beklagten sei besser und/oder erfolgreicher als jene der Klägerin; damit verband sie ein Begehren auf Ermächtigung zur Veröffentlichung des stattgebenden Teils des Urteilsspruches in den periodischen Druckschriften "Neue Kronen-Zeitung" (oÖ. Mutationsausgabe) und "korrekt - Linzer Rundschau" sowie ein Begehren auf Zahlung einer Geldbuße gemäß § 16 Abs 2 UWG in der Höhe von 50.000 S. Der von der Beklagten vorgenommene Preisvergleich sei schon deshalb irreführend (§ 2 Abs 1 UWG), weil ihm verschiedene Leistungen ("Therapien") zugrunde lägen. Die Beklagte stütze ihr Schlankheitsprogramm auf die sogenannte "SKBM-Methode", nämlich auf eine Behandlung mit Sauerstoff und Kohlensäure, die sie selbst als "in Linz einzigartig" bezeichne; die Klägerin wende hingegen die sogenannte "TPM-Therapie" an, bei der die Hautoberfläche mit Ozon begast, aber keine Kohlensäure verwendet werde. Wenn auch die beiden von den Streitteilen verwendeten Methoden einander ähnlich seien und auch beide Therapien das gleiche Ziel (die Gewichtsabnahme) verfolgten, liege doch keine Identität der angebotenen Leistungen vor. Die Beklagte habe daher entweder ihrem Preisvergleich nicht Vergleichbares unterzogen oder in irreführender Weise den Eindruck erweckt, die Dienstleistungen der Parteien seien identisch.

Mit ihrer Werbebehauptung "...... erreichen wir mit unserer natürlichen SKBM-Methode besondere und gute Erfolge und sind im Vergleich mit anderen ein preisgünstiges Institut" habe die Beklagte überdies bei flüchtigen Durchschnittslesern den Eindruck erweckt, daß die Leistungen der Klägerin minderwertig und zu teuer seien; sie habe damit auch gegen § 1 UWG verstoßen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Ihrem Preisvergleich fehle schon deshalb jegliche Irreführungseignung, weil die Leistungen der Streitteile - nämlich die Durchführung einer Bewegungstherapie mit dem Ziel einer Gewichtsabnahme - sehr wohl vergleichbar seien: Den "Therapien" beider Parteien liege die Idee zugrunde, durch Anregung des Blutkreislaufes einen höheren Wirkungsgrad des Bewegungsprogramms zu erreichen; dies erziele die Klägerin durch Ozon, die Beklagte durch ein Sauerstoff-Kohlensäuregemisch. Dem angesprochenen Kundenkreis gehe es aber ausschließlich um das Ergebnis, nämlich die Gewichtsabnahme. Weder den von der Klägerin beanstandeten Werbeaussagen noch dem Gesamtinhalt der Anzeigen der Beklagten könne eine Herabsetzung der Dienstleistungen der Klägerin entnommen werden; sie erweckten vielmehr selbst bei flüchtiger Betrachtung lediglich den Eindruck, daß von den Streitteilen grundsätzlich das Gleiche angeboten werde, die Beklagte aber billiger sei.

In der ersten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 30. August 1989 - nach dem Vortrag der Klage und der Klagebeantwortung - brachte die Klägerin vor, daß die Beklagte zu Unrecht eine Spitzenstellung in Anspruch genommen habe, weil der Verwendung des Gases bei der Gewichtsabnahmemethode keine Bedeutung zukomme; überdies verstoße die Alleinstellungswerbung der Beklagten wegen des Hinweises auf die Klägerin auch gegen § 1 UWG. Die Klägerin änderte daher ihr Unterlassungsbegehren - unter Aufrechterhaltung des Zahlungs- und des Urteilsveröffentlichungsbegehrens - dahin ab, daß die Beklagte schuldig erkannt werde, ab sofort im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs auf die Dienstleistungen der Parteien bezogene Preisvergleiche zu unterlassen, wenn hiebei die Dienstleistung der Beklagten als "einzigartig" bezeichnet wird. Die Beklagte trat dieser Klageänderung entgegen und bestritt im übrigen das Vorbringen der Klägerin.

Das Erstgericht ließ die Klageänderung nicht zu und wies das ursprüngliche Klagebegehren ab. Mit ihrer Klageänderung unternehme die Klägerin lediglich den Versuch, ihr im Hinblick auf den unstrittigen Sachverhalt bereits abweisungsreifes Unterlassungsbegehren auf Grund "oberstgerichtlicher Anleitungen" (gemeint: im Provisorialverfahren) noch zu sanieren. Dazu bedürfte es aber weiterer umfangreicher Beweisaufnahmen zur Feststellung, ob der Verwendung des Gases bei der von der Beklagten angewendeten "SKBM-Methode" tatsächlich keine Bedeutung zukommt; das hätte weitere Tagsatzungen und einen erheblichen zusätzlichen Kostenaufwand zur Folge. Selbst im Fall eines Anerkenntnisses des geänderten Unterlassungsbegehrens hätte die Beklagte der Klägerin die gesamten bisherigen Verfahrenskosten zu ersetzen, obwohl das ursprünglich gestellte Unterlassungsbegehren eindeutig abzuweisen gewesen wäre. Gerade im "UWG-Bereich" sei daher "von der ansonsten eher großzügigen Handhabung der Zulassung von Klageänderungen nicht Gebrauch zu machen".

Das Rekursgericht ließ die Klageänderung zu, hob das Ersturteil unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehaltes auf und sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes zwar 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Nach Lehre und Rechtsprechung seien Klageänderungen tunlichst und vor allem dann zuzulassen, wenn durch sie der Parteienstreit im laufenden Prozeß erledigt und damit ein weiterer Rechtsstreit vermieden werden kann. Unter diesem Aspekt seien Klageänderungen gerade dann zuzulassen, wenn sie - wie hier - am Beginn der Streitverhandlung vorgenommen wurden und noch kein nennenswerter überflüssiger Prozeßaufwand zum bisherigen Klagebegehren entfaltet worden ist; in einem solchen Fall stünden weder die Aussichtslosigkeit des ersten Begehrens noch die Notwendigkeit einer Erstreckung der Tagsatzung einer Zulassung der Klageänderung entgegen. Auch sei die Meinung des Erstgerichtes zu bezweifeln, daß das geänderte Klagebegehren "umfangreiche" Beweisaufnahmen erforderlich mache, müsse doch im wesentlichen nur geklärt werden, ob der Verwendung des Gases (gemeint wohl: der Art des verwendeten Gases) im Sinne der neuen Sachbehauptungen der Klägerin tatsächlich bei der Gewichtsabnahme keine Bedeutung zukommt. Entgegen der Meinung des Erstgerichtes sei auch nicht erkennbar, warum "gerade im UWG-Bereich" von der sonst eher großzügigen Handhabung der Zulassung von Klageänderungen kein Gebrauch gemacht werden sollte.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Beklagten gegen diesen Beschluß erhobene Revisionsrekurs - auf den zufolge des Datums der Entscheidung des Rekursgerichtes (28. November 1989) noch das Rechtsmittelrecht vor dem Inkrafttreten der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1989 Anwendung findet - ist wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO (alte Fassung) unzulässig (§ 528 Abs 2 ZPO Äalte FassungÜ). Soweit die Beklagte Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses gemäß § 477 Abs 1 Z 4 ZPO geltend macht, weil das Rekursverfahren entgegen dem analog anzuwendenden § 521 a Abs 1 Z 3 ZPO einseitig geblieben sei, zeigt sie keine im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO (alte Fassung) erhebliche Frage des Verfahrensrechtes auf: Schon nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes sind Rekurse (Revisionsrekurse) gegen Entscheidungen über die Zulässigkeit einer Klageänderung in der taxativen Aufzählung des § 521 a ZPO nicht angeführt; auch der Oberste Gerichtshof hat daher bereits in mehreren nicht veröffentlichten Entscheidungen (4 Ob 1510/84;

5 Ob 538/86; 8 Ob 659/86; 8 Ob 69, 70/86; 2 Ob 560, 561/87;

4 Ob 508/89; 2 Ob 522/89 u.a), ausgesprochen, daß die Entscheidung

über die Zulässigkeit einer Klageänderung nicht zu den in § 521 a

ZPO erschöpfend aufgezählten Fällen des zweiseitigen Rekurses

gehört. Eine analoge Anwendung des § 521 a Abs 1 Z 3 ZPO verbietet

sich hier schon deshalb, weil die Streitanhängigkeit einer

Klageänderung entweder mit der Zustimmung des Beklagten oder sonst

erst mit der Zulassung durch das Gericht eintritt (Fasching,

Zivilprozeßrecht2 Rz 1173; SZ 56/157).

Im übrigen hat das Rekursgericht entgegen der Meinung der

Beklagten die Bestimmung des § 235 Abs 3 ZPO in Übereinstimmung mit

Lehre und Rechtsprechung dahin ausgelegt, daß Klageänderungen aus

Gründen der Prozeßökonomie tunlichst zuzulassen sind, wenn sie den

Parteien und dem Gericht einen zweiten Prozeß ersparen und ihrer Art

nach geeignet sind, das streitige Verhältnis zwischen den Parteien

erschöpfend und endgültig zu bereinigen; weder die

Aussichtslosigkeit des ursprünglichen Begehrens noch die

Notwendigkeit einer Vertagung rechtfertigen in einem solchen Fall

für sich allein die Zurückweisung einer Klageänderung (Fasching aaO

Rz 1240; Holzhammer, Österreichisches Zivilprozeßrecht2, 196;

SZ 43/35; JBl. 1973, 43; SZ 47/49; EFSlg 36.717; Arb. 10.192;

VersRdSch 1989, 253; 4 Ob 10/88; 4 Ob 563/88 u.v.a.). Ob aber in der

Notwendigkeit einer Beweisaufnahme über die geänderte Klage eine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung zu erblicken wäre, wie es das Erstgericht hier bejaht, das Rekursgericht aber verneint hat, hängt - wie überhaupt die Beurteilung der Sachdienlichkeit der Zulassung einer Klageänderung aus Gründen der Prozeßökonomie - stets von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab (Fasching III 122; Arb. 10.192; 4 Ob 563/88). Die hier zu entscheidende Rechtsfrage ist daher so stark auf die Verhältnisse des konkreten Falles abgestellt, daß ihre Beantwortung keine brauchbaren Anhaltspunkte für die Beurteilung ähnlicher Fälle erwarten läßt; sie kann demnach im Rahmen des vorliegenden (Grundsatz-)Revisionsrekurses nicht geprüft werden. Entgegen der Meinung der Beklagten läßt sich auch aus § 20 Abs 1 UWG lediglich ableiten, daß wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche wegen der Raschlebigkeit der Werbung - abweichend vom allgemeinen Verjährungsrecht - in ihrer Verfolgbarkeit verkürzt werden sollten; daraus folgt aber noch keineswegs, daß nicht auch hier Prozeßökonomie und öffentliches Rechtspflegeinteresse die Zulassung von Klageänderungen begünstigen können sollten.

Im übrigen hat die Beklagte nach ihrer Anfechtungserklärung und dem Rechtsmittelantrag zwar auch den das Ersturteil betreffenden Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes angefochten, dazu aber im Rekurs nicht das Geringste ausgeführt, obwohl das Gericht zweiter Instanz gerade darin die den Ausspruch über die Zulässigkeit des Rechtsmittels rechtfertigende erhebliche Rechtsfrage gesehen hat. Auch sie ist aber vom Rekursgericht in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre und Rechtsprechung gelöst worden: Wenn nämlich das Erstgericht eine Klageänderung nicht zuläßt und zugleich mit Urteil über die ursprüngliche Klage entscheidet, kann sich der Kläger darauf beschränken, nur den Beschluß mit Rekurs anzufechten; ist dieses Rechtsmittel begründet, dann hat das Rekursgericht nicht nur die Klageänderung zuzulassen, sondern aus Anlaß des Rekurses auch das Urteil des Erstgerichtes aufzuheben und diesem die Entscheidung über das geänderte Begehren aufzutragen (Fasching III 123 f; 1 Ob 292, 293/68); dieser Aufhebungsbeschluß ist dann eine notwendige Folge der Entscheidung über die Klageänderung. Der Revisionsrekurs war daher aus allen diesen Gründen gemäß § 526 Abs 2 ZPO (alte Fassung) zurückzuweisen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekurses und der Revisionsrekursbeantwortung, in der die Klägerin auf den vorliegenden Zurückweisungsgrund nicht hingewiesen hat, beruht auf §§ 40, 50 ZPO.

Anmerkung

E21177

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0040OB00047.9.0612.000

Dokumentnummer

JJT_19900612_OGH0002_0040OB00047_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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