TE OGH 1990/12/18 10ObS401/90

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Veröffentlicht am 18.12.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Sylvia Krieger (Arbeitgeber) und Reinhold Ludwig (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Manfred P***, 8720 Knittelfeld, J.Tomschikgasse 17, vertreten durch Dr.Gottfried Reif, Rechtsanwalt in Judenburg, wider die beklagte Partei P***

DER A*** (Landesstelle Graz), 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 2.August 1990, GZ 7 Rs 57/90-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 8.März 1990, GZ 21 Cgs 311/88-26, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 3.7.1961 geborene Kläger leidet seit seinem 3.Lebensjahr an Epilepsie. Bei ausreichender Medikamenteneinnahme, deren Notwendigkeit der Kläger erkennen kann und die ihm zumutbar ist, treten bis zu zweimal monatlich unerwartet und ohne Vorwarnung große Anfälle auf, die einschließlich der Verdämmerungszeit mit einer Arbeitsunfähigkeit von jeweils 4 Stunden verbunden sind. Abgesehen von diesen Anfallszeiten kann der Kläger sämtliche (auch schwere) Arbeiten in jeder Körperhaltung verrichten. Ausgeschlossen sind lediglich Arbeiten an exponierten Stellen und mit spitzen oder scharfen Gegenständen, weiters Tätigkeiten in Nachtschicht und unter dauernder Lichtexposition (Schweißarbeiten) sowie das Lenken von Kraftfahrzeugen und Fahrrädern. Der Kläger hat keinen Beruf erlernt und war von 1976 bis 1987 mit Unterbrechungen als Hilfsarbeiter im Baugewerbe und in der Metallindustrie erwerbstätig. Seinem Leistungskalkül entsprechen unter anderem noch die Tätigkeiten eines Verpackers, eines Hof- oder Platzarbeiters und eines Botengängers. Das Erstgericht gab dem auf Gewährung der Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1.9.1988 gerichteten Klagebegehren statt und trug der beklagten Partei die Erbringung einer vorläufigen Zahlung von S 3.000 monatlich auf. Es führte in rechtlicher Beurteilung des eingangs wiedergegebenen Sachverhaltes aus, das Anfallsleiden des Klägers trete in einer Schwere und Häufigkeit auf, daß eine erhebliche Störung des Betriebsablaufes bewirkt werde. Der Kläger sei daher auf das Entgegenkommen eines Arbeitgebers angewiesen und auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr verwendbar.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil im Sinne einer Klagsabweisung ab. Ein Anfallsleiden wie Epilepsie sei im allgemeinen kein Hindernis für eine geregelte Erwerbstätigkeit. Nur wenn die Anfälle ein solches Maß erreichten, daß der Versicherte in das Erwerbsleben überhaupt nicht mehr eingeordnet werden könne, sei er auch unfähig, eine ihm sonst zumutbare Erwerbstätigkeit auszuüben. Dieses Ausmaß hänge vom Grad der Erkrankung ab, der sich in der Häufigkeit der Anfälle, im Schweregrad der einzelnen Anfälle, in den Folgeerscheinungen (notwendige Arbeitspausen und Krankenstände) sowie in der Vorhersehbarkeit der Anfälle zeige. Ein bis zwei Anfälle im Monat würden im allgemeinen noch nicht Invalidität begründen, da die Anfälle erfahrungsgemäß nicht nur während der Arbeitszeit, sondern unabhängig von jeweiliger Tätigkeit auftreten. Sei das Leiden durch zumutbare Behandlung besserbar, so sei der Versicherte bei sonstigem Leistungsverlust zur Behandlung verpflichtet. Der Kläger hätte, würde er sich konsequent einer zweckmäßigen medikamentösen Behandlung unterziehen, nur ein bis zwei Anfälle pro Monat zu gewärtigen. Darunter würde im Durchschnitt höchstens einer in die Tagesarbeitszeit fallen und den Ausfall seiner Arbeitskraft durch rund 4 Stunden zur Folge haben. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß ein solcher Anfall unvorhersehbar aufträte und ohne Vorankündigung Arbeitsunfähigkeit des Klägers vom Arbeitsplatz weg zur Folge hätte, erreiche die Schwere der Erkrankung kein Ausmaß, daß der Kläger vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen wäre. Krankenstände in der Dauer von 4 Stunden monatlich seien nicht geeignet, Invalidität zu begründen. Die konsequente medikamentöse Behandlung sei dem Kläger zumutbar. Der Kläger könne zumindest die Tätigkeit eines Verpackers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Kläger erhobene Revision ist nicht berechtigt. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist zutreffend. Auch an sich gesunde Menschen unterliegen gelegentlich längeren Krankheiten als es ein epileptischer Anfall darstellt (vgl SSV-NF 2/20). Daß der Kläger nur bei entsprechendem Entgegenkommen des Arbeitgebers eine zumutbare Beschäftigung ausüben könnte, ist weder festgestellt noch durch irgendwelche Beweisergebnisse belegt. Selbst Krankenstände von ein bis zwei Tagen monatlich würden nicht zum Ausschluß vom allgemeinen Arbeitsmarkt führen. Auch die Revisionsbehauptung, dem Kläger mangle die Einsicht in die Notwendigkeit einer medikamentösen Behandlung und dieser Einsichtsmangel sei Teil der Krankheit selbst, geht nicht von den Feststellungen aus, wonach der Kläger die Notwendigkeit einer Medikamenteneinnahme erkennen kann und ihm eine solche zumutbar ist (Seite 2 des Ersturteils). Die Revision ist daher insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt. Schließlich ist auch die Befürchtung, der Kläger könne bei einem Anfall "in die Verpackungsmaschine geraten" und brauche daher während seiner ganzen Arbeitszeit eine Aufsichtsperson, durch die Feststellungen nicht gedeckt. Das Erstgericht hat nämlich festgestellt, daß der Kläger unter anderem die Tätigkeit eines Verpackers, die keineswegs mit einer Arbeit an Maschinen verbunden sein muß, weiterhin ausüben kann; es hat lediglich gemeint, er sei dabei vom Entgegenkommen des Arbeitgebers abhängig. Diese Annahme ist aber unbegründet. Das Berufungsgericht hat vielmehr zutreffend erkannt, daß die Voraussetzungen für die Gewährung einer Invaliditätspension nach dem für den Kläger maßgebenden § 255 Abs 3 ASVG nicht vorliegen. Ob sich der Zustand des Klägers seit seinem Eintritt in das Arbeitsleben überhaupt verschlechtert hat und ob das Anfallsleiden allenfalls mangels Verschlechterung bei der Beurteilung des Versicherungsfalles der geminderten Arbeitsfähigkeit nicht zu berücksichtigen wäre (vgl JUS 1990/500 = SSV-NF 4/60 - in Druck), muß daher nicht mehr geprüft werden.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch an den unterlegenen Kläger nach Billigkeit wurden nicht geltend gemacht und sind nach der Aktenlage auch nicht ersichtlich.

Anmerkung

E22666

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:010OBS00401.9.1218.000

Dokumentnummer

JJT_19901218_OGH0002_010OBS00401_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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