TE OGH 1990/10/10 9ObA234/90

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Veröffentlicht am 10.10.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Scheuch und Mag.Ernst Löwe als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A*** DER E***-AG, Linz, Kraußstraße 1-7,

vertreten durch den Betriebsratsvorsitzenden Karl G***, Linz, Kraußstraße 1-7, dieser vertreten durch Dr.Vera Kremslehner und Dr.Josef Milchrahm, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei E***-AG, Linz, Kraußstraße 1-7, vertreten durch Dr.Eduard Saxinger und Dr.Peter Baumann, Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG (Streitwert nach RATG 50.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21.Juni 1990, GZ 13 Ra 22/90-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 11.Jänner 1990, GZ 14 Cga 198/89-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.623,04 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 603,84 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Bei der beklagten Partei sind 300 bis 600 Arbeitnehmer mit Montagearbeiten außerhalb des ständigen Betriebes betraut. Auf die Arbeitsverhältnisse dieser Arbeitnehmer ist der Kollektivvertrag für die eisen- und metallerzeugende und -verarbeitende Industrie anzuwenden. In die Berechnung der Weihnachtsremuneration und des Urlaubszuschusses bezieht die beklagte Partei nur die Vergütung für jene Wegzeiten ein, die in die Normalarbeitszeit fallen. Der Kollektivvertrag für die eisen- und metallerzeugende und -verarbeitende Industrie enthält ua folgende Bestimmungen:

"....

VI. ARBEITZEIT

Wöchentliche Arbeitszeit

1. Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen 38,5 Stunden.

2. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für Wächter, Portiere, Chauffeure und Beifahrer darf, wenn in sie regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt, durch Vereinbarungen über die Normalarbeitszeit hinaus ausgedehnt werden. Arbeitsbereitschaft in erheblichem Umfang liegt vor, wenn diese mindestens 40 % der Arbeitszeit beträgt.

3. Die verlängerte Wochenarbeitszeit iS des Punktes 2 darf höchstens 60 Stunden betragen.

4. Bis zu einer Wochenarbeitszeit von 60 Stunden kann eine Pauschalentlohnung vereinbart werden, wobei für die Festsetzung des Pauschales ab der zweiten Hälfte der 39. Stunde außer dem Stundenlohn noch ein Zuschlag von 30 % zugrunde zu legen ist. Für jene Arbeitszeit, die durch das Pauschale nicht abgegolten ist, gelten die Bestimmungen über die Überstundenentlohnung. ...

VIII. BESCHÄFTIGUNGEN AUSSERHALB DES STÄNDIGEN BETRIEBES

....

Wegzeiten und Verkehrsmittel

5. Wegzeiten, die in die Arbeitszeit fallen, werden wie Arbeitszeiten bezahlt. Für Wegzeiten außerhalb der Arbeitszeit gebührt der Stundenlohn (Akkord- bzw Prämiendurchschnittsverdienst) ohne Zulagen und Zuschläge.

6. Wegzeiten, die nicht in die Arbeitszeit fallen, sind wie

folgt zu vergüten: Bei Entfernung - Luftlinie - zwischen dem

ständigen Betrieb bzw Montagebüro und dem nicht ständigen

Arbeitsplatz

bis 4 km mit                       1 Stundenlohn

von 4 km bis 7 km mit              1 1/2 Stundenlöhnen

und von mehr als 4 km mit dem Lohn für die tatsächlich aufgewendete

Wegzeit, jedoch

mindestens                             1 1/2 Stundenlöhnen.

....

X. VERDIENSTBEGRIFF

Verdienst ist der Arbeitslohn, bei leistungsbezogenen Entgelten gemäß § 96 Abs 1 Z 4 Arbeitsverfassungsgesetz deren 13-Wochen-Durchschnitt auf Basis der Normalarbeitszeit. Bei Wächtern, Portieren, Chauffeuren und Beifahrern ist im Falle einer vereinbarten längeren Wochenarbeitszeit diese zugrunde zu legen. Bei Pauschalentlohnungen auf Montage- und Baustellen gebührt für jene Arbeitnehmer, die innerhalb der letzten 13 Wochen vor Fälligkeit meist die Hälfte der Zeit im Pauschale beschäftigt worden sind, anstelle des 13-Wochen-Durchschnittes der eingestufte Lohn mit einem Zuschlag von 25 %.

In den Verdienst sind einzubeziehen:

Schmutz-, Erschwernis-, Gefahren-, Schicht- und Nachtarbeitszulagen sowie Vorarbeiterzuschlag.

Fallen Zulagen und Zuschläge nicht regelmäßig an, so sind sie nach dem Durchschnitt der letzten 13 Wochen zu berechnen.

....

XIV. ZULAGEN UND ZUSCHLÄGE

....

13. Die Überstunden- bzw Mehrarbeitsgrundvergütung und die

Grundlage für die Berechnung der Zuschläge gemäß den Punkten 9. bis

11. bzw den Abschnitten VI. a) ....beträgt

ab 1.Juni 1988                     1/150

ab 2.Juni 1989                     1/143

des monatlichen Lohnes (Stundenlohn x 167) ohne Zulagen und Zuschläge. Der Vorarbeiterzuschlag gemäß Punkt 8. ist jedoch in den Lohn einzurechnen.

....

Mit der Festsetzung dieser Berechnungsgrundlage sind die Sonderzahlungen (Urlaubszuschuß Abschnitt XVII und Weihnachtsremuneration Abschnitt XVIII) aliquot in der Überstundenvergütung bzw im Feiertags- und Sonntagszuschlag berücksichtigt.

Betriebliche Regelungen, die obige Zahlungen in die Sonderzahlungen einbeziehen, treten daher entsprechend der Einführung dieser Berechnungsgrundlage außer Kraft.

....

XVII. URLAUB UND URLAUBSZUSCHUSS

....

Urlaubszuschuß

5. Der Arbeitnehmer hat einmal in jedem Kalenderjahr zum gesetzten Urlaubsentgelt Anspruch auf einen Urlaubszuschuß. Dieser Urlaubszuschuß beträgt ohne Rücksicht auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit einen Monatsverdienst (167 Stunden).

....

Berechnung des Urlaubsentgeltes und Urlaubszuschusses

11.

....

Die Berechnung des Urlaubszuschusses erfolgt nach der Bestimmung über den Verdienstbegriff (Abschnitt X).

XVIII. WEIHNACHTSREMUNERATION

1. Alle Arbeitnehmer haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf eine Weihnachtsremuneration im Ausmaß eines Monatsverdienstes (167 Stunden) nach Maßgabe nachstehender Bestimmungen.

....

Berechnung der Weihnachtsremuneration

7. Die Berechnung der Weihnachtsremuneration erfolgt nach der Bestimmung über den Verdienstbegriff (Abschnitt X).

.... ".

Die klagende Partei begehrt gemäß § 54 Abs 1 ASGG die Feststellung, daß die beklagte Partei verpflichtet ist, bei der Berechnung des Urlaubszuschusses und der Weihnachtsremuneration für jene bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer, die Montagearbeiten außerhalb des ständigen Betriebes und außerhalb der Arbeitszeit leisten, die hiefür gebührende Wegzeitentlohnung gemäß Abschnitt VIII Kollektivvertrag in den als Bemessungsgrundlage geltenden Monatsverdienst einzubeziehen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die Wegzeitvergütung als Arbeitslohn zu qualifizieren und damit in den Verdienstbegriff nach Abschnitt X Kollektivvertrag einzubeziehen sei. Bei grammatikalischer Auslegung beziehe sich die dort gebrauchte Wendung "auf Basis der Normalarbeitszeit" einzig und allein auf die leistungsbezogenen Entgelte und nicht auf den Arbeitslohn, weil diese Einschränkung nicht durch einen Beistrich vom Einschub getrennt sei. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß sich aus dem Hinweis auf 167 Stunden in den Abschnitten XVII Z 5 (Urlaubszuschuß) und XVIII Z 1 (Weihnachtsremuneration) ergebe, daß die Sonderzahlungen nur im Ausmaß der Entlohnung für die Normalarbeitszeit (38,5 Stunden x 4,33 = aufgerundet 167 Stunden) zustehen sollten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Zum Unterschied von dem in den Entscheidungen WBl 1989, 345 und

9 Ob A 28/89 behandelten Kollektivvertrag für die Arbeiter des

eisen- und metallverarbeitenden Gewerbes schließt der hier zu

beurteilende Kollektivvertrag für die eisen- und metallerzeugende

und -verarbeitende Industrie in den Regelungen über Urlaubszuschuß

und Weihnachtsremuneration - wie das Berufungsgericht zutreffend

erkannt hat - schon mit der klaren Bezugnahme auf den für die

Normalarbeitszeit (167 Stunden, entsprechend 38,5 Wochenstunden)

gebührenden Monatsverdienst nicht nur die Berücksichtigung des

Überstundenentgeltes, sondern auch andere für außerhalb der

Normalarbeitszeit verrichtete Tätigkeiten gebührender Entgeltteile

aus (obwohl auch hier zwar die Überstunden nicht mehr auf Basis des

Grundlohnes, sondern aufgrund eines abweichenden, auch die

Sonderzahlungen berücksichtigenden Überstundenteilers zu vergüten

sind, wogegen eine gleichartige Regelung für die Wegzeitvergütung

fehlt). Auch der nach beiden Kollektivverträgen für die Bemessung

der Sonderzahlungen maßgebliche Verdienstbegriff ist unterschiedlich

definiert und schließt nur im hier zu beurteilenden Kollektivvertrag

für die eisen- und metallerzeugende und -verarbeitende Industrie mit

den Worten "auf Basis der Normalarbeitszeit" die Berücksichtigung

der für nicht in die Normalarbeitszeit fallenden Wegzeiten

gebührenden Wegzeitvergütung generell aus. Diese Wortfolge gilt

nicht nur für leistungsbezogene Entgelte. Jede andere Auslegung

würde zu einer fachlich nicht gerechtfertigten Differenzierung

zwischen Zeit- und Leistungslöhnern bezüglich der Honorierung der

Wegzeiten führen. Eine derartige Auslegung scheidet aus, weil davon

auszugehen ist, daß die Kollektivvertragsparteien eine vernünftige,

zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen

sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen

Interessen herbeiführen wollten (siehe RdW 1989, 371 ua). Dafür, daß

als Verdienst im Sinne des Abschnittes X des gegenständlichen

Kollektivvertrages nur das während der Normalarbeitszeit Erworbene

anzusehen ist, spricht schließlich auch die Bezugnahme auf die im

Abschnitt VI Z 2, 3 und 4 - im Rahmen der den

Kollektivvertragsparteien im § 5 Abs 1 AZG erteilten Ermächtigung

zur Verlängerung der Normalarbeitszeit in den Fällen der

Arbeitsbereitschaft - vorgesehene Möglichkeit, die regelmäßig

wöchentliche Arbeitszeit für Wächter, Portiere, Chauffeure und

Beifahrer, wenn in diese Zeit regelmäßig und in erheblichem Umfang

Arbeitsbereitschaft fällt, durch Vereinbarung über die in Z 1 dieses

Abschnittes vorgesehenen Normalarbeitszeit von 38,5 Stunden hinaus

auszudehnen. Nach den klaren, vom Kollektivvertrag für die Arbeiter

des eisen- und metallverarbeitenden Gewerbes abweichenden Regelungen

des gegenständlichen Kollektivvertrages ist daher die Vergütung für

außerhalb der Normalarbeitszeit liegende Wegzeiten nicht bei

Bemessung der Sonderzahlungen zu berücksichtigen.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E22027

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00234.9.1010.000

Dokumentnummer

JJT_19901010_OGH0002_009OBA00234_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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