TE OGH 1990/9/26 2Ob601/90

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Veröffentlicht am 26.09.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel, Dr.Melber, Dr.Kropfitsch und Dr.Zehetner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*** H*** AG, Steinengraben 22, CH-4002 Basel, vertreten durch Dr.Ernst Chalupsky und Dr.M.Gumpoldsberger, Rechtsanwälte in Wels, wider die beklagte Partei Magdalena W***, Private, Krapfenwaldgasse 48, 1190 Wien, wegen Nichtigkeit eines Abtretungsvertrages (S 15,000.000,--) und Zahlung von S 17,981.000,-- s A, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 11.Juli 1990, GZ 18 R 127/90-5, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 23.April 1990, GZ 29 Cg 92/90-2, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden behoben.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung:

In ihrer beim Landesgericht für ZRS Wien eingebrachten Klage brachte die Klägerin im wesentlichen vor, sie habe mit notariellem Abtretungsvertrag vom 9.11.1987 von der Beklagten und deren Ehegatten deren Geschäftsanteile von je S 5,910.000,-- an der AWA A*** Isolier- und Dämpfstoffe Gesellschaft m b H und von je S 25.000,-- an der A*** Gesellschaft m b H gegen einen Abtretungspreis von S 30,000.000.-- erworben, von dem S 17,981.000,-- bereits bezahlt worden seien. Dieser Abtretungsvertrag sei unwirksam, weil die Beklagte und ihr Ehegatte entgegen in den Gesellschaftsverträgen enthaltenen Bestimmungen die der Klägerin abgetretenen Geschäftsanteile nicht zunächst den übrigen Gesellschaftern angeboten hätten. Hilfsweise stützte die Klägerin ihr Begehren auch darauf, daß sie bei Abschluß des Abtretungsvertrages in Irrtum geführt worden sei; letztlich begehre sie auch die Wandlung aus dem Rechtsgrund der Gewährleistung. Der Ehegatte der Beklagten sei in der Zwischenzeit verstorben; seine Gesamtrechtsnachfolgerin sei die Beklagte. Die Klägerin stellte das Begehren, I) der Abtretungsvertrag vom 9.11.1987 sei nichtig (in eventu er werde für nichtig erklärt, in eventu er werde aufgehoben) und II) die Beklagte sei schuldig, ihr S 17,981.000,-- s A zu bezahlen.

Das Erstgericht wies die Klage a limine im wesentlichen mit der Begründung zurück, es handle sich um eine sonstige Streitigkeit nach dem Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung im Sinne des § 51 Abs 1 Z 7 JN, weshalb das Handelsgericht sachlich zuständig sei. Dem gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes gerichteten Rekurs der Klägerin gab das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluß keine Folge. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht führte im wesentlichen aus, die Klage sei auf die Rückabwicklung des Erwerbes der Geschäftsanteile gerichtet; damit liege eine Streitigkeit aus dem Rechtsverhältnis zwischen den Mitgliedern einer Handelsgesellschaft vor (§ 51 Abs 1 Z 6 JN). Zu den Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis gehörten auch Streitigkeiten aus Rechtsverhältnissen zwischen den in dieser Gesetzesstelle genannten Personen und Dritten, denen sie sich in ihrer Funktion verantwortlich gemacht hätten sowie Ansprüche, die die Erben der Gesellschafter gegen die anderen Gesellschafter ableiteten. Die Berufung auf die Zuständigkeitsbestimmung des § 51 Abs 1 Z 7 JN sei hier nicht erforderlich. Mangels Vorliegens veröffentlichter Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur hier strittigen Auslegung des § 51 Abs 1 Z 6 bzw Z 7 JN sei der ordentliche Revisionsrekurs zuzulassen.

Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen zu beheben und dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über die Klage unter Abstandnahme vom Zurückweisungsgrund der sachlichen Unzuständigkeit aufzutragen, allenfalls den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, "daß das LG für ZRS Wien zur Durchführung des gegenständlichen Verfahrens sachlich zuständig ist", in eventu die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben "und die Sache zur Verhandlung und Entscheidung in der Sache selbst an das LG für ZRS Wien zurückzuverweisen bzw dem LG für ZRS Wien die Durchführung des gegenständlichen Verfahrens aufzutragen".

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig (§ 528 Abs 2 Z 2 ZPO) und auch sachlich berechtigt.

Entgegen der von den Vorinstanzen vertretenen Rechtsmeinung ist zur Entscheidung über die vorliegende Klage nicht das Handelsgericht sachlich zuständig.

Die im § 51 Abs 1 Z 1 JN normierten Voraussetzungen liegen nicht vor.

Es handelt sich auch um keine Streitigkeiten aus dem Rechtsverhältnis zwischen Mitgliedern einer Handelsgesellschaft im Sinne des § 51 Abs 1 Z 6 JN; nach den für die Zuständigkeitsprüfung maßgeblichen Klagsbehauptungen (§ 41 Abs 2 JN) ist zwingend eine der Parteien nicht Gesellschafter. Durch die WGN 1983 wurde die im § 51 Abs 1 Z 6 JN normierte handelsgerichtliche Zuständigkeit auf Rechtsstreitigkeiten aus Rechtsverhältnissen zwischen Organen und Mitgliedern von Handelsgesellschaften zu Dritten, denen sie sich in dieser Eigenschaft verantwortlich gemacht haben, ausgedehnt. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien (1337 BlgNR 15. GP 4) ergibt, sollte damit die Möglichkeit geschaffen werden, derartige Organe oder Gesellschafter, die sich im Rahmen ihrer gesellschaftsbezogenen (siehe dazu Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 254) Tätigkeit Dritten gegenüber verantwortlich gemacht haben, wegen deliktischer Schädigung der Handelsgerichtsbarkeit zu unterstellen. Aber auch darum handelt es sich im vorliegenden Fall nicht. Die Klägerin macht nicht Schadenersatzansprüche gegen die Beklagte geltend, sondern verlangt die Aufhebung und Rückabwicklung eines Vertrages über die entgeltliche Abtretung von Geschäftsanteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung.

Dieses Begehren läßt sich weder unter die im § 51 Abs 1 Z 6 JN normierten Zuständigkeitstatbestände subsumieren noch unter die des § 51 Abs 1 Z 7 JN.

Auch die letztgenannte Gesetzesstelle wurde durch die ZVN 1983 insoweit abgeändert, als sonstige Streitigkeiten nach dem Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung in sie einbezogen wurden. Das den Materialien zu entnehmende Motiv des Gesetzgebers für diese Gesetzesänderung lag darin, neben den Streitigkeiten aus dem Aktiengesetz auch solche aus dem Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung der handelsgerichtlichen Zuständigkeit zu unterwerfen, weil diese beiden Gesetze weitgehend übereinstimmen (1337 BlgNR 15. GP 4). Im vorliegenden Fall läßt sich daraus die handelsgerichtliche Zuständigkeit nicht ableiten, weil der geltendgemachte Klagsanspruch seine Grundlage nicht in Vorschriften des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung hat, sondern in allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes über die Gültigkeit von Verträgen und ihre Rückabwicklung im Fall ihrer Ungültigkeit. Daß es sich bei dem hier in Frage stehenden Vertragsgegenstand um Geschäftsanteile an Gesellschaften mit beschränkter Haftung handelt, ändert daran nichts.

Da sich somit die vorliegende Klage keiner die sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichtes begründenden Bestimmung des § 51 JN unterstellen läßt, waren in Stattgebung des Rechtsmittels der Klägerin die Beschlüsse der Vorinstanzen zu beheben. Das Erstgericht wird unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund das gesetzliche Verfahren über die vorliegende Klage einzuleiten haben. Der Vorbehalt der Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E21629

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0020OB00601.9.0926.000

Dokumentnummer

JJT_19900926_OGH0002_0020OB00601_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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