TE OGH 1990/7/11 1Ob14/90

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.07.1990
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stefan W***, Installateur, Bludenz, St. Antoniusstraße 32, vertreten durch Dr. Andreas Brandtner, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagte Partei Dr. Bernhard S***, Priester, Dornbirn, Mitterfeldstraße 3, vertreten durch Dr. Christian Konzett, Rechtsanwalt in Bludenz, wegen 80.000 S sA (Rekursinteresse: 20.000 S sA), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes vom 19. Februar 1990, GZ 1 a R 50/90-26, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Bludenz vom 8. November 1989, GZ 2 C 1620/88b-20, in Ansehung des noch nicht rechtskräftig entschiedenen Begehrens von 20.000 S als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat ihre Rekurskosten selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Beklagte verletzte am 24. November 1977 als Religionslehrer während des Religionsunterrichtes an der öffentlichen Hauptschule Bludenz den damals 12-jährigen Kläger durch eine unvorsichtige Bewegung mit einem Kugelschreiber am rechten Auge; er wurde deshalb mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Bludenz vom 2. März 1978, AZ U 290/78, wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 erster Deliktsfall StGB rechtskräftig verurteilt. Mit rechtskräftigem Versäumungsurteil des Bezirksgerichtes Bludenz vom 16. Jänner 1980, GZ C 871/79-3, wurde festgestellt, daß der Beklagte dem Kläger für alle zukünftigen Schäden aus der Verletzung seines rechten Auges vom 24. November 1977 zu haften habe. In einem im April 1980 zwischen den Parteien unter Mitwirkung des Haftpflichtversicherers des Beklagten geschlossenen außergerichtlichen Vergleich verpflichtete sich der Beklagte, dem Kläger zur Abgeltung der bis dahin aufgetretenen Schmerzen 40.000 S zu bezahlen.

Der Kläger begehrte nunmehr vom Beklagten 80.000 S sA, weil er an weiteren Schmerzen zu leiden habe. Der Beklagte bestritt das Klagebegehren, weil beim Kläger keine weiteren, den Zuspruch von Schmerzengeld rechtfertigende Schmerzen aufgetreten seien. Das Erstgericht verhielt den Beklagten zur Zahlung eines weiteren Schmerzengeldbetrages von 60.000 S sA und wies das Mehrbegehren von 20.000 S sA ab. Aus Anlaß der Berufung des Klägers hob das Berufungsgericht im Umfang der Anfechtung das Ersturteil und das der Urteilsfällung vorangegangene Verfahren als nichtig (§ 477 Abs 1 Z 6 ZPO) auf und wies die Klage in diesem Umfang wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück (§ 42 Abs 1 JN), weil der Kläger inhaltlich einen Amtshaftungsanspruch geltend gemacht habe. Die Erfüllung der einem Religionslehrer übertragenen gesetzlichen Aufgaben erfolge in Vollziehung der Gesetze.

Rechtliche Beurteilung

Der zulässige (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO) Rekurs des Klägers ist nicht gerechtfertigt.

In Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben der Unterrichts- und Erziehungsarbeit - auch bei Erteilung des Religionsunterrichtes - handelt insbesondere der Pflichtschullehrer ohne Rücksicht auf seine dienstrechtliche Stellung als Organ des Rechtsträgers Bund (JBl 1988, 521; SZ 60/236, SZ 57/17, SZ 51/2; Schragel, AHG2 Rz 336); er wird auch bei einer ihm dabei unterlaufenden fahrlässigen Verletzung eines Schülers in Vollziehung der Gesetze tätig.

Der persönlichen Haftung des Beklagten als Organ des Rechtsträgers steht aber nicht nur § 1 Abs 1 AHG, wonach das Organ dem Geschädigten nicht haftet, sondern auch § 9 Abs 5 AHG über die Unzulässigkeit des Rechtsweges gegen das Organ entgegen. Die formelle und materielle Rechtskraft des Feststellungsurteils im Vorverfahren hindert die Wahrnehmung der Unzulässigkeit des Rechtsweges im anschließenden Leistungsprozeß nicht. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Voraussetzungen des § 42 Abs 3 JN vorlägen, wenn also dem Ausspruch nach § 42 Abs 1 JN in Ansehung des Grundes der Nichtigkeit eine von demselben oder von einem anderen Gerichte gefällte, noch bindende Entscheidung entgegenstünde. Im Feststellungsurteil wurde aber weder im Spruch (Fasching I 273) noch in den Gründen (RZ 1988/61, SZ 54/190, SZ 52/151; vgl. Fasching, Lehrbuch2 Rz 101) auf die Prozeßvoraussetzung der Zulässigkeit des Rechtsweges eingegangen. Eine bindende Entscheidung iS des § 42 Abs 3 JN liegt daher nicht vor. Dem Aufgreifen des Fehlens dieser Prozeßvoraussetzung von Amts wegen durch das Berufungsgericht iS der §§ 240 Abs. 3, 477 Abs 1 Z 6 ZPO steht daher nichts entgegen. Der angefochtene Beschluß ist demnach zu bestätigen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.

Anmerkung

E21343

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0010OB00014.9.0711.000

Dokumentnummer

JJT_19900711_OGH0002_0010OB00014_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten