TE OGH 1990/11/29 8Ob631/89

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Veröffentlicht am 29.11.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Graf und Dr. Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*** H*** Aktiengesellschaft, 4020 Linz, St.Peter-Straße 25, vertreten durch Dr. Götz Schattenberg und Dr. Ernst Moser, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei K*** Sandstrahlungs- und Beschichtungsgesellschaft mbH, 4614 Marchtrenk, Kernstraße 6, vertreten durch Dr. Martin Stossier, Rechtsanwalt in Wels, wegen S 194.341,- s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 28. April 1989, GZ 5 R 161/88-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 5. Oktober 1988, GZ 2 Cg 396/87-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die klagende Partei beauftragte die beklagte Partei mit der Lackierung von jeweilis von ihr zur Verfügung gestellten Strapan-Platten, und zwar am 29. 4. 1987 von 75 Platten, davon 35 in der Farbe perlweiß und je 20 in den Farben moosgrün und nußbraun

(Auftrag A), am 26. 5. 1987 von 125 Platten in der Farbe moosgrün

(Auftrag B), und am 12. 6. 1985 von 80 Platten in der Farbe rubinrot (Auftrag C). Es wurde jeweils vereinbart, daß Zahlung "nach Erhalt und Richtigbefund" der Rechnung und der durchgeführten Leistung in 30 Tagen netto erfolgen sollte. Die Verpackung sollte in von der klagenden Partei beigestellten Einwegkombikisten mit Seidenpapierzwischenlage erfolgen. Die Arbeiten sollten von der beklagten Partei jeweils innerhalb von drei Wochen nach Anlieferung der Platten ausgeführt werden.

Die Strapan-Platten wurden am 7. 5. 1987 (Auftrag A), 22. 6. 1986 (Auftrag B) und in der Zeit zwischen 5. und 12. 6. 1987 (Auftrag C) jeweils in den von der klagenden Partei zur Verfügung gestellten Transportkisten zur beklagten Partei gebracht und nach Lackierung und Rückverpackung in die von der klagenden Partei zur Verfügung gestellten Transportkisten durch Arbeiter der beklagten Partei am 10. 6. 1987 (Auftrag A) und am 6. 7. 1987 (Auftrag B) sowie am 23. 6. 1987 (Auftrag C) von der klagenden Partei bzw. einem von ihr beauftragten Transportunternehmen abgeholt und zur klagenden Partei gebracht.

Die klagende Partei unterließ jeweils nach Anlieferung der lackierten Strapan-Platten deren Untersuchung auf Mängel, sie veranlaßte an den jeweils folgenden Tagen deren Weitersendung an ihren Kunden, die Firma A*** in Irland.

Die beklagte Partei fakturierte ihre Leistungen am 29. 5. 1987 mit S 47.866,36 (Auftrag A), am 7. 7. 1987 mit S 38.475,-

(Auftrag B), und am 22. 6. 1987 mit S 108.000,- (Auftrag C). Mit Fernschreiben vom 30. 6. 1987 bemängelte die Fa. A*** gegenüber der klagenden Partei, daß die ersten 40 gelieferten rubinroten Strapan-Platten (aus Auftrag C) anscheinend vor gänzlicher Trocknung in Kisten verpackt worden seien. Das Zwischenlagepapier sei in jede Platte eingedrückt, bilde Falten und sei zerknittert; es befänden sich Fußabdrücke auf einigen Platten, als ob jemand nach Lackierung darübergegangen wäre; weiters sei bei einigen Platten die Lackierung abgeblättert und die Metalloberfläche sichtbar. Wegen der Lieferverspätung habe A*** keine andere Möglichkeit, als an ihre Kunden zu liefern, sollte sie sich einer Zurückweisung gegenübersehen, würde sie die klagende Partei zur gegebenen Zeit benachrichtigen.

Mit Fernschreiben vom 14. 7. 1987 teilte die Fa. A*** der klagenden Partei mit, die 125 moosgrün lackierten Strapan-Platten (Auftrag B) wegen ihrer Beschaffenheit völlig zurückzuweisen, verwies auf ihre Stellungnahme bezüglich der bereits gelieferten rubinroten Platten und teilte mit, sie sei bestrebt, eine irische Firma zu finden, die die Rückseite der Platten lackiere.

Mit Fernschreiben vom 15. 7. 1987 teilte die Fa. A*** der klagenden Partei weiters mit, daß sich die Farbe von den moosgrünen Platten nach dem Herausnehmen aus den Kisten ablöse. Das Zwischenlagepapier, das tatsächlich bloß ein Papierstreifen am Mittelpunkt jeder Platte sei, decke die Platte nicht voll, sei in jede Platte eingedrückt und könne daher nicht beseitigt werden.

Ihrer Meinung nach seien die Platten in noch nassem Zustand verpackt worden. Die gesamte Menge von 125 Platten würde zurückgewiesen. Mit Fernschreiben vom 16. 7. 1987 leitete die klagende Partei die Bemängelung der 125 moosgrünen Strapan-Platten (Auftrag B) an die beklagte Partei weiter. Diese erwiderte mit Fernschreiben vom 17. 7. 1987, es habe aufgrund der kurzen, für die Fertigstellung und Auslieferung zur Verfügung stehenden Zeit die Beschichtung nicht ausreichend aushärten können. Dadurch, und durch das große Gewicht der übereinander liegenden Platten, könne es vorkommen, daß die Einlage kleben bleibe. Das Papier sei nach gutem Durchfeuchten mit reinem Wasser leicht zu entfernen. Kleine Lackschäden im Randbereich müßten durch leichtes Anschleifen und Überlackieren ausgebessert werden. Nach Bekanntgabe der benötigten Farbmenge werde die beklagte Partei das Material gerne kostenlos zur Verfügung stellen. Diese Nachricht gab die klagende Partei mit Fernschreiben vom 17. 7. 1987 sinngemäß an die Fa. A*** weiter. Es sei nicht auszuschließen, daß die Platten während des Transportes einer zu großen Belastung ausgesetzt gewesen seien.

Mit Telex vom 20. 7. 1987 teilte die Fa. A*** der klagenden Partei mit, sie werde die 125 moosgrünen Platten in Irland lackieren lassen und die damit verbundenen Kosten der klagenden Partei in Rechnung stellen. Mit einem weiteren Fernschreiben vom selben Tag teilte sie mit, daß die perlweißen, nußbraunen und moosgrünen Platten (Auftrag A) gleichfalls zurückgewiesen werden, sollten sie ebenfalls von der beklagten Partei lackiert worden sein.

Die klagende Partei teilte daraufhin mit Fernschreiben vom 21. 7. 1987 der beklagten Partei mit, daß die Fa. A*** keine Möglichkeit sehe, als die 125 moosgrün lackierten Platten noch einmal lackieren zu lassen, und die Befürchtung hege, daß auch bei den laut Auftrag vom 29. 4. 1987 lackierten Platten die gleichen Probleme auftreten werden.

Daraufhin ersuchte die beklagte Partei mit Telex vom 22. 7. 1987 die klagende Partei um Dokumentierung der Schäden mittels Fotos, aus denen der gesamte Schadensumfang ersichtlich sei.

Mit Telex vom 11. 8. 1987 teilte schließlich die Fa. A*** der klagenden Partei mit, daß, wie befürchtet, auch die komplette Lieferung an rubinrot lackierten Strapan-Platten von ihrem Kunden zurückgewiesen worden sei. Die Farbe löse sich von den Platten und gehe herunter, wenn versucht werde, das Zwischenpapier zu entfernen. Es sei eine komplette Wiederholung der Probleme, wie sie bereits beim Auftrag "moosgrüne Strapan-Platten" aufgetreten seien. Der Kunde der Fa. A*** beklage sich auch, daß die Farbe nicht innerhalb der Toleranzen (für diese Farbe) liege. Den Inhalt dieses Fernschreibens leitete die klagende Partei mit Telex vom 12. 8. 1987 an die beklagte Partei weiter.

Mit Fernschreiben vom 14. 10. 1987 fragte die klagende Partei bei der beklagten Partei an, ob sie bereit sei, die beanstandeten 80 rubinrot lackierten Platten auf ihre Kosten zu reparieren oder neu zu lackieren und welche Zeit hiefür notwendig wäre. Sollte die Fa. A*** den dafür notwendigen Zeitraum nicht akzeptieren, werde die beklagte Partei aufgefordert, eine Lackierfirma ihres Vertrauens in Irland zu nennen. Die beklagte Partei erwiderte mit Fernschreiben vom 15. 10. 1987, sie könne keinerlei Kosten übernehmen, da sie für Beschädigungen an den gegenständlichen Platten, die im übrigen nicht ausreichend nachgewiesen seien, nicht verantwortlich sei. Eine neue Lackierung durch die beklagte Partei müßte von der klagenden Partei bezahlt werden.

Die klagende Partei bezahlte an die beklagte Partei am 16. 7. 1987 S 47.866,- (Auftrag A), am 6. 8. 1987 S 38.475,-

(Auftrag B), und am 21. 7. 1987 S 108.000,- (Auftrag C). Mit der vorliegenden Klage begehrt die klagende Partei die Verurteilung der beklagten Partei zur Zurückzahlung der vorgenannten Beträge. Ihr Kunde in Irland habe die im einzelnen angeführten Mängel reklamiert, sie habe die Reklamation an die beklagte Partei weitergeleitet, diese verweigere aber eine Verbesserung, weshalb sich die klagende Partei zur Vertrags-Wandlung genötigt sehe. Sie begehre daher den in Unkenntnis des Mangels geleisteten Werklohn zurück. Außerdem stütze sie ihren Klageanspruch auf den Titel des Schadenersatzes, da sie ihr irischer Kunde bereits mit Schadenersatzansprüchen in Höhe des Klagsbetrages belastet habe. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein: Die klagende Partei habe die Rechnungen pünktlich und anstandslos bezahlt. Da vereinbart gewesen sei, daß Zahlung erst "nach Richtigbefund" der Leistung erfolge, habe die klagende Partei durch Begleichung der Forderung auf Gewährleistungsansprüche verzichtet. Die Platten seien der klagenden Partei jeweils ordnungsgemäß behandelt übergeben worden, für Transport- und Montageschäden hafte die beklagte Partei nicht. Überdies sei die Bemängelung durch die klagende Partei verspätet erfolgt. Dem erwiderte die klagende Partei, sie habe die Mängel unverzüglich nach Auftreten gerügt. Die beklagte Partei sei auf die diversen Rügen eingegangen und habe die Mängel anerkannt und damit auf die Einrede einer verspäteten Mängelrüge verzichtet. Die Zahlungen seien zu einem Zeitpunkt erfolgt, als die Lieferung bereits als mangelhaft beanstandet gewesen sei und könnten daher nicht als Verzicht auf Gewährleistungsansprüche aufgefaßt werden.

Die Überweisung der Rechnungsbeträge sei irrtümlich durch die Finanzabteilung der klagenden Partei ohne Rücksprache mit dem zuständigen Referenten erfolgt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es legte seiner Entscheidung im wesentlichen die wiedergegebenen Feststellungen zugrunde, insbesondere nahm es an, daß die Strapan-Platten bei der Fa. A*** in Dublin am 11. 6. 1987 (Auftrag A), am 7. 7. 1987 (Auftrag B) und am 25. 6. 1987 (Auftrag C) einlangten und daß die Zahlungen durch die klagende Partei jeweils vorbehaltlos erfolgten.

Darüberhinaus stellte es fest: Hätte die klagende Partei die von der beklagten Partei lackierten Platten vor der Weiterversendung an die Fa. A*** in Dublin auf Mängel untersucht, hätte sie die in der Folge von der Fa. A*** behaupteten Mängel - sollten diese tatsächlich gegeben sein - feststellen und erkennen können.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, daß die klagende Partei ihrer auch für Werkverträge geltenden Rügepflicht nicht rechtzeitig nachgekommen sei und die ihr tunliche Untersuchung der Ware vor Weiterlieferung unterlassen habe, sodaß die Ware als genehmigt gelte und Gewährleistungsansprüche ebenso wie Schadenersatzansprüche aus mangelhafter Lieferung ausgeschlossen seien.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge und erklärte die Revision für zulässig. Es trat der Ansicht der klagenden Partei bei, daß es sich im vorliegenden Falle nicht um einen Werklieferungsvertrag sondern um einen Werkvertrag handle und daß die Bestimmung des § 381 Abs.2 HGB den Anwendungsbereich der Vorschriften über den Handelskauf ausdrücklich nur auf Werklieferungsverträge über unvertretbare bewegliche Sachen erweitere. Eine entsprechende Anwendung der Grundsätze des Handelskaufes und der in § 377 HGB geforderten unverzüglichen Rüge auf den Werkvertrag sei im BGHZ 1, 234, 241 für denkbar angesehen worden. In seiner Entscheidung SZ 41/133 habe der Oberste Gerichtshof die Verpflichtung des Bestellers einer Kinoreklame (bestehend aus Disapositiv, Bild und Sprechstreifen) zur unverzüglichen Rüge bejaht. In der Entscheidung SZ 55/79 sei ausgesprochen worden, daß bei reinen Werkverträgen keine kaufmännische Rügepflicht bestehe; die Anwendung des § 377 HGB setze voraus, daß die verkaufte Ware "abgeliefert" worden sei. Die Ablieferung sei ein rein faktischer Vorgang, durch den der Käufer in Erfüllung des Kaufvertrages in eine solche tatsächliche räumliche Beziehung zur Kaufsache komme, daß er vermöge der so vermittelten Verfügungsgewalt nunmehr die Beschaffenheit der Ware prüfen könne. Wenngleich das hier vorliegende, zwischen den Streitteilen geschlossene Rechtsgeschäft zwar als Werkvertrag zu qualifizieren sei, so habe es doch hinreichende Elemente, die unter Beachtung der Grundsätze von Treu und Glauben (§ 346 HGB) eine zumindest analoge Anwendung des § 377 HGB rechtfertigten. An den von der klagenden Partei beigestellten Platten sei mit Farben der beklagten Partei eine werterhöhende Veränderung ihrer Beschaffenheit durch Lackieren vorzunehmen gewesen und danach seien die Platten wieder von der klagenden Partei übergeben worden. Diese sei daher zur unverzüglichen und sachgemäßen Untersuchung und Anzeige allfälliger Mängel verpflichtet gewesen. Sie habe im erstinstanzlichen Verfahren auch keine besonderen Umstände aufgezeigt, aufgrund deren es dem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entsprochen hätte, daß sie ihrem Kunden A*** die Platten ohne Untersuchung weitergesandt habe und solcherart erst die Ablieferung bei diesem Kunden für die Rügefrist maßgebend erschienen wäre. Die behauptete Kenntnis der beklagten Partei davon, daß die zu lackierenden Fassadenplatten für einen ausländischen Kunden bestimmt waren, mache den Vertrag zwischen den Streitteilen nicht zum Streckengeschäft. Die Waren seien von der klagenden Partei übernommen und nicht von der beklagten Partei an die Abnehmerin der klagenden Partei ausgeliefert worden. Die Art der Verpackung der Platten in Behältnissen der klagenden Partei sei auch keine Originalverpackung in dem Sinne, daß sie nach den im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen erst vom Abnehmer der klagenden Partei zu öffnen gewesen wäre. Somit habe die klagende Partei die Ausführung der Lackierung durch Unterlassung einer rechtzeitigen Rüge genehmigt. Ihrer Ansicht, die beklagte Partei habe auf den Einwand der Verspätung der Mängelanzeige dadurch verzichtet, daß sie diesen Einwand erstmals in der Klagebeantwortung erhob, zuvor aber Verbesserung zugesagt habe, könne nicht gefolgt werden. Ein schlüssiger Verzicht sei nur anzunehmen, wenn der Schuldner unter Bedachtnahme auf die im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche, insbesondere wegen Nichtgeltendmachung des Anspruches während eines längeren Zeitraumes, aus der Untätigkeit des Gläubigers den zweifelfreien Schluß ziehen durfte und auch zog, der Gläubiger habe auf seinen Anspruch ernstlich verzichtet. Im Verhalten der beklagten Partei könne weder eine Verbesserungszusage noch ein Verbesserungsversuch erblickt werden, sie habe von Anfang an den Standpunkt vertreten, daß das Ankleben der Papiereinlagen nicht von ihr zu vertreten sei. Die Bereitschaft, das zum Ausbessern benötigte Farbmaterial kostenlos zur Verfügung zu stellen, bedeute ebensowenig ein Anerkenntnis einer Verpflichtung zur Verbesserung wie die Erteilung von Ratschlägen, auf welche Weise das Papier von den Platten zu lösen sei. Die beklagte Partei habe stets die Meinung vertreten, Ursache für die behaupteten Mängel seien die Kürze der Zeit zur Fertigstellung und zur Auslieferung sowie ein unsachgemäßer Transport gewesen. Eine Berufung auf die Verspätung der Mängelanzeige sei schon deshalb nicht erforderlich gewesen, weil die klagende Partei die in Rechnung gestellten Leistungen der beklagten Partei fristgerecht bezahlt habe. Weder im Fernschreiben Beilage ./Q noch in jenem Beilage ./D1 könne ein ausdrückliches Anerkenntnis von Mängeln oder eine Zusage zur Schadensbehebung erblickt werden. Im übrigen sei darauf zu verweisen, daß die von Amts wegen wahrzunehmende 6-monatige Gewährleistungsfrist des § 933 Abs.1 ABGB bei Einbringung der Klage am 18. 12. 1987 hinsichtlich der am 10. 6. 1987 erfolgten Lieferung (Auftrag A) bereits abgelaufen gewesen sei, sodaß der diesbezüglich erhobene Rückzahlungsanspruch von S 47.866,- keinesfalls bestehe. Schließlich habe die klagende Partei die Arbeiten der beklagten Partei auch rechtsgeschäftlich genehmigt, weil sie nach Beanstandung Zahlungen von S 108.000,- und S 38.475,- ohne Vorbehalt der Rückzahlung geleistet habe; dieses Verhalten gelte nach der Erklärungssitte als konkludente Genehmigung der Leistung und verwehre einen Rückforderungsanspruch gemäß § 1431 ABGB. Soweit die klagende Partei ihren Anspruch auf den Titel des Schadenersatzes stütze, habe sie auch einen solchen Anspruch durch Versäumung der rechtzeitigen Mängelrüge verloren. Zudem handle es sich hiebei nicht um einen Mängelfolgeschaden, sondern um einen Schaden, der bereits durch die Existenz des Mangels entstanden und nicht ersatzfähig sei. Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung richtet sich die auf den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der klagenden Partei mit dem Antrage, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne der Klagestattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Revisionswerberin bringt vor, gemäß § 381 Abs.2 HGB fänden die Rügebestimmungen der §§ 377 ff HGB nur auf Werklieferungsverträge, nicht aber auf Werkverträge Anwendung und die Stellung des Werkbestellers dürfe nicht dadurch geschwächt werden, daß man entgegen der klaren Gesetzesaussage im Wege einer extensiven Interpretation auch Werkverträge diesen Bestimmungen unterstelle. Selbst bei beiderseitigen Handelsgeschäften seien bei Vorliegen eines Werkvertrages die Bestimmungen des ABGB über die 6- monatige Gewährleistungsfrist anzuwenden, höchstens könne aber nach der ratio der handelsrechtlichen Bestimmungen verlangt werden, daß die Rüge "entsprechend bald" erhoben werde. Der Verpflichtung zur baldigen Mängelrüge habe die klagende Partei aber jedenfalls entsprochen. Dagegen habe die beklagte Partei nicht rechtzeitig auf die angebliche Verspätung der Mängelrüge hingewiesen und damit auf diese Einrede verzichtet. Vielmehr habe sie die Mängel sogar, insbesondere mit dem Telex Beilage ./Q, anerkannt und einen Verbesserungsvorschlag unterbreitet sowie eine Verbesserungszusage gemacht. Richtig sei, daß hier kein Streckengeschäft vorliege, der beklagten Partei sei aber klar gewesen, daß zufolge der Dringlichkeit eine Untersuchung der verpackten Ware auf Mängel erst beim Abnehmer in Irland erfolgen würde. Maßgebend für den Beginn der Rügefrist sei somit die Ablieferung der Ware an den Abnehmer. Da die Dauer der Aushärtungszeit sogar unter Fachleuten umstritten sei, habe es sich nicht um einen offenen, sondern um einen versteckten Mangel gehandelt, sodaß die Klagefrist des § 933 Abs.1 ABGB erst nach dessen Erkennbarkeit begonnen habe und auch der Rückforderungsanspruch von S 47.866,- nicht verfristet sei. Die Zahlungen durch die klagende Partei seien nicht vorbehaltlos sondern irrtümlich erfolgt, die beklagte Partei habe in der Zahlung auch kein Anerkenntnis erblicken können, weil die bereits erhobene Mängelrüge einer solchen Annahme entgegengestanden sei. Die Zahlung habe sich konträr zur schriftlichen Mängelrüge verhalten, sodaß eine Rückforderung auch unter rechtsgeschäftlichen Aspekten nicht ausgeschlossen erscheine.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist gerechtfertigt.

Nach § 381 Abs.2 HGB finden die Vorschriften dieses Gesetzbüches über den Handelskauf auch Anwendung, wenn aus einem vom Unternehmer zu beschaffenden Stoff eine nicht vertretbare bewegliche Sache herzustellen ist. Der Werklieferungsvertrag als Sonderform des Werkvertrages (vgl. Krejci in Rummel ABGB2 Rz 7 zu §§ 1165, 1166; Kramer in Straube HGB Rz 4 zu § 381) unterliegt somit den Bestimmungen der §§ 377 f HGB über die kaufmännische Rügepflicht (SZ 41/133; SZ 46/127; SZ 55/79 uva). Nach der nunmehr ständigen Rechtsprechung (SZ 55/79; JBl 1986, 37; 1 Ob 617/83; 2 Ob 661/84; 4 Ob 1522/88 uva; vgl. auch Krejci aaO Rz 8 zu § 1167 und Kramer aaO Rz 9 zu § 377, Rz 6 zu § 381) gilt diese vom Gesetz ausdrücklich auch für Werklieferungsverträge vorgesehene Rügepflicht nicht für den reinen Werkvertrag. Stellt daher der Unternehmer ein Werk im wesentlichen (vgl. Krejci aaO Rz 114 zu §§ 1165, 1166) aus einem vom Besteller bereitgestellten Stoff nach dessen individuellen Wünschen durch Be- und Umarbeitung her, so liegt jedenfalls ein Werkvertrag vor. Selbst die Beistellung des Stoffes durch den Unternehmer schließt das Vorliegen eines Werkvertrages nicht unbedingt aus (vgl. Krejci aaO Rz 5, 114 zu §§ 1165, 1166). Während beim Kauf Eigentum an der gekauften Sache übertragen wird, entfällt eine solche Eigentumsübertragung, wenn das Werk aus dem Stoff des Bestellers ausgeführt wird. Schon deswegen kann in einem solchen Falle kein Kauf vorliegen, auch wenn Zutaten vom Unternehmer beigestellt werden und diesbezüglich Eigentum übertragen wird (Krejci aaO Rz 123, 126 zu §§ 1165, 1166). Vertragsgegenstand ist nicht eine Sache, sondern Arbeit (Brüggemann in Großkommentar3 IV Rz 57 zu § 381 HGB) Die beklagte Partei übernahm hier den Auftrag, ihr von der klagenden Partei zur Verfügung gestellte Fassadenplatten zu lackieren und nach dieser Bearbeitung wieder an die klagende Partei selbst zurückzustellen. Es kann auch im Sinne der Bestimmung des § 1166 ABGB keinem Zweifel unterliegen, daß damit die Herstellung eines Werkes vereinbart wurde. Demgemäß sind aber die Regeln über die kaufmännische Rügepflicht auf das zwischen den Streitteilen geschlossene Rechtsgeschäft nicht anwendbar. Vielmehr gilt hiefür die Vorschrift des § 1167 ABGB über die Gewährleistung für Mängel eines Werkes. Im Sinne des letzten Satzes dieser Bestimmung gelten die Fristen des § 933 ABGB auch für die Gewährleistung beim Werkvertrag (7 Ob 288/74; SZ 54/81; 2 Ob 701/86 ua; Reischauer in Rummel ABGB2 Rz 2 zu § 933), so insbesondere auch bei Lieferung beweglicher Sachen (SZ 47/118; 1 Ob 823/82 ua) die 6-monatige Frist, deren Lauf mit der Übergabe ("Ablieferung") beginnt (Spr 17 neu = SZ 6/257; HS 7341/51; MietSlg 35.104 uva).

Hieraus folgt, daß der von der klagenden Partei hinsichtlich der am 10. 6. 1987 an sie nach Bearbeitung durch die beklagte Partei zurückgestellten Platten (Auftrag A) erhobene Gewährleistungsanspruch bei Klageeinbringung am 18. 12. 1987 bereits verfristet war, die Gewährleistungsansprüche hinsichtlich der beiden übrigen Werkherstellungen von ihr aber rechtzeitig erhoben wurden. Der Revisionsbehauptung, bei den Mängeln der Plattenbearbeitungen betreffend den Auftrag A habe sich um verborgene Mängel gehandelt, steht die Feststellung entgegen, daß diese behaupteten Mängel von der klagenden Partei bei einer Untersuchung hätten festgestellt und erkannt werden können. Das Vorliegen augenfälliger Mängel der Plattenbearbeitung laut Aufträgen B und C wurde weder behauptet - die beklagte Partei bestritt die Mangelhaftigkeit ihrer Bearbeitung - noch liegen Feststellungen in dieser Richtung vor. Auf die Frage der Erheblichkeit augenfälliger oder verborgener Mängel (vgl Reischauer aaO Rz 2 zu § 928 und Rz 3, 3a zu § 933) ist daher nicht einzugehen.

Hinsichtlich der Werkherstellung durch Plattenbearbeitung zu den Aufträgen B und C kann die klagende Partei also zufolge rechtzeitiger Geltendmachung ihrer Gewährleistungsansprüche im Falle des Vorliegens wesentlicher, wenn nur nicht leicht behebbarer Mängel, Wandlung begehren (SZ 49/60; 1 Ob 707/85; 10 Ob 510/88 ua). Dem stehen auch nicht die von ihr geleisteten Zahlungen entgegen. Der Umstand, daß die klagende Partei zum Zeitpunkt ihrer Zahlungen die Bearbeitung der Platten bereits beanstandet hatte, bedeutet keinesfalls, sie habe damals vom Nichtbestehen der bezahlten Schuld gewußt, immerhin bestand die Möglichkeit, daß die gerügten Mängel von der beklagten Partei oder von einem Dritten auf ihre Kosten behoben werden. Im Sinne des § 1432 ABGB ist Wissen nur sichere Kenntnis vom Nichtbestand der Schuld. Zweifel schließen die Rückforderung nicht aus, ebensowenig die Zahlung in Kenntnis der Anfechtbarkeit oder sonstiger vernichtender, aber noch nicht geltend gemachter Einreden (Rummel in Rummel ABGB Rz 7 zu § 1232; vgl weiters HS 3150).

Der hinsichtlich der begehrten Wandlung als verfristet erkannte Klageanspruch von S 37.866,- wurde von der klagenden Partei hilfsweise auch auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes gestützt. Diesen Rechtsgrund haben die Vorinstanzen unter Hinweis auf die damals noch herrschende ständige Rechtsprechung verneint, wonach bei Mangelhaftigkeit des Werkes nach Ablauf der Gewährleistungsfrist jeder Schadenersatz und insbesondere gerade der Ersatz des Schadens ausgeschlossen ist, den der Besteller (Käufer) schon durch die bloße Existenz des Mangels erleidet (HS 1848; HS I/67; HS I/75; HS 6393; SZ 44/20 u.a). Diese Rechtsprechung ist jedoch durch die inzwischen ergangene Entscheidung des verstärkten 1. Senates vom 7. 3. 1990 1 Ob 536/90 (= JBl. 1990,599) überholt. Nach dieser Entscheidung und der seither ergangenen Rechtsprechung bestehen jedenfalls im Werkvertragsrecht Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche in voller Konkurrenz nebeneinander. Der Besteller kann daher wegen Mängel des Werkes auch noch nach Ablauf der Gewährleistungsfrist, aber innerhalb der Verjährungsfrist des § 1489 ABGB vom Unternehmer das Erfüllungsinteresse fordern, soferne die Mängel auf rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Unternehmers zurückzuführen sind.

Somit ist der klagenden Partei mangels hier gegebenen Ablaufes der dreijährigen Verjährungszeit des § 1489 ABGB die Geltendmachung des vorgenannten Klageanspruches unter dem Titel des Schadenersatzes grundsätzlich nicht verwehrt.

Der Revision war deshalb Folge zu geben. Im fortgesetzten Verfahren wird das Vorliegen der von der klagenden Partei behaupteten wesentlichen Mängel der Plattenbearbeitungen sowie der weiteren Voraussetzungen (Auftrag A) für einen Schadenersatzanspruch zu prüfen und auf der ergänzten Sachverhaltsgrundlage über die Klageansprüche neu zu entscheiden sein.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E22632

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0080OB00631.89.1129.000

Dokumentnummer

JJT_19901129_OGH0002_0080OB00631_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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