TE OGH 1990/10/24 1Ob570/90 (1Ob571/90)

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.10.1990
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Schlosser, Dr.Graf und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter D***, Angestellter, Krippgasse 20, 6060 Hall, vertreten durch Dr.Hanns Forcher-Mayr, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1. Ö*** P*** Gesellschaft mbH, Hornbostelgasse 3/13, 1060 Wien, 2. T*** O*** R***, Ing.Etzel-Straße 97, 6020 Innsbruck, beide vertreten durch Dr.Günter Zeindl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 143.568 sA, infolge Revision und Rekurses der beklagten Parteien gegen das Teilurteil und den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 11.Jänner 1990, GZ 2 R 326/89-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 20.Juli 1989, GZ 18 Cg 410/88-8, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Der Revision und dem Rekurs wird nicht Folge gegeben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisions- und Rekursverfahrens bleibt dem Endurteil vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Vertrag vom 12.4.1988 schlossen sich die beklagten Parteien zu einem Paketzustelldienst zusammen. Der Zweitbeklagte sollte dabei sein Unternehmen als selbständiger Kaufmann und Gewerbetreibender führen. Mit Vertrag vom 1.7.1988 mietete die erstbeklagte Partei von der Firma A***-V***-Getränkevertriebsgesellschaft mbH den nördlichen, nicht besonders abgetrennten Teil der auf der Liegenschaft EZ 914 KG Amras befindlichen Lagerhalle. Der Zweitbeklagte stellte am 1.7.1988 ua den ihm persönlich nicht bekannten Florian A*** als Lagerarbeiter ein und meldete diesen noch am selben Tag bei der Tiroler Gebietskrankenkasse an. Die zuvor von Florian A*** abverlangte, von diesem jedoch nicht beigebrachte Strafregisterauskunft wies damals fünf Vorstrafen auf, davon zwei wegen Vergehens der Sachbeschädigung (Beschädigung einer Glasscheibe durch Stoßen mit einem Stuhl bzw Zerstechen von PKW-Reifen), die anderen wegen Körperverletzung und Veruntreuung. Der Zweitbeklagte wußte von diesen Vorstrafen nichts, wohl aber hatte ihm Florian A*** mitgeteilt, daß ihm der Führerschein wegen mehrmaligen Alkoholkonsums endgültig entzogen worden sei. Die Arbeit des Florian A*** sollte im Abladen von LKWs bestehen und allenfalls bereits um 5 Uhr morgens beginnen. Zu diesem Zweck gab der Zweitbeklagte ua Florian A*** einen Schlüssel zur Lagerhalle. Am ersten Arbeitstag, dem 1.7.1988, ergaben sich bei Florian A*** keine Anhaltspunkte einer Untüchtigkeit. Am 3.7.1988, einem Sonntag, begab sich Florian A*** gegen 5.30 Uhr gemeinsam mit dem nicht bei den beklagten Parteien beschäftigten Bruno G*** zur Lagerhalle. Mit dem ihm ausgehändigten Schlüssel öffnete er diese und nahm gemeinsam mit Bruno G*** zwei dort befindliche Hubstapler in Betrieb. Infolge ihrer Alkoholisierung beschädigten sie dabei unter anderem den vom Kläger in der Lagerhalle abgestellten PKW derart, daß an diesem Totalschaden entstand. Wegen dieser Straftat wurde Florian A*** mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 17.10.1988 wegen Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB und anderer Delikte zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten sowie zum Ersatz eines Teilschadenbetrages in Höhe von S 126.677 an den Kläger rechtskräftig verurteilt.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger von den beklagten Parteien zur ungeteilten Hand die Zahlung seines mit S 143.568 bezifferten Schadens, und zwar Totalschaden am PKW, An- und Abmeldekosten, Abschleppkosten, Ausbau des Autotelefons, dessen Reparatur und Neumontage. Florian A*** sei eine untüchtige Person im Sinne des § 1315 ABGB, weil er im Zeitpunkt seiner Anstellung bei den beklagten Parteien bereits fünfmal, darunter zweimal wegen Sachbeschädigung, vorbestraft gewesen und überdies dem Zweitbeklagten dessen Trunksucht bekannt gewesen sei, weshalb ihm als Lagerarbeiter die Schlüssel für die Lagerhalle nicht ausgefolgt hätten werden dürfen.

Die beklagten Parteien stellten den Fahrzeugschaden, die An- und Abmeldekosten sowie die Abschleppkosten (mit S 116.928) der Höhe nach außer Streit, beantragten jedoch die Abweisung des Klagebegehrens und wendeten ein, die vom Kläger behauptete Untüchtigkeit des Florian A*** sei ihnen weder bekannt noch erkennbar gewesen, sie hafteten jedenfalls nicht für desen Beschädigungshandlungen gegenüber dem Kläger, weil diese mit seiner Anstellung als Lagerarbeiter in keinem Zusammenhang stünden. Im übrigen sei ein Autoradio des Klägers überhaupt bei dem Vorfall nicht beschädigt worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die einschlägigen Vorstrafen des Florian A*** und der Umstand, daß diesem der Führerschein wegen Alkoholkonsums endgültig entzogen worden sei, begründeten noch nicht dessen habituelle Untüchtigkeit für die in Aussicht genommene Tätigkeit als Lagerarbeiter.

Rechtliche Beurteilung

Das Gericht zweiter Instanz gab der Klage im Umfang der außer Streit stehenden Schadensbeträge mit Teilurteil statt, hob das Ersturteil im übrigen Umfang auf und erklärte die Revision bzw den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Florian A*** sei auf Grund des festgestellten Vorlebens als untüchtig im Sinne des § 1315 ABGB anzusehen. Die beklagten Parteien hafteten für ihn nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre auch dann, wenn sie - wie hier - von seiner Untüchtigkeit nichts wüßten. Die Kausalität der Untüchtigkeit Florian A***s für den eingetretenen Schaden des Klägers ergebe sich aus dessen persönlichen Eigenschaften, nämlich dessen Neigung zu sinnloser Beschädigung fremden Eigentums im Zusammenhang mit Alkoholmißbrauch. Der Zweitbeklagte hätte übrigens auf Grund seiner Kenntnis von der Neigung Florian A***s zum Aloholmißbrauch diesem nicht sofort bei der Anstellung am 1.7.1988 einen Schlüssel zur Lagerhalle ohne entsprechende Überwachung aushändigen dürfen, so daß auch eine Verletzung der Überwachungspflicht auf Seiten des Zweitbeklagten vorliege. Die beklagten Parteien hätten sich durch Vertrag zu einem Paketzustelldienst zusammengeschlossen, sodaß sie für die Untüchtigkeit des Florian A*** gemäß § 1315 erster Fall ABGB solidarisch hafteten. Soweit der Anspruch des Klägers der Höhe nach bestritten sei, sei das Verfahren in erster Instanz zu ergänzen. Im Hinblick darauf, daß es sich hier um die Lösung eines Grenzfalles handle, der bei Beurteilung der Untüchtigkeit als "Dauerzustand" auch anders gelöst werden könnte, sei die Revision zuzulassen. Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Revision und der dieser entnehmbare Rekurs der beklagten Parteien sind nicht berechtigt.

Wer sich zur Besorgung seiner Angelegenheiten einer untüchtigen Person bedient, haftet für den Schaden, den sie in dieser Eigenschaft einem Dritten zufügt (§ 1315 erster Fall ABGB). Der Grundgedanke der Besorgungsgehilfenhaftung ist die Verantwortlichkeit des Geshäftsherrn für den eigenen Herrschafts- und/oder Organisationsbereich (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 1315). Ist der Gehilfe in diesen Bereich eingegliedert, dann hat der Geschäftsherr für dessen Untüchtigkeit unabhängig davon einzustehen, ob er diese kannte oder kennen konnte bzw mußte; die Haftung für die Untüchtigkeit des Gehilfen besteht unabhängig von einem Verschulden des Geschäftsherrn (SZ 60/49; JBl 1986, 520 uam; Reischauer aaO Rz 3 mwH). Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die Untüchtigkeit als relativer Begriff die fehlende Eignung zu der zu verrichtenden Tätigkeit. Sie ist als habitueller Dauerzustand dahin zu verstehen, daß ein untüchtiger Besorgungsgehilfe mangels der erforderlichen Fähigkeiten (sei es nun der Mangel erforderlicher Kenntnisse oder persönlicher Eigenschaften oder das Vorliegen negativer Neigungen oder Eigenschaften) für die Ausübung der konkreten Tätigkeiten untüchtig ist. Dazu zählt auch der durch mehrere strafgerichtliche Verurteilungen dokumentierte Hang zur Delinquenz gegen fremdes Eigentum durch Sachbeschädigung, vor allem im Zustand der Alkoholisierung, dies insbesondere dann, wenn die bedungene Tätigkeit mit dem Zugang zu fremdem Eigentum verbunden ist. Hat der Geschäftsherr durch Übergabe der Schlüssel zu diesem Lagerraum einen ungeprüften Zugang zur Arbeitsstelle auch außerhalb der Arbeitszeiten ermöglicht, dann hat er für die auf diese Weise - wenn auch nicht bei der Besorgung der Geschäftstätigkeiten, sondern nur am zugänglich gemachten Arbeitsort - möglich gewordenen schädigenden Handlungen seines Gehilfen in seinem Geschäfts- und Organisationsbereich zu haften (vgl Reischauer aaO Rz 11). Die Entscheidung des Berufungsgerichtes beruht demnach auf einer zutreffenden rechtlichen Beurteilung, so daß sowohl die Revision gegen dessen Teilurteil, als auch der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß erfolglos bleiben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf den §§ 52 Abs 2, 50 ZPO.

Anmerkung

E22070

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0010OB00570.9.1024.000

Dokumentnummer

JJT_19901024_OGH0002_0010OB00570_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten