TE OGH 1990/9/6 12Os51/90

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Veröffentlicht am 06.09.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.September 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Kuch und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Löschenberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Otto M***-G*** wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5.April 1988, GZ 12 c Vr 2835/86-657, nach einer am 30.August 1990 und am 6.September 1990 durchgeführten öffentlichen Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Tschulik, des Angeklagten Otto M***-G*** und des Verteidigers Dr. Bernhauser zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise dahon Folge gegeben, daß die Anzahl der Tagessätze auf 180 (einhundertachzig), die Ersatzfreiheitsstrafe auf 90 (neunzig) Tage herabgesetzt und gemäß § 43 a Abs 1 StGB ein Teil der Geldstrafe im Ausmaß von 90 (neunzig) Tagessätzen zu je 800 S unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 7.Juni 1916 geborene Pensionist Otto M***-G*** des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er inhaltlich unrichtige Schadensmeldungen zu Haushaltsversicherungspolizzen der V*** DER Ö*** B***

Versicherungsaktiengesellschaft (im folgenden kurz: V***), auf denen er die Unterschriften der Versicherungsnehmer (ohne deren Wissen) nachgemacht hatte, die er dem abgesondert verfolgten Dr. Kurt R*** überließ, damit dieser die Auszahlung nachgenannter Beträge auf von ihm bekanntgegebene Inhabersparkonten veranlasse, im Rechtsverkehr zum Beweis von Schadensereignissen, welche die Versicherung zu Leistungen auf Grund der Versicherungsverträge verpflichteten, gebraucht, und zwar 1./ Mitte Mai 1982 zur Haushaltsversicherung des Dr. Heinrich T*** über einen Schaden von 212.000 S, 2./ Ende November 1983 zur Haushaltsversicherung der Bettina S*** über einen Schaden von 272.000 S, 3./ Anfang Mai 1984 zur Haushaltsversicherung der Renate S***

über einen Schaden von 331.500 S und 4./ Mitte Juni 1985 zur Haushaltsversicherung des Dipl.Ing. Dr. Gerhard R*** über einen Schaden von 284.600 S.

Nach den hiezu getroffenen Urteilsfeststellungen hatte der Generaldirektor der V***, Dr. Kurt R***, dem Angeklagten, als dieser pensioniert wurde, angeboten, seine bisherige Tätigkeit als Jagdleiter in den Jagdrevieren der V*** weiter auszuüben. Da der Angeklagte hiefür neben seiner Pension die zusätzliche Bezahlung seines bisherigen Aktivbezuges verlangte, schlug Dr. R*** vor, ihm jährlich etwa 250.000 S im Wege fingierter Schadensfälle zukommen zu lassen, womit sich der Angeklagte einverstanden erklärte. Nach Überzeugung des Schöffengerichtes wußte M***-G*** um die Pflichtwidrigkeit der Vorgangsweise des Dr. R***. Da er aber für die ihm in der Folge zugekommenen Beträge Dienstleistungen erbrachte, die einen Anspruch auf entsprechende Honorierung begründeten und die vom Auftraggeber wertmäßig in Höhe der flüssig gemachten Beträge akzeptiert wurden, verneinten die Tatrichter einen Schädigungsvorsatz des Angeklagten und demgemäß die ihm laut Anklageschrift angelastete Beteiligung am Verbrechen der Untreue. Seinen Schuldspruch wegen Vergehens der Urkundenfälschung ficht Otto M***-G*** mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 9 lit b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an, den Strafausspruch bekämpft er mit Berufung.

Zum erstgenannten Nichtigkeitsgrund rügt der Beschwerdeführer die Übergehung seiner Verantwortung, er habe unter die Schadensmeldungen bloß die Namen der Versicherungsnehmer gesetzt, hiebei aber nicht den Eindruck erwecken wollen, daß die Unterschriften von den Versicherungsnehmern stammen. Er sei der Meinung gewesen, daß die von Dr. R*** gewählte Vorgangsweise von der V*** gebilligt werde und Schadensmeldungen von Dr. R*** nicht weitergeleitet würden. Die Herstellung einer falschen Urkunde setzt indes nur eine Täuschung über die Ausstelleridentität voraus. Für die Annahme einer Urkundenfälschung reicht es demnach hin, wenn der Täter die urkundliche Erklärung mit falschem Namen unterzeichnet und schon damit den Anschein erweckt, diese stamme von dem auf der Urkunde angegebenen Aussteller (LSK 1983/41 zu § 223 StGB ua). Ob er hiebei versucht, den Namenszug des angeblichen Ausstellers möglichst genau nachzumachen, ist unerheblich. Im übrigen zeigt der Vergleich der im Akt erliegenden Originalunterschriften der (hintergangenen) Versicherungsnehmer (vgl. S 186, 199, 335/VII) mit den Unterschriften auf den Schadensmeldungen (in den Umschlägen S 333, 293/I, S 591/VII) zwar keine deutlich erkennbare Nachahmungstendenz, allerdings weisen die nachgemachten Unterschriften in Form und Schreibweise auch keine Auffälligkeit oder Primitivität auf, die eine Täuschung unter gar keinen Umständen zuließe. Absolute Beweisuntauglichkeit, die eine Strafbarkeit der Urkundenfälschung ausschlösse, kommt deshalb im vorliegenden Fall nicht in Betracht (vgl. EvBl 1978/200, EvBl 1982/148, LSK 1983/60 zu § 223 StGB). Bei der Urteilsannahme, der Angeklagte habe gegenüber Dritten den Eindruck vermitteln wollen, daß die berechtigten Versicherungsnehmer Schadensmeldungen erstattet haben, welche zu Leistungen aus der Haushaltsversicherung berechtigten (S 53/XXXIII), bedurfte es daher keines Eingehens auf den Einwand des Angeklagten, er habe die Schadensmeldungen gar nicht "gefälscht", weil er die Unterschriften der Versicherungsnehmer nicht genau nachgezeichnet habe. Auch in bezug auf die Feststellung, wonach die vom Angeklagten hergestellten Urkunden im Rechtsverkehr tatsächlich gebraucht wurden, vermag der Beschwerdeführer keinen Begründungsmangel aufzuzeigen: Nach der auf einer Gesamtbeurteilung der Verfahrensergebnisse beruhenden Überzeugung des Gerichtes wußte der Angeklagte, daß die mit Dr. R*** vereinbarte Methode der Honorierung im Wege fingierter Schadensereignisse nicht den Usancen einer gewissenhaften Geschäftsführung entsprach und daß auf diese Weise entgegen den Grundsätzen ordnungsgemäßer Geschäftsabwicklung Beträge freigesetzt werden sollten, deren tatsächlicher Verwendungszweck verschleiert wurde (S 52/XXXIII). Seine Verantwortung, sich anläßlich der Urgenz einer Zahlung auf Grund einer Äußerung des Dr. R*** gedacht zu haben, Vorstand und Aufsichtsrat des V*** wüßten über die besprochene Vorgangsweise Bescheid, wurde damit der Sache nach abgelehnt. Die Feststellung, daß die fingierten Schadensmeldungen zum Nachweis anspruchsbegründender Schadensereignisse gegenüber den von Dr. R*** zur manipulativen Durchführung herangezogenen Bediensteten der V*** dienten ("veranlaßte .... die Anlegung von Schadensakten und die Überweisung" - S 52/XXXIII) kann vom Angeklagten, der ja den versicherungsinternen Geschäftsgang genau kannte, mit dem Hinweis, Dr. R*** habe einmal eine ihm ausgehändigte Schadensmeldung in seine mittlere Schreibtischlade gelegt (S 15/XXXIII), nicht wirklich in Frage gestellt werden.

Gegen den Gebrauch der von ihm hergestellten Urkunden im Rechtsverkehr wird in rechtlicher Hinsicht (Z 9 lit a) eingewendet, der Empfänger Dr. R*** habe gewußt, daß die von ihm entgegengenommenen Urkunden "Scheinurkunden" und falsch seien. § 223 Abs 2 StGB setze, so meint der Beschwerdeführer, voraus, daß der Empfänger der Urkunde diese für echt und richtig hält. Dagegen fehle es an einem im Sinne dieser Gesetzesstelle tatbildmäßigen Verhalten, wenn die falsche Urkunde im Auftrag des Empfängers errichtet wird. Feststellungen darüber, inwiefern weitere Personen mit den gefälschten Urkunden in Kontakt gekommen und durch sie getäuscht wurden, seien nicht getroffen worden.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Rechtsansicht kann jedoch nicht gefolgt werden. Unter dem Gebrauch einer Urkunde im Rechtsverkehr ist jede mit Rücksicht auf ihren Inhalt rechtserhebliche Verwendung der Urkunde zu verstehen, durch welche ein anderer zu einem bestimmten Verhalten im Rechtsverkehr veranlaßt werden soll. Demnach muß zum einen zwischen Inhalt und Gebrauch der Urkunde ein innerer Zusammenhang bestehen und zum anderen eine rechtserhebliche Reaktion eines anderen bezweckt sein. Darüber hinaus bedarf es keines über die schon in der Verwendung der Urkunde liegende Irreführung hinausgehenden Täuschungs- oder Schädigungsvorsatzes (SSt. 48/18, EvBl 1978/176, JBl 1979, 273). Daraus folgt, daß ein Gebrauch im Rechtsverkehr auch vorliegen kann, wenn der Empfänger der Urkunde deren Unechtheit kennt oder - wie hier - die Vorlage einer solchen Urkunde zu Beweiszwecken zur Voraussetzung der vom Täter gewünschten rechtserheblichen Maßnahme macht. In einem solchen Fall ist nicht erforderlich, daß der Empfänger der Urkunde selbst durch Täuschung über die Echtheit zu einem rechtserheblichen Handeln oder Unterlassen im Rechtsverkehr bestimmt werden muß; es genügt, wenn durch das einverständliche Vorgehen des Täters und des Empfängers irgendjemandem gegenüber im Rechtsverkehr der Anschein erweckt werden soll, seine Verfügung beruhe auf einer echten und unverfälschten Urkunde. Hiebei macht es keinen Unterschied, ob die in der Urkunde angelegte Beweisbestimmung nur im unternehmensinternen Bereich der V*** gegenüber anderen geschäftsführenden oder kontrollierenden Organträgern (LSK 1979/227 zu § 223 StGB) oder aber etwa gegenüber den Finanzbehörden zur Geltung gebracht werden sollte. Für den Vorsatz des Angeklagten, gefälschte Urkunden im Rechtsverkehr zum Beweis rechtserheblicher Tatsachen zu gebrauchen, reichte es folglich aus, daß dieser, wie vom Gericht als erwiesen angenommen wurde, bei Vorlage der gefälschten Schadensmeldungen geglaubt hat, die (mißbräuchliche) Tarnung von Honoraren als Versicherungsleistungen würden von der V*** zur Erzielung von Steuerersparnissen verwendet (S 52/XXXIII). Soweit der Beschwerdeführer daher die subjektive Tatseite aus rechtlichen Gründen für nicht gegeben erachtet, erweist sich seine Rechtsrüge als verfehlt.

Mit Beziehung auf Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO erhebt der Beschwerdeführer den Vorwurf, das Erstgericht habe rechtsirrigerweise die Bestimmung des § 42 StGB nicht angewendet. Die von ihm reklamierte mangelnde Strafwürdigkeit der Tat liegt jedoch schon deshalb nicht vor, weil von geringer Schuld im Sinne des erheblichen Zurückbleibens seines tatbildmäßigen Verhaltens hinter dem in der Strafnorm des § 223 StGB typisierten Unrechts- und Schuldgehalt angesichts der planmäßigen Vorgangsweise des Angeklagten und der mehrmaligen Tatbegehung keinesfalls gesprochen werden kann. Die schuldmildernden Umstände, wie insbesondere die Veranlassung der Fälschung durch Dr. R***, reichen für die Anwendung des § 42 StGB nicht aus. Das Erstgericht hat mit Recht diese Bestimmung nicht in Betracht gezogen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - zu verwerfen. Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach §§ 28 Abs 1, 223 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 37 Abs 1 StGB eine Geldstrafe von 240 (zweihundertvierzig) Tagessätzen zu je 800 (achthundert) S, im Fall der Uneinbringlichkeit 120 (einhundertzwanzig) Tage Ersatzfreiheitsstrafe, und wertete als erschwerend die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen derselben Art, als mildernd hingegen den bisherigen ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten, wobei die Taten mit dessen sonstigem Verhalten in auffallendem Widerspruch stehen, sowie den Umstand, daß der Angeklagte durch seine Aussagen auch wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat.

Mit seiner Berufung begehrt Otto M***-G*** sowohl die Verringerung der Tagessätze als auch deren Herabsetzung der Höhe nach, sowie die Anwendung des § 43 StGB.

Dem Vorbringen, daß die dem Angeklagten allein zur Last liegende Urkundenfälschung nur auf die Anstiftung durch Dr. R*** zurückzuführen sei, kann nach den Beweisergebnissen nicht entgegengetreten werden, sodaß dieser (vom Erstgericht nicht gewürdigte) Milderungsumstand (§ 34 Z 4 StGB) in Betracht zu ziehen ist. Dies hat nicht nur in der Herabsetzung der Zahl der Tagessätze Ausdruck zu finden, sondern kann auch in die Prognose (§ 43 StGB) insoweit einfließen, als wohl der Vollzug eines Teiles der Geldstrafe ausreichen wird, um angesichts des nunmehr auch schon seit den inkriminierten Verfehlungen geraume Zeit - wie schon zuvor - bewiesenen untadeligen Wandels des Angeklagten die Strafzwecke in spezial- und generalpräventiver Hinsicht zu erreichen. Der Oberste Gerichtshof sah sich daher veranlaßt, die Geldstrafe spruchgemäß zu mildern und die Hälfte derselben gemäß § 43 a Abs 1 StGB bedingt nachzusehen, sodaß der Berufung insoweit Folge zu geben war. Im übrigen war der Berufung aber der Erfolg zu versagen, zumal auch die Höhe der Tagessätze der im Urteil festgestellten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Angeklagten entspricht. Der erst nach dem für die Beurteilung der persönlichen Verhältnisse und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Angeklagten maßgeblichen Zeitpunkt der Urteilsfällung erster Instanz (§ 19 Abs 2 StGB) zwischen dem Berufungswerber und der V*** entbrannte Rechtsstreit über die Versteuerung der (an sich nicht bestrittenen) Firmenpension hat im derzeitigen Verfahrensstadium außer Betracht zu bleiben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E22771

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0120OS00051.9.0906.000

Dokumentnummer

JJT_19900906_OGH0002_0120OS00051_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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