TE OGH 1990/6/28 7Ob617/90

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Veröffentlicht am 28.06.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ingrid H***, Angestellte, Wien 3., Wassergasse 14/18, vertreten durch Dr. Helmut Schmidt und Dr. Ingo Schreiber, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wider die beklagte Partei Charlotte S***, Pensionistin, Wien 3., Landstraßer Hauptstraße 91, vertreten durch Dr. Eduard Stoff, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgerichtes vom 17.Jänner 1990, GZ R 414/89-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Pottenstein vom 29.Juni 1989, GZ 2 C 127/88-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.045,04 (darin S 840,84 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 3.477,60 (darin S 329,60 an Umsatzsteuer und S 1.500 an Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin kündigte der Beklagten die im Haus Hirtenberg, Lindenberggasse 5, im ersten Stock links des Stiegenaufganges gelegene Wohnung, bestehend aus Zimmer, Küche und Kabinett, aus den Gründen des § 30 Abs 2 Z 1 und 6 MRG zum 31.3.1989 auf. Sie machte geltend, daß die Beklagte seit dem zweiten Quartel 1987 mit dem Mietzins im Rückstand sei, weil sie anstelle des vereinbarten Betrages von S 200 monatlich zuzüglich anteiliger Betriebskosten bloß S 60 monatlich zuzüglich Betriebskosten zahle. Eine einseitige Abänderung der Höhe des Mietzinses sei nicht zulässig; die Fehlbeträge seien wiederholt eingemahnt worden. Der Mietgegenstand werde weder von der Beklagten noch von eintrittsberechtigten Personen regelmäßig zur Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses verwendet. Er finde lediglich als Abstellfläche für alte Möbel Verwendung. Die Beklagte verfüge sowohl in Wien als auch in Bad Fischau-Brunn über jeweils ein Haus, in das sie jederzeit einziehen könne.

Die Beklagte beantragte die Aufhebung der Aufkündigung. Die Streitteile seien Halbschwestern. Der Vater der Klägerin, Johann S***-W***, habe das ihm gehörige Haus in der Lindenberggasse 5 testamentarisch der Klägerin hinterlassen, jedoch gleichzeitig verfügt, daß seine Stieftochter, die Beklagte, berechtigt sei, die nunmehr aufgekündigte Wohnung einschließlich des Gartens auf Lebensdauer zu benützen. Der Beklagten sei hiebei die Auflage erteilt worden, von den für das Haus anfallenden Reparatur- und Betriebskosten ein Viertel und außerdem S 60 monatlich an den Hauseigentümer zu bezahlen. Nach dem Ableben des Stiefvaters der Beklagten habe die Klägerin gegenüber der Beklagten die Erklärung abgegeben, daß sie deren lebenslängliches Wohnrecht an der aufgekündigten Wohnung anerkenne und überdies damit einverstanden sei, daß dieses Wohnrecht im Falle des Ablebens der Beklagten auf deren Familienangehörige übergehe. Die Beklagte sei den mit dem Wohnrecht verbundenen Verpflichtungen stets nachgekommen. Ein Mietzins sei zwischen den Streitteilen nie vereinbart worden. Solange die Mutter der Streitteile gelebt habe, habe die Beklagte anstelle von S 60 monatlich S 200 monatlich bezahlt, womit auch kleinere Auslagen abgedeckt werden sollten. Nach dem Ableben der Mutter habe die Beklagte ihre Zahlung wieder auf S 60 monatlich reduziert. Die aufgekündigte Wohnung werde abwechselnd von der Beklagten, ihrem Mann und ihren Kindern benützt. Sie solle als Altensitz für die Beklagte für den Fall dienen, daß diese ihren Mann überlebe. Sollte davon auszugehen sein, daß zwischen den Streitteilen ein Bestandvertrag bestehe, werde geltend gemacht, daß eine ordnungsgemäße Abrechnung der Betriebskosten durch die Klägerin nicht stattfinde. In diesem Fall sei die letztwillige Einräumung des Wohnrechtes durch den Voreigentümer als Kündigungsverzicht anzusehen, der auch gegen die Klägerin wirke. An einem etwaigen Mietzinsrückstand treffe die Beklagte kein grobes Verschulden. Ein dringendes Wohnbedürfnis der Beklagten an der aufgekündigten Wohnung habe nie bestanden. Johann S***-W*** habe in Kenntnis dieses Umstandes der Beklagten das Wohnrecht eingeräumt; die Klägerin habe in Kenntnis dieses Umstandes das Wohnrecht anerkannt. Am 9.3.1989 zahlte die Beklagte die Mietzinsdifferenz von S 60 auf S 200 an die Klägerin nach.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab.

Das Berufungsgericht erkannte nach teilweiser Wiederholung des Beweisverfahrens die Aufkündigung als wirksam und gab dem Räumungsbegehren statt. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig ist und traf folgende Feststellungen:

Die Streitteile sind Halbschwestern. Johann S***-W***, der Vater der Klägerin, hatte das Haus in Hirtenberg, Lindenberggasse 5, von einer Tante geerbt. Er verbrachte gemeinsam mit seiner Gattin, der Klägerin und der Beklagten seinen Urlaub in diesem Haus. Etwa 1955 war in diesem Haus eine weitere Wohnung frei geworden, in die Johann S***-W*** mit seiner Familie übersiedelte. Der Beklagten, die inzwischen geheiratet hatte, überließ er die nunmehr streitgegenständliche Wohnung zur Benützung. Die Beklagte benützte diese Wohnung, weil sie mit ihrer Familie nach Schweden ausgewandert war, lediglich in den Ferien. Auch als sie mit ihren Kindern im Jahr 1965 nach Österreich zurückkehrte, wohnte sie in Wien und kam lediglich an den Wochenenden bzw. in den Schulferien nach Hirtenberg. Als die Klägerin 1973 heiratete, bestand sie darauf, im Haus in Hirtenberg eine eigene Wohnung zu erhalten. Hiedurch kam es zu Unstimmigkeiten. Die Beklagte und ihr Mann suchten wegen dieser Streitigkeiten eine andere Zweitwohnung und übernachteten seither nicht mehr in Hirtenberg.

Die Beklagte hatte ihrem Stiefvater als Entgelt für die Wohnung monatlich einen Betrag von S 60 bezahlt. An den Betriebskosten und allfälligen Reparaturen beteiligte sie sich, nach Rechnungslegung durch ihren Stiefvater, mit einem Viertel.

Johann S***-W*** starb am 3.3.1976. In seinem Testament vom 30.11.1973 hatte er unter anderem verfügt:

"...... Meiner Stieftochter Lotte, verehelichte S***, hat auf Lebenszeit die von ihr schon jetzt benutzte Wohnung zu gehören. Ebenso hat sie und ihre Familienmitglieder Anspruch auf die Gartenbenützung im bisherigen Umfang. Von den auf das Haus in Hirtenberg anfallenden Reparatur- und Betriebskosten hat Lotte stets ein Viertel der Kosten zu bezahlen, dazu die vom Finanzamt vorgeschriebene Miete von S 60 pro Monat, so lange diese nicht von Amts wegen erhöht wird." In einem Nachtrag vom 14.4.1975 verfügte Hans S***-W*** ein Vorkaufsrecht für die Beklagte.

Nach dem Tod von Hans S***-W*** waren die Klägerin zu drei Viertel und die Mutter der Streitteile, Käthe S***-W***, zu einem Viertel Eigentümer des Hauses in Hirtenberg. An der Benützung der Wohnung durch die Beklagte änderte sich nichts. Im Jahr 1982 oder 1983 gab es im Haus der Beklagten in Bad Fischau ein Gespräch über den von der Beklagten für ihre Wohnung im Haus Hirtenberg zu entrichtenden Mietzins. Bei diesem Gespräch waren neben der Beklagten die Klägerin und deren Mutter Käthe S***-W*** anwesend. Es wurde davon gesprochen, daß für das Haus in Hirtenberg infolge notwendiger Reparaturarbeiten sehr viele Kosten auflaufen. Die Beklagte wurde von ihrer Mutter darauf hingewiesen, daß sie die einzige im Hause wäre - im Haus gibt es vier Wohnungen, die Mieter der beiden anderen Wohnungen zahlten jeweils S 200 monatlich Mietzins zuzüglich Betriebskosten -, die nur S 60 monatlich Miete zahle. Die Beklagte erklärte daraufhin, im Hinblick auf diese Umstände zahle sie auch S 200 Miete. Nebenbei beschwerte sich die Beklagte darüber, daß sie - obwohl ihre Wohnung kleiner wäre als die übrigen - dennoch einen Viertelanteil an den Betriebs- und Reparaturkosten bezahlen müsse, zahlte aber in der Folge dennoch den Viertelanteil an den Betriebs- und Raparaturkosten. Ab diesem Zeitpunkt zahlte die Beklagte teils an die Klägerin, teils an ihre Mutter, die fallweise Mietzins und Betriebskosten kassierte, monatlich S 200 zuzüglich Betriebs- und Reparaturkosten. 1984 wurde das Haus in Hirtenberg an das öffentliche Kanalnetz angeschlossen. Dabei fielen Anschlußgebühren von S 130.000 an. Die Klägerin, die, da ihr Käthe S***-W*** ihren Viertelanteil geschenkt hatte, Alleineigentümerin des Hauses geworden war, ersuchte hierauf die Beklagte, sie möge sich an den Kosten beteiligen. Die Beklagte zahlte sodann ein Viertel dieser Kosten. Da sie in diesem Zeitpunklt vor einer schweren Operation stand, ersuchte sie die Klägerin, das ihrer Meinung nach nur ihr, der Beklagten, an der Wohnung zustehende Recht auch auf ihre Familie auszudehnen. Die Klägerin kam diesem Wunsch nach und schrieb am 25.1.1985 folgende Bestätigung:

"Ich bestätige hiemit den Übergang des Wohnrechtes an der Wohnung in Hirtenberg, Lindenberggasse 5, das von meinem Vater Charlotte S*** eingeräumt wurde, im Falle ihres Ablebens auf die übrigen Mitglieder ihrer Familie, das sind Dr. Horst S***, Dr. Beate S***, Stefan S*** und Alexander S***".

Im November 1986 verstarb Käthe S***-W***.

Am 25.2.1987 zahlte die Beklagte auf das Konto der Klägerin den Betrag von S 807,41 ein, bezeichnet als S 600 Miete erstes Quartal, S 207,41 Kanalgebühr erstes Quartal. Die Klägerin berechnete nach dem Tod ihrer Mutter den Betriebskostenschlüssel neu, weil die im Haus befindlichen vier Wohnungen unterschiedlich groß sind. Beim Vergleich der Gesamtnutzfläche mit der Nutzfläche von 48,59 m2 der Wohnung der Beklagten ergab sich ein Prozentsatz von 23,44. Die Beklagte war der Meinung, daß sie nach dem Tod ihrer Mutter zumindest Erinnerungsstücke für ihre Kinder und sich selbst erhalten sollte. Es kam hiedurch zu Unstimmigkeiten zwischen den beiden Schwestern, worauf die Beklagte erklärte, in Hinkunft wieder nur jenen Betrag monatlich an Miete zu zahlen, den ihr Stiefvater in seinem Testament festgesetzt hatte. Sie zahlte somit bereits am 6.5.1987 lediglich einen Betrag von S 180, bezeichnet als zweites Quartal 1987 Miete, auf das Konto der Klägerin ein. Hiemit erklärte sich die Klägerin nicht einverstanden und forderte die Beklagte mit Schreiben vom 20.12.1987 unter Setzung einer Nachfrist bis 8.1.1988 zur Nachzahlung auf. Sie führte weiters aus, daß sie lediglich unter der Voraussetzung, daß die Beklagte weiterhin die Reparaturkosten anteilig zahle, die monatliche Miete von S 200 nicht erhöhe. Mit der bei der Klägerin am 9.3.1989 von der Beklagten geleisteten Zahlung wurde der Differenzbetrag zwischen S 60 und S 200 für sämtliche Monate nachgezahlt und die Beklagte erklärte, bereit zu sein, auch in Hinkunft monatlich S 200 zu zahlen, um eine gütliche Einigung zu erzielen.

Das Erstgericht hatte in seiner rechtlichen Beurteilung ausgeführt, in der letztwilligen Verfügung des Johann S***-W*** vom 30.3.1973 sei die Einräumung eines Wohnrechts an die Beklagte zu erblicken. Unentgeltlichkeit sei nicht Voraussetzng für das Bestehen einer Dienstbarkeit. Die Beklagte benütze die aufgekündigte Wohnung daher nicht auf Grund eines Bestandvertrages, sodaß die Verfahrensbestimmungen über die Aufkündigung nicht zur Anwendung gelangten. Selbst dann, wenn ein Bestandverhältnis vorläge, wäre die Aufkündigung aufzuheben. Mit der Einräumung eines Rechtes an einer lediglich zeitweise, somit ohne dringendes Wohnbedürfnis benützten Wohnung auf Lebenszeit sei die Annahme eines Verzichts des Vermieters hinsichtlich des Kündigungsgrundes des mangelnden dringenden Wohnbedürfnisses verbunden, in der Erklärung des Vermieters sei sogar ein Verzicht auf jegliche Kündigung auf Lebensdauer der Bestandnehmerin zu erblicken. An diesen Verzicht sei auch die Klägerin als Rechtsnachfolgerin nach ihrem Vater gebunden. Auch der Umstand, daß die Beklagte den von ihr geforderten Betrag bis zum Schluß des Verfahrens nachgezahlt habe, hätte eine Aufhebung der Kündigung zur Folge, weil grobes Verschulden im Verhalten der Beklagten nicht erblickt werden könne.

Das Berufungsgericht vertrat demgegenüber die Ansicht, die Beklagte sei als Bestandnehmerin anzusehen, weil ihr die Wohnung 1955 von ihrem Stiefvater gegen Entgelt überlassen worden sei. Durch die im Testament vom 30.11.1973 enthaltene Verfügung des Stiefvaters der Beklagten und durch die Erklärung der Klägerin vom 25.1.1985 habe sich daran nichts geändert. In der vom Stiefvater der Beklagten abgegebenen Erklärung, die Wohnung solle der Beklagten auf Lebenszeit gehören, sei ein Kündigungsverzicht auf Lebensdauer des Bestandnehmers zu erblicken. Es könne jedoch ein Bestandverhältnis auch im Falle eines Kündigungsverzichts nach § 1118 ABGB aufgelöst werden, wobei die Räumungsklage durch das mildere Mittel der Aufkündigung ersetzt werden könne. Die nachträgliche Zahlung des Mietzinsrückstandes führe nur dann zur Anwendung des Räumungsbegehrens, wenn den Mieter am Zustandekommen des Rückstandes kein grobes Verschulden treffe. Das Verhalten der Beklagten ab Mai 1987 sei als grobes Verschulden zu werten, weil die Beklagte die bis dahin geleisteten Mietzinszahlungen eigenmächtig, entgegen der mit der Klägerin getroffenen Vereinbarung, herabgesetzt habe. Da der Auflösungsgrund nach § 1118 ABGB gegeben sei, müsse auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG nicht mehr eingegangen werden. Die ordentliche Revision sei nicht zuzulassen gewesen, weil Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu beantworten gewesen seien.

Die Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit außerordentlicher Revision aus den Revisionsgründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde, hilfsweise wird ein Aufhebungsantag gestellt.

Die Klägerin, der die Beantwortung der Revision freigestellt wurde (§ 508 a Abs 2 ZPO), beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Beklagte erachtet die außerordentliche Revision entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes wegen der Abgrenzung der Begriffe Wohnrecht und Mietrecht, der Frage der Begründung eines Wohnrechtes durch letztwillige Verfügung, der Geltendmachung von Aufhebungsgründen des § 1118 ABGB ungeachtet der Überlassung einer Wohnung auf Lebenszeit sowie der Voraussetzungen für das Vorliegen eines groben Verschuldens an einem Mietzinsrückstand für zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die von der zweiten Instanz vorgenommene Qualifizierung des Rechts der Beklagten an der aufgekündigten Wohnung als Mietrecht stellt eine im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage dar; die Revision ist daher zulässig.

Verträge, welche die Überlassung des Gebrauchs einer Wohnung gegen Entgelt zum Gegenstand haben, sind mit Rücksicht auf § 1090 ABGB zwar in der Regel als Mietverträge zu werten, wenn sie die für einen Bestandvertrag typischen und charakteristischen Merkmale aufweisen, da typische Vertragsfiguren grundsätzlich typische Rechtswirkungen nach sich ziehen. Es kann sich dabei jedoch auch um die Begründung einer nur obligatorisch eingeräumten und damit unregelmäßigen Dienstbarkeit des Wohnungsrechtes handeln; denn auch ein solches Recht kann gegen Entgelt eingeräumt und muß dadurch, daß ein "Zins" zu entrichten ist, noch nicht zu einem Mietverhältnis werden (MietSlg. 34.193). Die Dienstbarkeit der Wohnung ist das Recht, die bewohnbaren Teile eines Hauses oder Teile hievon zu seinem Bedürfnis zu benützen. Sie wird im Zweifel als höchstpersönliche, für die Lebensdauer des Berechtigten wirksame Befugnis eingeräumt und kann als höchstpersönliches Recht auf andere Personen grundsätzlich nicht übertragen werden (Pimmer in Schwimann, ABGB, Rz 1 und 5 zu § 521). Unentgeltlichkeit ist für ein Wohnungsrecht nicht wesentlich (SZ 28/68, MietSlg. 29.057, 39.038). Die hier festgestellten Umstände sprechen für das Vorliegen eines (obligatorischen) Wohnungsrechtes, nicht eines Mietverhältnisses. Erscheinen nach den Umständen, unter denen der Vater der Klägerin und Stiefvater der Beklagten der Beklagten in dem damals in seinem Eigentum stehenden Haus in Hirtenberg, in dem die Familie regelmäßig den Urlaub verbrachte, im Jahr 1955 eine frei werdende Wohnung "zur Benützung" überließ, die rechtlichen Beziehungen noch unklar - wobei jedoch nicht übersehen werden soll, daß unter Familienangehörigen nicht jene Bestimmtheit von Willenserklärungen verlangt wird, wie dies im Geschäftsverkehr zwischen fremden Personen der Fall ist (MietSlg. 31.050) -, bestehen darüber nach der letztwilligen Verfügung des Hans S***-W*** vom 30.11.1973 keine Zweifel. Sollte der Beklagten "auf Lebenszeit die von ihr schon jetzt benützte Wohnung gehören", kann dies - bei Bedachtnahme auch auf die gegebenen familienrechtlichen Beziehungen - nur im Sinne eines der Beklagten höchst persönlich zustehenden Rechtes im oben dargestellten Sinn verstanden werden, nicht als Bekräftigung des Bestehens eines Mietverhältnisses unter Einräumung eines Kündigungsverzichts auf Lebensdauer der Beklagten (vgl. MietSlg. 34.193). Für die Annahme eines Wohnrechtes der Beklagten spricht es auch, daß die Beklagte "die vom Finanzamt vorgeschriebene Miete von S 60 pro Monat" zahlen sollte, "so lange diese nicht von Amtswegen erhöht wird", und nicht einen dem Mietengesetz oder einer freien Vereinbarung entsprechenden Mietzins. Daß die Benützung der Wohnung durch die Beklagte auf Grund eines ihr persönlich zustehenden Rechtes und nicht auf Grund eines Mietverhältnisses erfolgte, entsprach auch der eigenen Überzeugung der Streitteile. Es hätte sonst nicht die Klägerin über Wunsch der Beklagten dieser ausdrücklich "bestätigt", daß das der Beklagten vom Vater der Klägerin eingeräumte Wohnrecht im Fall ihres Ablebens auf ihre Familienmitglieder (Ehemann, Kinder) übergeht (Schreiben vom 27.1.1985).

Das Revisionsgericht teilt daher nicht die Ansicht des Berufungsgerichtes, es liege ein Bestandverhältnis vor. Auch das Wohnungsrecht kann allerdings wie ein Dauerschuldverhältnis einseitig aus wichtigen Gründen aufgelöst werden (JBl. 1974, 618; Petrasch in Rummel, ABGB, Rz 1 und 2 zu § 524; Schimetschek, Die Dienstbarkeit der Wohnung, ImmZ 1981, 101). Zu diesen Gründen gehört im Sinne des § 1118, zweiter Fall, ABGB auch der qualifizierte Rückstand mit der Bezahlung des vereinbarten Entgelts, jedoch wegen der im § 33 Abs 3 MRG vorgesehenen Anwendung des § 33 Abs 2 MRG auf die Bestimmung des § 1118 ABGB nur bei Vorliegen eines groben Verschuldens am Zahlungsrückstand, wird dieser vor Schluß der der Entscheidung des Gerichts erster Instanz unmittelbar vorangehenden Verhandlung entrichtet. Ein grobes Verschulden setzt begrifflich ein besonderes Maß an Sorglosigkeit voraus, sodaß der Vorwurf berechtigt erscheint, der Zahlungsrückstand sei aus Rechthaberei, Willkür, Leichtsinn oder Streitsucht verursacht worden (Würth in Rummel, ABGB, Rz 6 zu § 33 MRG). Eine vertretbare Verkennung der Rechtslage schließt grobes Verschulden aus (MietSlg. 38.506). Die Beklagte schränkte ihre Zahlungen für die Wohnung ab dem zweiten Quartal 1987 auf S 60 monatlich (zuzüglich Betriebskosten) ein, weil sie der Meinung war, nach der letztwilligen Verfügung ihres Stiefvaters nur zur Zahlung dieses Betrages verpflichtet zu sein und einen Betrag von S 200 monatlich (zuzüglich Betriebskosten) nur freiwillig zu leisten. Nach den festgestellten Umständen, unter denen sich die Beklagte 1982 oder 1983 bereit erklärte, monatlich einen Betrag von S 200 für die Benützung der Wohnung zu zahlen, kann die Ansicht der Beklagten - die den entstandenen Zahlungsrückstand noch vor der Tagsatzung vom 16.3.1989 beglichen hat - über die Höhe ihrer Leistungspflicht nicht als unvertretbar angesehen werden. Die mit Kündigung nach § 30 Abs 1 Z 1 MRG geltend gemachte Auflösung ist daher nicht berechtigt.

Nicht berechtigt ist aber auch eine Auflösung aus dem Grund des § 30 Abs 1 Z 6 MRG. Wohl kann ein wichtiger Grund für die Aufhebung eines Dauerschuldverhältnisses auch in Umständen gelegen sein, die dem einen Teil die Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zumutbar erscheinen lassen (Würth in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 1118). Doch kann ein solcher Grund nicht darin gefunden werden, daß eine Wohnung, die die Beklagte seit jeher nicht regelmäßig verwendet hat, auch derzeit nicht regelmäßig benützt, zumal hiemit bei Abschluß des Dauerschuldverhältnisses nicht nur gerechnet werden mußte (vgl. Würth aaO), sondern dies geradezu selbstverständlich war. Mit Recht hat deshalb das Erstgericht die Aufkündigung aufgehoben und das Räumungsbegehren abgewiesen, sodaß seine Entscheidung in Abänderung des Urteils des Berufungsgerichtes wiederherzustellen war.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E21433

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0070OB00617.9.0628.000

Dokumentnummer

JJT_19900628_OGH0002_0070OB00617_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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