TE OGH 1990/10/30 15Os79/90

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Veröffentlicht am 30.10.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Oktober 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Mathias B*** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Bandendiebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 130 zweiter Fall und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten Joachim A*** und Erasmus W*** sowie über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten Mathias B***, A*** und Erasmus W*** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 6. Februar 1990, GZ 8 b Vr 4017/89-100 nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser und der Verteidiger Dr. Soyer, Dr. Kramer und Dr. Klinner sowie des Privatbeteiligtenvertreters Dr. Cziglar, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Joachim A*** und Erasmus W*** wird teilweise Folge gegeben. Teils demgemäß und teils nach § 290 Abs 1 StPO wird das angefochtene Urteil, welches sonst unberührt bleibt, in folgenden Punkten aufgehoben:

1. in bezug auf den Angeklagten Erasmus W*** in den Schuldsprüchen zu den Fakten I 3 b sowie II, jedoch nur, soweit ihm damit unter Bezifferung der Anzahl der deliktischen Angriffe eine Beteiligung auch an Diebstahlsversuchen in Graz, Linz, Salzburg und Innsbruck sowie am vollendeten Diebstahl von mehr als 99.000 S in Wien angelastet und die Summe des mit seiner Beteiligung zu stehlen versuchten Bargelds mit insgesamt 515.000 S beziffert wird, sowie mit dem ergänzenden Ausspruch, daß der Gesamtbetrag des mit seiner Beteiligung laut Punkt I gestohlenen sowie laut Punkt II zu stehlen versuchten Bargelds 500.000 S überstieg;

2. in bezug auf die Angeklagten Mathias B***, A***

und Hans H*** im Schuldspruch zum Faktum I 3 a, jedoch nur in Ansehung des Diebstahls eines bei B*** und A***

jeweils 80.000 S und bei H*** 99.000 S übersteigenden Betrages sowie durchwegs mit dem ergänzenden Ausspruch, daß der Gesamtbetrag des von ihnen laut Punkt I gestohlenen und laut Punkt II zu stehlen versuchten Bargelds jeweils 500.000 S überstieg;

3. in bezug auf sämtliche Angeklagten im Ausspruch, sie hätten die Diebstähle als Mitglieder einer Bande begangen, und demgemäß in der Unterstellung ihrer Taten auch unter § 130 zweiter Fall StGB;

sowie 4. im gesamten Strafausspruch (einschließlich der Entscheidung über die Anrechnung der Vorhaftzeiten).

Es wird hinsichtlich des Angeklagten Erasmus W*** (zu den Punkten 1., 3. und 4.) die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen, hinsichtlich der Angeklagten B***, A*** und H***

(zu den Punkten 2., 3. und 4.) gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO unter Ausschaltung des in Punkt 3. bezeichneten Ausspruchs und der diesen betreffenden rechtlichen Beurteilung in der Sache selbst erkannt:

Mathias B***, Joachim A*** und Hans H*** werden für das ihnen nach dem aufrecht bleibenden Teil der Schuldsprüche weiterhin zur Last fallende Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2 und § 15 StGB gemäß § 128 Abs 2 StGB zu Freiheitsstrafen verurteilt, und zwar B*** in der Dauer von 2 (zwei) Jahren und 3 (drei) Monaten, A*** in der Dauer von 2 (zwei) Jahren und H*** in der Dauer von 2 (zwei) Jahren und 9 (neun) Monaten.

Von den verhängten Freiheitsstrafen werden bedingt nachgesehen:

bei B*** gemäß § 43 a Abs 4 StGB 18 (achtzehn) Monate, bei A*** gemäß § 43 a Abs 3 StGB 16 (sechzehn) Monate sowie bei H*** gemäß § 43 a Abs 4 StGB 22 (zweiundzwanzig) Monate.

Die Anrechnung der Vorhaft bezüglich der Angeklagten B***, A*** und H*** wird aus dem Ersturteil übernommen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten A*** und W*** im übrigen Teil sowie jene der Staatsanwaltschaft werden verworfen. Den Berufungen der Angeklagten B*** und A*** gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche wird Folge gegeben und das ihre Verurteilung zur ungeteilten Hand zur Bezahlung von 179.000 (einhundertneunundsiebzigtausend) S an die G*** S***GesmbH (G***) betreffende Adhäsionserkenntnis dahin abgeändert, daß die genannte Privatbeteiligte auch insoweit mit ihren privatrechtlichen Ansprüchen gemäß §§ 366 Abs 2, 367 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen wird.

Mit ihren Strafberufungen werden sämtliche Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen. Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten B***, A*** und Erasmus W*** auch die Kosten des jeweils sie betreffenden Rechtsmittelverfahrens zur Last, letzterem jedoch nur insoweit, als sie nicht durch die Anfechtung im Umfang des Punktes 1. verursacht wurden.

Text

Gründe:

I. Mit dem angefochtenen Urteil wurden Mathias B***, Joachim A***, Hans H*** und Erasmus W*** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Bandendiebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 130 zweiter Fall und § 15 StGB schuldig erkannt. Von einem Teil der dahin gehenden Anklage wurden sie freigesprochen.

Gegenstand der Entscheidung war die teils gelungene, teils versuchte Wegnahme von insgesamt mehr als 3,6 Millionen Schilling Bargeld aus Bankomaten in mehreren Städten Österreichs mittels zweier koordinierter Aktionen unter Benützung von unbefugt hergestellten Bankomatkarten-Duplikaten. Den Urteilsfeststellungen zufolge haben sich die Angeklagten dabei vor allem den Umstand zunutze gemacht, daß die Beschränkung der täglichen Geldausgabe aus Bankomaten auf 5.000 S pro Girokonto zur Tatzeit bloß durch einen entsprechenden Vermerk auf dem Magnetstreifen der jeweils eingegebenen Bankomatkarte bewirkt wurde und demzufolge durch die Verwendung von Duplikaten umgangen werden konnte.

Zu den Schuldsprüchen I 1 und I 2 sowie zum Freispruch 1 nahm das Erstgericht als erwiesen an, daß H***, von Erasmus W*** durch Anraten dazu bestimmt (Schuldspruch I 2) und unter weiterer Beteiligung des in der Bundesrepublik Deutschland abgesondert verfolgten Robert W*** sowie des deshalb bereits rechtskräftig verurteilten Klaus W***, in der Nacht zum 31.Dezember 1988 aus Bankomaten in Wien unter Verwendung duplizierter Bankomatkarten zu einem Girokonto der Vesna U*** bei der E*** Ö*** S***-C*** sowie des (ihm bekanntgegebenen) PIN-Codes unberechtigt insgesamt 35.000 S abhob (Schuldspruch I 1); sowie ferner, daß von diesem Konto im selben Zeitraum und auf die gleiche Weise aus Bankomaten in Linz, Salzburg und Innsbruck weitere 795.000 S abgehoben wurden, daß H*** und Erasmus W*** von diesen Abhebungen aber keine Kenntnis hatten (Freispruch 1).

Zu den Schuldsprüchen I 3 und II sowie zum Freispruch 2 stellte das Schöffengericht fest:

Nach der Eröffnung von je zwei Girokonten bei der E*** Ö*** S***-C*** und bei der Ö*** L***, jeweils lautend auf Dirk B*** und auf Stefan E***, und nach der Anfertigung entsprechender Bankomatkarten-Duplikate wurden einerseits B*** von Robert W*** und A*** von B*** sowie andererseits H*** von Erasmus W*** für die Mitwirkung an einer weiteren Aktion wie der zuvor beschriebenen gewonnen. Zu diesem Zweck erhielten B*** und A*** bei einem Treffen mit Robert W*** im Lokal "T***" im 8. Wiener Gemeindebezirk einerseits und H*** bei einem Treffen mit Erasmus W*** vor dem HOTEL S*** andererseits je 120 Bankomatenkarten-Duplikate zu den bezeichneten vier Girokonten unter Bekanntgabe der zugehörigen PIN-Codes ausgefolgt, wobei auf jedes Konto jeweils 30 Karten entfielen und dem Tatplan gemäß von B*** und A*** einerseits sowie von H*** andererseits je maximal 600.000 S behoben werden sollten. Bei der Tatausführung in der Nacht zum 20.Mai 1989 in Wien wurden die drei letztgenannten Täter von der Polizei festgenommen. Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits H*** 99.000 S sowie B*** und A*** (zusammen) 80.000 S erbeutet.

Auch in diesem Fall wurden von denselben Konten zur gleichen Zeit in anderen Städten Österreichs, nämlich in Graz, Linz, Salzburg und Innsbruck gleichartige Abhebungen vorgenommen. Österreichweit betrug die Summe der solcherart abgehobenen Beträge 2,305.500 S. Zudem wurden im selben Zeitraum in Wien, Graz, Linz, Salzburg und Innsbruck 103 derartige Abhebungen erfolglos versucht, ohne daß festgestellt werden konnte, wie viele von diesen Versuchen in Wien unternommen wurden.

B***, A*** und H*** wußten nichts davon, daß die Aktion auch außerhalb Wiens stattfand. Sie wurden daher vom Vorwurf der Tatbeteiligung in Graz, Linz, Salzburg und Innsbruck (ebenso wie H*** und Erasmus W*** im ersten Fall) freigesprochen (Freispruch 2). Von den in Wien begangenen Taten liegt ihnen die Wegnahme eines Betrages von "jedenfalls über S 500.000" zur Last, weil ihnen ebenso wie Erasmus W*** "die Beteiligung mehrerer Personen an dem Coup bekannt war" und auch sie "jedenfalls mit einem Schaden von über S 500.000 rechneten" (Schuldspruch I 3 a); als Diebstahlsversuch wird ihnen die in einer unbekannten Zahl von Fällen mißlungene Abhebung von Bargeld in unbekannter Höhe angelastet (Schuldspruch II). Erasmus W*** hingegen - dessen Vorname im Urteilstenor beim Faktum II infolge eines offensichtlichen Schreibfehlers als "Robert" bezeichnet wird - wurde die gelungene Abhebung des Gesamtbetrages von 2,305.500 S sowie die mißlungene Abhebung von weiteren 515.000 S in sämtlichen 103 Versuchsfällen, also auch die in Graz, Linz, Salzburg und Innsbruck begangenen Taten, als teils vollendeter (Schuldspruch I 3 b), teils versuchter (Schuldspruch II) Diebstahl zugerechnet, weil er wußte, daß die Aktion österreichweit geplant war.

In Ansehung sämtlicher Diebstähle und Diebstahlsversuche (Schuldsprüche I und II) nahm das Erstgericht, auf die Beteiligung von jeweils zumindest drei Tätern und auf die Modalitäten der nach einem bestimmten Zeitplan und unter Aufteilung des Tatrayons durchgeführten Taten abstellend, in Übereinstimmung mit der Anklageschrift ihre bandenmäßige (§ 278 StGB) Begehung (§ 130 zweiter Fall StGB) an. Ihre weitere Qualifikation wegen Gewerbsmäßigkeit (§§ 70, 130 erster Fall StGB) jedoch verneinte es mit der Begründung, daß keine Umstände vorgelegen seien, die darauf schließen ließen, die Täter hätten eine Wiederholung der Taten geplant und diese in der Absicht begangen, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. II. Gegen dieses Urteil haben sämtliche Angeklagten und die Staatsanwaltschaft Nichtigkeitsbeschwerde ergriffen. Die Beschwerden der Angeklagten B*** und H*** wurden bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückgewiesen.

Von den Angeklagten A*** und Erasmus W***

werden die Gründe nach Z 5 und 10, von letzterem auch nach Z 5 a und 9 lit a, von der Staatsanwaltschaft jene nach Z 5 und 9 lit a (sachlich teilweise Z 10) des § 281 Abs 1 StPO geltend gemacht. Erasmus W*** bekämpft die ihn betreffenden Schuldsprüche laut den Punkten I 2, I 3 b und II, und zwar ersteren zur Gänze und letztere insoweit, als ihm damit eine über die Beteiligung an den (volllendeten und versuchten) strafbaren Handlungen des Angeklagten H*** hinausgehende Täterschaft angelastet wird, ferner die rechtliche Beurteilung der ihm zur Last fallenden Taten als Diebstahls anstatt als betrügerischer Datenverarbeitungsmißbrauch nach § 148 a StGB und schließlich (in eventu), ebenso wie A*** zu den Fakten I 3 a und II, die Annahme der Qualifikationen nach § 128 Abs 2 StGB sowie nach § 130

zweiter Fall StGB. Die Anklagebehörde hinwieder remonstriert gegen die (Teil-)Freisprüche (1 und 2) sowie gegen die Nichtannahme (auch) einer Gewerbsmäßigkeit der Diebstähle nach § 130 erster Fall StGB.

Rechtliche Beurteilung

Den Beschwerden der Angeklagten Erasmus W*** und A*** kommt teilweise Berechtigung zu; jene der Staatsanwaltschaft ist zur Gänze verfehlt.

Nicht stichhältig sind die Mängel- und die Tatsachenrüge (Z 5 und 5 a) des Angeklagten Erasmus W*** gegen den Schuldspruch laut Punkt I 2.

Insoweit findet die bemängelte Urteilsfeststellung, daß der Beschwerdeführer und sein Bruder Robert im Dezember 1988 mit Hans H*** Kontakt aufnahmen und ihn überredeten, an einer "Bankomataktion" in Wien teilzunehmen, in jener stets gleichgebliebenen Verantwortung des Angeklagten H*** durchaus zureichend Deckung, wonach ihm jedenfalls bei einem nach der ersten telefonischen Kontaktaufnahme stattgefundenen persönlichen Gespräch Robert und Erasmus W*** Aufklärung über die Modalitäten der Tatausführung gegeben haben (ON 13, S 121 a, ON 98, S 301, 306 und 311): ersichtlich darin erblickte das Schöffengericht die entscheidende Bestimmung des H*** (§ 12 zweiter Fall StGB) zu den erst nunmehr individuell bestimmten Taten. Dabei konnte es auch den Umstand, daß der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung nicht nur die Kenntnis vom Tatplan und von der (durch das Vorweisen von Kontoauszügen bei der Zusammenkunft dokumentierten) schlechten finanziellen Situation H***'S zugegeben, sondern zudem dieses Gespräch gar nicht bestritten hat (vgl. insbes. ON 98, S 307, 310 bis 312), ohne Verstoß gegen die Denkgesetze oder gegen allgemeine Lebenserfahrung beweiswürdigend als (gleichwohl bloß faktisches) Geständnis bewerten (§ 258 Abs 2 StPO).

Sich mit der Unsicherheit des Angeklagten H*** darüber auseinanderzusetzen, ob es Erasmus oder Robert W*** war, der zuvor telefonisch Kontakt mit ihm aufgenommen hatte, war es demgemäß im Hinblick auf die Verpflichtung zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht gehalten, und auch das Unterbleiben einer Klarstellung, von wem H*** - wie das Erstgericht als erwiesen annahm - in der Folge eine Liste mit den Standorten jener Bankomaten erhielt, aus denen er Abhebungen durchführen sollte, betrifft keine im Sinn des zuerst relevierten Nichtigkeitsgrundes (Z 5) entscheidende Tatsache.

Nach eingehender Prüfung der zur Tatsachenrüge (Z 5 a) vorgebrachten Einwände im Licht des gesamten Akteninhaltes aber ergeben sich für den Obersten Gerichtshof auch keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld im Faktum I 2 zugrundegelegten entscheidenden Tatsache, daß auch der Beschwerdeführer (im Zusammenwirken mit seinem Bruder) H*** zu den Taten überredet hat.

Gleichermaßen versagt jene Rechtsrüge (Z 10), mit der Erasmus W*** die Unterstellung aller inkriminierten Taten unter den Tatbestand des § 148 a StGB anstrebt. Denn entgegen der Beschwerdeauffassung sind die den Schuldsprüchen zugrundeliegenden Geldabhebungen schon im Hinblick darauf, daß jeweils eine Zustimmung der Bank als Gewahrsamsinhaber zu den unter Verwendung von unbefugt hergestellten Bankomatkarten-Duplikaten vorgenommenen Entnahmen keinesfalls unterstellt werden kann, sehr wohl als (hier von den Tätern mit dem Vorsatz, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, begangener) Gewahrsamsbruch im Sinn des § 127 StGB zu beurteilen, demgegenüber betrügerischer Datenverarbeitungsmißbrauch jedenfalls materiell subsidiär ist (vgl. EvBl 1990/40). Auch im vorliegenden Fall besteht daher kein Anlaß zur Prüfung der Frage, ob durch derartige Geldentnahmen allenfalls der zuletzt relevierte Tatbestand verwirklicht wird.

Zu Unrecht remonstrieren die Angeklagten Erasmus W*** und A*** schließlich auch noch gegen die Annahme der Wertqualifikation nach § 128 Abs 2 StGB.

Denn ersterer setzt sich dabei mit seiner Rechtsrüge (Z 10) über jene Feststellung hinweg, wonach bei der "Mai-Aktion" beide Tätergruppen, nämlich B***, A*** und Robert W*** einerseits sowie H*** und Erasmus W***

andererseits jeweils mit dem Vorsatz handelten, bis zu 600.000 S zu beheben, sodaß die bekämpfte Qualifikation ohne Rücksicht darauf, inwieweit diese - zumindest bis ins Versuchsstadium (§ 15 Abs 2 StGB) gediehenen - Vorhaben gelangen, jedenfalls zu Recht angenommen wurde. Materiellrechtliche Nichtigkeitsgründe können aber nur durch einen Vergleich des gesamten maßgebenden Urteilssachverhalts mit dem darauf angewendeten Gesetz prozeßordnungsgemäß dargetan werden.

Die gegen die zuletzt erörterte Konstatierung gerichtete Mängelrüge (Z 5) des Angeklagten A*** geht fehl.

Von einem Widerspruch zwischen den Urteilsfeststellungen, (einerseits) daß das Ausmaß der diesem Beschwerdeführer, B*** und H*** im Faktum I 3 a anzulastenden Entnahmen mangels Klärung, welcher Teil von den in ganz Ö*** erbeuteten 2,305.500 S auf Abhebungen in Wien entfiel, nicht zu ermitteln sei und (andererseits) daß sämtliche Angeklagten "jedenfalls mit einem Schaden von über S 500.000 rechneten" (US 14), kann ke j Rede sein:

bezieht sich doch letztere auf den vom Vorsatz der Täter umfaßten Schaden (Fakten I 3 a und II), erstere hingegen bloß auf den Umfang der Deliktsvollendung (Faktum I 3 a).

Bei der Behauptung einer Urteilsunvollständigkeit in bezug auf die Verantwortung des Angeklagten B*** aber, wonach zwar auch dieser 120 Bankomatkarten-Duplikate bekommen habe, wonach sich jedoch in den ihm zugewiesenen Bezirken nur 19 Bankomaten befunden und demgemäß bloß 76 Abhebungsmöglichkeiten bestanden hätten (S 113 a in ON 13), sodaß nur die Entnahme von 380.000 S (= 76 x 5.000 S) von seinem Tatvorsatz umfaßt gewesen sein könne, übergeht der Beschwerdeführer den auf die soeben relevierte Verantwortung folgenden Satz, demzufolge Robert W*** ihm deshalb mehr Karten gegeben habe, weil allenfalls im Verzeichnis noch nicht aufscheinende weitere Bankomaten neu aufgemacht worden sein könnten. Aus der Übernahme jener 120 Karten durch B***

und A*** konnte das Schöffeegericht demnach mit gutem Grund ableiten, daß der Vorsatz auch dieser Täter auf die Behebung eines insgesamt 500.000 S (= 120 x 5.000 S) übersteigenden Betrages gerichtet war. Daß im übrigen selbst dann, wenn zur Tatzeit im 10. und 11. Wiener Gemeindebezirk tatsächlich nur 19 Bankomaten vorhanden gewesen sein sollten, die Deliktsvollendung in diesem Umfang als nur infolge der zufälligen Umstände des Einzelfalls gescheitert anzusehen wäre, sei im gegebenen Konnex (mit Bezug auf § 15 Abs 3 StGB) bloß der Vollständigkeit halber erwähnt. In diesem erörterten Umfang waren daher die Nichtigkeitsbeschwerden der genannten Angeklagten zu verwerfen.

Mit Recht hingegen ficht der Angeklagte Erasmus W*** seine Verurteilung laut den Punkten I 3 b und II des Schuldspruchs insoweit an, als ihm damit eine über die Beteiligung an (vollendeten und versuchten) Diebstählen des Mitangeklagten H*** hinausgehende Täterschaft zur Last gelegt wird.

Denn das bloße Wissen, sei es auch eines Bandenmitglieds, über die konkrete Verübung von Diebstählen durch andere, jedoch ohne jede eigene Beteiligung daran (§ 12 StGB), reicht (nicht nur für eine Zurechnung der Qualifikation nach § 130 zweiter Fall StGB, sondern überhaupt schon) zur Verwirklichung des Tatbestandes nach § 127 StGB nicht aus (vgl. zu § 130 StGB Kienapfel BT II2 RN 30, Leukauf-Steininger2 RN 9 bis 11, Mayerhofer-Rieder3 ENr. 11). Die Urteilsfeststellungen, daß dem Beschwerdeführer die österreichweite Planung der in der Nacht zum 20.Mai 1989 vollendeten und versuchten Diebstähle bekannt war und daß sämtliche Angeklagten von der Beteiligung mehrerer Personen an dem "Coup" wußten, genügen daher in der Tat nicht, um ihm einen über seine Beteiligung am Tatverhalten des Mitangeklagten H*** hinausgehenden, in Ansehung eines Gesamtbetrages von 2,350.500 S vollendeten und in bezug auf weitere 515.000 S versuchten Diebstahl anzulasten.

Insoweit waren daher in Stattgebung seiner Nichtigkeitsbeschwerde die bekämpften Schuldsprüche und der ihn betreffende Strafausspruch aufzuheben sowie - im Hinblick darauf, daß Verfahrensergebnisse vorliegen, nach denen eine (im Ersturteil unterbliebene) Feststellung seiner Beteiligung auch an den übrigen im Rahmen der "Mai-Aktion" österreichweit verübten Diebstählen und Diebstahlsversuchen nicht auszuschließen ist, allerdings bloß - die Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz anzuordnen. Die gleiche Urteilsnichtigkeit (Z 9 lit a) ist aber auch beim Schuldspruch I 3 a zum Nachteil der Angeklagten B*** und A*** einerseits in Ansehung des vollendeten Diebstahls eines 80.000 S übersteigenden Betrages sowie des Angeklagten H***

andererseits in bezug auf den vollendeten Diebstahl von mehr als 99.000 S unterlaufen, ohne daß sie von diesen Angeklagten geltend gemacht worden wäre. Sie war daher von Amts wegen (§ 290 Abs 1 StPO) zu korrigieren, und zwar mit Rücksicht darauf, daß die Konstatierung einer weitergehenden Beteiligung ihrerseits nach der Aktenlage nicht in Betracht kommt, durch die sogleich vorgenommene dementsprechende Einschränkung des bezeichnenden Schuldspruchs, wobei (ebenso wie bei Erasmus W***) zugleich klarzustellen war, daß der Gesamtbetrag des von ihnen laut Punkt I gestohlenen und laut Punkt II zu stehlen versuchten Bargelds (wie schon zuvor erörtert) jeweils 500.000 S überstieg.

Aus den gleichen Erwägungen geht ferner die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die (Teil-)Freisprüche 1 betreffend H*** und Erasmus W***

sowie 2 (betreffend B***, A*** und H***), jeweils wegen einer Beteiligung an den außerhalb Wiens begangenen Diebstählen und Diebstahlsversuchen, vollkommen fehl. Insoweit entbehren sowohl die Rechtsrüge (Z 9 lit a) mit der urteilsfremden Behauptung, es habe in beiden Fällen jeweils einen "Zusammenschluß", der genannten Angeklagten "zu dem Zweck" gegeben, "eine 'konzertierte Aktion' (wo auch immer)" zu verüben, als auch die Mängelrüge (Z 5) mit Einwänden, die auf keinerlei formellen Begündungsmangel abzielen, jeglicher prozeßordnungsgemäßen Darstellung.

In Beziehung auf den aufrecht gebliebenen Teil der Schuldsprüche (I 3 a und II) schließlich bekämpft der Angeklagte A*** die Annahme de Qualifikation nach § 130 zweiter Fall StGB mit dem zutreffenden Einwand (Z 10), auf Grund jener Urteilsfeststellung, wonach nichts dafür spreche, daß von den Tätern (bei der ersten gleichwie bei der zweiten "Aktion") eine Wiederholung der Taten geplant gewesen wäre, komme rechtsrichtig gesehen deren Beurteilung als bandenmäßig begangen nicht in Betracht. Gehört doch zum wesentlichen Begriffsinhalt des Bandendiebstahls primär jedenfalls der Zusammenschluß von mindestens drei Personen mit dem Vorsatz der wiederholten Begehung selbständiger, im voraus nicht näher oder nur der Art nach bestimmter und nicht bloß geringfügiger Diebstähle (vgl. Kienapfel aaO RN 21). Schon davon kann angesichts der soeben relevierten, seitens der Staatsanwaltschaft unbekämpft gebliebenen Konstatierung keine Rede sein.

Auch die zuletzt erörterte Nichtigkeit (Z 10) wirkte sich gleichermaßen zum Nachteil des Angeklagten Erasmus W***, dessen Rechtsrüge insoweit die erforderliche Substantiierung vermissen läßt, sowie der Angeklagten B*** und H*** aus, die eine Nichtigkeitsbeschwerde nicht ausgeführt haben; sie war deshalb von Amts wegen wahrzunehmen (§ 290 Abs 1 StPO).

Teils demgemäß und teils in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A*** war daher die Annahme bandenmäßiger Begehung bei sämtlichen Angeklagten zu kassieren sowie in weiterer Folge, der Aktenlage entsprechend, bezüglich Erasmus W*** dem Gegenstand der Verfahrenserneuerung zuzuordnen und hinsichtlich der übrigen Angeklagten sogleich aus dem angefochtenen Urteil zu eliminieren. Völlig verfehlt schließlich ist die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft auch noch mit deren Rechtsrüge gegen die Nichtannahme einer Gewerbsmäßigkeit der Diebstähle (§ 130 erster Fall StGB) durch das Erstgericht (Z 10).

Gewerbsmäßig begeht eine strafbare Handlung, wer sie in der Absicht (§ 5 Abs 3 StGB) vornimmt, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB). Diese Absicht kann unter Umstände wohl auch schon aus einer einzigen Tat hervorgehen, doch liegen (der Beschwerdeansicht zuwider) die gesetzlichen Vorausssetzungen der Gewerbsmäßigkeit keineswegs bereits dann vor, wenn der Täter sich bloß aus einer einzigen Tat - ohne Wiederholungsabsicht - ein fortlaufendes Einkommen verschaffen will (vgl. Mayerhofer-Rieder aaO, ENr. 40 zu § 70 StGB). Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher zur Gänze zu verwerfen.

III. Hinsichtlich der Angeklgten B***, A*** und H*** war im Hinblick auf die Einschränkung des Schuldspruchs laut Punkt I 3 a und auf den Wegfall der Qualifikation nach § 130 zweiter Fall StGB eine Strafneubemessung vorzunehmen. Dabei wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend bei H*** die Tatwiederholung, bei B*** und A*** nichts, als mildernd hingegen bei sämtlichen Angeklagten ihre Unbescholtenheit im Inland, wobei die Vorverurteilungen B*** in der Bundesrepublik Deutschland (wenn nicht schon überhaupt tilgbar, so doch jedenfalls) geringfügigen Gewichts sind und schon mehr als 6 Jahre zurückliegen, daß es teilweise beim Versuch geblieben ist, das Geständnis und die teilweise Schadensgutmachung durch die Sicherstellung von 179.000 S.

Unter Abwägung dieser Strafzumessungsgründe erachtete der Oberste Gerichtshof Freiheitsstrafen in der Dauer von zweieinviertel Jahren bei B***, in der Dauer von zwei Jahren bei A***

und in der Dauer von zweidreiviertel Jahren bei H*** als tätergerecht und schuldangemessen (§ 32 StGB).

Von diesen Freiheitsstrafen war teils gemäß Abs 3 und teils gemäß Abs 4 des § 43 a StGB wie im Spruch ersichtlich ein Teil bedingt nachzusehen, weil einerseits beim Angeklagten A***

angesichts der professionellen Tatausführung vor allem aus generalpräventiven Bedenken eine gänzliche bedingte Nachsicht unvertretbar ist, andererseits aber bei allen genannten Angeklagten insbesondere ihre Anhaltung in Untersuchungshaft durch einen längeren Zeitraum die Annahme rechtfertigt, daß sie mit hoher Wahrscheinlichkeit keine weiteren strafbaren Handlungen mehr begehen werden.

Mit ihren Strafberufungen waren die Staatsanwaltschaft und sämtliche Angeklagten auf die insoweit teils kassatorische, teils reformatorische Entscheidung zu verweisen.

IV. Gemäß § 366 Abs 2 StPO verurteilte das Schöffengericht die Angeklagten B***, A***, H*** und Erasmus W*** zur ungeteilten Hand, der Privatbeteiligten G*** S***GesmbH (G***) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution einen Betrag von 179.000 S zu bezahlen; damit wollte das Erstgericht die spätere Ausfolgung des sichergestellten Geldbetrages von 179.000 S (ON 68) an die Privatbeteiligte vorweg fundieren (US 19). Mit ihren weiteren Ansprüchen wurde diese Privatbeteiligte auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Den gegen den Zuspruch erhobenen Berufungen der Angeklagten B*** und A*** kommt Berechtigung zu, weil das Gericht eine sichergestellte Diebsbeute gemäß § 367 Abs 1 StPO spätestens nach dem Eintritt der Rechtskraft des Urteils dem Privatbeteiligten auszufolgen hat. Der Zuspruch gemäß § 366 Abs 2 StPO in bezug auf diese Beute entsprach daher nicht dem Gesetz (vgl. SSt. 46/59, EvBl 1971/228 ua) und war demgemäß in Ansehung der Berufungswerber wie im Spruch zu beheben. In bezug auf die Angeklagten H*** und Erasmus W***

freilich kommt eine Korrektur des rechtskräftigen Adhäsionserkenntnisses nicht in Betracht, weil § 295 Abs 1 zweiter Satz StPO Entscheidungen über privatrechtliche Ansprüche nicht einschließt und daher auf diese nach der derzeitigen Rechtslage unanwendbar ist (vgl. EvBl 1970/386, LSK 1982/18 ua). Im hier gegebenen Zusammenhang ist im übrigen der Vollständigkeit halber anzumerken, daß bei einem Zuspruch an Privatbeteiligte die Bestimmung einer Leistungfrist unzulässig ist, weil die Fälligkeit der in dem Adhäsionserkenntnis zugesprochenen Beträge schon mit der Rechtskraft des Urteils eintritt (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO2 ENr. 6 zu § 369).

Anmerkung

E22301

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0150OS00079.9.1030.000

Dokumentnummer

JJT_19901030_OGH0002_0150OS00079_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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