TE OGH 1990/12/19 9ObS17/90

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Veröffentlicht am 19.12.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Carl Hennrich und Mag.Michael Zawodsky als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Hermann K***, Angestellter, Wien 12., Längenfeldgasse 68/7/4, vertreten durch Dr.Bernhard Hainz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A*** V***, Wien 4., Schwindgasse 5,

vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., wegen Insolvenz-Ausfallgeld (S 14.672,80 sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3.September 1990, GZ 31 Rs 154/90-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 4.Mai 1990, GZ 22 Cgs 1501/90-7, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Revisionskosten selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit rechtskräftigem Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 25.3.1988, 16 Cga 3687/87-12, wurde der frühere Arbeitgeber des Klägers verpflichtet, diesem an Entgelt- und Schadenersatzansprüchen aus dem am 9.2.1987 aufgelösten Arbeitsverhältnis S 216.542,47 brutto samt Stufenzinsen und Kosten zu bezahlen. Der Kläger stellte auf Grund dieser Entscheidung den Antrag, über das Vermögen seines Arbeitgebers den Konkurs zu eröffnen. Dieser Antrag wurde mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 23.11.1988, 6 Nc 375/88-10, mangels (hinreichenden) Vermögens abgewiesen.

Auf Grund des zitierten Urteils des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien gewährte das beklagte A*** dem Kläger mit Bescheid vom 1.9.1989, Zl 920/667/1/88, ein Insolvenz-Ausfallgeld in Höhe von S 259.599,-, lehnte aber den Nachtragsantrag des Klägers vom 28.9.1989, ihm für tarifmäßige Verfahrenskosten und Barauslagen "im Zuge der Teilnahme an dem Insolvenzentgeltsicherungsverfahren" weitere S 24.410,60 Insolvenz-Ausfallgeld zu gewähren, ab. Von dem verlangten Betrag von S 24.410,60 entfallen S 9.737,80 auf Kosten, die dem Kläger im Verfahren vor dem Handelsgericht Wien (Antrag auf Konkurseröffnung) aufgelaufen sind, während die weiteren Kosten von S 14.672,80 nach dem 20.9.1988 im (Verwaltungs-)Verfahren auf Gewährung eines Insolvenz-Ausfallgelds vor dem

A***-V*** entstanden sind.

Das Erstgericht gab dem Begehren des Klägers, das beklagte A*** zur Zahlung eines (weiteren) Insolvenz-Ausfallgelds von S 24.410,60 netto sA zu verpflichten, mit dem Teilbetrag von S 14.672.80 sA statt und wies das Mehrbegehren von S 9.737,80 sA - insoweit rechtskräftig - ab. Die Kosten von S 14.672,80 seien zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Sinne des § 1 Abs 2 IESG notwendig gewesen; die Aufzählung der Kosten in dieser Bestimmung sei nicht taxativ.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge, wies auch das noch streitverfangene Begehren auf Zahlung von S 14.672,80 sA ab und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Kosten, die dem Arbeitnehmer im Verfahren auf Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld entstehen, gehörten nicht zu den nach § 1 Abs 2 Z 4 lit a bis f IESG gesicherten Kosten; § 1 Abs 2 IESG beziehe sich nur auf jene Kosten, die in einem Verfahren gegen den (ehemaligen) Arbeitgeber entstanden seien. Ein Ersatz der notwendigen Kosten, die bei der Geltendmachung des Anspruchs auf Insolvenz-Ausfallgeld entstehen, käme nur in Betracht, wenn das IESG als eine der im § 74 Abs 2 AVG 1950 angesprochenen Verwaltungsvorschriften eine von der allgemeinen Regel des § 74 Abs 1 AVG 1950, wonach jeder Beteiligte die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenen Kosten selbst zu bestreiten habe, abweichende Anordnung getroffen hätte. Das sei jedoch nicht der Fall. Auch die in außergerichtlichen Vergleichen und Anerkenntnissen vereinbarten Prozeßkosten seien nur dann als gesicherte Ansprüche anzusehen, wenn sie im Zusammenhang mit der Durchsetzung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis gegen den (ehemaligen) Arbeitgeber entstanden seien.

Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Ersturteil wiederhergestellt werde.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Gemäß § 1 Abs 1 IESG haben Arbeitnehmer ... bei Konkurseröffnung über das Vermögen des Arbeitgebers und bei den gemäß § 1 Abs 1 Z 1 bis 7 IESG gleichgestellten Ereignissen (hier: Abweisung eines Antrages auf Eröffnung eines Konkurses mangels hinreichenden Vermögens) Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld für die nach Abs 2 gesicherten Ansprüche. Gesichert sind nach § 1 Abs 2 IESG nicht nur die in Z 1 bis 3 genannten (Haupt-)Ansprüche, sondern auch die in Z 4 lit a bis f demonstrativ aufgezählten, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten. Bei allen diesen Kosten handelt es sich um solche, die mit der gerichtlichen

oder - ausnahmsweise - außergerichtlichen (lit)Geltendmachung der nach § 1 Abs 2 Z 1 bis 3 IESG gesicherten (Haupt-)Ansprüche gegen den (ehemaligen) Arbeitgeber im Zusammenhang stehen, was durch die Worte "zur Durchsetzung seiner Ansprüche nach Abs 2 Z 1 bis 3" in lit a und d und ähnliche Wendungen in lit b, c, e und f zum Ausdruck gebracht wurde.

Es müssen also, wie schon in der wesentlich kürzeren Urfassung des IESG zum Ausdruck kam (§ 1 Abs 2 Z 4: "Die notwendigen Kosten, die bei der Geltendmachung derartiger Ansprüche" [= § 1 Abs 2 Z 1 bis 3 IESG] "entstehen"), Kosten sein, die zur Durchsetzung gesicherter Ansprüche im Sinne des § 1 Abs 2 Z 1 bis 3 IESG aufgewendet wurden, also in Verfahren, die sich gegen den Arbeitgeber richteten, oder

bei - gleichgestellten - außergerichtlichen Schritten gegen den Arbeitgeber entstanden sind. Grundsätzlich sind daher im Verfahren nach dem IESG nur akzessorische Kostenansprüche zur Durchsetzung gesicherter Hauptansprüche gesichert (9 Ob S 16/89; 9 Ob S 14/89; ecolex 1990, 104).

Die Generalklausel des § 1 Abs 2 Z 4 IESG ("die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten") kann somit über die in lit a bis f beispielsweise genannten Fälle hinaus nur auf sonstige Kosten sinngemäß angewendet werden, die dem Arbeitnehmer bei der Durchsetzung des gesicherten (Haupt-)Anspruchs gegen den Arbeitgeber entstanden sind.

Die Kosten, die dem Arbeitnehmer in dem gemäß § 5 IESG beim A*** anhängig zu machenden Verwaltungsverfahren entstehen, in dem über den Antrag auf Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld für einen gesicherten Anspruch entschieden wird, gehören hingegen nicht zu den Kosten nach § 1 Abs 2 Z 4 IESG. Es handelt sich dabei nicht um ein der Durchsetzung der gesicherten Ansprüche dienendes (gerichtliches) Verfahren, sondern um ein Verwaltungsverfahren, in dem wegen des Ausfalls des gesicherten Anspruches über die Gewährung eines öffentlich-rechtlichen Ersatzanspruches erkannt wird. Da es sich um ein Verwaltungsverfahren handelt, hat jeder Beteiligte nach der Grundregel des § 74 Abs 1 AVG 1950 die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten. Ein Ersatz der notwendigen Kosten, die bei der Geltendmachung des Anspruchs auf Insolvenz-Ausfallgeld entstehen, käme nur dann in Betracht, wenn das IESG - als eine der im § 74 Abs 2 AVG 1950 angesprochenen Verwaltungsvorschriften - eine von der allgemeinen Regel des § 74 Abs 1 AVG 1950 abweichende Anordnung träfe. Das ist aber nicht der Fall.

Was die Revision gegen die zutreffende Rechtsansicht des Berufungsgerichtes vorbringt, vermag nicht zu überzeugen. Daß der Anspruchswerber auf Insolvenz-Ausfallgeld mitunter auch im Verwaltungsverfahren der Hilfe rechtskundiger Parteienvertreter bedürfte, kann am Fehlen eines gesetzlichen Kostenersatzanspruchs nichts ändern. Aus der Fassung des § 1 Abs 2 Z 4 lit f IESG kann der Revisionswerber schon deshalb nichts für seinen Rechtsstandpunkt ableiten, weil dort mit der Bezugnahme auf ein Verfahren "nach Abs 1" nur das Konkursverfahren und jene Verfahren gemeint sind, die der Gesetzgeber in § 1 Z 1 bis 7 IESG der Konkurseröffnung gleichgestellt hat. Das Verwaltungsverfahren auf Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld gehört nicht dazu.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Zu einem Kostenzuspruch an den Kläger nach Billigkeit (§ 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG) besteht kein Anlaß.

Anmerkung

E22475

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBS00017.9.1219.000

Dokumentnummer

JJT_19901219_OGH0002_009OBS00017_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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