TE OGH 1990/11/6 14Os93/90

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Veröffentlicht am 06.11.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.November 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dipl.Ing. Miguel Adolfo M***-A*** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dipl.Ing. Miguel Adolfo M***-A*** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 26.Juni 1990, GZ 5 Vr 658/88-36, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr. Tschulik, und der Verteidigerin Dr. Simma, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Pkt 1. des Urteilssatzes (wegen Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 StGB) sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Dipl.Ing. Miguel Adolfo M***-A*** wird (auch) von der Anklage, er habe von Mai 1985 bis 1987 in Spielfeld bei Leibnitz mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern, Beamte des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft durch Täuschung über Tatsachen, nämlich Vorlage von Fakturen mit erhöhten Einkaufspreisen für gekühlte, grillfertige Hühner, die von der jugoslawischen Firma E*** C*** geliefert worden waren, zur Unterlassung der Verrechnung des auf den tatsächlich bezahlten niedrigeren Einkaufspreis beruhenden Importausgleichs bei Einfuhr von Erzeugnissen der Geflügelwirtschaft verleitet. die die R*** Ö*** zumindest um

552.364,80 Schilling am Vermögen schädigte, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Für das ihm nach dem aufrecht bleibenden Teil des Schuldspruchs (Punkt 2. des Urteilssatzes) weiterhin zur Last fallende Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB wird der Angeklagte Dipl.Ing. Miguel Adolfo M***-A*** nach dieser Gesetzesstelle zu einer Geldstrafe von 120 (einhundertzwanzig) Tagessätzen, für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 60 (sechzig) Tagen verurteilt. Die Höhe eines Tagessatzes wird mit 200 (zweihundert) Schilling bestimmt.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 17.Dezember 1942 geborene Geschäftsführer

Dipl.Ing. Miguel Adolfo M***-A*** wurde mit dem angefochtenen Urteil des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 StGB und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Danach hat er in Spielfeld bei Leibnitz 1./ von Juli 1985 bis September 1987 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Beamte des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft durch Täuschung über Tatsachen, nämlich Vorlage von Fakturen der jugoslawischen Firma E*** C*** betreffend den Verkauf von (gekühlten, grillfertigen und Frisch-)Hühnern, die auf höhere Einkaufspreise lauteten als tatsächlich bezahlt wurden, zur Verrechnung eines niedrigeren als des bei der Einfuhr von Erzeugnissen der Geflügelwirtschaft gesetzlich vorgeschriebenen Importausgleichs und damit zu Handlungen verleitet, welche die R*** Ö*** um 552.364,80 Schilling am Vermögen schädigten;

2./ am 11.April und am 13.Mai 1989 den Gustavo Antonio L***-M*** durch Schläge und Würgen am Hals verletzt, wobei der Genannte Hautabschürfungen am Hals bzw eine Hautabschürfung und eine Beule am rechten Ohr erlitt.

Bezüglich eines weiteren Betrugsschadens von 10.427,20 Schilling erging in Ansehung des genannten Angeklagten ein Teilfreispruch, während die Mitangeklagte Manuela M***-A*** vom Vorwurf der Mittäterschaft an dem zu 1./ bezeichneten schweren Betrug zur Gänze gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen wurde. Beide Freisprüche sind in Rechtskraft erwachsen.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen betrieb Dipl.Ing. Miguel Adolfo M***-A*** als alleinverantwortlicher und zeichnungsberechtigter Geschäftsführer mit seiner Gattin Manuela als Konzessionsinhaberin in Spielfeld eine Grillhendelstation, für die er aus Jugoslawien Hühner bezog.

Mit Bundesgesetz vom 27.März 1969, BGBl Nr 135, wurde zum Schutz der österreichischen Geflügelwirtschaft die Erhebung eines Importausgleichs bei Geflügelimporten angeordnet. Danach hatte der Importeur einen Betrag in der Höhe der Differenz zwischen dem Importpreis und einen mit Verordnung (des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft) festgesetzten "Schwellenpreis" (§ 3 Abs. 1 leg.cit.) mindestens aber fünf Schilling pro kg zu bezahlen. Da die Importpreise unter dem Schwellenpreis lagen, vereinbarte der Angeklagte Dipl.Ing. M***-A*** mit der Lieferfirma einen höheren Einkaufspreis zu fakturieren, bei dem die Differenz zum Schwellenpreis nicht mehr als fünf Schilling pro kg aufwies. Die unrichtigen Rechnungen wurden samt Warenerklärung bei der Einfuhr dem Zollamt vorgelegt und bildeten die Basis für die Vorschreibung des Importausgleichs durch das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft.

Zum Dokumenteninkasso wurden von der Firma E*** C*** Rechnungen mit dem mündlich vereinbarten, in Jugoslawien üblichen Kilopreis verwendet, weswegen die Angeklagten nicht nur einen niedrigeren als den erklärten Preis bezahlten, sondern auch um den Differenzbetrag zwischen den vorgeschriebenen und den tatsächlich angemessenen Importausgleichsbeträgen unrechtmäßig bereichert wurden. Die auf § 281 Abs. 1 Z 4, 5, 5 a, 9 lit a und b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dipl.Ing. Miguel Adolfo M***-A*** bekämpft lediglich den Schuldspruch wegen schweren Betruges.

Rechtliche Beurteilung

Bereits dem Einwand, das inkriminierte Tatverhalten verwirkliche keine gerichtlich strafbare Handlung, es sei vielmehr nur als Verwaltungsübertretung nach § 11 des Bundesgesetzes vom 27.März 1969 strafbar (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO), kommt Berechtigung zu. Mit der am 1.Jänner 1976 in Kraft getretenen

FinStrG-Novelle 1975 (BGBl 335) wurde (ua) der Importausgleich nach dem Bundesgesetz vom 27.März 1969 (Geflügelwirtschaftsgesetz 1969, BGBl Nr 135) gemäß § 2 Abs. 2 lit b FinStrG vom Anwendungsbereich des Finanzstrafgesetzes ausgenommen. Daran hat die Marktordnungsgesetz-Novelle 1976 (BGBL Nr 579) nichts geändert.Nach § 11 des Geflügelwirtschaftsgesetzes 1969 beging den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung, wer (vorsätzlich oder fahrlässig) einer der Ermittlung des Importausgleichs dienenden Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht zuwiderhandelte oder den Importausgleich dadurch verkürzte, daß er die Ware dem Zollamt nicht stellt.

Mit dem Bundesgesetz über die Erhebung eines Importausgleiches bei der Einfuhr von Erzeugnissen der Geflügelwirtschaft vom 5. November 1987, BGBl Nr 579 (Geflügelwirtschaftsgesetz 1988), wurde § 2 Abs. 2 FinStrG abermals neu gefaßt und die Bestimmung, nach der ein solcher Importausgleich keine Abgabe im Sinne des § 2 Abs. 1 FinStrG sei, aufgehoben. Seit 1.Jänner 1988 ist daher das FinStrG auf den Importausgleich nach dem Geflügelwirtschaftsgesetz 1988, dessen Erhebung nunmehr zur Gänze den Zollämtern übertragen wurde, wieder anzuwenden. Dieses Gesetz enthält deswegen auch keinen dem § 11 des Bundesgesetzes vom 27. März 1969 entsprechenden Verwaltungsstraftatbestand. Daraus ergibt sich, daß - wie das Oberlandesgericht Graz in seiner Entscheidung über den Einspruch des Angeklagten gegen die Anklageschrift richtig erkannt hat (ON 18) - im Deliktszeitraum von Juli 1985 bis September 1987 die Hinterziehung des bei der Einfuhr von Erzeugnissen der Geflügelwirtschaft zu erhebenden Importausgleichs kein Finanzvergehen (im Sinne des FinStrG) begründete, sodaß die Privilegierung eines betrügerischen Finanzvergehens im Sinne des § 22 Abs. 2 FinStrG hier nicht zum Tragen kommt.

Dies bedeutet aber nicht, daß eine zwischen dem 1.Jänner 1979 und dem 31.Dezember 1987 auf betrügerische Weise begangene Verkürzung des Importausgleichs im Sinne der §§ 22, 30 VStG sowohl den vom Gericht zu ahndenden Betrugstatbestand, als auch - mangels einer in § 11 des Bundesgesetzes vom 27.März 1969 enthalten gewesenen Subsidiaritätsklausel - eine Verwaltungsübertretung gemäß der genannten Gesetzesstelle verwirklichte.

Weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus den Materialien hiezu (GP XIII RV 1130 AB 144) ergibt sich ein Anhaltspunkt für die Annahme, daß durch die FinStrG-Novelle 1975, aber auch die Marktordnungsgesetz-Novelle 1976, eine strengere Bestrafung der bis dahin als Finanzvergehen - finanzbehördlich und in der Regel erst bei einem 500.000 Schilling übersteigenden Wertbetrag strafgerichtlich - zu verfolgenden Hinterziehung des Importausgleichs beabsichtigt wurde. Es kann dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden, daß er in diesem Zeitraum neben die verwaltungsbehördliche die gerichtliche Strafbarkeit eintreten lassen wollte. Der Grund für die Eleminierung dieser an die Stelle des Zolles tretenden Eingangsabgabe aus dem Anwendungsbereich des FinStrG lag vielmehr ersichtlich nur darin, daß deren bescheidmäßige Festsetzung in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft fiel und die "Erhebung", also die gesamte Verwaltung von der Ermittlung ihrer Bemessungsgrundlage bis zur zwangsweisen Einbringung (vgl Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, § 2 FinStrG, Anm 2) mithin nicht durch die Abgabenbehörden des Bundes zu erfolgen hatte (vgl § 2 Abs. 1 FinStrG). Daraus folgt, daß § 11 des Bundesgesetzes vom 27.März 1969 als abschließende Strafbarkeitsregelung bei Verkürzung eines solchen Importausgleichs gedacht war, derzufolge sämtliche abgabenrechtliche Verstöße beim Import von Erzeugnissen der Geflügelwirtschaft aus der gerichtlichen Strafkompetenz verwiesen werden sollten.

Ein Vergleich der Tatbestände zeigt, daß die Verwaltungsübertretung bei vorsätzlicher Begehung gegenüber dem Betrugstatbestand die speziellere Norm darstellte, welche alle hier in Betracht kommenden vorsätzlichen (und fahrlässigen) Hinterziehungshandlungen pönalisierte und für vorsätzliche Tatbegehung bzw bei wiederholter Bestrafung eine strengere Strafe vorsah (Abs. 2). Soweit aber der Täter vorsätzlich einer der Ermittlung des Importausgleichs dienenden Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht zuwiderhandelte, war mit seiner Handlungsweise denknotwendig eine Täuschung des Zollorgans und bzw oder des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft als den Ausgleichsbetrag festsetzenden Behörde verbunden, auf Grund der ein niedrigerer Importausgleich, als es den gesetzlichen Bestimmungen entsprochen hätte, festgesetzt wurde und eine Verkürzung zum Vorteil des Abgabenpflichtigen und zum Schaden der Republik Österreich eintrat. In einem solchen Fall einer lex specialis bleibt - anders als bei einem subsidiären Tatbestand (vgl 9 Os 148/86, 9 Os 93/86) - die Ahndung von Gesetzesverstößen allein der zur Handhabung der bezüglichen Vorschriften zuständigen Verwaltungsbehörde vorbehalten (SSt 50/56 = ÖJZ-LSK 1979/383 zu § 228 StGB [zustimmend Burgstaller in ÖJZ 1979, 127] und 10 Os 29/85 zu § 16 MeldeG; ferner EvBl 1977/127 = ÖJZ-LSK 1977/44, JBl 1977, 654 = ÖJZ-LSK 1977/288 jeweils zu § 228 StGB und EvBl 1986/63 = ÖJZ-LSK 1985 zu § 127 StGB).

Es war daher - ohne daß auf die weiteren Beschwerdeausführungen eingegangen werden müßte - der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dipl.Ing. Miguel Adolfo M***-A*** Folge zu geben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch dieses Angeklagten wegen Verbrechens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3 StGB, sowie demgemäß auch in dem ihn betreffenden Strafausspruch aufzuheben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst spruchgemäß zu erkennen. Bei der zum aufrecht bleibenden Teil des Schuldspruchs wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB vorzunehmende Strafneubemessung war erschwerend die Tatwiederholung, daß der Angeklagte bereits mehrere strafbare Handlungen derselben Art begangen hat und deswegen bisher bereits viermal wegen Körperverletzungsdelikten verurteilt wurde sowie der rasche einschlägige Rückfall (nach dem Vollzug der letzten wegen § 83 Abs. 1 StGB zu 3 U 375/88 des Bezirksgerichtes Leibnitz verhängten Geldstrafe am 28.Februar 1989, sh Strafregisterauskunft ON 33, bei nunmehrigen Tatzeiten am 11.April und 13.Mai 1989), mildernd das Geständnis des Angeklagten (AS 137/II).

Unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung entspricht daher nach den gefundenen Strafzumessungsgründen eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen der Schuld des Angeklagten und dem Unrechtsgehalt seiner Taten. Die Ersatzfreiheitsstrafe war daher mit 60 Tagessätzen zu bestimmen. Die Höhe eines Tagessatzes ergibt sich aus den persönlichen Verhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Angeklagten im Zeitpunkt des Urteils erster Instanz (§ 19 Abs. 2 StGB).

Somit war wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.

Anmerkung

E22542

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0140OS00093.9.1106.000

Dokumentnummer

JJT_19901106_OGH0002_0140OS00093_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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