TE OGH 1990/10/31 11Os110/90 (11Os111/90)

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Veröffentlicht am 31.10.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 31.Oktober 1990 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pokorny als Schriftführerin in der Strafsache gegen Andreas Karl H*** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z 1 und Z 2, 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung

I. über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Schöffengericht vom 28.Juni 1990, GZ 13 Vr 1.166/89-43, und II. über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Schöffengericht vom 28.Juni 1990, GZ 13 Vr 1.166/89-43, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Presslauer, des Angeklagten und der Verteidigerin Dr. Springer zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Abs. 1 Z 7 StGB (Punkt 2./ des Urteilssatzes) und im Strafausspruch, sowie ferner der Widerrufsbeschluß gemäß dem § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO aufgehoben und es wird gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Andreas Karl H*** wird für das ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruchs weiterhin zur Last fallende Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z 1 und Z 2, 15 StGB (Punkt 1) gemäß dem § 129 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 (fünfzehn) Monaten verurteilt.

Der Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft wird aus dem Ersturteil übernommen.

Gemäß dem § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO wird die im Verfahren AZ 11 BE 88/88 des Kreisgerichtes Steyr mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 17.Februar 1988, AZ 10 Bs 60/88, angeordnete bedingte Entlassung des Andreas Karl H*** aus der im Verfahren AZ 13 Vr 49/87 des Kreisgerichtes Wels verhängten Freiheitsstrafe (Strafrest: ein Monat und sechzehn Tage) widerrufen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Auf diese Entscheidung werden die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung und der Angeklagte mit seiner Beschwerde verwiesen. Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 29.Dezember 1959 geborene beschäftigungslose Andreas Karl H*** wurde (1.) des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z 1 und Z 2, 15 StGB und (2.) des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Abs. 1 Z 7 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 29.November 1989 in Vöcklabruck

1./ fremde bewegliche Sachen dem Josef M***-S*** mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung, indem er durch Einschlagen einer Türverglasung in einen abgeschlossenen Raum, der sich in einem Gebäude befindet, nämlich in das Cafe-Restaurant des Genannten einbrach,

a/ weggenommen, nämlich mindestens zwei Seidentücher im Wert von zumindest 1.000 S;

b/ wegzunehmen versucht, indem er die Räumlichkeiten nach Bargeld durchsuchte und durch Zerschlagen einer Registrierkasse ein Behältnis aufbrach, wobei es mangels Auffindung von Bargeld beim Versuch blieb;

2./ durch Zerschlagen der zu 1. angeführten Registrierkasse eine fremde Sache zerstört und daran einen 25.000 S übersteigenden Schaden in der Höhe von ca. 40.000 S herbeigeführt. Der Angeklagte bekämpft seine Schuldsprüche mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 4, 5, 5 a und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Die Verfahrensrüge (Z 4) richtet sich gegen die Ablehnung des Antrages auf Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zum Nachweis dafür, daß sich der Angeklagte zum Tatzeitpunkt auf Grund der kombinierten Einnahme von Alkohol und Rohypnol-Tabletten in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand befunden habe (S 244).

Rechtliche Beurteilung

Die Rüge versagt, weil der in der Hauptverhandlung zur Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten insbesondere unter Berücksichtigung des behaupteten Rohypnolkonsums (S 223) beigezogene Sachverständige Dr. Johann H*** ohnhin über das im Beweisbegehren bezeichnete Thema ein ausführliches Gutachten erstattete (S 237 ff). Da im Strafverfahren bei erforderlicher Auswertung von Beweisergebnissen unter Einsatz von Fachwissen grundsätzlich nur ein Sachverständiger beizuziehen ist, und lediglich unter bestimmten, gesetzlich determinierten Voraussetzungen (§§ 118 Abs. 2, 125, 126 StPO) ausnahmsweise das Gutachten eines zweiten Sachverständigen eingeholt werden muß, wäre es Sache des Antragstellers gewesen, im Rahmen einer für das Schöffengericht überprüfbaren Antragsbegründung das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles zu behaupten. Schon mangels eines derartigen Vorbringens wurden durch die Ablehnung des Antrags keine Gesetze oder Verfahrensgrundsätze hintangesetzt oder unrichtig angewendet, deren Beachtung durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten gewesen wäre. Der in der Nichtigkeitsbeschwerde unternommene Versuch, das Begehren auf Beiziehung eines zweiten Sachverständigen nachträglich mit vermeintlichen Unzulänglichkeiten des Gutachtens des Sachverständigen Dr. H*** zu begründen, ist von vornherein nicht zielführend, weil sich die Prüfung der Berechtigung eines Beweisantrages im Rechtsmittelverfahren stets an der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Antragstellung und dem damaligen Vorbringen des Antragstellers zu orientieren hat. Erst im Rechtsmittelverfahren vorgebrachte Argumente tatsächlicher Art bleiben dabei unbeachtlich (SSt. 41/71). Lediglich der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, daß auch die Beschwerdeargumentation keine konkreten Umstände aufzeigt, nach denen die vermißte Untersuchung des Angeklagten außerhalb der Hauptverhandlung in der Frage der Zurechnungsfähigkeit im Tatzeitpunkt ein vom eingeholten Gutachten abweichendes Ergebnis erwarten lassen konnte.

Mit dem als Begründungsmangel (Z 5) monierten Umstand, daß in einer Urteilspassage von einem in eine Schuhsohle des Angeklagten eingetretenen Glassplitter die Rede ist, wogegen es sich nach der Aktenlage (im übrigen auch nach dem Folgesatz des gerügten Teils der Urteilsbegründung) um eine Mehrzahl von Splittern handelte, wird keine entscheidende Tatsache in der Bedeutung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes bezeichnet. Das Erstgericht ging auf das betreffende Spurenmaterial - welches nach einem kriminaltechnischen Untersuchungsergebnis mit der am Tatort eingeschlagenen Glastüre nicht in Verbindung gebracht werden konnte - lediglich durch den sinngemäßen Hinweis ein, daß darin kein Indiz gegen die Täterschaft des Angeklagten zu erblicken sei. Inwieweit die Tragfähigkeit dieser Überlegung davon berührt sein soll, ob in der Schuhsohle ein oder mehrere mit dem Tatgeschehen nicht zusammenhängende Glassplitter eingetreten waren, ist nicht einsichtig und wird von der Beschwerde auch nicht dargetan.

Ebensowenig begründet ist das Vorbringen zur Tatsachenrüge (Z 5 a), welches bei sorgfältiger Prüfung anhand der vom Schöffengericht bezeichneten Entscheidungsgrundlagen und des gesamten übrigen Akteninhaltes keine (geschweige denn erhebliche) Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen hervorruft. Die (teils an ganz nebensächlichen Umständen orientierten) Einwände gegen die (nach den Verfahrensergebnissen wie auch Denkgesetzen ausgewogene) tatrichterliche Beweiswürdigung sind nicht geeignet, die intersubjektive Überzeugungskraft der Begründung für die entscheidenden Feststellungen der Täterschaft des Angeklagten und seiner Zurechnungsfähigkeit im Tatzeitpunkt zu erschüttern. Als im Ergebnis berechtigt erweist sich aber die (sachlich auf § 281 Abs. 1 Z 10 StPO gestützte) Rechtsrüge gegen den Schuldspruch wegen schwerer Sachbeschädigung, wie die Generalprokuratur auch in diesem Punkt zutreffend aufzeigt:

Nach den Urteilsfeststellungen drang nämlich der Angeklagte zwecks Verübung eines Diebstahls in das Lokal des Josef M***-S*** ein und suchte dort nach Bargeld. In Ausführung seines Vorhabens nahm er eine Registrierkasse an sich, um sie auf der Terrasse des Lokales aufzubrechen. Dort zerstörte er die Kasse durch Zerschlagen vollständig, wodurch er vorsätzlich einen auch in dieser Höhe bedachten Vermögensschaden von ungefähr 40.000 S herbeiführte. Als der Angeklagte kein Bargeld vorfand, flüchtete er schließlich unter Mitnahme von mindestens zwei Seidentüchern. Das Erstgericht beurteilte die Zerstörung der Registrierkasse als selbständig strafbare und vom Unrechtsgehalt des (insoweit versuchten) Einbruchsdiebstahls nicht erfaßte Sachbeschädigung, weil es zur Ansicht gelangte, daß die Vorgangsweise des Täters über den Versuch, das Behältnis gewaltsam zu öffnen, weit hinausging. Dieser allein an den objektiven Umfang des Sachschadens und an die Vermeidbarkeit der Sachzerstörung anknüpfende Rechtsstandpunkt erweist sich jedoch als verfehlt:

Die mit einem versuchten oder vollendeten Einbruchsdiebstahl typischerweise verbundenen Sachbeschädigungen im Sinn des § 125 StGB (gegebenenfalls in Verbindung mit § 126 Abs. 1 Z 7 StGB oder § 126 Abs. 2 StGB) werden als natürliche Begleiterscheinungen eines solchen qualifizierten Diebstahls in der gegen diese Tat gerichteten strengeren Strafdrohung (§ 129 Z 1, 2 und 3 StGB) berücksichtigt und damit grundsätzlich vom Diebstahl durch Einbruch konsumiert (SSt. 47/20, 48/28 und 49/22). Die Sachbeschädigung ist ein Begleitdelikt, welches durch die Tatbeurteilung als Einbruchsdiebstahl regelmäßig mitabgegolten wird, soweit der Angriff nicht ein über den materiellen Vermögenswert hinausgehendes, in den Bestimmungen des § 126 Abs. 1 Z 1 bis 6 StGB bezeichnetes Rechtsgut betrifft. Von dieser hier nicht aktuellen Ausnahme abgesehen gehen in der Einbruchsqualifikation alle solcherart zugefügten Sachbeschädigungen auf, die aus der Sicht des Täters (und somit nach einem subjektiven Maßstab) mit der Verübung des geplanten Diebstahls zielführend verbunden sind (EvBl. 1983/51). Bei dem in § 129 Z 2 StGB umschriebenen Aufbrechen eines Behältnisses - also der unter Überwindung eines Widerstandes erzwungenen Öffnung des Objekts - kann eine der typischen Tathandlungen auch im Einschlagen oder Zerschlagen der betreffenden Umschließung bestehen, ohne den Charakter eines die diebische Sachwegnahme bezweckenden gewaltsamen Vorgehens gegen das Zugriffshindernis zu verlieren. Eine dabei verwirklichte Zerstörung des Behältnisses stellt eine konsumierte Begleittat des Einbruchsdiebstahls dar, solange der Beschädigungsvorsatz des Täters mit dem Diebstahlsvorsatz einhergeht und auf Ermöglichung oder Erleichterung der Sachwegnahme abzielt. Nur bei einem außerhalb dieses Zusammenhanges stehenden Beschädigungswillen wäre die Sachbeschädigung durch Bestrafung der Diebstahlstat nicht abgegolten.

Eine der letzterwähnten entsprechende Konstellation der subjektiven Tatseite wurde jedoch im vorliegenden Fall vom Erstgericht nicht festgestellt und hätte nach den Verfahrensergebnissen auch nicht festgestellt werden können. Die beim versuchten Diebstahl von Bargeld herbeigeführte (wenn auch totale) Zerstörung der Registrierkasse ist daher bereits durch die Tatsubsumtion als Einbruch nach § 129 Z 2 StGB erfaßt und darf - als Fall einer Scheinkonkurrenz - nicht zusätzlich der Strafbestimmung gegen Sachbeschädigung unterstellt werden.

Die aus den dargelegten Erwägungen verfehlte Subsumtion der dem Angeklagten zur Last fallenden Tat auch als Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Abs. 1 Z 7 StGB war daher spruchgemäß aus dem angefochtenen Urteil auszuschalten. Die (auch den Strafausspruch sowie den Beschluß über den Widerruf der bedingten Entlassung gemäß dem § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO erfassende) Teilaufhebung machte eine Strafneubemessung erforderlich, bei der ein rascher Rückfall, die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen und der (infolge der modifizierten materiellrechtlichen Tatbeurteilung nunmehr mitzuberücksichtigende) erhebliche Sachschaden (durch Zerstörung einer neuwertigen Registrierkasse) erschwerend waren, mildernd hingegen der teilweise Versuch und der geringe Wert der Diebsbeute.

Mag auch der Angeklagte trotz der bisher über ihn verhängten (teilweise ein Jahr übersteigenden) Freiheitsstrafen immer wieder rückfällig geworden sein, so ist die in Rede stehende Fallkonstellation doch entscheidend dadurch gekennzeichnet, daß hier die Elemente bloßen Einbruchsversuchs dominieren. Davon ausgehend stellt sich aber die ausgesprochene Freiheitsstrafe von fünfzehn Monaten als schuld- und tatangemessene Unrechtssanktion dar. Da in Anbetracht der neuerlichen Verurteilung auch nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes der Widerruf der im Spruch bezeichneten bedingten Entlassung aus spezialpräventiver Sicht geboten ist (§ 53 Abs. 1 StGB), war insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Mit ihren damit gegenstandslos gewordenen Rechtsmitteln waren die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf die getroffene Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E22253

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0110OS00110.9.1031.000

Dokumentnummer

JJT_19901031_OGH0002_0110OS00110_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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