TE OGH 1990/11/28 1Ob645/90

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Veröffentlicht am 28.11.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Pflegschaftssache mj. Nicole G***, geboren am 15. Oktober 1979, infolge Revisionsrekurses der Minderjährigen, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 31. Mai 1990, GZ 47 R 361/90-104, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hernals vom 23. März 1990, GZ 1 P 51/83-101, als nichtig aufgehoben und der Antrag der Minderjährigen, ihr Unterhaltsvorschüsse zu gewähren, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Text

Begründung:

Die mj. Nicole G*** ist das uneheliche Kind des Franz K***. Franz K*** ist auf Grund eines vor dem Jugendamt geschlossenen Vergleiches vom 6.11.1979 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 1.000 verpflichtet. Am 30.1.1989 stellte der Unterhaltssachwalter den Antrag, dem Kind einen monatlichen Unterhaltsvorschuß von S 1.000 zu gewähren. Die Führung einer Exekution scheine aussichtslos, weil der Vater seit seiner Haftentlassung im Oktober 1986 laufend Sozialhilfe in Anspruch nehme. Die vom Amtsarzt diagnostizierte Arbeitsunfähigkeit habe mit 7.12.1988 geendet. Das Erstgericht bewilligte mit Beschluß vom 1.2.1989, ON 88, den beantragten Unterhaltsvorschuß für die Zeit vom 1.1.1989 bis 31.12.1991. Über Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien änderte das Rekursgericht mit Beschluß vom 6.4.1989, 47 R 175/89-98, den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Antrag der Minderjährigen abwies. Es führte aus, für die Gewährung von Sozialhilfe gemäß § 8 Abs 1 des Wiener Sozialhilfegesetzes sei unter anderem Voraussetzung, daß der Antragsteller aus eigenen Kräften nicht in der Lage sei, sich Unterhalt zu beschaffen. Die Voraussetzungen hiefür seien von der Verwaltungsbehörde zu überprüfen. Daher müsse angenommen werden, daß der Unterhaltspflichtige keine Möglichkeit habe, ein Einkommen zu erzielen. Daß er ungeachtet des Sozialhilfebezuges in der Lage wäre, einen Arbeitsplatz aufzufinden und ein entsprechendes Einkommen zu erzielen, worauf er allenfalls angespannt werden könne, sei nicht einmal behauptet worden und es fänden sich dafür auch im Akt keine Anhaltspunkte. Es müsse daher davon ausgegangen werden, daß die Voraussetzungen für die Gewährung der Sozialhilfe tatsächlich vorlägen und damit die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten zur Erbringung von Alimentationsleistungen nicht gegeben sei. Es bestünden demnach begründete Bedenken gegen die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht des Vaters. Aus diesem Grunde seien die Vorschüsse zu versagen. Am 12.3.1990 beantragte die Minderjährige, vertreten durch den Unterhaltssachwalter, erneut, ihr einen Unterhaltsvorschuß von monatlich S 1.000 zu gewähren. Sie führte unter anderem aus, obwohl der Vater seine Kontrollmeldungen beim Arbeitsamt einhalte und somit die Voraussetzungen für die Gewährung der Sozialhilfe erfülle, sei davon auszugehen, daß er bei ausreichenden Bestrebungen doch eine Anstellung zumindest als Hilfsarbeiter hätte finden müssen. Er hätte auch private Arbeitssuche betreiben müssen. Es sei allgemein bekannt, daß besonders im Baugewerbe mangelnde Qualifikation oder Vorstrafen kein Anstellungshindernis seien. Der Vater beziehe derzeit monatlich Aushilfen von S 5.531, in der ein Familienzuschlag von S 597 enthalten sei. Allein auf Grund dieser Aushilfen müßte er zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 1.000 verpflichtet werden.

Das Erstgericht gewährte ohne nähere Begründung für die Zeit vom 1.3.1990 bis 31.1.1992 dem Kind einen Unterhaltsvorschuß von monatlich S 1.000.

Das Rekursgericht gab mit dem angefochtenen Beschluß dem vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien erhobenen Rekurs Folge. Es hob den Beschluß des Erstgerichtes als nichtig auf und wies den Antrag der Minderjährigen zurück. Auszugehen sei davon, daß der Vater sowohl im Zeitpunkt der Beschlußfassung vom 1.2.1989 als auch nunmehr beim Arbeitsamt als arbeitssuchend gemeldet sei und Sozialhilfe beziehe. Der Bezug der Sozialhilfe habe bereits zur Abweisung des Unterhaltsvorschußantrages vom 1.2.1989 geführt. Eine entscheidungswesentliche Änderung des Sachverhaltes, der seinerzeit die Abweisung des Antrages zur Folge gehabt habe, sei seither nicht eingetreten. Der neuerlichen Bewilligung von Unterhaltsvorschüssen stehe daher die Rechtskraft des abweisenden Beschlusses entgegen.

Rechtliche Beurteilung

Einen Ausspruch über die Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen seinen Beschluß unterließ es. § 519 Abs 1 Z 1 ZPO sei sinngemäß im Verfahren außer Streitsachen dann anzuwenden, wenn vom Rekursgericht ein Antrag aus formalen Gründen zurückgewiesen werde. Dieser Ansicht des Rekursgerichtes kann nicht gefolgt werden. Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausführte (EvBl 1990/137 ua, zuletzt 1 Ob 640/90), wird unter Revisionsrekurs im Sinn des § 14 Abs 1 AußStrG idF der WGN 1989 nicht nur das Rechtsmittel gegen eine abändernde oder bestätigende Entscheidung, sondern gegen alle Beschlüsse des Rekursgerichtes in Erledigung des Rechtsmittels, ausgenommen aufhebende Entscheidungen verstanden. Beschlüsse des Rekursgerichtes, mit denen über Rekurs einer Partei oder aus Anlaß eines solchen der Beschluß des Erstgerichtes aufgehoben und der diesem Beschluß zugrundeliegende Antrag zurückgewiesen wurde, sind daher nicht anders bekämpfbar als sonstige bestätigende oder abändernde Entscheidungen des Rekursgerichtes. Dieser Grundsatz hat auch im Verfahren außer Streitsachen zu gelten (Petrasch in ÖJZ 1989,751). Für eine analoge Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO bleibt dann aber kein Raum. Ein Ausspruch nach § 13 Abs 1 Z 3 AußStrG wäre daher erforderlich gewesen. Eine Ergänzung des Beschlusses des Rekursgerichtes erweist sich aber dennoch nicht als notwendig, da selbst dann, wenn von ihm der ordentliche Revisionsrekurs nicht zugelassen werden sollte, das von der Minderjährigen erhobene Rechtsmittel wegen Aufgreifens einer erheblichen Rechtsfrage zulässig wäre.

Der Revisionsrekurs ist aber auch berechtigt.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre (RZ 1990/44 mwN; EFSlg 46.668; ÖA 1984, 44; EFSlg 44.037 uva; Fasching, Lehrbuch2 Rz 1531, 2062), daß nachträgliche Änderungen des rechtserzeugenden Sachverhaltes von der Rechtskraftwirkung einer früheren Entscheidung nicht erfaßt werden. Eine solche maßgebliche Änderung des Sachverhaltes behauptet aber die Minderjährige in ihrem Antrag vom 12.3.1990. Während das Rekursgericht in seinem Beschluß vom 6.4.1989, 47 R 175/89-98, davon ausging, es fänden sich keine Anhaltspunkte dafür, daß der unterhaltspflichtige Vater, dessen krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit erst am 7.12.1988 geendet hatte, ungeachtet des Sozialhilfebezuges in der Lage wäre, einen Arbeitsplatz aufzufinden und ein Einkommen, auf das angespannt werden könnte, zu erzielen, wird nunmehr von der Minderjährigen behauptet, daß der Vater bei ausreichenden Bestrebungen eine Anstellung zumindest als Hilfsarbeiter hätte finden müssen, was nur bedeuten kann, daß er, obwohl arbeitsfähig, bewußt den geringeren Sozialhilfebezug einer mit Anstrengung verbunden Beschäftigung als Hilfsarbeiter, die er ohne weiteres ausüben könnte, vorzieht. Im Antrag wird als weiterer neuer Umstand vorgebracht, daß selbst unter Außerachtlassung der nunmehr zu fordernden Anspannung der Vater unter Berücksichtigung eines Familienzuschlages von S 597 bereits Aushilfen in einer Höhe bezieht, die eine Unterhaltsfestsetzung von S 1.000 monatlich rechtfertigten.

Schon aus diesen Gründen - auch die Zeitdauer, für die Unterhaltsvorschuß gewährt wurde, ist nicht deckungsgleich - erweist sich die Zurückweisung des Antrages der Minderjährigen durch das Rekursgericht als verfehlt. Sein Beschluß ist aufzuheben und ihm die neuerliche Entscheidung aufzutragen. Ob das Erstgericht, das von einer Verfahrensbeteiligung des Unterhaltsschuldners nach § 12 UVG absah, eine Änderung der behaupteten Tatsachengrundlagen als erwiesen annahm, läßt sich seinem Beschluß mangels Begründung nicht entnehmen. In diesem Sinn wird die Entscheidungsgrundlage durch das Rekursgericht zu verbreitern sein.

Anmerkung

E22314

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0010OB00645.9.1128.000

Dokumentnummer

JJT_19901128_OGH0002_0010OB00645_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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