TE OGH 1990/6/13 9ObA109/90

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Veröffentlicht am 13.06.1990
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Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Monika Angelberger und Franz Eckner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing.Johann M***, Pensionist, Krems, Arbeitergasse 6, vertreten durch Dr. Manfred Klicnik, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei V***-A*** K*** Gesellschaft mbH, Krems, Schmidhüttenstraße 5, vertreten durch Dr. Harry Zamponi u.a., Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung (Streitwert S 422.356), infolge Rekurses beider Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29.Jänner 1990, GZ 34 Ra 91/89-16, womit das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgericht vom 16.Mai 1989, GZ 15 Cga 4/89-10, aufgehoben wurde, zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

1.)

Dem Rekurs der Beklagten wird teilweise Folge gegeben, der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes im Umfang des Feststellungsbegehrens gemäß Pkt. 2. aufgehoben und mit Teilurteil in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, daß das Begehren des Klägers, es werde festgestellt, daß die Zahlung von S 208.556 lediglich als Zahlung der nicht vollständig gezahlten Treuepension und Kinderzulage im Jänner 1988 sowie der ab Februar 1988 und künftig anfallender Pensionsleistungen gilt, abgewiesen wird. Die Verfahrenskosten bleiben der Endentscheidung vorbehalten. Im übrigen wird dem Rekurs der Beklagten nicht Folge gegeben.

2.)

Dem Rekurs des Klägers wird nicht Folge gegeben. Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 15.4.1964 bis 31.7.1983 bei der Beklagten als Leiter der Stabsstelle-Werksausbau angestellt. Die Beklagte hat die dem Kläger zugesagte und nach seinem Übertritt in den Ruhestand gewährte Pension mit 30.11.1988 widerrufen und dem Kläger eine einmalige Entschädigungsleistung von S 208.565 überwiesen. Der Kläger hat dem unverzüglich widersprochen, auf seinen Rechtsanspruch hingewiesen und die geleistete Zahlung nur mit Vorbehalt angenommen. Der Kläger begehrt die Feststellungen,

1.) daß die beklagte Partei verpflichtet ist, ihm über den 31.12.1987 hinaus unverändert eine monatliche Treuepension von

S 7.956 14 x jährlich zuzüglich einer Kinderzulage von S 1.362 brutto monatlich 12 x jährlich entsprechend den vorzunehmenden Valorisierungen auf Lebensdauer zu zahlen; sowie sinngemäß

2.) daß die Zahlung von S 208.556 auf die Treuepension und Kinderzulage ab Jänner 1988 anzurechnen ist.

Der Kläger behauptet, die Beklagte habe ihm mit Schreiben vom 14.5.1984 die erwähnte Treuepension zugesagt, ohne auf eine Einschränkungs- oder Entziehungsmöglichkeit hinzuweisen. Er habe dieses Schreiben zustimmend zur Kenntnis genommen, so daß die Beklagte die Pension nicht widerrufen könne. Im übrigen sei es nicht richtig, daß die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens den Widerruf der Statutarpensionen erforderlich mache. Die Beklagte habe infolge eines mit der V***-A*** Linz AG abgeschlossenen Gewinn- und Verlustübertragungsübereinkommens stets ausgeglichen bilanziert.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, daß sich der Anspruch des Klägers auf einen Pensionszuschuß auf die Betriebsvereinbarung vom 20.4.1983 gründe, mit der (rückwirkend) ab 1.1.1983 die bei der Muttergesellschaft geltende Regelung über Pensionszuschüsse von der Beklagten übernommen worden sei. Damals sei auch vereinbart worden, daß diese Pensionszuschußregelung weiterhin das Schicksal der Pensionszuschußrichtlinien in der Muttergesellschaft teilen werde. Nach diesen Pensionsrichtlinien sei die Beklagte berechtigt, die Zuschußleistungen unter anderem dann zu kürzen oder einzustellen, wenn sich die wirtschaftliche Lage des Unternehmens nachhaltig so wesentlich verschlechtert habe, daß ihm eine Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen nicht mehr zugemutet werden könne; dies sei insbesondere dann anzunehmen, wenn das Unternehmen durch mehr als drei aufeinanderfolgende Jahre hindurch erhebliche, nicht auf die Inanspruchnahme steuerlicher Investitionsbegünstigungen zurückzuführende Verluste in der Handelsbilanz aufweise. Diese Voraussetzungen seien eingetreten, auch wenn der mit der Muttergesellschaft bestandene Gewinn- und Verlustausschließungsvertrag bisher dafür gesorgt habe, daß eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Beklagten gar nicht habe eintreten können. Die Beklagte erstattete zu ihrer wirtschaftlichen Lage und jener der Muttergesellschaft ein umfangreiches Vorbringen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Den umfangreichen Feststellungen des Erstgerichtes ist folgender

wesentlicher Sachverhalt zu entnehmen:

Der Kläger bewarb sich bei der Beklagten auf Grund eines Zeitungsinserates, in dem auch eine betriebliche Alterspension angeboten wurde. Bei den Einstellungsgesprächen kam das Thema einer Treuepension nicht zur Sprache. Ob im Dienstvertrag darüber Bestimmungen enthalten waren, kann nicht festgestellt werden. Mit Schreiben vom 11.7.1972 ersuchte der Kläger die Beklagte um eine genaue Information über Grundlagen und Ausmaß der Treuepension. Daraufhin wurde dem Kläger das Schreiben vom 21.8.1972, das einen Kurzabriß über die Treuepension enthielt, ausgehändigt, von ihm aber wieder zurückverlangt und unter "PS" der Nachsatz angefügt, daß sämtliche Leistungen freiwillig und jederzeit widerruflich seien und kein Rechtsanspruch bestehe. Später erfuhr der Kläger, daß es auch nichtwiderrufliche Pensionsleistungen gibt. Mit Rundschreiben Nr. 2/82 schränkte die Geschäftsführung der Beklagten die Gewährung von Treuepensionen einschneidend ein. Diese Pensionsleistungen waren bis 31.12.1982 freiwillig und jederzeit widerruflich. Das Rundschreiben wurde im Betrieb an der Ankündigungstafel veröffentlicht und dem Kläger als Leiter der Abteilung Werksausbau persönlich übermittelt. In dem Rundschreiben wurde unter anderem bekanntgegeben, daß das bisherige Statut für die Gewährung von Pensionszuschüssen vorsehe, daß sich das Unternehmen vorbehalten könne, Treuepensionen zu kürzen oder einzustellen. Diese Voraussetzungen seien jetzt konzernweit gegeben.

Im März 1983 erfuhr der Kläger vom Geschäftsführer der Beklagten, daß die Treuepension im Konzern bald mit Rechtsanspruch werde fixiert werden. Der Kläger verlangte daraufhin von der Personalabteilung und schließlich vom Geschäftsführer die Einsicht in die Richtlinien für die Pensionsgewährung und Pensionsberechnung, worauf ihm die Unterlage "Pensionszuschüsse Ausgabe 1982 V*** A***" (im folgenden auch kurz: Richtlinien) samt den dazu gehörenden Tabellen ausgefolgt wurde. Diese Richtlinien enthielten im Punkt XII folgende Regelung über den Rechtsanspruch:

"Den Dienstnehmern wird ab dem Zeitpunkt, ab dem sie 10 effektive Dienstjahre im Konzern verbracht haben oder die .... (anrechenbare) Vordienstzeit mindestens 10 Jahre beträgt (Punkt II 2), ein Rechtsanspruch auf die sich aus diesen Richtlinien ergebenden Pensionsleistungen eingeräumt.

Das Unternehmen behält sich vor, die Zuschußleistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn

a) die wirtschaftliche Lage des Unternehmens sich nachhaltig so verschlechtert hat, daß ihm eine Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen nicht mehr zugemutet werden kann; dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn das Unternehmen durch mehr als drei aufeinanderfolgende Jahre hindurch erhebliche, nicht auf die Inanspruchnahme steuerlicher Investitionsbegünstigungen zurückzuführende Verluste in der Handelsbilanz ausweist oder

b) die rechtliche, insbesondere die steuerliche Behandlung der Aufwendungen, die zur planmäßigen Finanzierung der Versorgungsleistung (Bildung von Pensionsrückstellungen) vom Unternehmen gemacht wurden oder zu machen sind, sich so wesentlich ändert, daß dem Unternehmen die Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen nicht mehr zugemutet werden kann.

Es besteht Übereinstimmung darüber, daß über Kürzung oder Einstellung von Zuschußleistungen gemäß Punkt XII der Richtlinien frühestens ab 1.12.1984 mit Bilanzwirksamkeit 1984 entschieden wird

...".

Der Kläger sollte - wie auch alle anderen Dienstnehmer - mit Erreichung des 60. Lebensjahres (28.6.1983) in Pension gehen. Mit Schreiben vom 4.5.1983 ersuchte der Kläger um Verschiebung seines "Austrittstermins" auf Ende Juli 1983. Die Beklagte war mit einer Lösung des Dienstverhältnisses zum 31.7.1983 im beiderseitigen Einvernehmen einverstanden.

Da die Pensionsrichtlinien der Muttergesellschaft (V*** A*** L*** AG) einen Rechtsanspruch mit Widerrufsvorbehalt enthielten, verlangte der Betriebsrat der Beklagten, diese Regelung auch in Krems in Geltung zu setzen.

Mit Betriebsvereinbarung vom 20.4.1983 wurden die "Linzer Richtlinien" für Pensionszuschüsse für den Bereich der Beklagten vollinhaltlich übernommen und vereinbart, daß die nunmehr anzuwendenden Richtlinien das Schicksal der Linzer Richtlinien zu teilen hätten.

Die Beklagte gewährt neben den Statutarpensionen einigen leitenden Angestellten auch Vertragspensionen, die keine Widerrufsklausel enthalten.

Mit Schreiben vom 15.4.1984 teilte die Beklagte dem Kläger unter Bezugnahme auf die Richtlinien für die Gewährung von Pensionszuschüssen Ausgabe Oktober 1982 - Wirksamkeitsbeginn für Krems 1.1.1983 - mit, daß er ab 1.Mai 1984 eine Treuepension in Höhe von monatlich S 7.595 brutto 14 x jährlich sowie eine Kinderzulage von S 1.300 brutto 12 x jährlich erhalten werde und daß diese Zuwendungen "Firmenleistungen mit Rechtsanspruch" seien. Die V*** A*** AG ist die alleinige Gesellschafterin der Beklagten. Zwischen der V*** A*** AG und der Beklagten bestand das Gewinn- und Verlustübertragungsübereinkommen vom 24.2.1964. Danach hatte die Beklagte selbständig zu bilanzieren, das Ergebnis wurde jedoch in die konsolidierte Bilanz der V*** A*** AG Linz übertragen, so daß die Beklagte immer ausgeglichen bilanzierte. Das Geschäftsjahr 1986 schloß mit einem Verlust von S 177,811.839,65, der auf Grund des Gewinn- und Verlustübertragungsübereinkommens vom 24.2.1964 - letztmalig - von der V*** A*** AG L*** übernommen wurde, so daß die Beklagte nach der Organschaftsabrechnung in der Gewinn- und Verlustrechnung ein ausgeglichenes Ergebnis auswies. Zum 31.12.1986 wurde dieses Gewinn- und Verlustübertragungsübereinkommen gekündigt. Das Geschäftsjahr 1987 schloß die Beklagte mit einem Reingewinn von S 916.143,52 ab. (Zu zahlreichen weiteren Bilanzdaten wird auf die Entscheidung des Erstgerichtes verwiesen.) Für 1988 ist der Geschäftsabschluß noch nicht erstellt. Laut Pressemitteilungen ist für dieses Jahr ein sehr gutes Ergebnis zu erwarten. Das Erstgericht war der Ansicht, daß die Ausfolgung der Richtlinien "Pensionszuschüsse Ausgabe Oktober 1982 V*** A***" und der dazugehörenden Tabellen und die wiederholte Berechnung der dem Kläger gebührenden Treuepension als konkretes Anbot auf Pensionsgewährung anzusehen sei, das der Kläger ausdrücklich angenommen habe. Dadurch sei sein Arbeitsvertrag dahin ergänzt worden, daß ihm eine Treuepension nach dem Inhalt dieser Richtlinien zustehe. Der Inhalt der ihm vertraglich zugesicherten Pension sei daher mit dem Inhalt der von der Beklagten behaupteten Betriebsvereinbarung identisch. Ob diese Betriebsvereinbarung wirksam auf die Pensionisten der beklagten Partei übertragen worden sei, könne daher auf sich beruhen. Die Beklagte habe im Pensionsgewährungsschreiben vom 14.5.1984 ausdrücklich auf die Richtlinien für die Gewährung von Pensionszuschüssen Ausgabe Oktober 1982 hingewiesen, so daß sich der Kläger nicht darauf berufen könne, daß ihm seine Treuepension ohne Widerrufsmöglichkeit vertraglich zugesichert worden sei. Die zitierten Richtlinien für die Gewährung von Pensionszuschüssen seien vielmehr Inhalt des ergänzten Arbeitsvertrages des Klägers geworden.

Die Beklagte sei jedoch zur Ausübung dieses Widerrufsrechtes nicht berechtigt, weil sie verpflichtet sei, die Vertragspensionisten, denen eine Pension ohne Widerrufsvorbehalt gewährt worden sei, und die Statutarpensionisten gleich zu behandeln. Die Ungleichbehandlung sei eine Verletzung der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht. Außerdem rechtfertige aber die wirtschaftliche Situation der Beklagten den Widerruf nicht, weil sie bis Ende 1986 ausgeglichen bilanziert und das Geschäftsjahr 1987 mit einem Reingewinn abgeschlossen habe. Auch für 1988 sei ein Reingewinn in erheblichem Ausmaß zu erwarten. Die wirtschaftliche Situation der Beklagten habe sich somit seit der Pensionszusage nicht verschlechtert, sondern verbessert. Bei der Ausübung des Gestaltungsrechtes komme es nicht auf die wirtschaftliche Lage des Konzerns, sondern nur auf die wirtschaftliche Lage der Beklagten als Tochtergesellschaft des Konzerns an. Schon gar nicht wäre die Beklagte zur unbefristeten Einstellung der Pension des Klägers berechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge, hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Der in Punkt XII a der Richtlinien für die Gewährung von Pensionszuschüssen an die Dienstnehmer der V*** A*** AG angeführte Widerrufstatbestand des Auftretens erheblicher Verluste durch mehr als drei aufeinanderfolgende Jahre sei, wie aus dem Wort "insbesondere" hervorgehe, nur ein Beispiel für die Unzumutbarkeit der weiteren Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen. Das Erstgericht habe aber die Zumutbarkeit der Weitererbringung der Pensionsleistungen durch die Beklagte im wesentlichen auf die in den Bilanzen ausgewiesenen Gewinne und Verluste gegründet. Bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit der Erbringung der Pensionsleistungen dürfe aber auch die Entwicklung bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht vernachlässigt werden. Das Erstgericht habe sich aber, weil der Geschäftsabschluß des Jahres 1988 noch nicht vorlag, mit der Wiedergabe von Zeitungsmeldungen und dem Inhalt interner Mitteilungen der Beklagten begnügt. Daraus könne jedoch keine verläßliche Grundlage für die Beurteilung der wirtschaftlichen Situation der Beklagten gewonnen werden. Das Erstgericht wäre daher verpflichtet gewesen, von Amts wegen ein Sachverständigengutachten über die wirtschaftliche Lage der Beklagten zum Zeitpunkt des Widerrufes der Treuepension (Jänner 1988) einzuholen.

Bis Ende 1986 sei die Beklagte auf Grund des Gewinn- und Verlustübertragungsübereinkommens in der Lage gewesen, die Betriebspensionen zu leisten. Zum Zeitpunkt des Widerrufs der Pension des Klägers habe sich aber ihre wirtschaftliche Lage insofern verschlechtert, als sie mit einer Unterstützung durch den Konzern oder die öffentliche Hand nicht mehr habe rechnen können. Entscheidend sei daher allein, ob der Beklagten nach dieser Veränderung der Lage die Weiterzahlung der Treuepensionen zumutbar war. Dies wäre der Fall, wenn die wirtschaftliche Lage des Unternehmens im Jänner 1983 (richtig: 1988) bei objektiver Betrachtung die Prognose erlaubt hätte, daß das Unternehmen trotz Fortzahlung der Betriebspensionen wohl bestehen könne. Nach den bisherigen Verfahrensergebnissen könne diese Möglichkeit weder bejaht noch ausgeschlossen werden.

Das vom Kläger erhobene Feststellungsbegehren sei auch für den Zeitraum von Jänner 1988 bis März 1989 zulässig. Ebenso sei die begehrte Feststellung, daß die Treuepension auf Lebenszeit des Klägers zu erbringen sei, berechtigt. Daß die Beklagte die Pensionsleistungen grundsätzlich auf Lebenszeit zu erbringen habe, sei unbestritten. Gegenstand des Rechtsstreites sei die Frage, ob der Widerruf zu Recht ausgesprochen wurde. Auch ein Erfolg des Klagebegehrens würde der Beklagten nicht die Möglichkeit nehmen, künftig eintretende Ruhens- und Einstellungsgründe geltend zu machen. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites sei nur, ob derzeit ein Widerrufsgrund vorliege.

Ebenso sei das Feststellungsbegehren laut Punkt 2. des Klagebegehrens zulässig. Der Kläger sei berechtigt, die von der Beklagten geleistete Zahlung auf seine jeweils fälligen Ansprüche anzurechnen.

Auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz habe das Erstgericht seine Entscheidung nicht stützen dürfen, weil sich der Kläger auf diesen Rechtsgrund nicht berufen habe. Im übrigen seien sachliche und zeitliche Differenzierungen in der Behandlung der Arbeitnehmer zulässig. Wenn die Beklagte mit drei leitenden Angestellten Pensionsverträge abgeschlossen habe, die keine Widerrufsklausel enthielten, sei das keine willkürliche Vorgangsweise. Es sei nicht unsachlich, die mit der Ausübung einer leitenden Funktion verbundene hohe Verantwortung und den erforderlichen besonderen Einsatz der Arbeitskraft durch eine entsprechende Besserstellung in bezug auf die Firmenpension abzugelten.

Bei der Prüfung, ob sich die wirtschaftliche Lage des Unternehmens so nachhaltig verschlechtert habe, daß ihm eine Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen nicht mehr zugemutet werden könne, sei nur auf die wirtschaftliche Lage der Beklagten, nicht aber auf jene des Konzerns Bedacht zu nehmen. Arbeitgeber des Klägers sei ausschließlich die Beklagte. Der Kläger habe davon ausgehen dürfen, daß mit dem im Punkt XII a der Richtlinien genannten Unternehmen sein Arbeitgeber gemeint sei. Beide Parteien bekämpfen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes und beantragen sinngemäß, in der Sache selbst zu erkennen; der Kläger strebt die Wiederherstellung des Ersturteils, die Beklagte die Abweisung des Klagebegehrens an. Der Eventualantrag der Beklagten geht auf Überbindung einer geänderten Rechtsansicht.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse sind nicht berechtigt.

1.) Zum Rekurs des Klägers:

Der Kläger vertritt lediglich die Ansicht, die Feststellungen des Erstgerichtes reichten für die Beantwortung der Frage aus, ob im Sinne des Punktes XII a der Richtlinien eine nachhaltige wesentliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Beklagten eingetreten sei. Mit diesen Ausführungen wendet sich aber der Kläger nicht gegen die dem Aufhebungsbeschluß zugrundeliegende Rechtsansicht, insbesondere nicht gegen die Auslegung des Punktes XII a der Richtlinien durch das Berufungsgericht, sondern nur gegen die Ansicht der zweiten Instanz, daß zur verläßlichen Beurteilung der wirtschaftlichen Lage der Beklagten eine Verfahrensergänzung notwendig ist. Diese Frage hat jedoch der Oberste Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung nicht zu überprüfen, da er nicht Tatsacheninstanz ist (SZ 38/29 und 227 uva).

2.) Zum Rekurs der Beklagten:

Die Beklagte ist der Meinung, daß bei der Beurteilung der Frage, ob sie iS des Punktes XII a der Richtlinien wegen nachhaltiger Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens zur Einstellung der Pensionsleistungen berechtigt war, auch die wirtschaftliche Situation der Muttergesellschaft (V*** A*** L*** AG) und des Gesamtkonzerns berücksichtigt werden müsse. Darauf, wie der Kläger diese Widerrufsklausel verstehen durfte, komme es nicht an.

Diesen Ausführungen ist nicht zu folgen. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, ist für die Beurteilung der Frage, ob die Beklagte von dem im Punkt XII a der Richtlinien vereinbarten Gestaltungsrecht (Recht zur Einstellung der auf Lebensdauer zugesagten Pension) Gebrauch machen durfte, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens im Zeitpunkt des Widerrufes entscheidend. Da zu dieser Zeit das Gewinn- und Verlustübertragungsübereinkommen vom 24.2.1964 zwischen der Beklagten und ihrer Muttergesellschaft nicht mehr bestand, ist die Frage, ob sich der Kläger darauf berufen durfte, daß die wirtschaftliche Existenz der Beklagten durch die Verpflichtung der Muttergesellschaft, die jeweiligen Verluste der Beklagten abzudecken, nicht gefährdet war und deshalb eine nachhaltige und wesentliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Beklagten (für die Dauer dieses Einspringens der Muttergesellschaft) gar nicht eintreten konnte, überholt. Auf dieser Konstellation beruhende Besserstellungen der pensionsberechtigten Arbeitnehmer der Beklagten im Vergleich zu Pensionisten anderer Konzernbetriebe kommen daher nicht mehr in Betracht. Eine die wirtschaftliche Lage der Beklagten verfälschende Verlustabdeckungspflicht der Muttergesellschaft muß daher bei der Auslegung des Punktes XII a der Richtlinien nicht mehr berücksichtigt werden. Nach dem Wortlaute dieser Bestimmung, die deutlich zwischen Konzern und Unternehmen unterscheidet, kommt es für die Frage der Ausübung des Widerrufsrechts auf die wirtschaftliche Lage der Beklagten und nicht jene der Muttergesellschaft oder des Gesamtkonzerns an. Dies bedeutet freilich nicht, daß bei der Prüfung der wirtschaftlichen Lage der Beklagten im Rahmen des vom Berufungsgericht aufgetragenen Gutachtens wirtschaftliche Verflechtungen mit dem Gesamtkonzern, soweit sie sich auf das Vermögen der Beklagten auswirken, außer Betracht zu lassen wären.

Wie die Vorinstanzen ebenfalls zutreffend beurteilten, sind die Richtlinien (im Zuge der Verhandlungen des Klägers um die Einräumung besserer Bedingungen für die Treuepension) noch vor ihrem Inkraftsetzen als Betriebsvereinbarung Inhalt seines Einzelvertrages geworden. Während der normative Teil einer Betriebsvereinbarung - so wie der eines Kollektivvertrages - nach dem für die Auslegung von

Gesetzen geltenden Regeln auszulegen ist (Arb 9997 = DRdA 1982, 53

= ZAS 1983, 24 ÄFischerÜ mwH), gelten für die Auslegung des Einzelvertrages die §§ 914, 915 ABGB. Hier ist aber die Auslegung der einzelnen Erklärung am "Empfängerhorizont" zu messen. Es kommt danach nicht primär auf den Willen des Erklärenden, sondern vielmehr auf das Verständnis an, das ein redlicher Erklärungsempfänger von der Erklärung gewinnen durfte (Rummel in Rummel, ABGB2 I Rz 8 zu § 863; SZ 46/9; JBl 1977, 486 ua). Selbst wenn daher die Beklagte bei der Übernahme der Richtlinien der Muttergesellschaft den Begriff der "wirtschaftlichen Lage des Unternehmens" im Sinne der wirtschaftlichen Lage des Gesamtkonzerns verstanden haben sollte, ist dieser Begriff im Rahmen des Einzelvertrages zwischen den Streitteilen so zu verstehen, wie ihn der Kläger als Empfänger der Mitteilung verstehen durfte. Danach ist aber mit dem Begriff "wirtschaftliche Lage des Unternehmens" mangels einer Bezugnahme auf andere mit der Beklagten zusammenhängende Unternehmen im Zweifel nur die wirtschaftliche Lage jenes Unternehmens gemeint, das als Arbeitgeber des Klägers die Pensionsleistungen zugesagt hat. Verfehlt ist auch die Ansicht der Beklagten, der Kläger hätte zur Hereinbringung der schon vor der Einbringung der Feststellungsklage fällig gewordenen Pensions-(Teil-)Leistungen nur die Leistungsklage erheben dürfen. Nach stRsp. besteht zwar ein rechtliches Interesse nur an der Feststellung künftiger Ansprüche, worunter solche zu verstehen sind, die im Zeitpunkt der Einbringung der Feststellungsklage noch nicht fällig waren (EvBl 1966/341; ZVR 1985/51 ua). Fasching (LB2 Rz 1101) vertritt hingegen unter Berufung auf SZ 18/161 die Ansicht, daß die Feststellung des gesamten zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses zulässig ist, wenn noch nicht alle Ansprüche fällig sind. Die von Fasching dazu zitierte weitere Entscheidung ZVR 1985/51 belegt seine Ansicht nicht. Diese Auffassungsunterschiede können aber im vorliegenden Fall auf sich beruhen, weil der Kläger die von Jänner 1988 bis Jänner 1989 fällig gewordenen Pensionsleistungen schon deshalb nicht mit Leistungsklage geltend machen konnte, weil er von der Beklagten aus einem von ihm nicht anerkannten Rechtsgrund einen Betrag von S 208.556 erhalten hat und die inzwischen fällig gewordenen Pensionsleistungen jeweils mit dem erhaltenen Betrag aufrechnen kann.

Was das Feststellungsbegehren gemäß Pkt. 2. betrifft, steht die Beklagte auf dem Standpunkt, daß der Pensionsanspruch des Klägers auf Grund ihres berechtigten Widerrufs erloschen sei und sie auf Grund einer mit der Belegschaftsvertretung getroffenen Vereinbarung dem Kläger nur mehr eine einmalige Entschädigungsleistung von S 208.565 schuldete, mit deren Annahme der Kläger keine weiteren Ansprüche mehr geltend machen könne. Der Kläger will hingegen mit seiner Feststellungsklage die Klarstellung erreichen, daß er zur Verrechnung der ihm - nach seinem Rechtsstandpunkt - aufgedrängten, von der Beklagten auf Grund eines Irrtums über die Rechtslage geleisteten, bisher nicht zurückgeforderten Abfertigungszahlung auf die weiterlaufende Pension berechtigt ist.

Das Feststellungsbegehren des Klägers dient zwar der Klärung eines (weiteren) strittigen Rechtsverhältnisses zwischen den Streitteilen; es ist daher zulässig, aber nicht berechtigt. Der Kläger hat der Widmungserklärung der Beklagten

widersprochen, so daß die Zahlung gemäß § 1416 ABGB auf die (derzeit noch strittigen) fälligen Forderungen zu verrechnen ist. Hingegen ist die Zahlung nicht auf andere, nicht fällige Forderungen anzurechnen, die der Schuldner gar nicht zahlen wollte (vgl Reischauer in Rummel ABGB § 1416 Rz 15). Die Bestimmung des § 1434 Satz 2 ABGB steht dem nicht entgegen, weil sie schon nach ihrer Einordnung dahin auszulegen ist, daß ein Irrtum des Leistenden lediglich über die Fälligkeit der von ihm gezahlten richtigen und unbedingten Schuld nicht zur Rückforderung berechtigt. Betraf der Irrtum des Leistenden hingegen, wie im vorliegenden Fall, nicht bloß die Fälligkeit der Schuld, sondern überhaupt das Bestehen der von ihm angenommenen Verpflichtung zur Leistung einer Abfindungszahlung, dann bietet § 1434 ABGB dem Gläubiger keine Handhabe, die Zahlung auf andere nicht fällige Forderungen zu verrechnen. Soweit inzwischen derartige Forderungen fällig werden sollten, kann der Gläubiger lediglich aufrechnen (vgl Reischauer aaO). Da demnach der Kläger zur Umwidmung der von der Beklagten geleisteten Zahlungen nicht berechtigt ist, war das Feststellungsbegehren zu Punkt 2 mit Teilurteil abzuweisen.

Beiden Rekursen ist daher ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 Abs. 1 und 2 ZPO.

Anmerkung

E21501

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00109.9.0613.000

Dokumentnummer

JJT_19900613_OGH0002_009OBA00109_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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