TE OGH 1990/9/4 15Os78/90

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Veröffentlicht am 04.09.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.September 1990 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mende als Schriftführer in der Strafsache gegen Slavko T*** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren, banden- und gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1, 130 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Slavko T*** sowie über die Berufungen des Angeklagten Marko P*** und der Staatsanwaltschaft hinsichtlich dieser beiden Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. März 1990, GZ 6 d Vr 4573/89-132, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

I. Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben:

teils demgemäß und teils nach § 290 Abs. 1 StPO werden

A. das angefochtene Urteil, welches sonst unberührt bleibt,

1. in den Schuldsprüchen lt. den Pkten I.3, 16, 24, 25, 35, 36, 37, 41, 44, 45, 46, 47, 48, 66, 69, 72, 77, 80 und 87; II.3; IV.2;

V.2, 13, 27, 41, 50, 55, 61, 64, 65, 67, 68, 70 und 75; VI.2; VIII.2 und 6; sowie IX. in Ansehung der lt. den soeben bezeichneten

(37) Pkten erbeuteten Gegenstände;

2. in der Unterstellung der von den Angeklagten Adil A*** und Zoran S*** lt. den Pkten VI.1 bis 5 begangenen Diebstähle auch unter § 128 Abs. 1 Z 4 StGB; und

3. in sämtlichen Strafaussprüchen (einschließlich der Aussprüche über die Vorhaftanrechnung); sowie demzufolge auch

B. der Beschluß über die bedingte Nachsicht des jeweils noch unverbüßten Restes der über die Angeklagten Vela A***, A***, S*** und Elmij Z*** verhängten Freiheitsstrafen (einschließlich der den Genannten erteilten Weisung) aufgehoben; die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

II. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

III. Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten Slavko T*** und Marko P*** sowie die Staatsanwaltschaft hinsichtlich dieser Angeklagten auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

IV. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten T*** auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem (auch andere Entscheidungen enthaltenden) angefochtenen Urteil wurde Slavko T*** des Verbrechens des (in 136 Fällen verübten) "gewerbsmäßigen schweren" (richtig: schweren, banden- und gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen) Diebstahls nach §§ 127, 128 (überflüssigerweise zitiert: Abs. 1 Z 4 und) Abs. 2 (irrig: "Abs. 4"), 129 Z 1, 130 (abermals überflüssig: erster,) zweiter und vierter Fall StGB schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

Seiner dagegen erhobenen, auf § 281 Abs. 1 Z 4 und Z 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde kommt teilweise Berechtigung zu. Mit dem Vorwurf "gravierender Unsicherheiten" in bezug auf seine Verurteilung wegen des Diebstahls "nicht mehr feststellbarer Sachen" im Wert von 1.775 S (Faktum I.16) und im Wert von 200 S (Faktum I.66) macht er im Kern zutreffend Feststellungsmängel in Ansehung der Sach-Qualität der betreffenden Tatobjekte (Z 9 lit. a) geltend. Denn zum einen ist eine ziffernmäßige Bewertung von nicht einmal der Art nach bestimmbaren Sachen überhaupt nur in besonders gelagerten Fällen denkbar und demgemäß ohne spezielle Begründung nicht nachvollziehbar und zum anderen sind eben deshalb in solchen Fällen zumindest Konstatierungen unumgänglich, die eine Beurteilung dahin gestatten, daß es sich bei den weggenommenen Objekten jedenfalls um Wertträger iS § 127 StGB gehandelt hat. Derartige Feststellungen liegen zu den mit der Beschwerde relevierten Fakten nicht vor und hätten hiezu nach dem Akteninhalt auch gar nicht getroffen werden können, weil darnach - ohne daß der Oberste Gerichtshof in prozessualer Hinsicht zu entsprechenden Konstatierungen befugt wäre - bei diesen Einbrüchen in PKWs überhaupt nichts gestohlen wurde und die der Bezifferung des Wertes der vermeintlich erzielten Diebsbeute zugrunde gelegten Zahlen in Wahrheit bloß den jeweils beim Diebstahls-Versuch entstandenen Sachschaden betreffen (S 195, 497/II); insoweit ist daher eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz nicht zu vermeiden. Der gleiche Mangel haftet dem Urteil in den oben unter I.A.1. bezeichneten übrigen Fällen mit Ausnahme des noch zu erörternden Faktums I.25 an, zu denen den Tätern - also im Rahmen der Faktengruppen I., II. und IV. den Angeklagten T***, Vela A*** und Marko P***; im Rahmen der Faktengruppe V. dem Angeklagten P***; im Rahmen der Faktengruppe VI. den Angeklagten P***, Adil A*** und Zoran S***; im Rahmen der Faktengruppe V***. den Angeklagten P*** und Elmij Z***; sowie im Rahmen der Faktengruppe IX. dem Angeklagten S*** - ebenfalls der Diebstahl oder das Verhehlen "nicht mehr feststellbarer" ("nicht mehr festzustellender", "unbekannter") Sachen zur Last gelegt wird; gleichermaßen wie die eingangs erörterte Urteilsnichtigkeit war er daher zugunsten der jeweils hievon betroffenen Angeklagten, die dagegen keine Beschwerde ergriffen haben, von Amts wegen wahrzunehmen (§ 290 Abs. 1 Satz 2 erster Fall StPO).

Des weiteren remonstriert der Beschwerdeführer T*** mit Recht dagegen, daß das Erstgericht bei der Tatbeschreibung (§ 260 Abs. 1 Z 1 StPO) zu den Fakten I.25 und I.26 "sichtlich ein Faktum wiederholt" habe: hat es doch tatsächlich bei der Beschreibung der nach den Entscheidungsgründen (US 40) anklagekonform als erwiesen angenommenen Diebstähle im Tenor (US 6) als Urteilsfaktum I.25 (nicht das damit korrespondierende, sondern ebenso wie zum folgenden Urteils-Faktum) das Anklage-Faktum I.26 zur Darstellung gebracht (Z 5); auch dazu ist mithin die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung unumgänglich.

Derselbe Begründungsmangel betrifft naturgemäß die (insoweit rechtskräftig abgeurteilten) Mitangeklagten A*** und P*** (als Mittäter) sowie S*** (als Hehler), zu deren Gunsten er dementsprechend gleichfalls von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs. 1 Satz 2 zweiter Fall StPO).

Eine von den dadurch betroffenen Angeklagten nicht gerügte und deshalb von Amts wegen wahrzunehmende (§ 290 Abs. 1 Satz 2 erster Fall StPO) materiellrechtliche Urteilsnichtigkeit (Z 10) ist dem Schöffengericht überdies insofern unterlaufen, als es den Angeklagten A*** und S*** zur Faktengruppe VI. auch die Diebstahlsqualifikation nach § 128 Abs. 1 Z 4 StGB anlastete, obwohl der feststellbare Wert der von ihnen gestohlenen Sachen dem Tenor zufolge nur knapp 6.000 S betrug (US 29, 30); im Hinblick auf die gegenteilige Konstatierung in den Entscheidungsgründen (US 44) bedarf es auch dazu einer Erneuerung der Hauptverhandlung. Im bisher erörterten Umfang und demgemäß auch im gesamten Strafausspruch war daher nach Anhörung der Generalprokuratur teils in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und teils von Amts wegen schon bei einer nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch (oben unter I.A.) zu erkennen (§ 285 e StPO).

Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten T*** und P*** sowie die Anklagebehörde hinsichtlich dieser beiden Angeklagten (oben unter III.) darauf zu verweisen.

Die kassatorische Entscheidung über den Strafausspruch hatte notwendigerweise (oben unter I.B.) die Aufhebung auch des Beschlusses gemäß § 265 StPO in Ansehung der Angeklagten A***, A***, S*** und Z*** (einschließlich der ihnen erteilten Weisung) zur Folge; insoweit wird im zweiten Verfahrensgang das Verschlimmerungsverbot zu beachten sein (§§ 293 Abs. 3, 290 Abs. 2 StPO).

Im übrigen Umfang der Anfechtung hingegen ist die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten T*** nicht zielführend. Zur Verfahrensrüge (Z 4), mit der er gegen die Nichteinholung eines Schätzgutachtens über den Wert der gestohlenen Sachen remonstriert, ist er im Hinblick darauf, daß er in der Hauptverhandlung keinen dahingehenden Antrag gestellt hat, nicht legitimiert. Gleiches gilt für jenen im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) erhobenen Einwand, mit dem er der Sache nach das Unterbleiben seiner - vom Erstgericht ohnehin, aber im wesentlichen erfolglos versuchten (S 261 ff./V) - faktenweisen Befragung moniert. Auch sonst vermag er formelle Begründungsmängel des Urteils im Sinn des zuletzt relevierten Nichtigkeitsgrundes nicht darzutun. Nicht recht verständlich ist sein gegen den Schuldspruch zum Faktum I.7 erhobener Beschwerdeeinwand, er könne die "nachts zum 3. Mai 1989" begangene (US 4) Tat nicht verübt haben, weil er am bezeichneten Tag "bereits" um 18.40 Uhr in Haft genommen worden sei; inwiefern seine Festnahme in den Abendstunden einer Tatbegehung durch ihn schon in den Morgenstunden desselben Tages entgegengestanden sein sollte, bleibt unerfindlich. Ebensowenig ist der Mängelrüge zu entnehmen, was für den Beschwerdeführer aus einer (von ihm vermißten) detaillierten Bezeichnung der bei ihm sichergestellten Urkunden und gestohlenen Sachen zu gewinnen gewesen wäre, die es "ermöglicht hätte, allfällige Zusammenhänge und Zuordnungen zu gestohlen behaupteten Gegenständen und deren Eigentümern herzustellen"; insoweit geht demnach die Beschwerde schon deswegen fehl, weil sie keine im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes entscheidende Tatsache betrifft.

Mangels Substantiierung hinwieder ist der weitere Vorwurf, das Schöffengericht habe den Schuldspruch durch Bezugnahme auf die Erhebungen der Sicherheitsbehörden nur offenbar unzureichend begründet, einer sachbezogenen Erörterung nicht zugänglich. Sehr wohl aber konnte sich letzteres, dem Beschwerdestandpunkt zuwider, zur Widerlegung der in der Hauptverhandlung weitgehend leugnenden Verantwortung des Angeklagten T*** auch auf die im wesentlichen geständige und ihn damit belastende Darstellung der Mitangeklagten A*** stützen (S 231-234/V iVm S 741-793/II und ON 10). Mit seinen dagegen vorgebrachten Argumenten schließlich gleichwie mit seinem Versuch, die im Verfahren zutage getretenen Divergenzen in seinen Angaben plausibel und eine weitergehende als die vom Erstgericht angenommene Alleintäterschaft des Mitangeklagten P*** wahrscheinlich zu machen, unternimmt der Beschwerdeführer nur einen in Ausführung des in Rede stehenden Nichtigkeitsgrundes unzulässigen Angriff gegen die schöffengerichtliche Beweiswürdigung. Insoweit war daher die Nichtigkeitsbeschwerde gleichfalls nach Anhörung der Generalprokuratur schon in nichtöffentlicher Sitzung (oben unter II.) sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs. 1 Z 2 und Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO).

Anmerkung

E21585

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0150OS00078.9.0904.000

Dokumentnummer

JJT_19900904_OGH0002_0150OS00078_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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